Mörderische Kunst - Adrian Renshaw - E-Book

Mörderische Kunst E-Book

Adrian Renshaw

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Beschreibung

Nach einem überraschenden Lotteriegewinn zieht sich der erfolgreiche Leiter des Dezernats für Kapitalverbrechen in einer mittelgroßen Stadt an der Westküste der USA, Arturo Romero, in sein luxuriöses und amouröses Privatleben zurück. Es ist ihm jedoch nicht vergönnt, sein Privatleben ausgiebig zu genießen. Zwei Male schon wurde er entgegen seiner Absichten in Mordermittlungen hineingezogen. Und wieder hatte er geschworen, sein berufliches Leben dauerhaft hinter sich zu lassen. Doch dann wird er von einem privaten Ermittler kontaktiert, dass eine ungewöhnliche Erpressung stattfindet, wobei ausschließlich Romero – und keinesfalls die Polizei – die richtigen Schritte einleiten könnte. Denn es handelt sich um ungesetzliche und weitreichende Verstrickungen auch höchst angesehener Einwohner der Stadt, so der Anrufer. Widerwillig akzeptiert Romero eine Verabredung, nur um bei seinem Eintreffen festzustellen, dass der Anrufer erschossen worden war. Und auch wenn Romero verzweifelt versucht, seine Spuren zu verwischen, wird er von seinem früheren Team sogar als Verdächtiger identifiziert und ins Dezernat gebracht. Obwohl er bald jeden Verdacht zerstreuen kann, kann er es nicht vermeiden, in diesen Fall immer tiefer hineingezogen zu werden. Also akzeptiert er die Herausforderung und beginnt nicht nur diesen, sondern auch andere Vorfälle dieser Art unter die Lupe zu nehmen. Dabei stößt er nicht nur auf undurchsichtige Verbindungen der einflussreichsten Familie der Stadt zu den behaupteten verbrecherischen Vorgängen, die den Special Agent vor fast unlösbare Probleme stellen, er begegnet auch einer bezaubernden Schönheit, die ihn durch ihre sexuellen Vorlieben nahezu um den Verstand bringt. Begleiten Sie den gutaussehenden Special Agent Arturo Romero bei seiner dritten abenteuerlichen, aber auch humorvollen Mörderjagd, bei der sein ausschweifendes, detailgetreu geschildertes Liebesleben mit aufregenden Frauen nie zu kurz kommt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Adrian Renshaw

Mörderische Kunst

Ein Special-Agent Arturo Romero Krimi

Inhaltsverzeichnis

1 – Der Detektiv

2 – Der Auftraggeber

3 – Wieder an Bord

4 – Eine weitere Erpressung

5 – Bürokonflikte

6 – Der Erpresser

7 – Die Überwachung

8 – Sandra Burrell

9 – Die Kontaktperson

10 – Eric Burrell

11 – Malcolm Burrell

12 – Der Mordanschlag

13 – Epilog

Impressum

1 – Der Detektiv

„Unerhört!“

„Frechheit!“

„Pietätlos!“

Die Umstehenden des Trauerzugs für einen kürzlich verstorbenen, ehemaligen Arbeitskollegen von mir starrten mich strafend an. Und das nicht zu Unrecht. Schließlich hatte ich vergessen, mein Smartphone stummzuschalten, und wie üblich läutete es zum unpassendsten Zeitpunkt. Aber nicht nur diese Tatsache entrüstete die anderen Trauernden. Für ungewollte Anrufe, das heißt für Anrufer, die ihre Nummer unterdrückten, hatte ich einen besonderen Signalton hinterlegt. Schon vor Monaten war auf YouTube ein Beitrag viral gegangen, in dem eine Moderatorin während einer Live-Sendung einen Lachanfall bekommen hatte. Ihr Gelächter klang einerseits völlig irre aber andererseits auch ansteckend, wonach ich mir die Mühe gemacht hatte, diesen Tonschnipsel herunterzuladen, daraus ein mp3-File zu erzeugen und es für alle Anrufe zu verwenden, die ich ignorieren wollte. Und genau solch ein Anruf erreichte mich in diesem Augenblick. Kein Wunder, dass ich mir den Zorn der Leute um mich zuzog.

Ich öffnete hastig meinen Regenmantel, zog aus der Innentasche meiner Jacke das Mobiltelefon hervor und schaltete es auf lautlos. Dann entfernte ich mich von den Trauernden, indem ich eine Entschuldigung murmelte, ging einige Schritte zur Seite und stellte mich hinter einen der Bäume, die auf dem Friedhof von Glenrock County wuchsen. Üblicherweise boten diese Laubbäume angenehmen Schutz vor den stechenden Sonnenstrahlen, die an der Westküste den Großteil des Jahres auszuhalten waren, doch heute, an einem bewölkten, kühlen und windigen Februarvormittag, war dieser Nutzen nebensächlich. Ich wollte lediglich in Deckung gehen, bis der Zorn verraucht war.

Und dann musste ich mir überlegen, was ich mit dem Anruf machen sollte. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass der Anrufer immer noch in der Leitung wartete. Ich hatte zwar eine stark ausgeprägte Abneigung, anonyme Anrufe anzunehmen, auf der anderen Seite trieb mich meine berufliche Neugier doch dazu nachzufragen, wer meine Telefonnummer kannte, aber nicht in meiner Kontaktliste aufschien. Denn nur wenigen Leuten war meine Nummer überhaupt bekannt und diese riefen auch nicht unterdrückt an. Schließlich rang ich mich durch und akzeptierte den Call.

