Erotische Novellen - Elisabeth Dauthendey - E-Book

Erotische Novellen E-Book

Elisabeth Dauthendey

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Beschreibung

Und wie die Morgenröte aufbricht an den erwachenden Himmeln. Mit zarten, leisen und keuschen Farben ihren ganzen Horizont bedeckt, bis er, im goldenen Glührot aufleuchtend, die Sehnsucht der Erde mit seligen Ahnungen und Schauern erfüllt, ohne noch an die letzten Flammen ihres wartenden Schoßes zu rühren –

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Elisabeth Dauthendey

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Erotische Novellen

(1922)

idb

ISBN 9783961505012

Das Erotische ist es, das den Teppich des Lebens mit den bunten lachenden und den düstern tragischen Farben durchwirkt. Ohne dies ewig bewegte Element bliebe dieser Teppich des Lebens immer nur der starre und dunkle Vorhang zwischen Sein und Sterben.

E. Dauthendey

Frühlingstrunkenheit

Hast du den Frühling je im Walde gesehen?

Die berauschenden Feste belauscht, welche die Sonne ihrem Lieblinge dort bereitet?

Alle Teppiche nahm sie aus der winterlichen Kammer. Breitete den smaragdnen Samt über die warme, pochende Erde. Griff tief in die Truhen ihrer Schatzkammern und streute mit vollen Händen sanfte Perlen und leuchtendes Edelgestein darüberhin, daß alle Farben ihre süßen Lockungen entflammten.

Die graue Himmelskuppel warf sie mit brennender Ungeduld weit hinauf, daß sie wie ein Dom sich über die wartende Erde spannte, und alle seidene Bläue, die in der Herbstkammer dieser Feierstunde gewartet, hing sie über diese Kuppel hin, daß die tiefe blauende Pracht wie ein Tanz von Licht und Glanz über die Erde hinflog.

Ein heimliches Grüßen ging zwischen dieser seidenen Bläue des Himmels und dem grünen Gold der schimmernden Waldbäume hin und wieder. Mit lindem Flüstern strich der junge laue Wind durch die zärtlichen Blätter, die licht und durchsichtig aufstrahlten, wenn die schwirrenden Pfeile der Sonne sie trafen.

Und hörtest du je das Lied der zagen, schwellenden Sehnsucht, die aus tausend liebestrunkenen Kehlen den weiten prunkenden Hochzeitssaal des neu erwachten Waldes erfüllt?

Voll flehender Erwartungen steht alles bereit.

Bereit für alle glühenden Erfüllungen, die er, der nahende Erlöser, der bräutlich bebenden Erde bringt.

Die Sonne hat ihm das Liebesbett bereitet.

Und selig schreitet er über die Schwelle all der geheimen Kammern, in denen tausend Türen ihm weit offenstehen, tausend Lippen auf den zeugenden Kuß seiner segnenden Flammen warten.

So steht der Wald.

In Frühlingstrunkenheit versunken.

Ein Märchenzauber, für den kein Dichter je das Wort gefunden, um das zu sagen, was sich nur schauen läßt.

Nur schauen, fühlen und sich wandeln.

Eins werden mit dieser göttlichen Berauschung.

Aufgelöst in das All, selbst eine Hochzeitskammer sein und sich vom segnenden Kusse der zeugenden Flammen überströmen lassen – das nur bleibt dem Sterblichen, wenn zufällig ihn seine Schritte zu diesem Tempel der Wunder tragen. Wenn anders er vor der überseligen Macht dieser unerhörten, nie auszusagenden Himmelssüße nicht zusammenbrechen soll unter der betäubenden Last aller aufgerissenen Brunnen seiner heimlichen Ahnungen und Sehnsüchte.

Und der Zufall hatte die beiden herzugebracht.

Mitten im goldenen Grün der flüsternden Waldbäume. Wo die lichttrunkenen Blätter mit den lachenden Sonnenkreisen in schwanken zarten Tänzen schweben, trafen sich ganz plötzlich ihre Blicke.

Denn leise und versonnen waren sie über diese hochzeitliche Schwelle getreten. Jedes sich allein wähnend.

Allein mit ihren pochenden Herzen.

Ihrem schwellenden Allgefühle.

Du – sagte er. Und seine Stimme war wie das lockende Lied der Nachtigall.

Du – antwortete sie. Und ihr Atem spielte wie der linde Morgenwind auf der Harfe ihrer bebenden Glieder.

