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Drei heitere skurile Kurzgeschichten stimmen ein auf eine wolkige Langgeschichte.
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Seitenzahl: 287
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Naturheilverfahren
Schloss-Hotel
Über die Schürzenjägerei
Kein Schiff soll kommen
Heute saß ich zum zweiten Mal im Warteraum von Frau Doktor Heilkraut Stängel. Frau Dr. Stängel hatte einen hervorragenden Ruf als Naturheilkundlerin mit angeborener Pillen-Spritzen- und Tropfenphobie. Nach all den aktuellen Vorkommnissen und Pannen war auch ich sehr misstrauisch gegenüber der Schulmedizin und der Pharmaindustrie geworden. Letztere hatte zunehmend die gesamte Produktion an Pharmawirkstoffe nach Indien verlegt, wo man nun die dort heimische Heilkraft mit Kuhmistbeimischungen durchsetzen wollte, wegen der Preisgestaltung. Kühe hatten keine Lohnforderungen und auch keine Gewerkschaft, so dass ihre Produktion von Dung sehr kostengünstig gestaltet werden konnte. Es sollten auch ausnahmslos nur heilige Kühe zur Produktion zugelassen werden, die von Natur aus heilen. Da es in Indien fast nur heilige Kühe gab, herrschte also kein Mangel an Rohstoffen.
Ich war da sehr skeptisch und vertraute zunehmend auf die Fertigkeiten der einheimischen Kräuterweiblein. Ich möchte aber niemanden bekehren, ich äußere nur meine persönliche Meinung und gebe nur meinen höchstpersönlichen Erfahrungsbericht zu Protokoll.
Mein Arbeitgeber hatte jeden Betriebsangehörigen vertraglich zu einem jährlichen Arztbesuch verpflichtet. Bei Verstößen wurden Gehaltskürzungen verordnet. Der Personalabteilung sollte ein Attest vorgelegt werden, aus dem der allgemeine Gesundheitszustand des Mitarbeiters bescheinigt wird. Einzelheiten erfährt der Personalchef nicht. Frau Dr. Stängel hatte mich untersucht und mein blendendes Allgemeinbefinden attestiert.
Dennoch sitze ich gut einen Monat später wieder in ihrem geschmackvoll designten Wartezimmer und lese in der Zeitschrift Geo, dass Windräder jährlich tausende von Zug- und Seevögel schreddern. Welch grandiose Umweltpolitik der Grünen.
Frau Dr. Heilkraut Stängel ließ mich nicht über die Gebühr warten und begrüßte mich mit zusammengelegten Händen und einem sanft-frischen Namaste. Frau Dr. Stängel war kein Müsli, Blaustrumpf oder Heideröslein sondern eine äußerst elegante, sehr hübsche Frau, die besonders, wenn sie voranschritt, auf Männer blutdrucksteigernd wirkte. Daher wurde der Blutdruck zuvor von einer weniger vorteilhaft ausgestatteten Person gemessen. Die gepolsterte Tür zu ihrem Praxisraum schloss sich von selbst, geräuschlos.
„Guten Morgen, Frau Dr. Stängel!“
„Guten Morgen, Herr Jorsen! Was führt Sie zu mir? Es ist kein gutes Zeichen, wenn ein Patient schon so bald nach seinem vorherigen Besuch unaufgefordert beim Arzt erscheint. Was kann ich für Sie tun? Wo kann ich helfen? Wo drückt der Schuh? Was habe ich übersehen?“
Sie sprach wie ein schwirrender Schmetterling, leicht und taumelnd.
„Tja, Frau Doktor, seit ich das letzte Mal vor gut einem Monat hier bei Ihnen war, leide ich unter verstärkter Maskulinität!“ druckste ich in der Hoffnung, verstanden zu werden, herum.
„So etwas habe ich ja noch nie gehört! Sie müssen mir schon genauer Ihre Symptome schildern!“
Das hatte ich befürchtet, jetzt sollte ich einer fremden, symptomverstärkenden Person meine Beschwerden schildern. Ich durchwühlte meinen verfügbaren Wortschatz:
„Nun, es wird häufiger enger im Bereich meiner Unterleibsbekleidung.“
„Ja, ich erinnere mich! Bei meiner kürzlichen Untersuchung übergingen wir diesen Bereich Ihres Körpers wegen Ihres angeblich unüberwindbaren Schamgefühls. Ich hätte darauf bestehen sollen, jetzt haben wir den Salat!“
„Wieso Salat? Sie wollen doch nicht etwa…!“ ich erschrak.
„Nein, ich will gar nichts! Das ist nur so eine Redewendung!“ Sie rückte ihre Brille zurecht.
„Wie jetzt? Ich leide an einer Redewendung?“ versuchte ich, mich zu retten.
„Nein. Natürlich nicht! Ich weiß nur selbst zu wenig darüber. Ich sollte mich zuerst belesen – in der Fachliteratur. Aber helfen Sie mir, gibt es bestimmte Anlässe?“
„Allerdings! Es gibt in letzter Zeit zunehmend erotische Auslöser, zumindest bilde ich mir das ein – auf der Straße, im Bus, im Fernsehen und am Arbeitsplatz.“ gestand ich.
„Ha, das haben Sie sehr schön beschrieben. Da haben wir’s!“ Frau Doktor klatschte mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, dass es krachte und ich erschrak.
Ich war nur Fragezeichen.
Sie sah kurz in ihre bzw. meine Akte:
„Hier sehen Sie, Sie kommen in die gewissen Jahre. Sie ahnen, dass Ihre Manneskraft Sie vielleicht bald verlassen könnte. Sie testen verstärkt bewusst Ihre sexuelle Ansprechbarkeit. Alles nur Einbildung. Haben Sie nicht eine weibliche Aufsichtsperson zu Hause?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Dann wird es Zeit, Herr Jorsen, höchste Zeit! Damit wieder alles ins Lot kommt und damit Sie und das erforderliche Organ nicht von der Schwerkraft übermannt werden. Haben Sie mal an eine sexuelle Hilfskraft gedacht?“
Wieder schüttelte ich den Kopf.