„Ja?“

„Mr. Romero?“, fragte eine Männerstimme. „Arturo Romero?“

„Wer will das wissen?“, antwortete ich vorsichtig.

„Mein Name ist Brian Jeffries. Ich bin Privatdetektiv aus Los Angeles und muss dringend Special Agent Romero sprechen.“

„Ich bin am Apparat“, antwortete ich, „was den Special Agent betrifft, muss ich Sie allerdings enttäuschen, ich arbeite nicht mehr für die Polizei. Und in LA war ich auch nie tätig.“

„Ich befinde mich auch in Glenrock County“, entgegnete der Detektiv, „und ich hörte, dass Sie der fähigste Kriminalpolizist in der Stadt hier wären.“

„Wie gesagt, es tut mir leid, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen. Woher haben Sie überhaupt meine Nummer?“

„Von einer gemeinsamen Bekannten, Cora Rinner.“

„Noch nie von dieser Frau gehört“, erwiderte ich. „Leben Sie wohl und kontaktieren Sie mich nicht mehr.“

Ich war dabei, den Ende-Button zu drücken, als ich seinen lauten Ausruf hörte. „Warten Sie bitte!“

Ich hielt das Smartphone wieder an mein Ohr. „Ich warte.“

„Ich habe ganz vergessen zu erwähnen, sie hatte mir ohnedies eingeschärft, Sie kennen sie nur unter ihrem … äh … Künstlernamen. Corinne.“

Mir fiel fast das Telefon aus der Hand. Mit Corinne verband ich sehr angenehme und leidenschaftliche Erinnerungen.

„Reden Sie weiter“, sagte ich nur.

Der Detektiv atmete hörbar auf. „Sehr gut. Ich wusste, dass sie lange in Glenrock wohnte und fragte sie, ob sie eine vertrauenswürdige Person aus dem Polizeiapparat kennt. Ich weiß, dass sie einflussreiche Leute zu ihren … äh … Geschäftspartnern zählte.“

Ich musste unwillkürlich schmunzeln. Corinne war eine Eskortdame der exklusivsten und teuersten Sorte gewesen. Ihre Klienten als Geschäftspartner zu bezeichnen, fand ich amüsant.

„Sie antwortete“, setzte er fort, „dass sie tatsächlich einen Spitzenmann in Diensten der Kriminalpolizei kennt, der auch eine hervorragende Aufklärungsquote hat.“ Der Mann machte eine kurze Pause. „Sie erwähnte auch, dass sie einmal mitgeholfen hatte, einen Mordfall aufzuklären, obwohl mir nicht klar ist, wie sie das gemeint haben kann.“

Ich grinste über das ganze Gesicht. Wenn der Privatdetektiv wüsste, unter welchen Umständen mir Corinne tatsächlich zu einer Eingebung verholfen hatte, hätte er diese Geschichte wohl nicht erwähnt.

„Sie half mir damals tatsächlich weiter“, sagte ich stattdessen nur. „Aber erzählen Sie doch einmal, weswegen Sie jemanden von der Polizei aus Glenrock sprechen wollen.“

„Es geht darum, dass ich von einem Geschäftsmann in Los Angeles beauftragt wurde, in seiner Angelegenheit tätig zu werden. Er wird erpresst und die Spur zum Urheber der Nachricht führt hier nach Glenrock. Ich sollte herausfinden, um wen es sich handelt und den Erpressungsversuch beenden.“

„Ich muss mich wiederholen, dass ich es bedauere“, unterbrach ich ihn, „aber ich bin ganz sicher nicht Ihr Mann. Erst einmal habe ich vor knapp einem Jahr meinen Dienst bei der Polizei quittiert. Ich bin in der Zwischenzeit zwar zweimal außertourlich für die Aufklärung von Kriminalfällen hinzugezogen worden, das war es aber auch schon wieder. Ich habe nicht vor, nochmals mein geruhsames Privatleben unterbrechen zu lassen. Außerdem“, ergänzte ich, „war ich Leiter des Dezernats für Kapitalverbrechen, also des Morddezernats, und hatte mit Erpressungen nie etwas zu tun. Ich muss Sie also bitten, sich direkt an die zuständige Behörde zu wenden. Fragen Sie nach dem Betrugs- und Einbruchsdezernat.“

„Das weiß ich schon“, wendete Jeffries ein. „Im Rahmen meiner Nachforschungen in den letzten Tagen bin ich jedoch auf Informationen gestoßen, für die die Worte brisant oder hochexplosiv noch Untertreibungen zu sein scheinen. Ich brauche unbedingt einen erfahrenen Polizisten, um abzuklären, wie am besten weiter vorgegangen werden soll.“

„Ich verstehe, Mr. Jeffries, und ich bin mir auch sicher, dass Sie der Stadt einen großen Dienst erweisen, wenn Sie Ihre Erkenntnisse an die richtigen Stellen weiterleiten. Und diese Stellen sind nun einmal die Kollegen im Polizeirevier. Ich bedauere, Ihnen hier nicht weiterhelfen zu können.“

„Ich kann aber nicht mit Leuten aus dem Revier sprechen.“ Die Stimme des Detektivs klang bereits flehentlich. Das kann ich Ihnen aber unter vier Augen und in Ruhe schildern.“

Ich dachte nach. Einerseits schrillten sämtliche meiner Alarmglocken, dass mich ein Treffen mit dem Privatdetektiv erneut tief in eine Sache hineinziehen könnte, mit der ich nicht das Geringste zu tun haben wollte. Andererseits sprach er von hochbrisanten Details, die seine Arbeit zu Tage gefördert hatten, und war ich nicht dazu verpflichtet, mir sie zumindest anzuhören?

