Erotische Kunst - Hans-Jürgen Döpp - E-Book

Erotische Kunst E-Book

Hans-Jürgen Döpp

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Erotische Kunst

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Autor: Hans-Jürgen Döpp

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

© Parkstone Press International, New York, USA

© Confidential Concepts, Worldwide, USA

Image-Barwww.image-bar.com

© Aulaire, copyright reserved

© Paul Avril, copyright reserved

© Suzanne Ballivet, copyright reserved

© Paul-Émile Bécat, copyright reserved

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© André-Félix Roberty, Artists Rights Society, New York/ ADAGP, Paris

© Feodor Rojankovsky, copyright reserved

© Otto Rudolf Schatz, copyright reserved

© Louis Berthommé de Saint-André, Artists Rights Society, New York/ ADAGP, Paris

© Robert Schiff, copyright reserved

© Otto Schoff, copyright reserved

© Nicolas Sternberg, copyright reserved

© Taddeo, copyright reserved

© Rudolfo Valentino, copyright reserved

© Marcel Vertès, copyright reserved

© Gerda Wegener, copyright reserved

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

ISBN: 978-1-78310-672-1

Hans-Jürgen Döpp

INHALTSVERZEICHNIS

Eine Geografie der Lust

1748: Marquis d’Argens, Thérèse Philosophe

Erotische Kunst oder Pornografie?

1665/1666: Pierre de Bourdeille Seigneur de Brantôme, Das Leben der galanten Damen

Der Traum von der Orgie

1794 – 1797: Restif de la Bretonne, Monsieur Nicolas´ Abenteuer im Lande der Liebe

Sade oder Der Triumph der Einbildungskraft über die Vernunft

Erotik und Entrüstung

Francke oder Das pädagogische Fantasieverbot

Augenlust – Das Auge als erotisches Sinnesorgan

Erotische Phantasmagorien des einsamen Auges

1900: Octave Mirbeau, Tagebuch einer Kammerzofe

Die Einsamkeit des Bildes

Platonische Schürzenjäger

Die erotischen Wurzeln der Sammelleidenschaft

Fotografieren – ein Koitus auf Distanz?

Um 1920: Richard Werther, Das Freudenmädchen

1922: Franz Blei, Gymnasium der Wollust

Um 1925: Tantris, Das Fünfeck

1970: C. Uldorf, Lüsterne Carola

1970: C. Uldorf, Lüsterne Carola

Sodom Berlin

1880: Guy de Maupassant, Die Nichten der Frau Oberst

1891: Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray

Negation und Erektion

Freud oder das Zwischenreich der Kunst

Rousseau oder die Utopie des sprachlosen Glücks

Lasst tausend Blumen blühen!

1797: Marquis de Sade, Juliette

1858: Charles Deverieux, Venus in Indien

Index

Anmerkungen

1. Gustave Courbet, Der Ursprung der Welt, 1866.

Öl auf Leinwand, 46x55cm.Musée d’Orsay, Paris.

Eine Geografie der Lust

Dieses Buch lädt Sie zu einer außergewöhnlichen Reise ein, die den Blick auf eine Geografie der Lust öffnen wird. Die Erotik stellt sich uns mit einer Fülle von Bildern und Objekten aus allen Kulturen und dort wiederum aus den Bereichen der Kunst und des Kultes als das zentrale Thema aller Zeiten vor. Und vielleicht gelingt es uns ja, indem wir uns auch den fernen und fremden Kulturen öffnen, unsere eigene zu bereichern.

Auf dieser virtuellen Reise werden wir einer Vielfalt von Sichtweisen der tausend Metamorphosen der Sexualität begegnen. Sie zeigt, dass nichts natürlicher ist als das sexuelle Verlangen, und nichts weniger natürlich als die Formen, in denen es sich äußert und befriedigt.

Was in den Tresoren öffentlicher Museen und in den Kabinetten privater Sammler lange verborgen blieb: Hier können Sie es sehen! „Verbotene Bilder“ – untersagt insbesondere in unserem westlichen, dem Sexuellen gegenüber wenig aufgeschlossenen Kulturkreis. Diese Bilder gewähren uns einen uneingeschränkten und daher umso faszinierenderen Blick auf das, was seit jeher zur menschlichen Natur gehört. Gerade die östlichen Kulturen haben es verstanden, diesen Aspekt des menschlichen Wesens schon früh in ihre Kunst und Kultur einzubeziehen. So hat die chinesische Religion, ganz frei vom westlichen Sündenbegriff, Lust und Liebe als „reine Dinge“ angesehen. In der Vereinigung von Frau und Mann im Zeichen des Tao drückt sich ihr zufolge die gleiche Harmonie aus wie im Wechsel zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter. Mit Recht lässt sich sagen, dass das jahrtausendealte chinesische Denken in sexuellen Vorstellungen seinen Ursprung hat: Yin und Yang, zwei sich ergänzende Begriffe, bestimmen das Universum.