„Aber ich kann Sie beruhigen. Dieses Phänomen, die sexuelle Ansprechbarkeit unbewusst auszutesten, nimmt beim alternden Mann zu, zumindest in der überwiegenden Zahl der Fälle. Der Mann will’s wissen, ob er‘s noch ist und er muss es sich ständig beweisen. Unbestritten, er hält sich fit. Die Resultate sind erstaunlich – wenn auch meist nur erflunkert! Ich kenne sehr viele Frauen, jenseits der Sechzig, die gerne noch einen funktionierenden Mann im Bette hätten. Die jungen wollen da nicht so gerne ran. An der Küste weiß man’s besser: Der junge Matrose erlernt das Handwerk am besten auf der alten Fregatte. Ganz schön pfiffig, die Ostfriesen! Wie kamen die bloß zu ihren Witzen? Aber ich schweife ab! Wenden wir uns wieder Ihrem Anliegen zu!“
Sie blickte zur Decke, dann wieder zu mir:
„Ich will’s Ihnen erklären! Sie sollen nicht meinen, wir Ärztinnen hätten keine Ahnung oder können nix… Ich muss etwas ausholen… Grundsätzlich geht man in der Therapie auf zweierlei Weise vor und ich setze mal voraus, dass Sie tatsächlich den Wunsch nach Heilung verspüren und ich Sie davon überzeugen konnte, dass Ihr Fall ein psychischer Irrtum ist; so ist er doch für Sie relevant, Gefühle sind immer real, wenn auch deren Grund irreal sein kann. Zu meinen Therapie-Vorschlägen:
Also erstens, und ich fokussiere mich jetzt ausschließlich auf Ihren Fall! Wann immer Ihre Attacken auftreten, werden Sie heftig bestraft und zwar so lange, bis Sie aus Furcht vor der Strafe Ihre Gedanken ordnen und damit die Auslösung löschen. Ihr Problem wird aber nicht behoben, nur unterdrückt und tritt womöglich bei bestimmter Konstellation wieder ans offene Tageslicht. Das kann jeden Moment geschehen. Das ist keine Heilung, das ist der Versuch einer Austreibung. Exorzisten gingen so vor, als ihnen das Brennholz für die Scheiterhaufen zu teuer wurde. Ich schweife schon wieder…
Die andere Variante empfiehlt, das Leiden anzunehmen, durchzuhalten, so dass der Köper Antikörper bildet. Diese Antikörper schützen Sie von nun an, wann immer diese Attacken auftreten. Sie sind zwar nicht geheilt aber geschützt oder immun. Verstehen Sie?“
Natürlich hatte ich verstanden und nickte zustimmend.
„Wir werden die zweite Variante vorziehen und beobachten, wie Sie auf die Therapie ansprechen. Ich werde Ihnen ein Rezept ausstellen; das erwarten die Patienten.“
Sie griff zum Rezeptblock und schrieb schweigend vor sich hin, wartete, bis die Tinte getrocknet war und überreichte es mir mit den Worten:
„Dieses Rezept können Sie nicht in der Apotheke vorlegen, es sei denn, Sie kennen da einen flotten Feger, also ein Mädel, das auch Apothekerin ist und willig die Belastung durch die Therapie auf sich nimmt. Ob sie gewissenhaft Protokoll führen will, wage ich zu bezweifeln. Einer sexuell-erotischen Hilfskraft traue ich auch nicht eine saubere Protokollführung zu.“
Ich las die gestochen scharfe Handschrift:
Greifen Sie dreimal täglich zu Frau Doktor Heilkraut Stängel, zehn Tage lang.
Ich nickte zustimmend:
„Und wann wollen wir beginnen?“
„Jetzt sofort! Ich werde nur noch etwas den Schreibtisch freimachen!“ meinte sie.
„Das geht nicht! Ich muss zur Arbeit.“ protestierte ich.
„Doch das geht! Ich kann den Genesungsvorgang bis in alle Einzelheiten überwachen. Ich werde Sie hier im Therapieraum unter Beobachtung behalten und die Maßnahmen selbst vornehmen. Ich unterrichte Ihren Arbeitgeber, dass Sie an einer ansteckenden Krankheit leiden, und das Personal Ihres Betriebes gefährden. Er wird dankbar zustimmen. Falls wir die Dosierung variieren müssen, weil Sie nicht ansprechen oder überreagieren, können wir das sofort umsetzen. Das ist medizinisches Neuland; wir müssen gewissenhaft und vorsichtig vorgehen. Das kann ich niemand anderem überlassen!“
Sie schob das Arbeitsgerät vom Schreibtisch beiseite, denn dieser soll ja jetzt zweckentfremdet werden.
„Herr Jorsen, Sie gehen in den Therapieraum, kleiden sich um. Sie tragen jetzt nur noch diese Klinikhemdchen, wie Sie die aus den Arztserien kennen. Ihre Garderobe werde ich konfiszieren, damit sie mir nicht ausbüchsen. Ich werde mich auf dem Schreibtisch hinbreiten und Sie erwarten. Sie kommen herein und berichten in einem Wort über Ihren Gemütszustand. Alsdann werden wir zur ersten Applikation schreiten. Danach ziehen Sie sich zurück und ergründen Ihre veränderte Gemütsverfassung.“
Ich tat, wie Frau Doktor verordnete. Als ich ihr Arbeitszimmer betrat, entfuhr mir nicht einmal ein Wort für meinen Gefühlszustand, sondern nur ein einzelnes ‚Oh!!!‘ Sie verschaffte sich einen Eindruck über meine Bereitschaft zur Kooperation und lehnte sich wieder zurück. Während ich die erste therapeutische Behandlung von ihr entgegen nahm, griff sie nicht zum Notizblock. Nach der Tat griff sie rasch nach ihrer Kleidung und dem Arztkittel und schob mich in den kleinen Therapieraum, wo ich über mich und meinen Heilungsprozess nachdenken sollte.