„Na gut“, sagte ich schließlich. „Für wann hätten Sie an ein Treffen gedacht?“

Der Detektiv atmete tief durch. „So rasch wie möglich, die Zeit drängt. Geht sich heute 12:00 bei Ihnen aus?“

Der Mann hatte es aber tatsächlich eilig, dachte ich und blickte auf die Uhr. Es war knapp nach zehn Uhr, der Trauerzug hatte sich schon dem offenen Grab genähert, die Beerdigung musste unmittelbar bevorstehen. Es könnte sich ausgehen.

„In Ordnung“, antwortete ich. „Treffpunkt?“

„An der Strandpromenade, beim Autobusparkplatz“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Ich trage eine rote Schirmmütze mit der Aufschrift ‚LA Lakers‘.“

„Gut, Mr. Jeffries, dann bis Mittag.“ Ich beendete die Verbindung.

Ich beeilte mich, die Trauergemeinde einzuholen, die sich vor dem offenen Grab eingefunden hatte. Der Pfarrer sprach noch ein paar verabschiedende Worte, betete ein Vaterunser, dann wurde der Sarg hinabgelassen. Der Kollege aus dem Revier, der ganz plötzlich von uns gegangen war, hatte Dienst in der Beweismittelkammer versehen. Ich hatte wenig Kontakt mit ihm, allerdings hatte er mir erst vor wenigen Monaten im Rahmen des Netham-Falles Gegenstände ausgehändigt. Vielleicht war es die Erinnerung daran, die mich dazu bewogen hatte, an seiner Verabschiedung teilzunehmen.

Der Trauerzug bewegte sich langsam am Grab vorbei, die meisten Teilnehmer warfen eine kleine Schaufel Erde oder eine Rose hinab. Neben der offenen Grube stand eine ältere Dame, offensichtlich die Witwe, und nahm die Beileidsbekundungen entgegen. Tränen rannen ihr unaufhörlich über die Wangen. Ich drückte ihr meine innerste Anteilnahme aus und war dann bemüht, mich von der Trauerveranstaltung rasch zu verabschieden. Mit den meisten der anwesenden Polizeimitarbeiter seiner Dienststelle hatte ich nur wenig zu tun gehabt, somit wurde ich durch Gespräche auch nicht aufgehalten. Lediglich zu einem grüßenden Kopfnicken ließ sich der eine oder andere hinreißen. Als ich schließlich in meinen Ferrari auf dem Parkplatz des Friedhofs eingestiegen war, konnte ich wieder freier durchatmen. Begräbnisse lasteten mir jedes Mal schwer auf der Seele.

Ich durfte keine Zeit verlieren und lenkte den Wagen schnellstmöglich durch den Verkehr in Richtung meines Hauses. Nachdem am späten Vormittag und mitten unter der Woche weniger Fahrzeuge als sonst unterwegs waren, kam ich rasch voran und erreichte knapp vor 11 Uhr mein modernes, einstöckiges Wohnhaus inmitten einer ausgedehnten, mit Büschen und Bäumen bepflanzten Grünfläche. Diese Immobilie hatte ich mir nach meinem überraschenden Lottogewinn vor einem Jahr, der auch der Hauptgrund war, warum ich meine leitende Funktion im Morddezernat beinahe von einem Tag auf den anderen aufgegeben hatte, geleistet und war gemeinsam mit meinem Wagen, einem klassisch-roten Ferrari Portofino Cabrio, mein gesamter Stolz. Nur schade, dass ich an unfreundlichen Tagen wie heute das Verdeck geschlossen halten musste. Diese Tage waren glücklicherweise in Kalifornien eine Seltenheit.

Ich machte mir einen großen Espresso mit zwei Stück Zucker und setzte mich in einen der Fauteuils meiner Sitzecke. Dann schnappte ich mein Telefon und wählte jene Nummer, wegen der mir schon die letzten 60 Minuten die Fingerspitzen juckten. Nach dem zweiten Läuten wurde das Gespräch angenommen.

„Tiger“, hauchte sie mir mit ihrer erotischen Stimme ins Ohr. „Du rufst mich tatsächlich an. Fehle ich dir genau so sehr, wie du mir fehlst?“

Ich fühlte ein warmes Gefühl in meinem Körper aufsteigen, eine Empfindung, die diese Frau bei jedem Treffen in mir ausgelöst hatte. Auch meine Knie und Oberschenkel fühlten sich an, als hätten sie sich in Gelee verwandelt. Ich war froh, dass ich bereits saß, sonst wäre es mir schwergefallen, mich aufrecht zu halten.

„Corinne, heißes Mädchen“, antwortete ich mit heiserer Stimme. Wieso diese Frau immer dieselben körperlichen Reaktionen bei mir auslöste, fragte ich mich. „Ich freue mich auch, deine Stimme zu hören. Nachdem du mich ganz ohne Vorwarnung verlassen hattest, tut es wirklich gut.“

„Sei nicht unfair, Tigerchen.“ Ich konnte vor meinem geistigen Auge sehen, wie sie einen Schmollmund zog. „Ich habe dir einen langen Abschiedsbrief geschrieben, hast du das schon vergessen? Außerdem waren noch ein paar andere Herren am Boden zerstört, als sie von meiner Abreise erfuhren.“ Sie kicherte mädchenhaft.