Auf diese Weise enthält die erotische Philosophie der alten Chinesen zugleich eine Kosmologie. Die Sexualität ist integraler Bestandteil ihrer Weltanschauung und von ihr nicht zu trennen. So versichert eine der ältesten und anregendsten Zivilisationen der Erde durch ihre Religion, dass es gut und der religiösen Philosophie entsprechend ist, die Liebe poetisch, erfinderisch und leidenschaftlich zu gestalten. Diese Unbefangenheit im Sexuellen ist auch in den künstlerischen Darstellungen aus China sichtbar.

Auch die großen Meister Japans schufen einen Reichtum erotischer Bildfolgen, die im gleichen Rang mit anderen Kunstwerken stehen. Und es ist keiner staatlichen Zensurmaßnahme jemals gelungen, diese geheime Produktion vollständig zu unterdrücken. Die sogenannten „Shungas“, zu deutsch „Frühlingsbilder“, loben die sehr irdischen Vergnügungen der Welt.

Man empfand es als natürlich, die fleischliche Lust zu suchen, in welcher Form auch immer, und da das Wort „Laster“ im alten Japan nicht ausgesprochen wurde, galt unter anderen selbst die Sodomie als eine sexuelle Praktik. Zu den in technischer und künstlerischer Hinsicht vollkommenen Werken gehört die Gattung der „Ukiyo-e“, der „Bilder einer fließenden, vergänglichen Welt“. Sie zeigen, dass in der japanischen Kunst und auch in der Literatur das Fantastische und Groteske schon früh zu voller Entfaltung gelangte.

Die Sexualität erfuhr durch die Zeiten hindurch tausend Metamorphosen und erlebte je nach Kultur die unterschiedlichsten Ausformungen. In Indien wurde sie in Hindutempeln geheiligt. Für die Griechen vereinigten sich im Kult der Schönheit die Freuden des Körpers mit denen des Geistes, gemäß ihrer Philosophie, die die Welt als ein Zusammenspiel von Apollon und Dionysos, von Vernunft und Ekstase begriff.

2. Achille Devéria, 1830.

3. Anonym, 1799.

Erst das Christentum setzte sie in Beziehung zu Sünde und Hölle und schuf damit unversöhnliche Gegensätze. „Der Teufel Eros ist allmählich den Menschen interessanter als alle Engel und Heiligen geworden.“ Dieses abendländische Wort des Philosophen Friedrich Nietzsches (1844 bis 1900) dürfte im fernöstlichen Japan auf Unverständnis stoßen, denn Eros wurde dort nie verteufelt. In Japan wie auch in anderen östlichen Kulturen ereignete sich nicht, was Nietzsche für das Abendland beklagt: „Das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken.“ Hier wurden erotische Darstellungen in geheime Kabinette verbannt, die „fließende, vergängliche Welt“ vom begrifflichen Gitter der entstehenden Sexualwissenschaften eingefangen, sodass es heute der Wissenschaft nur mit Mühe gelingt, die Sexualität von der Schlacke der Abwertung, der Entfremdung, der Vorurteile und des Schuldbewusstseins zu befreien.

Es ist darum auch nicht weiter erstaunlich, dass sich die Sexualwissenschaften gerade dort entwickelten, wo das Verhältnis zu Sexualität und Erotik in besonderer Weise gestört war.

4. Anonym, Indische Miniatur.

5. Rudolfo Valentino, Tangotänzer,

um 1930. Bemalte Terrakotta.

Erotisches Museum, Amsterdam.

Im Gegensatz zur Pornografie, der es oft an Imagination mangelt, lässt uns die Kunst an einer erfinderischen Freude teilhaben. Gerade weil manche dieser Bilder uns zuerst fremd erscheinen und uns irritieren, zwingen sie zu einer Konfrontation mit unseren Tabus.