Kurz nach zwölf Uhr mittags rief sie mich wieder zu sich. Die Praxis war während der Mittagspause geschlossen und sollte erst wieder um halb drei öffnen.
„Nun, unser Vertrauensverhältnis Patient-Arzt hat sich vertieft. Wir sollten unseren neuerlichen Umgang miteinander auch sprachlich zum Ausdruck bringen, ohne dabei die Autoritätsdistanz zu verletzen. Wir sollten uns jetzt beim Vornamen nennen und ich habe auf Dauer das Sagen!
Also wie ist es dir ergangen, danach, während der Applikation war ich ja dabei. Ich empfand dich klar und eindeutig sogar leidenschaftlich bei der Sache. Guter Einstieg, aber wir werden sehen.“
„Natürlich, Heidekraut, du bleibst die Autorität und du hast das Sagen… Ich fühlte mich dabei prächtig, auch noch bis zu zwei Stunden danach entspannt, geradezu streckenweise euphorisiert, wenn ich daran dachte, dass ich mit einer solch attraktiven Frau… – da fehlt mir jetzt das passende Wort!“
„Das wird dir bei Gelegenheit schon noch einfallen. Ich schätze eine gewählte Sprache! Aber was geschah nach Ablauf dieser zwei Stunden?“
„Nun, es setzte wieder ein, dieses maskuline Drängeln! Vielleicht sogar noch stärker!“
„Sehr schön! Aber ich vergaß, dich zu ermahnen, du darfst während der gesamten Therapie keine Frieden stiftenden Maßnahmen ergreifen! Hast du mich verstanden?“
„Was soll das denn nun schon wieder heißen?“ fragte ich etwas ungehalten.
„Nun, du sollst nicht Hand an dich legen! Ich brauche dich im aktuellen Gefühlszustand, wie immer er auch sein mag. Das ist sehr wichtig! Andernfalls kommt es zu Fehldiagnosen. Hast du mich verstanden?“
„Ja doch, Heidekraut! Jetzt weiß ich, was du meinst!“
„Gut, dann können wir zur zweiten Behandlung übergehen. Bist du bereit?“
„Ja, Heidekraut!“
„Schön, ich sehe schon! Wir haben jetzt auch etwas mehr Zeit und sollten es daher etwas gemütlicher angehen in deinem Bett. Einverstanden? Eine Stunde?“
Ich nickte.
Wir machten es uns gemütlich, wenn auch sie über mir war, wegen des schmalen Bettes; für mich sehr angenehm und anregend. Sie lobte mich:
„Es freut mich, wie akkurat dein P-Punkt auf mich anspricht!“
„Was soll das denn sein, mein P-Punt?“
„Du weißt genau, was ich meine! Falls nicht, einigen wir uns darauf!“
„Nein, weiß ich nicht! Das kann Patient, Praktikant, Proband, Pappenheimer heißen; das ist gerade mal das, was mir spontan einfällt.“
„Beruhige dich! P und Punkt, also P. ist dein Organ der Wahrheit. Du kannst mir viel erzählen; aber P. sagt immer die Wahrheit und gibt präzise Auskunft darüber, wie er sich fühlt. Meine Diagnose im Augenblick: er fühlt sich prächtig!“
Danach hatten wir noch genügend Zeit, um zu ruhen, was zusätzlich Behaglichkeit schuf.
Die Praxis schloss kurz nach neunzehn Uhr. Heidekraut erschien mit Notizblock, interviewte mich und vollzog den dritten Behandlungsschritt. Ich schlief gut in dieser Nacht, selbst in unvertrauter Umgebung.
Am nächsten Morgen war sie schon sehr früh in der Praxis, lange bevor der Patientenverkehr einsetzte.
„Wie hast du geschlafen? Wie geht es dir? Beim Mann sollen sich gerade in den frühen Morgenstunden gar wundersame Dinge ereignen. Ich wollte Zeuge sein und wenn du bereit bist, dann können wir sogleich tätig werden.“
„Das ist gut, denn gerade morgens ist mein Leiden besonders stark ausgeprägt!“
„Nun, du trägst aber auch nichts Beengendes!“
Während sie sich bereitmachte und ich bemerkte, dass sie sich auch auf der darunter befindlichen Textilebene sehr aufregend gekleidet hatte, erklärte sie:
„Heute ist Freitag! Am Wochenende werden wir die Dosis auf vier- oder fünfmal pro Tag erhöhen. Ich kann mich dann ausschließlich um dich kümmern und den Heilungsverlauf studieren und dokumentieren. Ich werde dann auch noch ein ausführliches Interview abhalten und einen Fragebogen ausarbeiten. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so bei der Sache gewesen zu sein!“
Ich wollte sie küssen, aber:
„Das Küssen sollten wir tunlichst unterlassen, das könnte die Ergebnisse verfälschen!“
„Du hast Recht, ich klage ja auch nicht über eine über-erregte Zunge!“
„Richtig, wir könnten sie aber mit einbeziehen… Schau‘n mer mal!“ sann sie vor sich hin.