Auf Corinne war ich damals durch einen Bekannten aufmerksam gemacht worden, der auch ihre Dienste in Anspruch genommen hatte. Sie war eine außergewöhnliche Frau, nicht nur gesegnet mit einem umwerfenden Aussehen, mit einer Figur, die selbst Liebesgöttinnen erblassen hätte lassen, sondern auch mit einer Leidenschaft, Hingabe und Sex-Gier, die Zusammentreffen mit ihr alles andere weit in den Schatten stellte. Und aus all diesen Faktoren hatte Corinne ein Geschäftsmodell entwickelt, das befriedigender und einträglicher für sie nicht sein konnte. Sie verwöhnte eine kleine, aber sehr zahlungskräftige Kundschaft mit ihren körperlichen Zuwendungen. Und diese hatten es in sich.

Für mich hatte sie noch eine besondere Überraschung parat gehabt. Ohne Vorankündigung war sie mit einem Koffer in der Hand auf meinem Grundstück aufgetaucht und hatte mich wissen lassen, dass sie eine Woche bei mir Urlaub machen und mir in dieser Zeit exklusiv zur Verfügung stehen würde. Kostenlos. Ich konnte mich noch allzu gut daran erinnern, dass diese Woche die heißeste, leidenschaftlichste, aber auch anstrengendste Liebeswoche meines Lebens gewesen war.

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen“, sagte ich schließlich, „dass du eine Menge Herzen gebrochen hast.“

„Na ja“, meinte sie keck. „Es waren eher andere Körperteile, die mich nach meinem Verschwinden vermisst haben als die Herzen der Männer.“ Es erklang ihr glockenhelles Lachen, das ich immer enorm anziehend gefunden und so vermisst hatte.

„Ich kann dem nur zustimmen“, gab ich ihr grinsend recht. „Und du heißt also Cora Rinner? Interessanterweise kannte ich deinen richtigen Namen nicht, muss ich zugeben.“

„Wir hatten auch andere Dinge zu tun, als uns mit Förmlichkeiten aufzuhalten, denkst du nicht?“

„Wie recht du nicht hast.“ Die Erinnerungen daran führten zu weiteren Hitzeausbrüchen meines Körpers.

„Ich habe meinen Arbeitsnamen doch gut gewählt, meinst du nicht? Aus Cora Rinner Corinne zu machen, das war doch echt schlau, oder?“

„Richtig. Als der Detektiv Jeffries deinen richtigen Namen erwähnte, hätte ich selbst draufkommen müssen. Ich hatte die Ähnlichkeit leider nicht erkannt, sorry.“

„Also hat dich Brian doch angerufen?“, fragte sie gleich nach.

„Genau. Vor etwa einer Stunde. Er hat mir etwas Wichtiges zu erzählen, sagte er. Wir treffen uns zu Mittag. Ich bin zwar nicht darauf aus, wieder in eine polizeiliche Sache hineingezogen zu werden, ich lasse mich aber überraschen. Du hast mich ihm empfohlen, wie ich hörte.“

„Richtig. Ich kenne ihn seit ein paar Monaten. Er hat mir nämlich bei einer unangenehmen Geschichte mit meinem Geschäft geholfen.“

„Geschäft?“ Ich wurde neugierig. „Was machst du denn in LA? Und warum hast du denn Glenrock so fluchtartig verlassen?“

„Ich habe mir schon mehrere Monate lang überlegt, dass ich etwas anderes machen möchte als ausschließlich meinem, sagen wir, horizontalen Geschäft nachzugehen.“

„Nur, dass es nicht immer horizontal war“, wandte ich ein und wir beide lachten.

„Völlig richtig. Und mein Business hat mir auch immer größten Spaß bereitet, wie du weißt. Nur wollte ich auch einmal etwas anderes machen, wie zum Beispiel eine Boutique eröffnen. Genügend Kleingeld dafür hatte ich mir über die Jahre angespart.“

„Bei deinen Preisen kann ich mir das auch gut vorstellen“, stichelte ich.

„Ich war aber auch jeden Cent wert, musst du zugeben.“

„Wie recht du nur hast“, gestand ich schmunzelnd ein. „Und den Gedanken hattest du schon länger?“

„So ist es“, sagte Corinne. „Jahrelang, um genau zu sein. Und dann fasste ich den Entschluss, meinen Plan auch umzusetzen. Ich suchte nach einem passenden Geschäftslokal, was nicht so einfach war. In LA sind gute Verkaufsflächen Mangelware und in Glenrock wollte ich nicht bleiben. Du kannst dir vorstellen, warum.“

„Kann ich mir vorstellen. Hier kannten dich zu viele.“

„Genau. Und mit dem Verkauf von Modeartikel hätte man mich sicher nicht in Zusammenhang gebracht.“

„Wohl kaum“, gab ich zu.

„Dann eines Tages fand ich das passende Geschäft in einer belebten Einkaufsstraße in LA, suchte und mietete ein passendes Appartement für mich und bereitete alles für meine Übersiedlung vor. Das war lange, bevor ich dich kennenlernte.“

„Wäre dies früher geschehen, hättest du es dir noch anders überlegt, richtig?“, scherzte ich.

„Das kann schon sein“, sagte Corinne nachdenklich und mir verschlug es für kurze Zeit die Sprache.

„Und die Woche bei mir war dein Abschiedsgeschenk?“, fragte ich dann nach, da mir doch einiges klar wurde.