Erst unsere Bereitschaft, uns irritieren zu lassen, verspricht den Erfolg dieser Reise durch die Geografie der Lust und unsere heimlichen Fantasien. Wer die erotische Erfahrung für sich bejahen kann, dem erschließt sich auch der Humor, der aus vielen der ausgestellten Werke spricht. Es sind Bilder der Lust im doppelten Sinne: der dargestellten Fleischeslust sowie, in distanzierterer Form, der Augenlust. Solche Impressionen aus der Kulturgeschichte der Menschheit können dazu verhelfen, unsere Toleranz zu erweitern und unsere Sichtweisen weiter zu entwickeln. Auch dürften sie manche Köpfe von Klischees und Gemeinplätzen befreien, die unser kulturelles Gedächtnis so lange bestimmten. Wer diese vielfältigen Eindrücke auf sich einwirken lässt, wird die Welt der Erotik zukünftig – das wäre zumindest eine der Hoffnungen dieses Buches – mit anderen Augen sehen.

1748: Marquis d’Argens, Thérèse Philosophe

Mach es mir recht tüchtig, lieber Freund! sagte Frau C., indem sie sich auf ihr Ruhebett sinken ließ. Die Lektüre deines bösen Pförtners der Kartäuser hat mich ganz in Flammen gesetzt; seine Porträts sind sprechend ähnlich; sie tragen einen bezaubernden Ausdruck von Wahrheit; wenn es weniger schmutzig wäre, es wäre ein unnachahmliches Buch in seiner Art. Stecke ihn mir heute hinein, Abbe! Ich beschwöre dich! Ich sterbe vor Lust, und ich bin bereit, alle Folgen zu tragen!

Wenn ich dir gesagt habe, meine Abenteuer würden dich über die Launen der Männer belehren, so wollte ich damit nicht von den verschiedenen Stellungen sprechen, deren sie in ihrer Wollust sozusagen eine unendliche Menge erfunden haben, um die Vereinigung mit dem Weibe zu vollziehen.

Alle diese verschiedenen verliebten Stellungen sind von dem berühmten Pietro Aretino, der im sechzehnten Jahrhundert lebte, so eingehend behandelt worden, dass darüber heutzutage nichts mehr zu sagen ist.

6. Anonym, Chinesische Porzellanfliese, 19. Jh.

Erotisches Museum, Amsterdam.

7. Anonym, Faun und Nymphe, aus einem spanischen Landhaus, 19. Jh. Aus Eichenholz

geschnitztes Relief.Erotik-Museum, Berlin.

8. Anonym, Mythologische Szene, um 1800.

Silber.Erotisches Museum, Amsterdam.

Es handelt sich also bei dem, worüber ich dich belehren will, nur um Ausartungen der Fantasie, um jene seltsamen Gefälligkeiten, die manche Männer von uns verlangen und die ihnen einen vollkommenen Genuss ersetzen, sei es, weil sie eine Vorliebe dafür haben, sei es infolge einer mangelhaften Körperbildung.

Alles wurde auf Ihren Befehl in mein Zimmer gebracht. Ich verschlang mit den Augen in den ersten vier Tagen die Geschichte des Pförtners der Kartäuser, die Geschichte der Karmeliterinnenpförtnerin, die geistlichen Lorbeeren, das Freudenmädchen, den Aretino und viele andere Bücher dieser Art. Von ihnen wandte ich mich nur ab, um die Gemälde zu betrachten, auf denen die wollüstigen Stellungen mit einer Farbenschönheit und Kraft des Ausdruckes wiedergegeben waren, dass meine Adern von heißer Glut durchströmt wurden.

Am dritten Tag geriet ich in eine Art von Ekstase, nachdem ich eine Stunde lang gelesen hatte. Ich lag auf meinem Bett, von dem die Vorhänge auf allen Seiten zurückgeschlagen waren, sodass ich freien Ausblick auf zwei Gemälde hatte.

Es waren: Das Fest des Priapus und Die Liebe des Mars und der Venus. Von den Stellungen, die darauf abgebildet waren, wurde meine Fantasie so erhitzt, dass ich alle Betttücher und Decken von mir abwarf.

9. Anonym, Chinesische Puppe für Doktorspiele, 20. Jh.

10. Michelangelo, Die Erschaffung der Sterneundder Planeten (acht Joche des Gewölbes), 1508-1512.

Fresko.Sixtinische Kapelle, Vatikan.

Erotische Kunst oder Pornografie?

Der Begriff der erotischen Kunst ist von einem Halo irrlichternder Begriffe umgeben. Kunst oder Pornografie, Sexus oder Eros, Obszönität oder Originalität – diese unscharfen Bestimmungs- und Abgrenzungsversuche vermengen sich so sehr, dass eine objektive Klärung beinahe unmöglich scheint.