Sie hatten sich noch nie gesehen.

Wer du – wer ich –

Wie weit war all dies Fragen von ihnen.

Der Gott, der auf schwingenden Sohlen durch die keusche Stille all dieser glühenden Erwartung schritt, nahm milde lächelnd ihre Herzen und führte ihres Atems Wellen zueinander.

Daß sie gesegnet und erlöst sich erkannten als ein selig Teil von Erde und Wald, von Vogelfang und Sonnenleuchten. Ein selig Teil all der unerhörten, nie auszusagenden Pracht der Frühlingstrunkenheit, die für einen kurzen göttlichen Augenblick alle Gnaden des Paradieses über die verarmte Menschheit ausschüttet.

Daß sie an ihr genese.

Das Kind

Das Kind saß auf einer Bank.

Mitten im Sonnenblust des blühenden Schloßgartens.

Es blickte versonnen vor sich hin.

Die flimmernden Sonnenwellen, die schweren Düfte und leuchtenden Farben der üppigen Blumenbeete umher umhüllten seine zarte, noch unerwachte Seele mit seltsam fremden Bildern. Umspannten es mit flatternden Traumfäden, die sich irgendwo an sein Denken und Fühlen anhängen wollten. Aber da alles in ihm noch so ungeschlossen und allzu bereit wie frisch aufgebrochene Frühlingserde war, fanden sie nichts Haltendes darin. Und so blieben sie nur ein lindes Schwingen von Licht und Schatten und Düften. So gleichsam in einem doppelten Traumkreis verfangen, schwamm des Kindes Seele wie ein Rosenblatt auf den heißen Wellen des ringsum blühenden Lebens umher.

Schlank und zart und lieblich war alles an ihm gebildet.

Das seidenweiche Blondhaar lag schlicht um das feine Gesicht. Die großen, schimmernden Augen waren voll Lauschen und Suchen und Erwarten. Die zart geschwungenen Lippen etwas geöffnet und von einer leisen Traurigkeit umspielt. Die schmalen, blassen Hände lagen lässig im Schoß, die Schultern neigten sich ein wenig wie unter einer unsichtbaren Last. Es war nichts Fröhliches um das Kind.

Seine Kleidung gut und sauber, aber nichts von dem flatternden Tand daran, womit glückliche Hände ihre Lieblinge schmücken. Ein frühreifer Ernst lag ihm auf der Stirn, der seltsam und fast beängstigend die träumerische Versonnenheit dieser kindlichen Reine umschattete.

Aber trotz all diesem Zwiespältigen oder vielleicht gerade um dessen willen, war es von einem seltsam sinnlichen Reiz umblüht. –

– Resa –

Das Kind schrak zusammen. Konnte aus seiner traumhaften Verlorenheit sich nicht gleich zurechtfinden und blickte hilflos um sich. Aber zugleich mit dem Rufe war es automatisch aufgesprungen. Man fühlte es dieser spontanen Bewegung an, daß es an allerstrengsten Gehorsam gebunden war.

Auf einer entfernteren Bank saß die Kinderfrau neben dem Kinderwagen, in dem blütenzart umhüllt das jüngste Brüderchen lag.

– Beweg' dich ein wenig – sagte die Kinderfrau, da hast du etwas für die Goldfische im Teich. –

Resa nahm das Brot und ging langsam in die schattendunklen Laubgänge hinein.

Ihr Gang hatte nichts von der federnden Erregbarkeit des Kindes, es lag etwas Müdes, von Gedanken Beschwertes in ihrem versonnenen Schreiten. Es fehlte die tragende Schwebung des Gleichgewichtes zwischen Körper und Seele. Etwas Überreifes lag wie ein schmerzlicher Hauch über Stirn und Augen, dem die Zartheit der Glieder nicht gewachsen schien. Soviel Drängen und Fragen schwirrten durch des Kindes Denken und Fühlen. Die Umwelt war ihm ein furchtbares Chaos von antwortlosen Dingen und wirrem Geschehen. Keine liebende Hand baute ihm die heiteren Brücken, welche die Seele aus ihrem langsamen und schweren Erwachen mit Spiel und Tanz zu den Tälern der Menschen führen.

Die Muttergüte fehlte seinem Leben.

Härte und Strenge führte es auf engen, dunklen Straßen.