„Du warst sehr überzeugend heute! Hat sehr viel Spaß gemacht! Was war anders?“
„Dein sexy Outfit darunter, das war sehr ansprechend; das trägt womöglich nicht zu meiner Genesung bei, war aber stimulierend. Ich fühlte mich gemeint!“
„Ich hab’s bei P. schon bemerkt… unermüdlich! Ich werd’s im Protokoll vermerken. Na, noch ist nicht aller Tage Abend! Bis heute Mittag!“
Sie begab sich an die Arbeit und ich versank in Selbstbetrachtung. In der Mittagspause erschien sie ganz erregt, nahm mein Report zu Protokoll. Ich fragte:
„Muss das denn sein, dass deine Sprechstundenhilfe täglich meinen Blutdruck misst? Sie klopft nicht einmal an! Sie ist mir unheimlich!“
„Ja, das ist Routine! Aber sie ist keine sie, sie ist ein er; das soll aber niemand wissen; selbst er möchte es vergessen. Er befindet sich noch in Hormontherapie.“ erklärte Dr. Stängel. „Meine ärztliche Schweigepflicht gebietet mir, nicht darüber zu reden.
„Der Damenbart ist unübersehbar!“ Ich war gemein, der arme Kerl.
„Heute war ein Vertreter bei mir! Er bot mir einen sehr vielseitig verwendbaren Therapiestuhl an. Er ist für den Patienten bequem, in allen Dimensionen verstellbar, hygienisch, rollbar und leicht und sicher zu bewegen und ein Tablett lässt sich ausklappen, wo ich meinen Block ablegen und während der Arbeit Notizen machen kann. Er ist geradezu ideal für unser Projekt. Er wird Anfang nächster Woche geliefert. Ich werde ihn mit dir einweihen.“
„Was hast du mit mir vor?“ fragte ich etwas besorgt.
„Ich muss das noch durchdenken. Jetzt und heute Abend verfahren wir nach bewährtem Muster. Morgen werde ich die Zügel straffer anziehen. Aber wie ist deine Stimmung? Sollen wir mit der Therapie fortfahren?“
„Oh ja! Ich freue mich schon immer sehr auf dein Kommen, obwohl das Therapieziel mir immer häufiger vor den Augen verschwimmt. Ich fühle mich auf die Therapie reduziert und es schleicht sich der Gedanke ein, dein Versuchskaninchen zu sein.“
„Dann freu‘ dich doch! Stell‘ dir vor, du wärst eine Laborratte, dann wird’s dir gleich bessergehen. Aber falls wir diese Variante abbrechen, werden wir die erste Variante anwenden müssen! Du erinnerst dich?“
Ich nickte, aber das wollte ich auf keinen Fall. Ich wollte nicht für die Sache leiden. So vollzogen wir mit großem Vergnügen noch zwei weitere Male unser Ritual. Ich schlief tief und fest, obwohl ich nicht wusste, was am Wochenende mit mir geschehen sollte. Immerhin, Frau Doktor machte meinetwegen Überstunden und opferte ihre freie Zeit. Das beruhigte mich.
Sie war pünktlich zur Stelle, um Zeuge des morgendlichen Ereignisses zu sein. Sie führte eine kleine Reisetasche mit, deren Inhalt sie nicht preisgeben wollte. Sie ging sogleich an die Arbeit, vermaß mich und schrieb die Fakten nieder.
„Wir sind heute allein in der Praxis; wir brauchen also nicht mehr so vorsichtig bei der Geräuschentwicklung sein!“ ließ sie mich wissen. Sie las ihre Notizen durch.
„Der Ablauf heute ist ungewiss; daher werden wir Intervalle festlegen. Das Dreier-Intervall verlief problemlos, eher symptomverstärkend als lindernd.“ murmelte sie vor sich hin. „Gehen wir erst einmal frühstücken: ich habe im Warteraum servieren lassen!“
Ich aß mit gutem Appetit. Sie notierte, was und wieviel ich zu mir nahm. Das hat schon was von einem Versuchskaninchen!
„Arbeitest du gern mit mir?“ fragte sie, ohne aufzublicken
„Oh ja!“
„Ich habe gestern noch viel über deine Argumente nachgedacht. Sie sind mir wichtig. Dein P. sagt zwar immer die Wahrheit, aber er erklärt nicht seine Bewegründe. Ihr beide solltet gut zusammenarbeiten. Habt ihr ein gutes Verhältnis? Versteht ihr euch? Oder gibt es Spannungen? Du kannst unbesorgt mit mir darüber sprechen!“
„Also, er ist mir häufig ein Rätsel, trifft eigene Entscheidungen. Er ließ mich in der Vergangenheit gelegentlich im Stich. Das ist schon peinlich, mitten im süßen Gefecht desertiert er. Und ich weiß nicht einmal warum! Schrecklich! Oder er ballert los, viel zu früh… Die Dame ist noch gar nicht vorbereitet! Schrecklich! Ich wünsche mir etwas mehr Gehorsam, Disziplin! Sicher, ich werfe auch manchmal die Flinte ins Korn, ohne das vorher anzukündigen; aber das steht mir zu!“
„Du nennst ihn manchmal Flinte? Das ist interessant!“
„Nein, das tue ich nicht! Das ist eine Mundart, verstehst du?“
„Über Mundart haben wir überhaupt noch nicht gesprochen. Also bitte, wir sollten unser Projekt nicht überfrachten; es läuft uns sonst aus dem Ruder. Wir können nicht ständig ein Fass aufmachen. Dann kommt nichts Verwertbares dabei heraus.“
Wir gingen in den kleinen Therapieraum, letztendlich in meinem Bett an die Arbeit. Die Arbeitskleidung war stets die gleiche. Manchmal behandelte sie mich von oben herab, dann wieder unterzog sie sich. Ich sollte stets auf sie reagieren. Auf pikante Unterwäsche habe sie heute bewusst verzichtet. Sie wollte nur ihre Wirkung auf mich erkunden. Ich würde deutlich kräftiger auf sie reagieren, wenn sie sich von oben herab positionierte. Das sei sehr interessant, meinte sie.