„Ja, das war es.“ Corinne war ernst geworden. „Das Haus samt Grundstück war bereits zum Verkauf ausgeschrieben worden, ich hatte die Möbel und alle meine Sachen in den letzten Tagen nach LA transportieren lassen. Der Koffer, den ich zu dir mitbrachte, war alles noch, was ich in Glenrock besaß. Unmittelbar nach dieser unglaublichen Woche mit dir habe ich mich ins Auto gesetzt und bin nach LA gefahren.“

Es breitete sich Stille aus. Beide waren wir in Gedanken versunken, wie ihre letzten Tage in der Stadt verlaufen waren. Vor allem hatte ich einen völlig neuen Eindruck von ihr gewonnen, einen, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Nachdem Corinne so plötzlich aus der Stadt verschwunden war und ich ihren Brief gefunden hatte, schmerzte es mich sehr, dass ich sie nicht mehr sehen und spüren konnte, wann ich wollte. Doch offensichtlich war auch Gefühl dabei gewesen. Ich spürte einen plötzlichen seelischen Schmerz in mir aufsteigen.

„Dir geht es gut in LA?“, fragte ich nach einer längeren Gesprächspause. Ich wollte unbedingt das Thema wechseln. „Die Geschäfte gehen gut und du hast dich gut eingelebt?“

„Alles bestens“, antwortete Corinne. Sie klang nun auch wieder fröhlicher. „Die Wohnung ist ein Traum, das Nachtleben in LA ist hip und aufregend und auch die Geschäfte gehen nach den anfänglichen Problemen ausgezeichnet.“

„Welche Probleme?“, wollte ich wissen.

„Es gibt da eine Bande, die will von neuen Geschäftsleuten so eine Art Schutzgeld erpressen, sonst wird das Geschäft beschädigt oder verunstaltet. Ich habe mich geweigert zu zahlen, worauf man mir einmal die Fensterscheiben eingeschlagen und einmal das Glas mit Farbe besprüht hat. Das war der Moment, in dem Brian ins Spiel kam.“

„Konnte er dir helfen?“

„Er ist eine echte Spürnase und ist dahintergekommen, um welche Bande es sich handelte und wer dort das große Wort führte.“

„Und den hat er überzeugen können?“

„Ja. Er hat mir zwar nicht genau erzählt, wie seine Argumente ausgesehen haben, es dürften aber ein paar schlagkräftige dabei gewesen sein.“ Wir lachten.

Ich sah auf die Uhr. „Verdammt“, rief ich aus. „Brian Jeffries hätte ich beinahe komplett vergessen, so nett ist es mit dir zu plaudern.“

„Ging mir genauso“, antwortete Corinne. „Und wenn dir einmal danach ist, mit mir mehr als nur zu plaudern, dann komme mich doch in LA besuchen.“ Ihre Stimme hatte wieder diesen verführerischen und erotischen Touch angenommen, bei dem ich auch schon in der Vergangenheit stets einen heißen Kopf bekommen hatte. Dies hatte sich nicht geändert.

„Vielleicht mache ich das auch einmal“, sagte ich zu ihr. „Aber jetzt muss ich wirklich weg, sonst komme ich zu spät. Pass auf dich auf.“

„Du auch auf dich“, sagte sie noch, schickte mir übers Telefon einen Kuss und trennte die Verbindung.

Jetzt musste ich mich wirklich beeilen, wollte ich zum Treffen mit Jeffries nicht zu spät kommen, bei der Plauderei mit Corinne hatte ich die Zeit komplett aus den Augen verloren. Diese Frau hatte immer noch eine verstörende Wirkung auf mich.

Ich schlüpfte wieder in meinen Regenmantel, setzte eine Baseballkappe auf, sprang ins Auto und machte mich auf den Weg. Glücklicherweise war auf den Straßen wenig Verkehr, und so konnte mich mein Ferrari mal wieder mit seiner hervorragenden Beschleunigung und Straßenlage beeindrucken.

Als ich fünf nach 12 Uhr am Autobusparkplatz bei der Promenade ankam, hingen die dunklen Wolken noch tiefer, eine steife und kalte Brise wehte vom Meer herein, es hatte sogar leicht zu regnen begonnen. Ich stellte den Kragen meines Mantels auf, zog die Kappe tief ins Gesicht und begab mich auf die Suche nach dem Detektiv.

Nachdem aufgrund des unfreundlichen Wetters der Strand samt der Promenade menschenleer erschien, ging ich davon aus, dass das Auffinden meines Gesprächspartners nicht allzu schwierig sein dürfte. Und tatsächlich, etwa 50 Meter von meiner Position entfernt, sah ich eine Person auf einer der Bänke sitzen. Soweit ich erkennen konnte, handelte es sich um einen Mann mit Schirmkappe. Ich näherte mich dieser Person mit raschen Schritten und war bald bei ihr angekommen.

Das erste, das mir merkwürdig vorkam, war die Tatsache, dass der Mann völlig regungslos auf der Bank saß, obwohl der Regen immer stärker wurde. Niemand würde bei diesen Bedingungen tiefenentspannt relaxen können, überlegte ich. Als ich vor dem sitzenden und zurückgelehnten Mann ankam, erkannte ich die rote Lakers-Kappe auf seinem Kopf. Ich hatte den Privatdetektiv Jeffries gefunden. Nur machte er keine Anstalten, mich wahrzunehmen. Sein Kopf war auf seine Brust gesunken, der Regen prasselte unaufhörlich auf seinen Körper ein, ohne dass er davon Notiz nahm. Mich beschlich eine mehr als ungute Vorahnung.

„Mr. Jeffries“, rief ich ihm zu. „Sie wollten mich sehen.“

Keine Reaktion. Ich beugte mich langsam vor und ergriff ihn an seiner rechten Schulter, um ihn wachzurütteln. Der Mann wurde dadurch nicht munter. Das einzige Ergebnis meiner Versuche war, dass sein Oberkörper zur Seite fiel und auf der Bank regungslos zu liegen kam.