Wann kann man von „erotischer Kunst“ sprechen?

Jeder Sammler erotischer Kunst hat mit Anbietern schon die Erfahrung gemacht, dass ihm, der immer das Beste und Höchste erwartete, Arbeiten offeriert wurden, die in jeder Hinsicht ungenügend waren. Und das trotz der Versicherung des Anbieters, etwas Bedeutsames auf diesem Sammelgebiet gefunden zu haben.

Manchmal hat man den Eindruck, dass das Auge angesichts der freien Thematik ästhetisch verdummt, sodass ein ansonsten hochgebildeter Mensch ein Werk für bedeutend hält, das vom künstlerischen Standpunkt aus gesehen minderwertig ist.

Und umgekehrt gilt, dass trotz seiner künstlerischen Qualität ein Meisterwerk allein auf Grund seiner Thematik für zweitklassig gehalten wird. Fest steht jedoch: Die Darstellung des Geschlechtaktes ist nicht gleich schon erotische Kunst. Ebenso wenig wie ein anstoßerregender, pornografischer Gegenstand nur wegen seines als unschicklich empfundenen Inhalts seinen Kunstcharakter verliert.

Auch die Ansicht, Werke, die zur geschlechtlichen Erregung hervorgebracht wurden, könnten wegen ihrer niederen Absicht nicht Kunst sein, ist irrig. Unterscheidet sich erotische Kunst von der Pornografie vielleicht durch die Fiktionalität? Aber auch die Pornografie ist ein Produkt der Fantasie und folgt nur beschränkt der sexuellen Wirklichkeit.

Sie ist, wie Gunter Schmidt feststellte, „…konstruiert wie sexuelle Fantasien und Tagträume, so unwirklich, so größenwahnsinnig, so märchenhaft, so unlogisch und auch so stereotyp“.

Ohnehin hat sich, wer die Alternative „Kunst oder Pornografie“ aufstellt, auf Grund seiner moralisch wertenden Haltung schon gegen das Pornografische entschieden, mit der Folge, dass das, was dem einen Kunst ist, dem anderen als ein Machwerk des Teufels erscheint.

Die Vermengung von Fragen der Ästhetik mit Fragen des Anstands und der Sittlichkeit lässt jeden Klärungsprozess von vornherein scheitern. Nähme man das Wort „Pornografie“ in seiner ursprünglichen, griechischen, rein deskriptiven Bedeutung, nämlich als „Huren-Schreibe“, also als Bezeichnung eines aufs Geschlechtliche bezogenen Textes, dann könnte man erotische Kunst und Pornografie durchaus gleichsetzen, so weit es um den dargestellten Inhalt geht.

Diese Definition käme einer Rehabilitierung des Begriffes „Pornografie“ gleich. Wie zeitabhängig die wechselnde Bewertung erotischer Kunst ist, zeigt die Übermalung der Figuren von Michelangelo Buonarrotis „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle.

11. Gustave Courbet, Der Schlaf, 1867. Öl auf Leinwand,

135x200cm.Petit Palais – Musée des

Beaux-Arts de la ville de Paris, Paris.

Ein anderes Beispiel für den problematischen Umgang mit erotischer Kunst bieten die in Pompeji ausgegrabenen Fresken, die der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht wurden.

Als 1819 im „Palazzo degli Studi“, dem späteren Nationalmuseum, das sogenannte „Kabinett der obszönen Gegenstände“ eingerichtet wurde, hatten zu dem abgeschlossenen Raum nur „Personen reifen Alters und von bekannter Moral“ Zugang. Übrigens änderte 1823 die Sammlung ihren Namen in „Kabinett der verschlossenen Gegenstände“.

Hier konnte die Werke nur besichtigen, wer im Besitz einer regulären königlichen Erlaubnis war. Die reaktionäre Welle nach den Unruhen von 1848 ergriff auch die erotische Sammlung des Museums, und 1849 wurden die Türen des „Kabinetts der verschlossenen Gegenstände“ endgültig versperrt.

Drei Jahre später wurde die Sammlung in einen noch entlegeneren und darüber hinaus noch zugemauerten Saal überführt. Erst 1860, nachdem der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi (1807 bis 1882) in Neapel eingezogen war, bemühte man sich um die Wiedereröffnung der erotischen Kollektion. Ihr Name wurde ein weiteres Mal geändert, diesmal in „Pornographische Sammlung“.