Und all der köstliche Reichtum seiner unendlichen Begabungen lag wie eine Last auf ihm und welkte an den stumpfen Wegen, die man es zu gehen zwang.

So blieb ihm nur der Traum seine Zuflucht.

Ein Warten und Lauschen auf Kommendes und Fernes, das wie ein Licht käme von irgendwoher und all die Dämmerungen zerbräche, die wie eine Mauer vor ihm standen, aus der es keinen Ausgang fand. –

Resa kam an den Fischteich. Achtlos warf sie das Brot hinein in automatischem Gehorsam der nachwirkenden Worte der Kinderfrau.

Die Fische interessierten sie nicht.

Sie blickte zu der gewaltigen Steingruppe in der Mitte des Brunnens, wo ein mächtiger Triton auf einem Delphin saß und mit vollen Backen auf einer Seemuschel blies, hinter ihm auf einem erhöhten Felsen lehnte eine Frau, deren Leib in einen breiten Fischschwanz endete, in ihrer Hand hielt sie einen zappelnden Fisch, mit dem sie lachend zu sprechen schien.

Ob das die Seejungfrau ist, dachte Resa, denn sie trug eine Unzahl von Märchen mit sich herum, aber wo ist der Prinz und das alte Meerweib? –

– Das sind merkwürdige Leute – sagte da eine Stimme neben ihr, und eine Hand legte sich auf ihre Schulter.

Es war eine knochige, unangenehme Hand. Resa schob unruhig mit der Schulter und hätte sie am liebsten weggestoßen. Als sie aufblickte, sah sie in ein altes Männergesicht, das mit seltsam lachenden und doch bösen Augen zu ihr heruntersah. Da wagte sie nicht, die Hand wegzustoßen, alten Leuten mußte man gehorchen.

– Ist das die Seejungfrau? – fragte sie, nur um von der Stille umher und den Augen des Mannes, die ihr angst machten, loszukommen.

– Schon möglich – da unten im Wasser lebt allerlei sonderbares Volk, und wenn es herauskommt an das Licht, wird es zu Stein und kann nie mehr hinunter zu den andern. –

Resa beugte sich suchend über den Rand des Brunnens.

– Ah, die sieht man nur bei Nacht –, sagte der Mann und nahm die kleine Hand des Kindes und führte es zu den breiten Steinstufen, die zu den oberen Terrassen aufstiegen, und deren Rampen von unzähligen Steinfiguren besetzt und belebt waren.

– Schau, wie viele da schon heraufgestiegen sind – ja, das sind neugierige Leute, und nun müssen sie immer da oben bleiben und möchten sicher wieder gerne unten sein, wo es blau und golden ist von Perlen und Edelsteinen. –

Nun lag die kleine, nervös zuckende Hand in der des Mannes. Resa litt unter dem festen, kalten Griff, aber sie wagte nicht, sich loszumachen. Oben auf den Terrassen brütete die Sonne heiß und schwer. Der Mann setzte sich auf eine Bank und zog das Kind zu sich heran.

Ernst und fragend waren die scheuen Augen des Kindes auf ihn gerichtet. Durch diese Augen blickte man in die seltsam geheimnisvolle Tiefe einer Seele, die voll Rätsel war.

Aber den Mann fesselten diese Rätsel nicht. Er suchte die geheimen Reize dieses feinen, zärtlichen Körpers zu ergründen. Eine Freude wollte er über ihn hingehen sehen, ein Aufblühen, das ihm die verborgene Schönheit enthüllte.

Und es gelang ihm.

Er griff mitten in das Fernweh dieses unerschlossenen Wesens hinein.

– Sieh den blauen Himmel –, sagte er. Wie hoch, wie blau ist er, ist er nicht wie blaues Glas, durch das man hindurchsehen kann? Und denke dir nun, daß unten das Meer weit und lachend daliegt, und es ist ebenso blau wie der Himmel oben, und die Wellen tanzen zum Ufer hin und singen leise. Am Ufer liegt eine große, reiche Stadt voll hoher Türme und Häuser mit goldnen Dächern, Leute in bunten Kleidern gehen spazieren am Meere entlang; welche fahren in herrlichen Karossen, und auf dem blauen Wasser schaukeln kleine weiße Schiffe, darinnen sitzen schöne Prinzessinnen und winden Kränze aus den bunten Blumen, die am Ufer blühen –

Des Kindes Augen leuchteten.