Wir machten eine dreistündige Kuschelpause. Nach Ablauf der Ruhephase überprüfte sie mich ohne Vorankündigung visuell, entblößte sich und notierte „fabelhaft“.
„Dein Reproduktionsapparat läuft nun auf vollen Touren; wir wollen ihn heute etwas überhitzen. Hoffentlich kommt er nicht zu Schaden, ein Kolbenfresser oder so… Es zahlt sich aus, wenn du dich nicht selbstbesudelst!“
Nach einer weiteren dreistündigen Unterbrechung, wiederholte sie ihre Überprüfung. Sie jubelte:
„Na endlich! Er schwächelt! Das ist fantastisch! Jetzt kann ich mit meinen Tests beginnen!“
„Darauf bin ich nicht vorbereitet!“ klagte ich.
„Das sollst du auch nicht! Du sollst unvorbereitet das Testprogramm durchlaufen! Jetzt hätte ich gerne eine Schreibkraft zur Hand, dann könnte ich mich ausschließlich meiner Beobachtung zuwenden und müsste für meine Notizen nicht immer unterbrechen!“
Sie war ganz aus dem Häuschen.
„Küss‘ mich!“ schwärmte sie.
„Ich denke, wir sollten das tunlichst unterlassen!“ erinnerte ich sie.
„Nun wollen wir die Wirkung des Kusses auf die Bereitstellung deiner uneingeschränkten intakten Maskulinität überprüfen. Ich werde einen Handspiegel benutzen, einen Augenblick bitte!“
Sie hatte ihn rasch zur Hand. Offenbar hatte sie diese Situation wohl schon im Voraus durchdacht. Als wir uns dann das erste Mal küssten, die dazu passende Position gefunden hatten, sah sie in den Rückspiegel. Wie sie mich trotz dieser Akrobatik küsste, fuhr es mir doch mächtig in die Lenden. Sie notierte: deutliche Reaktion aber nicht anhaltend stabil! Sie war sehr mit sich zufrieden und legte den Spiegel beiseite.
„Nun werde ich eine andere Methode anwenden und testen, wie du darauf reagierst! Ich werde mich dir in verschiedenen obszönen Posen anbieten. Erschrick‘ also nicht! Es dient der Wissenschaft!“
Da ging aber gewaltig etwas mit mir vor, aber nach Ende der Vorstellung blieb nichts für eine Standing Ovation übrig. Sie bat um eine kleine Unterbrechung, verschwand für kurze Zeit und erschien in süßem, sexy Outfit. Die Wirkung auf mich war überzeugend aber ihrer Meinung nach nicht nachhaltig genug. Sie legte alles wieder beiseite, schritt wieder unbewaffnet zur Tat und begann, ganz einfach Hand anzulegen. Der Erfolg war ermutigend und sie verfeinerte ihr Tun. So schwelgten wir aneinander in den frühen Nachmittag, heiter, störungsfrei und problemlos.
Nachdem Frau Doktor abgestiegen war und sich mit einem zufriedenen Schmunzeln um die Lippen ankleidete, erklärte sie mir, dass ich jetzt eine Erholungspause verdient habe, sie jetzt ein paar Besorgungen machen würde, mich hernach zu einem weiteren Reigen wieder aufsuchen werde und mich anschließend zum Italiener einladen werde. Dazu würde sie mir dann auch wieder meine Kleidung aushändigen. Das Kussverbot war bereits kassiert worden, so dass sie sich mit einem Küsschen verabschiedete und mich an das Verbot des Selbstbesudelns erinnerte.
Gut gelaunt erschien sie gegen vier. Ihr zufriedenes Schmunzeln um die Lippen war ihr nicht abhandengekommen.
„Du bist guter Dinge?“
„Wundert es dich? Ich bin in der Hoffnung gekommen, dass mir jetzt gleich wieder Gutes wiederfährt. Wenn das kein Grund zur Freude ist…? Oder hat es bei dir eine Eintrübung gegeben?“
„Nein, überhaupt nicht! Ich habe dich erwartet!“ beruhigt ich sie.
„Sehr schön! Dann wollen wir auch keine Zeit verschwenden und ein neues Stückchen wagen! Ich habe etwas die Orientierung verloren; ich weiß jetzt nicht, das wievielte Mal das jetzt ist. Ich müsste im Protokoll nachsehen; dazu habe ich jetzt aber keine Lust. Lass es uns aus purem Vergnügen tun!
Wir vollzogen unseren Reigen aus purem Vergnügen. Als wir uns ankleideten, zeigte sie mir die sexy Dinger, die sie erworben hatte und jetzt anzog.
„Wenn ich mit dir ausgehe soll es drunter und drüber fesch aussehen. Ich fühl mich wohl darin, weil ich weiß, du erinnerst dich ständig daran, was ich anhabe.“
Es war nicht weit bis zum Restaurant; wir fuhren dennoch in ihrem Wagen:
„Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich anschließend gerne mit nachhause nehmen. Dort ist es gemütlicher und du solltest nicht so lange unbeaufsichtigt sein; ich werde dich vermissen! Zudem können sich während des Schlafs unerwartete Dinge ereignen, die mir entgehen und womöglich ungenutzt verstreichen. Das wirst du doch verstehen?“
Ich verstand, zumal sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel legte mit dem Hinweis, dass der Wagen Automatik habe. Im Restaurant wollte sie, dass wir nebeneinandersitzen, nicht gegenüber, das würde den Zugriff erleichtern. Ich verstand.