Im Laufe der Zeit wurden ihr des Öfteren Objekte entnommen, um sie in die regulären Ausstellungen einzufügen. Die peripetienreiche Geschichte dieses Kabinetts bietet ein anschauliches Bild der Sittengeschichte der letzten Jahrhunderte. Nicht jede Zeit fördert die Gestaltung des Erotischen in gleicher Weise. Auch ist die erotische Kunst nicht nur ein Spiegel der erlangten sexuellen Freiheit. Sie kann ebenso ein Zeichen der Verdrängung sein, die dem Erotischen auferlegt wurde.

Es ist sogar denkbar, dass die leidenschaftlichsten Werke gerade wegen der kulturellen Unterdrückung der Sexualität entstanden. In der Unmittelbarkeit des sexuellen Geschehens bedient sich die Natur der Spezies: Die instinktmäßige Sexualität der Tiere hat nichts Erotisches. In der Erotik dagegen bedient sich die Kultur der Natur, und diese kulturell geformte Sexualität hat eine Geschichte. Ihr liegen moralische, gesetzliche und magische Verbote zu Grunde, die sich mit der Zeit ändern, und die verhindern sollen, dass das soziale Gebäude unterspült wird. Die Erotik drückt den gezügelten Trieb aus, aber auch die Lust auf Sexualität. Sie durchzieht die kollektive Fantasie, ohne die Gesellschaft den zerstörerischen Gefahren der direkten Sexualität auszusetzen.

Sie ist der geglückte Balanceakt zwischen der rational organisierten Gesellschaft und den Forderungen einer zügellosen, zerstörerischen Sexualität. Doch auch in ihrer gezähmten Version bleibt die Erotik eine dämonische Macht im menschlichen Bewusstsein, in der der Gesang der Sirenen nachklingt, denen sich zu nähern tödlich ist.

Hingabe und Selbstaufgabe, Aggression und Regression sind die nach wie vor lockenden Kräfte. Diese Konvergenz von Lust und Tod hat in der Literatur schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Wenn Erotik aus Distanz und Umwegen besteht, ist der Fetischist das Sinnbild des Erotikers. Der imaginierte Körper ist ihm interessanter als der reale, die sexuelle Spannung aufregender als der sexuelle Höhepunkt, zu dem sie hinstrebt.

Auch Sammler sind Fetischisten. Während sich der Wüstling in der Wirklichkeit betätigt, lebt der Fetischist im Reich der Fantasie, wo er die lasterhaften Freuden vielleicht noch schrankenloser genießt. Kunst ermöglicht nicht nur Distanz, sie bedeutet auch die Freiheit, mit dem Feuer zu spielen, ohne sich die Finger zu verbrennen. Sie spricht das Auge an, gewährt ein Liebäugeln mit den Verboten, ohne dass man sich strafbar macht.

Diese Freiheit durch Distanz lässt sich an den unterschiedlichen Reaktionen von Lesern pornografischer Zeitschriften und Betrachtern künstlerischer Werke beobachten. Hat man je einen Leser eines solchen Magazins lächeln gesehen?

12. Auguste Rodin, Der Garten der Schmerzen, 1898.

Bleistift, Wischtechnik, Aquarell, Gouache und Kohle auf

cremefarbenem Papier, 32,5x25cm. Musée Rodin, Paris.

13. Auguste Rodin, Milton’s Teufel. Bleistift,

Wischtechink, Aquarell, Gouache und Kohle auf

cremefarbenem Papier, 32,7x25cm. Musée Rodin, Paris.

14. Jules Pascin, Liebkosung, 1925.

Bleistiftzeichnung, 35x31cm.

Sammlung Herr und Frau Abel Rambert.

15. Otto Schoff, 1935.

Eine stille Heiterkeit stellt sich aber häufig beim Betrachten von Kunstwerken ein, als würde die Kunst eine Milderung des unmittelbar Sinnlichen bewirken. Wer aber ein Kunstwerk abschätzig als pornografisch bezeichnet und sich vom künstlerischen Inhalt mit Ekel abwendet, bezeugt dadurch nur, dass er keinen Sinn für das Dargestellte hat. Dieser Abscheu muss noch nicht einmal Zeichen einer besonderen Moral sein: Ein solcher Mensch hat einfach keine erotische Kultur.