Ein banger Seufzer hob seine zarte Brust, der feine Mund bebte, und eine leise, blumenhafte Röte flog ihm über das Gesicht.

Von einer Sehnsucht ergriffen, die wie Erlösung auf alles Wartende in ihm war, brach unter dem Aufruhr des Blutes alles Hemmende zusammen, ließ alles Schlummernde erblühen. Der Mann sah, was er gesucht hatte. In ihm entzündete sich langsam ein heimliches Glimmen.

– Möchtest du das alles sehen? – fragte er.

– Oh – sagte das Kind, und dieser Laut war so voll Verrat alles dessen, was seine Innenwelt fesselte und quälte, daß der Mann fast erschrak vor der dunklen Glut, die jäh aus diesem einen Tone brach.

– Dort wohne ich – willst du mit mir dorthin reisen? –

– Reisen –, sagte das Kind. Das blaue Meer und eine goldne Stadt – und seine Stimme bebte, und die kleinen, stillen Hände zitterten wie Frühlingsblätter im Winde.

– Soll ich dir noch mehr erzählen? – sagte er, stand auf, nahm ihre kleine zitternde Hand und führte das Kind hinaus zur höchsten Terrasse des Parkes an eine einsame Stelle, die er kannte.

– Soll ich dir erzählen –

– Ja –, sagte das Kind, und seine Augen schauten groß und hungernd und dürstend zu ihm hin.

Da griff er es plötzlich mit packenden Armen, hob es hoch auf, nahe zu seinem Munde –

– Küsse mich – dann erzähle ich dir noch tausendmal schönere Dinge – küsse mich. –

Sein schwerer Atem flog dem Kinde heiß über das Gesicht. Es blickte starr und schreckvoll in die lodernde Glut der wild aufgerissenen Augen.

Was war das?

Wieder eines jener furchtbaren Dinge, die es nie begreifen würde.

Mußte es gehorchen, und immer?

Was alte Leute taten, war immer gut.

Fragen, Aufruhr, ein fernes Unbegreifliches ging im Taumel durch die gespannte willenlose Kinderseele.

Eine Sekunde lang war es, als neige sich das liebliche Haupt wie eine welke Blume zu dem rohen Munde des Mannes – seine Hände glühten, die Augen lachten in wildem Triumph –

Da – was kam über das Kind –

Das ferne Unbegreifliche war plötzlich ganz nahe in ihm selbst. Etwas brach da auf wie ein Strahl aus einem tiefen Brunnen, der ihm jäh und heiß durch das kühle, schlummernde Blut aufsprang und eine Scham und einen Ekel in ihm erweckte, dessen Ursprung und Verbundenheit mit ihm selbst ihm gänzlich unbegreifbar war, aber eine Kraft und ein Wollen auslöste, gegen die es keinen Widerstand gab.

Das zarte, stille Kind stieß mit voller Wucht seinen Fuß gegen die Brust des Mannes, daß er es verblüfft und wütend aus seinen Armen zur Erde gleiten ließ. –

– Bist du verrückt –, sagte er. –

Aber das Kind hörte und sah nichts mehr.

Auf zitternden Füßen flog es davon.

Raste die Treppe hinab durch die Laubgänge, kroch atemlos und bebend unter die weiten, hangenden Blütenäste eines Baumes, lehnte sich an den moosigen Stamm und horchte auf die schweren Schläge seines kleinen verängsteten Herzens.

Hatte es etwas Böses getan?

Einen alten Mann getreten.

Eine rote Scham flog ihm durch das zitternde Blut.

Aber es war noch etwas anderes.

Eine andere Scham, durch die es sich dunkel in eine Schuld verstrickt fühlte, ohne nur im geringsten zu begreifen, was es sei, ob es in ihm war oder von dem Manne kam. Ob er etwas Böses gewollt? Aber alte Leute waren doch nie böse, nur Kinder konnten es sein –.

Und mit einem neuen Rätselhaften beladen, trug das Kind seine kleine vereinsamte Seele ein Stück weiter durch das große unbegreifliche Leben.

Himmel und Erde

In der süßen blühenden Maienzeit ihres Lebens, da alle sprossenden Knospen der Seele zur Sonne lechzen, alle brennenden Träume um ein seltsam Fernes und Seliges kreisen und alle weitwache Sehnsucht nach dem lockenden Ungreifbaren sich aufreckt, war sie Nonne geworden.