Als wir bestellt hatten, gestand sie, ein Anliegen zu haben, worüber sie gerne geredet hätte, denn es sei Erklärungsbedarf notwendig:
„Als wir deine Therapie begannen, taten wir das unter anderen Voraussetzungen. Anhand meiner Beobachtungen, bezweifele ich, dich von deinem Leiden heilen zu können. Anstatt sich zurückzuziehen, entwickelt sich deine Maskulinität gut und expandiert sogar. Mein Eindruck ist, nur dein Leidensdruck ist verschwunden.“
„Das stimmt!“ bestätigte ich.
„Wenn also Therapie nicht möglich ist, sollte man die Behandlung abbrechen, findest du nicht?“
Ich schüttelte energisch den Kopf:
„Nein, das möchte ich nicht! Wir wissen nicht, was sich in der kommenden Woche ereignet. Nach meiner Rechnung endet unser Projekt mit Ablauf des kommenden Wochenendes; es sei denn, du willst die Therapie abrechen, die Dosis erhöhen oder verringern.“
Heidekraut lächelte:
„Dann sind wir uns einig! Auch mir liegt viel daran, fortzufahren. Ich protokolliere zwar deine Reaktionen, Verhalten, Ansprechbarkeit und wie sich diese Dinge verändern. Meine aber auch, gesondert. Mit mir gehen auch seltsame Wandlungen vor. Du musst wissen, seit langer Zeit habe ich mich ausschließlich meiner Arbeit gewidmet. Es gab nicht einmal eine sexuelle Grundversorgung; es herrschte hochgradiger Vitamin M Mangel, ich schien erloschen, wenn du verstehst, was ich meine?“
„Natürlich, verstehe ich das!“ nickte ich.
„Schön! Also nachdem du vor einigen Tagen mit deinem Anliegen in meiner Praxis erschienen bist, schlug ich spontan einen ungewöhnlichen Therapieansatz vor. Ich bekam ganz heiße Ohren, als ich mich so sprechen hörte. Ich weiß nicht, ob das dir aufgefallen ist…“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich schrieb dieses Rezept aus und schlug mich als Heilmittel vor, ließ aber die Nebenwirkungen außer Acht. Die Nebenwirkungen bei mir!“
Ich sah auf, sie sah nieder.
„Die ersten Male stand ich nur zu meinem Wort. Aber bereits während der Nacht danach beschlich mich ein lang vermisstes Wohlbehagen. Ich freute mich auf den nächsten Tag. Ich schätzte die Häufigkeit unserer Begegnungen und vor allem die geregelte Bereitstellung. In meinem Unterbewusstsein lag mir überhaupt nichts mehr an deiner Genesung. Ich sah häufig auf die Uhr, um ja nicht zu spät zu kommen. Ich mag’s gar nicht aussprechen, aber bei mir ereigneten sich Dinge, wie beim pawlowschen Hund… Je näher der Zeiger der Uhr auf den verabredeten Zeitpunkt vorrückte, umso mehr braute sich da etwas zusammen, dieser Willkommens-Cocktail… Das beunruhigte mich, beruhigte mich aber auch… Ich war noch ansprechbar! Als ich das akzeptierte, glühte eine unbändige Freude in mir auf. Ich wurde ruhig, ausgeglichen, schlief hervorragend, freute mich auf den kommenden Tag, wurde übermütig mit der Erhöhung der Dosis Mann. Ich hätte nie gedacht, dass da so viel Heilkraft drinsteckt. So, nun weißt du es! Du bist zum Glück nicht heilbar!“
Ich legte meine Hand auf ihre Hand.
„Leg sie lieber auf meinen Oberschenkel!“ riet sie mir. „Du bist Rechtshänder; du kannst während des Essens deine Hand dort liegen lassen und ab und zu zudrücken!“
Wir hielten uns nicht unnötig lange im Restaurant auf. Heidekraut brauste nachhause. Sie hatte dort schon zuvor alles nett hergerichtet. Als die Tür ins Schloss fiel, wurde sie ruhiger. Ich riss sie in meine Arme. Woher kam nur all diese Gier dieses Kusses?
„Lass uns ein vergnügliches Bad nehmen!“ schlug sie vor.
Es ging auch weiterhin vergnüglich zu, bis uns die Puste ausging und wir in einen neuen Tag hineinschliefen, der, so hofften wir, sich nicht wesentlich vom vergangenen unterscheiden sollte.
„Der wissenschaftliche Anspruch unserer Studie ist wohl dahin, dennoch sollten wir das Experiment nicht abbrechen. Nicht selten fallen Ergebnisse anders aus als erwartet. Vielleicht ist unsere Reparatur noch nicht abgeschlossen.“ meinte sie beim Frühstück.
„Der wissenschaftliche Anspruch war nie vorhanden, mit nur einem Probanden!“ erwiderte ich.
„Ich wusste nicht, dass du auch noch reimen kannst! Aber daran habe ich auch schon gedacht! Was hältst du davon, wenn wir die gleiche Studie mit einer größeren Anzahl an männlichen Teilnehmern wiederholen, mit Studenten zum Beispiel?“
„Wie jetzt? Du mit zwanzig Studenten, dreimal täglich zehn Tage lang?“
„Ja, zum Beispiel!“ meinte sie gelassen.
„Das wäre sechzig Mal am Tag!“
„Du kannst schnell rechnen! Hinzu kommst du ab zwanzig Uhr!“
„Das will ich nicht, selbst wenn’s ein Scherz ist!“
„Und warum willst du das nicht – selbst wenn‘s witzig ist?“ fragte sie gespielt erstaunt.
„Ich will das nicht! Ich will dich für mich allein! Sag mir, wenn ich dir nicht genüge! Ich will dich für mich allein!“ sagte ich erregt.
„Das gefällt mir! Das will ich hören! Aber du hast ja mitbekommen, dass ich hohe Ansprüche an Quantität und Qualität stelle. Was ist, wenn du meiner überdrüssig wirst?“ fragte sie jetzt in ernster Sorge.