Meine Befürchtungen schienen sich zu bewahrheiten. Ich hockte mich neben seinen Kopf und drückte zwei Finger meiner rechten Hand an seine Halsschlagader. Ich wartete etwa eine Viertelminute, ohne dass ich einen Herzschlag ertasten konnte. Ich richtete mich wieder auf und suchte nach Anzeichen, ob seine Todesursache natürlichen Ursprungs war oder nicht. Auf den ersten Blick konnte ich nichts Ungewöhnliches erkennen. Doch als ich seinen Oberkörper nach vorn beugte und mir seinen Rücken genauer ansah, fiel mir etwas auf. Seine mittlerweile völlig durchnässte Stoffjacke wies drei kreisrunde Löcher auf. Obwohl die nasse Kleidung die Analyse nicht erleichterte, hatte ich in den zehn Jahren meiner Tätigkeit bei der Mordkommission mit vielen ähnlichen Fällen zu tun gehabt, als dass noch ein Zweifel offenblieb.

Privatdetektiv Brian Jeffries war mit drei gezielten Schüssen in den Rücken ermordet worden.

2 – Der Auftraggeber

Ich richtete mich auf und überlegte fieberhaft, was ich tun sollte. Ich hatte zwar eine jahrelange Karriere in der Kriminalpolizei hinter mir und sollte wohl gleich den Tatort sichern, die Einsatzkräfte alarmieren und die Ermittlungen unterstützen. Die Situation, in der ich mich befand, war jedoch kompliziert. Ich ging zwar nicht davon aus, dass mich meine ehemaligen Teammitglieder für den Mörder hielten, auf der anderen Seite müsste ich wohl eine ganze Menge unangenehmer Fragen beantworten, wozu ich definitiv keine Lust hatte. Außerdem stand dann immer noch die Befürchtung im Raum, dass ich aufgrund meiner Vorinformationen wieder zu diesem Fall hinzugezogen würde, wofür ich noch viel weniger Begeisterung verspürte.

Ich blickte mich um, ob die Strandpromenade immer noch verlassen war. Auf dem Gehweg sah ich weit und breit keine Menschenseele, lediglich am Strand ging ein vermummter Mann mit seinem Hund spazieren. Er war allerdings so weit entfernt, dass er nicht erkennen konnte, was hier vor sich ging.

Ich richtete den leblosen Körper wieder in eine sitzende Position auf, die er auch bei meinem Eintreffen eingenommen hatte. Ich umrundete die Sitzbank und besah mir die Situation von der Rückseite aus. Der Mörder musste sich, völlig unbemerkt vom Opfer, von hinten herangeschlichen haben und dem Mann ohne Vorwarnung durch einen Zwischenraum der Rückenlehne hindurch die drei Kugeln verpasst haben. Es handelte sich um eine regelrechte Hinrichtung.

Ich fasste einen Entschluss. Ich ließ den ermordeten Brian Jeffries so auf der Bank sitzen, wie ich ihn vorgefunden hatte und machte mich auf den Weg retour zu meinem Wagen. Um etwaige Spuren, die ich hinterlassen haben könnte, musste ich mir keine Gedanken machen. Erstens hatte ich nichts angefasst, von dem man Fingerabdrücke hätte nehmen können. Und meine Fußspuren würde der anhaltende Regen in kürzester Zeit verschwinden lassen.

Als ich im Auto saß und mich rasch in den fließenden Verkehr einordnete, gingen mir noch andere Gedanken durch den Kopf. Es war nicht anzunehmen, dass in absehbarer Zeit ein Spaziergänger die Leiche fand und die Polizei informierte. Also musste ich, ob ich wollte oder nicht, die Alarmierung selbst übernehmen. Nur wie sollte ich das tun, ohne dass die Spur sofort zu mir führte? Da kam mir eine Idee.

In einer weniger befahrenen Nebenstraße hielt ich vor einem Drugstore, von dem ich wusste, dass eine Telefonzelle für kostenpflichtige Anrufe zur Verfügung stand. Ich stellte den Wagen ins Halteverbot vor dem Geschäft, da ich nicht vorhatte, mehr Zeit als nötig im Laden zu verbringen. Ich betrat den Drugstore und deutete einer gelangweilten, jugendlichen Angestellten, dass ich das Telefon benutzen wollte. Sie nickte und aktivierte die Zeitschaltuhr, über die die Kosten berechnet wurden. Ich betrat die Zelle, holte ein Papiertaschentuch hervor, mit dem ich den Hörer ergriff, und wählte die wohlbekannte Notfallnummer. Ich hatte nicht vor, hier meine Abdrücke zu hinterlassen.

Nach kurzem Läuten hob jemand aus dem Call-Center ab. Nachdem sich dieses Team, wie ich wusste, in einem Vorort San Franziskos befand, bestand auch nicht die Gefahr, dass man meine Stimme identifizieren konnte.

„Ich möchte einen Mord melden“, sagte ich rasch. „In Glenrock County auf der Strandpromenade sitzt auf einer Bank ein Mann mit roter Mütze, der erschossen wurde.“ Dann legte ich sofort wieder auf, ohne eine Rückfrage abzuwarten. Vielleicht war der Anruf zu kurz, um ihn zurückverfolgen zu können.

Ich suchte aus meiner Brieftasche eine Ein-Dollar-Münze heraus und legte sie im Vorübergehen der Angestellten auf den Tisch. Das Gespräch konnte nur wenige Cent gekostet haben, ich wollte allerdings nicht, dass sie mein Gesicht länger als nötig zu sehen bekam.

„Stimmt schon“, sagte ich nur, zog meine Mütze tief ins Gesicht und verließ wieder eilig das Geschäft.