Sie hatte die Insel der Seligen erreicht, nach der die Träume ihrer Nächte gegriffen hatten. Aus den Wirrnissen des Alltags kommend, zu denen sie nie eine rechte Stellung hatte finden können, war es nun wie eine Erlösung, der großen Stille, dem heiligen Schweigen gegenüberzustehen. In der geheimnisbeladenen Einsamkeit nur den einen Weg vor sich zu wissen, der zu den goldnen Altären des Gebetes und zu den schmerzlich seligen Höhen der Opferung führte.

Sich opfern und hergeben. Wund sein an sich selbst, das Herz schwer von Demut und Liebe zu Einem, der über allem Irdischen jene weiten Tore öffnete, die in eine Welt der seltsamen Schauer, Erschütterungen und Verzückungen führten – diese heimliche lechzende Sehnsucht ihrer keuschen Seele, die, noch unbewußt der Macht ihres blühenden Körpers, sich ihr eigenes Reich baute und ahnungslos über den Gefilden seiner erdhaft gerichteten Strahlungen zu der dinglosen Welt übersinnlicher Ekstasen aufflog. Diese heimliche lechzende Sehnsucht ward ihr nun erfüllt.

Schwester Serapha.

Wuchsen ihr nicht Flügel aus diesem himmelhoch tragenden Namen. Ward nicht ihr Leben plötzlich nur noch ein Schweben. Keine Erde mehr unter ihren Füßen. Keine Finsternis mehr um sie her. Tag und Nacht, ein strahlendes Lichtopfer an den goldnen Altären ewiger Anbetung!

Alles wurde leicht in ihr. Die schwersten Pflichten ihres neuen Amtes trug sie lächelnden Herzens wie duftende Rosenketten. Ihre Seele glühte purpurrot wie das ewige Licht vor den heiligen Altären. –

Die älteren Nonnen sahen erstaunt in die leuchtende Pracht dieser gottblühenden Magd.

Einige, schon etwas Ermüdete, entzündeten sich neu an der brünstigen Fackel dieser weihrauchschweren Andacht.

Noch Müdere blickten scheu und schuldig auf sie hin. Jene aber, die am Ende des Opferweges gingen, hatten ein leises, welkes Lächeln, das wie ein Schatten über die verstummten Lippen huschte.

Die Seniorin des Klosters aber sah mit seltsam strengen Augen auf diese Gotteslilie und schüttelte oftmals das greise Haupt und seufzte.

Schwester Serapha merkte von all dem nichts.

Konnte man jemals müde werden an diesem schwingenden Beben der Seele, diesem jubelnden Singen des Herzens, dieser schwellenden Betäubung des ganzen Wesens? –

Und einer blieb wahrhaft entzückt vor diesem lieblichen Wunder.

Der alte Priester der Klausur.

Seine frommen Augen berauschten sich an dieser steil zum Himmel aufglühenden Gottesflamme. Wenn auch sein allzu wissendes Herz ein Weh dabei empfand.

Wie manche schon hatte er in solch ekstatischer Gotteswonne über diese heilige Schwelle treten sehen, und was war daraus geworden? Die bittre Antwort lag täglich vor ihm ausgebreitet auf den müden, leeren, ausgebrannten Gesichtern ringsum, denen er immer wieder neue Kraft zu spenden und immer wieder die gleichen welken Sünden zu vergeben hatte.

Trotzdem aber erquickte es ihn immer von neuem, wenn eine frische, reine Kerze auf dem Altar zum Himmel lohte. –

Denn verloren war solch reines Gottesglühen nie, es gab der Jungfrauenseele einen überirdischen Glanz und Schimmer, unverlierbaren Reichtum, – Seligkeiten ohnegleichen – wenn –. Ja wenn.

Auch dieser würde er das erlösende Wort sagen, das er all jenen Ermüdeten gesagt hatte, wenn ihre Stunde gekommen wäre. Würde diese die Kraft haben, daran zu einem neuen Leben zu erwachen, wenn die Durchgangswehen ihrer, aus jähen Gluten empfangenen Seele von ihr abfielen und sie das wahre Antlitz ihrer selbst erkannte?

Das wahre Antlitz ihrer selbst, das, plötzlich schleierlos geworden, den Blick zur blühenden Erde senkte und wissend ward um die mißverstandenen Flammen ihres erdgebundenen Blutes. –

Wie oftmals schon hatte er dies Wort gesagt.