„Dann werden wir Mittel und Wege finden, um dem vorzubeugen oder dafür sorgen, dass das nicht geschieht!“ sprach ich etwas lauter als sonst.
„Ich wollte dich nicht in Panik versetzen. Ich wollte nur wissen, wie deine Einstellung dazu ist. Doch lass uns das Ganze doch einmal umdrehen. Es wäre doch mal interessant, wenn dich zwanzig Studentinnen durch- und austesten, findest du nicht?“
„Das würde mich total überfordern! Undenkbar! Interessant wäre allerdings, herauszufinden, auf wen würde ich nach einer gewissen Abstinenz ansprechen und warum und wäre das auch gegenseitig?“
Der Sonnentag wurde zum Wonnentag und wir lernten, dass man nicht immer auf den Auslöser drücken musste, um ausgelassenen Spaß zu haben. Hauptsache war, dass die Verbindung dauerhaft aufrechterhalten werden konnte. Sie bediente mich sehr virtuos und förderte Seiten an mir, die ich zuvor nicht kannte, aber sehr gern kennenlernte. Sie war eine unermüdliche Förderin meiner Unermüdlichkeit.
In einer Ruhephase schien sie entrückt. Sie lag in meinem Arm. Ich wagte es nicht, sie zu stören, fragte dann aber doch, ob etwas falsch gelaufen sei. Sie schüttelte den Kopf:
„Nein, ich hatte nur eben eine Art Vision und ich zögere noch, sie dir zu erzählen. Vielleicht riskiere ich, dass du mir davonläufst!“
„Das werde ich nicht, aber lass‘ dir Zeit. Früher oder später kommt alles ans Licht!“
„Du hast Recht, es soll ans Licht kommen, Also gut… Ich schätze den Überfluss dieses Wonnetages und ich sah mich… Du kennst doch die Redewendung von den Schmetterlingen im Bauch. Ich sah mich nicht mit Schmetterlingen, ich sah mich mit lauter Dämonen im Bauch und sie tobten so heftig, dass man das an meiner Bauchdecke bemerken konnte, als bewege sich ein Baby darin. Ich erschrak über das, was sie darstellten.“
„Waren sie bösartig, quälend, zerstörerisch?“ fragte ich.
„Unter Umständen… eher Frivolitäten, Unanständigkeiten… Dinge, die man als Frau auf keinen Fall tun darf! Du könntest abweisend auf mich reagieren!“
„Das brauchst du nicht befürchten!“ beruhigte ich sie. „Ich mache dir folgenden Vorschlag: Wir heißen deine Dämonen willkommen und wenn sie das nicht wollen, jagen wir sie und knöpfen sie uns einzeln vor. Wir fordern sie auf, das zu tun, was sie so zu bieten haben. Alsdann verwandeln wir sie zu Diamanten oder Perlen und machen aus ihnen eine Perlenkette, ein Schmuckstück! Nur ich werde diese Perlenkette sehen können, wenn du sie anlegst. Dämonen zu Diamanten! Du kannst stolz auf sie sein – und schon verlieren sie ihre Schrecken. Allein die Jagd auf sie wird uns beiden Spaß machen; du erleichterst dich und bereicherst mich!“
„Du bist unglaublich mit deinen Einfällen. Wir entzaubern sie und lassen sie uns bezaubern! Unglaublich! Ich kann nur hoffen, dass du nicht eines Tages deinen Vorschlag bereust!“
„Wohl kaum! Wir gehen gemeinsam auf Schatzsuche und heben sie gemeinsam: jeder Dämon ein Diamant! Ich hoffe, du hast genug davon!“
Heidekraut strahlte aus allen Rohren und griff heftig nach mir.
Der nächste Tag war wieder ein Arbeitstag, den wir begannen, wie es das Rezept vorsah. Am späten Vormittag wurde der neue Behandlungsstuhl geliefert und aufgestellt. Ich hatte das Privileg, ihn mit meiner Ärztin einzuweihen. Ich hatte nur die Aufgabe, mich hinein zu setzen; sie setzte sich mir zugewandt auf meinen Schoß, natürlich in Therapiekleidung, ihr Protokollblock fein säuberlich auf dem Tablett zur linken. Sie übernahm alle Manipulationen, womit die Akkuratesse ihrer Versuchsanordnung an Wert gewann. Sie war begeistert!
So verfuhren wir konsequent bis Freitagabend, Dienstschluss. Das Wochenende verbrachten wir wieder bei ihr und diskutierten unsere Therapie für die Krankenakte. Wir kamen zu folgender Schlussfolgerung:
Trotz gewissenhafter Abfolge des Therapieplans konnte die Maskulinität des Patienten nicht geheilt werden. Die Phasen der Erregbarkeit hatten sich sogar noch verschlimmert. Da der Allgemeinzustand des Patienten ausgezeichnet war, können die Attacken in Grenzen beherrscht werden, falls der Patient in dauerhafter Behandlung bei seiner erfahrenen Therapeutin verbleibt. Es ist zu vermuten, dass die Krankenkasse die Kosten für diese weiterführende Behandlung nicht übernehmen werde, zumal einige Nebenwirkungen, wie temporäre Ausfallerscheinungen durch übermäßigen Gebrauch aufgetreten sind.
gezeichnet Frau Dr. Heidekraut Stängel
Frau Dr. Stängel teilte mir inoffiziell, d.h. privat, mit, dass nun sie an verstärkter Femininität leide, in teilweise verheerendem Ausmaß. Sie hatte nicht geahnt, dass sie so unterernährt war und nun mit Heißhungerattacken kämpfe. Da sie einen Kampfpartner hat, sind die Symptome beherrschbar. Sie hofft, dass nach Stillung diese Basishungers ihre Unersättlichkeit erhalten bleibt. Man kann nur hoffen, dass den beiden die Therapie aneinander gelingt. Zumindest sollte der moderate Umgang der beiden miteinander im Bett und auf der Heide einen vergnüglichen Verlauf ihrer Alltagsbeschwerden gestatten.