Wieder im Auto, bemühte ich mich, rasch die Gegend zu verlassen. Wenn nichts schiefgegangen war, konnte ich dieses Mal meine Rolle in diesem Mordfall geheim halten.

Kaum zu Hause angekommen, legte ich meine Überkleidung ab und begab mich gleich ins Wohnzimmer. Dort nahm ich aus meiner Bar ein Whiskyglas und goss mir eine ordentliche Menge feinen Scotchs ein. Diese Belohnung hatte ich mir aufgrund der Vorkommnisse mehr als verdient, war ich der Meinung. Nachdem ich mir einen großen Schluck genehmigt hatte, holte ich mein Smartphone hervor und wählte die vertraute Nummer.

Nach wenigen Sekunden hörte ich wieder ihre zauberhafte Stimme. „Mein Tiger, sag bloß, du hast schon wieder Sehnsucht nach mir.“

„Habe ich doch immer“, antwortete ich, dieses Mal aber ohne große Überzeugung. „Corinne, ich muss wissen, von wem der Detektiv Jeffries seinen Auftrag erhalten hat. Es ist wichtig.“

„Wieso? Was ist passiert?“ Sie klang besorgt.

„Das kann ich dir nicht sagen“, antwortete ich. „Ich kann dir nur eines versichern, es ist unaufschiebbar, dass ich umgehend wissen muss, wer Jeffries den Auftrag erteilt hat und wieso.“

„Das ist nicht so einfach“, sagte Corinne zögerlich. „Ich habe da ein gewisses Kundenverhältnis, das ich berücksichtigen muss.“

Ich horchte auf. „Kundenverhältnis? Sag bloß, du bist nach wie vor in deinem alten Beruf tätig.“

Corinne lachte schelmisch. „Kennst du mich noch immer nicht, Tiger? Ich brauche doch meine, wie soll ich sagen, meine Ausgleichsübungen. Ja, ich habe mir in LA auch einen kleinen Kundenstamm angelegt, mit dem ich mich vergnüge.“

Ich musste lachen. „Corinne, du bist unverbesserlich. Du kannst es wohl nicht lassen, was?“

„Nein, warum sollte ich auch. Ich brauche meine Befriedigung, und ein nettes Zusatzeinkommen ist es außerdem.“

Ich seufzte. „Und der Auftraggeber gehört zu deinen Kunden, richtig?“

„Genau. Er hätte auch sicher etwas dagegen, wenn ich seinen Namen einem Kriminalisten bekanntgebe. Ich muss ihm schon auch erklären können, warum es notwendig ist.“

„Weil der Privatdetektiv erschossen wurde“, sagte ich frei heraus. „Kurz bevor ich mich mit ihm treffen konnte.“

„Oh, mein Gott, der arme Brian“, rief sie aus. „Und du konntest mit ihm nicht mehr sprechen?“

„Mit drei Kugeln im Rücken kann man keine langen Reden mehr halten“, knurrte ich ungehalten.

„Schon klar“, murmelte Corinne nur, danach herrschte Stille am Telefon.

„Also, was ist? Gibst du mir endlich seinen Namen und seine Telefonnummer?“, fragte ich nach ein paar Sekunden nach.

„Warte noch.“ Und dann, „ich habe ihm gerade eine Nachricht geschrieben, dass er einen Anruf von dir bekommen wird. Mist.“

„Was ist?“

„Er schreibt zurück, dass seine Anonymität unter allen Umständen gewahrt bleiben muss. Das Dumme ist, ich garantiere auch all meinen Kunden äußerste Diskretion. Was mache ich jetzt nur?“ Sie klang verzweifelt.

„Die Anonymität deines Kunden in allen Ehren“, erwiderte ich mit ruhiger Stimme. „Wenn allerdings ein Verbrechen aufzuklären ist, dann ändern sich die Prioritäten.“

Wieder verstrichen etliche Sekunden, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Schließlich hatte Corinne einen Entschluss gefasst.

„In Ordnung. Ich rufe ihn gleich an, dass ich dir seine Rufnummer und seinen Namen geben werde, da es polizeiliche Ermittlungen gibt. Ich sage ihm nicht, dass Brian tot ist, das musst du erledigen.“

„Ja, das mache ich. Danke dir, du bist ein Schatz.“

„Schon gut. Lass dir aber zehn Minuten Zeit, er wird sicher zutiefst sauer auf mich sein. Wahrscheinlich kann ich ihn auch als Kunden abschreiben.“

„Und wenn schon“, gab ich lächelnd zurück. „Es würde dir sicher nicht schwerfallen, Ersatz zu finden.“

Auch Corinne war wieder besser aufgelegt. „Richtig, das wäre kein Problem. Ich gebe dir jetzt seine Daten durch.“

Ich notierte mir seinen Namen, Nicholas Lynch, und seine Rufnummer. „Vielen Dank, Süße. Fühl dich gedrückt.“

„Nur gedrückt, sonst fällt dir nichts ein?“ Und abermals hatte sie diese verführerische Stimmlage.

„Doch. Aber übers Telefon?“ Wieder in guter Stimmung beendeten wir unser Gespräch.

Ich leerte meinen Scotch und füllte das Glas erneut. Wie in Zeitlupe schlich der Minutenzeiger über das Ziffernblatt. Ich räumte Corinne ganze 15 Minuten für ihr klärendes Gespräch ein, dann wählte ich die Nummer, die sie mir gegeben hatte. Es ertönte ein Freizeichen nach dem anderen, anscheinend war der Mann immer noch abgeneigt, mit mir zu reden. Als ich schon aufgeben wollte, wurde mein Anruf doch noch angenommen.