Auch Eduard Fuchs, der Altmeister der erotischen Kunst, dessen Bücher zu seiner Zeit der Pornografie bezichtigt wurden, hält die Erotik für das Fundamentalthema aller Kunst. Sinnlichkeit sei in jeder ihrer Formen präsent. In diesem Sinn läuft es schon fast auf eine Tautologie hinaus, von erotischer Kunst sprechen zu wollen. Auf die Wahlverwandtschaft von Ästhetik und Erotik wies, lange vor Fuchs, schon die Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé (1861 bis 1937) hin: „Dass aber Kunsttrieb und Geschlechtstrieb so weit gehende Analogien bieten, dass ästhetisches Entzücken so unmerklich in Erotisches übergleitet, die erotische Sehnsucht so unwillkürlich nach dem Ästhetischen als Schmuck greift, das scheint ein Zeichen geschwisterlichen Wachstums aus der gleichen Wurzel.“

Als man Picasso an seinem Lebensabend einmal nach dem Unterschied zwischen Kunst und Erotik fragte, antwortete er nachdenklich: „Aber – es gibt keinen Unterschied.“ Wie andere vor der Erotik, so warnte er vor der Kunst: „Kunst ist niemals keusch, man müsste sie von allen unschuldigen Ignoranten fern halten.

16. Otto Schoff, 1935.

Leute, die nicht genügend auf sie vorbereitet sind, dürfte man niemals an sie heranlassen. Ja, Kunst ist gefährlich. Wenn sie keusch ist, ist sie keine Kunst.“

Aus diesem Grunde würden wahrscheinlich die „Tugendwächter“ so gerne Kunst und Literatur grundsätzlich abschaffen. Wenn der Geist der Inbegriff des Menschen ist, dann sind alle die, die ihn in Gegensatz zum Sinnlichen setzen, Heuchler. Sexualität erhält erst indem sie sich zu Erotik und Kunst entwickelt – manche übersetzen „Erotik“ mit „Liebeskunst“ – eine geistige, menschliche Form.

Das vom Zivilisationsprozess Ausgeschlossene fordert ein eigenes, ihm entsprechendes Medium: die Kunst. „Pornografie“ ist ein wertender Begriff derer, die dem Erotischen gegenüber verschlossen sind. Ihre Sinnlichkeit, so ist anzunehmen, erfuhr keinerlei Bildung. Insofern sehen diese kulturell Unterprivilegierten, die gerne als Gutachter und Staatsanwälte auftreten, die Bedrohlichkeit der Sexualität auch dort, wo sie in ästhetisch gemilderten Formen auftritt. Auch die Feststellung, ein Werk verletze die Gefühle anderer Menschen, macht es noch nicht zu Pornografie.

Kunst ist nicht nur da, um zu beglücken, es gehört auch zu ihren Aufgaben, zu irritieren und zu stören. Der Begriff der Pornografie ist also nicht mehr zeitgemäß. Künstlerische Darstellungen des Sexuellen gehören fraglos, ob sie irritieren oder erfreuen, zur Kunst, es sei denn, es handelt sich um geistlose und beschränkte Werke. Die aber sind ungefährlich.

Die in diesem Buch versammelten Essays widmen sich dem Eigentümlichen der erotischen Kunst. Alle Betrachtungsweisen, seien es kunsthistorische oder nach sexualwissenschaftlichen Stichworten gliedernde, werden dem Besonderen der erotischen Kunst solange nicht gerecht, als man nicht das Erotische selbst in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Aus diesem Grunde werden jene, in der Literatur bislang selten thematisierten Aspekte der erotischen Kunst angeschnitten, die sich gegen die falschen Anschuldigungen an die erotische Kunst richten. „Der Traum von der Orgie“ deckt unsere Wach- und Schlafträume auf wie niemals zuvor. Die Bezeichnung „Exzess“ äußert sich am stärksten in der Unzucht, denn dort überschreitet der erotische Wonnerausch alle Grenzen.

17. Achille Devéria, 1830.

Dieses allerhöchste Ziel der Erotik strahlt eine so große Anziehungskraft aus, dass die Gesellschaft verpflichtet ist, sie durch Verbote in Zaum zu halten. Die danach folgende Abhandlung über „Erotik und Entrüstung“ interessiert sich für die Kräfte und Mächte, die der Erotik innewohnen und die den Leser zwischen Entrüstung und erotischem Wonnerausch hin- und herreißen. Über den Schaffensakt hinaus ist Kunst nämlich zudem Macht, die anzieht, verlockt und fasziniert. Für den erotischen Gehalt eines Kunstwerks ist die Pinselführung viel entscheidender als das Thema selbst. Oft ist die Entrüstung über erotische Kunstwerke eine zu erwartende Reaktion.