Die Gebundene lösen wollen von dem Eide gegen sich selbst, der, nun eine Lüge und Last geworden, an den feinsten Dingen ihres Wesens zehrte und seine Wurzeln zerstörte, seit die Ekstasen des jungen schäumenden Blutes an den antwortlosen Ufern des allzu fernen Jenseits verrauscht waren. Aber keine der Lastbeladenen hatte mehr die Kraft gefunden, sich der schmerzhaften Bürde zu entladen. Keine den schwingenden Mut in sich entzündet, an dem sich tausend neue Leben hätten entflammen können.

In der dumpfen Müde ausgelebter Illusionen, in der grauen Dämmerung verlöschter Himmelslichter wollten sie lieber weiterschleichen all die altgewordene Zeit hindurch, bis zur Schwelle des letzten Schweigens, so ganz war alle Lebensspannung in ihnen zusammengesunken, so ganz war alles zu Asche und Schutt erloschen, was im Übermaß des gotttrunkenen Rausches ihrer blühenden Jugend sie in taumelnden Entzückungen zu dieser heiligen Schwelle getrieben.

Würde auch diese so verlöschend am Boden liegen?

Er wartete und lauschte auf ihre Stunde.

Und ihre Stunde kam.

Plötzlich lag es wie ein dichter Nebel über ihrer glühenden Andacht. Dehnte sich eine weite Leere um sie her. Die blühenden Gottesgärten waren verschwunden, und ihre Seele lag nackt und hilflos im brennenden Sande einer schreckvollen Wüste. Ihre Sinne hatten den Flug zur Höhe verloren und empfanden nun in jähem Umschwung die erdhafte Nüchternheit der Dinge umher. Alle Ströme der Gnade waren versiegt, die himmlischen Heerscharen, mit denen sie bisher so nahe und innige Zwiesprache gehalten, blieben der Erde entrückt, in die unfaßbare Ferne der Ewigkeit zurückgenommen, aus welcher auch das von wildester Not durchbebte Gebet sie nicht mehr heranzuzwingen vermochte.

Verstört und verwirrt starrte die junge Nonne in dieses unentwirrbare Chaos, an das sich ihr ganzes Wesen verloren und das sie in die Grenzenlosigkeit des Nichts auflösen zu wollen schien.

Mit der letzten Kraft ihrer entgötterten Seele hüllte sie sich von Kopf bis zu Füßen in das Dornengewand der Reue und Buße und, von Demut und Zerknirschung bis in die letzten Fasern zermürbt, warf sie sich dem Priester zu Füßen.

Dieser, im milden Leuchten seiner wissenden Güte, legte ihr die segnenden Hände auf die brennenden Wundmale, und mit der stillen Weisheit der Liebe griff er in die geheimnisvolle Tiefe ihres Leides, da wo die Wurzeln ihrer Kräfte verknotet und verdorrt in ihrem krank gewordenen Boden ruhten. Und seine Stimme, beladen mit allen Gnaden der ewigen Wahrheit, durchdrang die erschütterte Seele und richtete langsam Wort um Wort ihre zerstörte Schönheit wieder auf. Und leise hob ein neues Blühen an. Tag um Tag weitete sich dieses Blühen und bedeckte den dürren Sand der Wüste allmählich mit einer neuen fremden Pracht, und in einer seltsam feierlichen Stunde schlug die junge Nonne die Augen auf und sah die Erde von jener Göttlichkeit der Schönheit und Seligkeit bedeckt, die sie bislang hoch über ihr in weiten Fernen gesucht hatte.

– Siehe – sagte der Priester – gleichwie der leuchtende Regenbogen für einen seligen Augenblick den Himmel mit der Erde bindet –

Siehe – so bindet die Liebe von Mann und Weib den Himmel ihrer Herzen an die Erde ihres Blutes, daß sie sich selbst und Gott erkennen.

Laß deine Kräfte neu erblühen und wende dich zum Leben, heilige die Erde in dir durch die Liebe, so wird der Himmel zu dir kommen und in dir sein, und du brauchst ihn nicht über den Wolken zu suchen. Des Himmels Gnadenfülle zu ertragen, geht den Sterblichen meist über ihre Kraft, und nur ganz selten ist ein Begnadeter dieser seligen Last gewachsen.

Du aber brauchst Erde unter deinen Füßen –

Geh, mein Kind, ich entbinde dich deines Gelübdes –

Möge das Weh der Erde dir leicht sein. –