„Was wollen Sie?“, ertönte eine mürrische, männliche Stimme. Man freute sich doch immer, wenn man nett begrüßt wurde.

„Mein Name ist Arturo Romero aus Glenrock County“, begann ich höflich. „Spreche ich mit Nicholas Lynch?“

„Ja. Was wollen Sie, habe ich gefragt.“ Das Gespräch konnte herausfordernd werden, wurde mir rasch klar.

„Soweit mir bekannt ist, hatten Sie den Privatdetektiv Brian Jeffries beauftragt für Sie tätig zu werden. Von unserer gemeinsamen Bekannten, Corinne, erhielt der Mann meinen Namen und meine Kontaktdaten, da ich lange Jahre im Polizeirevier hier in der Stadt gearbeitet habe und er einen erfahrenen Kriminalisten sprechen wollte. Gestern hat sich Mr. Jeffries bei mir gemeldet.“

„Na und? Kommen Sie zur Sache, ich weiß immer noch nicht, warum Cora meine Anonymität platzen hat lassen. Ich bin mehr als verärgert, sollten Sie das nicht mitbekommen haben.“

„Mr. Lynch, Ihr Privatdetektiv Brian Jeffries ist tot.“

Diese Nachricht brachte Lynch wohl aus dem Konzept, über lange Sekunden herrschte Stille, nicht einmal sein Atmen war zu hören.

„Was ist passiert?“, fragte er schließlich in etwas ruhigerem Tonfall.

„Ich hatte mir mit ihm einen Treffpunkt für heute Mittag vereinbart. Als ich dort ankam, fand ich ihn leblos vor. Er wurde mit Schüssen in den Rücken ermordet.“

Wieder brauchte Lynch ein paar Sekunden, um seine Stimme wiederzufinden. Außer einem kräftigen Schimpfwort hatte er in diesem Augenblick aber nichts zu sagen.

„Mr. Lynch, ich bin zwar nicht mehr in Diensten der Polizeibehörde, ich weiß allerdings sehr genau, was nun passieren wird. Die Kollegen werden tief in das Umfeld von Jeffries einsteigen, um herauszufinden, welche Gründe es für den Mord an ihm geben könnte. Das bedeutet, dass Ihr Name ohnedies aktenkundig wird. Außer Sie kooperieren mit mir, vielleicht kann ich das dann verhindern.“

„Wie wollen Sie das anstellen?“

„Sollten Sie mir gegenüber völlig offen sein und alle Fakten auf den Tisch legen, dann kann ich diese Informationen meinen Kollegen anonym zukommen lassen. So könnte es gelingen, dass wir beide unterm Radar bleiben.“

Lynch dachte über mein Angebot wieder einige Sekunden nach, bevor er sich wieder äußerte. „Na gut. Ich muss aber auch gleich festhalten, dass ich mit niemandem von der Polizei reden werde, weder hier in LA noch mit den Leuten bei Ihnen. Sie sind der einzige, dem ich die Geschichte verrate. Und auch nur, wenn Sie mir garantieren können, meinen Namen keinesfalls bekanntzugeben. Es steht zu viel für mich auf dem Spiel.“

„Hundertprozentige Sicherheit gibt es im Leben nicht, Mr. Lynch“, gab ich zu bedenken. „Ich garantiere Ihnen aber, dass ich mein Möglichstes tun werde, Ihren Namen aus dem Spiel zu lassen.“

Er seufzte. „OK. Also, was wollen Sie wissen?“

Ich klopfte mir gedanklich auf die Schulter, den ersten Schritt hatte ich geschafft.

„Brian Jeffries erwähnte in unserem kurzen Telefonat, es ginge um eine Erpressung. Schildern Sie mir bitte genau, was es damit auf sich hat.“

„Ja, er hatte recht damit“, begann Lynch seine Story. „Aber bevor ich Ihnen darüber erzähle, müssen Sie ein paar Details zu meiner Person erfahren. Ich bin ein erfolgreicher Geschäftsmann, der an der gesamten Westküste seine Kunden und Firmenkontakte hat, und bin durch meine Arbeit zu einem nicht unbeträchtlichen Vermögen gekommen. Darüber hinaus pflege ich auch intensive Kontakte zur Politik, mit einem Wort, ich stehe mitten in der Öffentlichkeit. Jetzt werden Sie auch verstehen, dass mein Name aus dieser Erpressungsgeschichte unbedingt herausgehalten werden muss. Genauso wie meine … äh … Kontakte zu Corinne.“

„Keine Sorge, Mr. Lynch“, beruhigte ich ihn. „Bei mir sind Ihre Geheimnisse gut aufgehoben.“

„Will ich hoffen“, knurrte er, um dann in einem freundlicheren Ton fortzufahren. „Und dann müssen Sie noch etwas von mir wissen. Ich lege mein Geld bei weitem nicht nur in hübschen Frauen an, ich habe auch eine Vorliebe für Kunstwerke. Nach und nach habe ich mir mein Haus mit mehr oder weniger wertvollen Gemälden und Skulpturen ausgestattet. Eine meiner letzten Errungenschaften ist ein früher Basquiat. Sie wissen, wovon ich rede?“

„Jean-Michel Basquiat“, gab ich ruhig zurück. „Bereits vor seinem 30. Lebensjahr verstorben, hatte er dennoch ein umfangreiches Werk hinterlassen. Hauptsächlich Bilder, die große Ähnlichkeiten mit Graffitis aufweisen.“ Lynch dachte wohl, alle Polizisten wären ungebildete Einfaltspinsel.

„Nicht schlecht“, antwortete Lynch mit gewissem Erstaunen in der Stimme.

---ENDE DER LESEPROBE---