Unsere beiden Firmen arbeiteten seit Jahrzehnten in hervorragender Weise zusammen. Ich hatte die bestehenden Kontakte bereits von meinem Vorgänger übernommen, gepflegt und ausgebaut. Ich besuchte unseren Partner mehrmals im Monat, hielt mich manchmal mehrere Tage dort auf, um feine Details mit deren Ingenieuren zu besprechen. Geringe Missverständnisse oder Abweichungen vom Soll konnten enorme Kosten und teuren Müll verursachen. Das blieb uns, dank unserer Sorgfalt, bisher erspart.
Diese Firma, von der hier die Rede ist, liegt im östlichen Franken, langezeit im Zonenrandgebiet wirtschaftlich benachteiligt und von staatlicher Förderung abhängig. Die Region Oberpfalz konnte ihre Ursprünglichkeit bewahren. Sie galt langezeit als rückständig, was heutzutage neuerliche Beachtung und Anerkennung findet, da Naturbelassenheit nun als Wert eingestuft und geschützt wird. Ich mochte diesen Charme von Land und Leuten und hörte gern die fränkische Mundart. Heute ein modernes international agierendes Kunststoffverarbeitungsunternehmen, hervorgegangen aus einer Jahrhunderte alten Lederfabrik, stellt in großer Stückzahl komplizierte Bauteile für diverse Fahr- und Flugzeuge her.
Dazu werden präzise Spritzgussformen benötigt, die ein Negativabbild des späteren Bauteils darstellen. Sie sollen millionenfach ohne Qualitätsverlust das Endprodukt auswerfen. Diese Spritzgussformen stellt die Firma her, für die ich arbeite. Wegen der hohen Drücke muss die Form stabil sein, damit das Bauteil passgenau gefertigt werden kann. Naturgemäß sind solche Formen für anspruchsvolle Teile sehr teuer, damit stets die bestmögliche Qualität garantiert werden kann. Unsere Firmen waren ein fein aufeinander abgestimmtes Räderwerk, das zu beiderlei Nutzen arbeitete. Moderne 3D-Drucker könnten uns zum Verhängnis werden, falls sie in Zukunft schneller ihre Aufgaben erledigen sollten.
Ich war mit Leib und Seele Ingenieur und freute mich regelmäßig, wenn ein Besprechungstermin angesetzt wurde. Manchmal schienen die Probleme unlösbar, doch irgendwie schafften wir es dann doch gemeinsam, die Aufgabe zu lösen. Das schuf geradezu auch freundschaftliche Begegnungen. Wenn alles getan war, ging es zum entspannten Teil des Tages. Wir tranken frisches, würziges Vogtland-Bier und gingen anschließend gemeinsam zum Essen in eines der vielen hervorragenden Landgasthäuser.
Während des Essens wurde ich gefragt, ob ich schon mein Zimmer im renovierten Schlosshotel bezogen habe.
Ich nickte, weil ich kaute, aber sodann antwortete:
„Oh ja! Es ist wunderschön – sehr geschmackvoll eingerichtet mit einer begeisternden Aussicht über dies gesegnete Land. Ich fühle mich wie der Schlossherr persönlich - großzügig und keinesfalls beengt wie in den Gasthäusern.“
„Nun, als wir hörten, dass das Schloss zu einem Tagungszentrum umgebaut werden sollte, haben wir uns an den Renovierungskosten beteiligt und in den einstigen Kellerräumen ein Wellnessbereich errichtet. Wir besitzen ein Zimmerkontingent, wo wir unsere Geschäftsfreunde unterbringen können. Sie gehören zu den ersten, die die neuen Räume bewohnen. Lassen Sie uns bei Gelegenheit ihr Urteil wissen.“
„Das werde ich! Aber was weiß man über die Geschichte dieses Anwesens? Es interessiert mich, was dort früher geschah! Wie alt ist es?“
Nun, genau weiß man das nicht. Aber es soll auf den Grundmauern einer alten Festung errichtet worden sein. Die kleine Anhöhe macht es strategisch bedeutsam. Womöglich haben es bereits die Römer seinerzeit errichtet; präzise Hinweise gibt es nicht. Danach war es eine Art Abtei mit einigen Mönchen. Nachweislich haben sich Kreuzritter eine gewisse Zeit dort aufgehalten. Genauer dokumentiert ist die Zeit als Casimir von Stetten das Anwesen übernahm. Er soll aus Böhmen stammen. Zumindest ranken sich zahlreiche Geschichten um ihn. Das Volk konnte zu jener Zeit weder lesen noch schreiben; so wurden diese Geschichten als Erzählungen übermittelt. In wieweit dadurch der Wahrheitsgehalt gelitten hat, kann ich nicht beurteilen. Ich erzähl‘ es Ihnen, wie es sich die Leute hier und heute den Gästen erzählen.
Also, Fürst Casimir bezog die Burg mit seinem Weib, eine bezaubernde, üppige Schönheit aus Mähren und der Dienerschaft und erklärte sich zum Herrscher über das kleine Land. Franken war seinerzeit recht wohlhabend; es lag an den Handelsrouten Ost-West und Nord-Süd. Es fiel reichlich Wegezoll an, und der Fürst ließ sein Domizil recht solide und hübsch herrichten. Er vergötterte seine Gattin und betätigte sich emsig als fleißiger Ehemann, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Natürlich verstand ich:
„Gewiss doch!“