Erpresst, verführt - verheiratet? - Tara Pammi - E-Book

Erpresst, verführt - verheiratet? E-Book

Tara Pammi

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Beschreibung

Verblüfft entdeckt IT-Milliardär Massimo Brunetti, wer hinter den Cyber-Angriffen auf seine Firma steckt: eine junge Frau aus New York! Aber warum bloß? Kurzerhand erpresst er die brillante Schönheit Natalie Crosetto: Entweder er liefert sie der Polizei aus - oder sie begleitet ihn auf sein Anwesen am Comer See. Hier wird sie bleiben, bis er die ganze Wahrheit, ihre ganze Schuld kennt! Allerdings findet der rachedurstige Italiener auch heraus, dass Natalie in einer Hinsicht sehr unschuldig ist: wenn sie in seinen Armen liegt …

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Seitenzahl: 198

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2019 by Tara Pammi Originaltitel: „An Innocent to Tame the Italian“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2416 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Eva Ritter

Abbildungen: Harlequin Books S.A., , alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733712617

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

„Hast du schon herausgefunden, was die Schutzverletzung verursacht hat?“

Massimo Brunetti blickte von seinem Schreibtisch mit den drei Computermonitoren auf, der Schaltzentrale seiner Security-Firma. Es war eine Hightech-Hochburg, nach dem neusten Stand der Technik gesichert, unter anderem durch einen Fingerabdruck-Sensor.

Bereits mit sechzehn Jahren hatte Massimo ähnliche Vorkehrungen getroffen, um seinen Vater Silvio auszusperren, der damals noch bei ihnen gelebt hatte. Jetzt standen im Herzen seines Unternehmens seine Server, hier entwarf er seine millionenschweren Software-Programme.

Bloß sein Halbbruder Leonardo und Alessandra, die Stieftochter seiner Großmutter Greta, hatten hier Zutritt. Mit der Ansage, ihn nur zu stören, wenn das Haus in Brand stand, oder bei ähnlichen Katastrophen.

Greta hatte keinen Zutritt mehr, nachdem ihr Notfall sich als eine Art Nervenzusammenbruch anlässlich seines dreißigsten Geburtstages vor drei Monaten entpuppt hatte. Sie hatte plötzlich Angst, dass Leo und er kinderlos sterben würden, womit auch die Dynastie der Brunettis aussterben würde. Ein Supergau für Greta.

Dabei hätte sie doch wissen müssen, dass Massimo sich keinen Deut um Familientraditionen scherte, und schon gar nicht um den Fortbestand der Brunettis.

„In einer halben Stunde haben wir ein Meeting, Leo“, sagte er, ohne den Kopf zu heben. „Du weißt doch, ich mag es nicht, wenn du hier einfach so reinplatzt.“

„Hey, Mann, du hast dich hier schon seit fast einer Woche eingeschlossen“, nörgelte Leo. „Das kann ich dem Aufsichtsrat nicht länger verheimlichen. Es wird bald an die Presse durchsickern, dass wir Opfer einer Cyberattacke wurden. Merda!“

Das wäre in der Tat eine Katastrophe.

„Schlimm genug, dass uns dieser millionenschwere Auftrag durch die Lappen gegangen ist“, fügte Leo grimmig hinzu.

Massimo rieb sich die Augen in der Hoffnung, den hämmernden Schmerz hinter seiner Stirn zu vertreiben. Leo hatte recht, er hockte schon viel zu lange hier drin. „Es ist nicht meine Schuld, wenn die Leute sich plötzlich an die Spur der Verwüstung erinnern, die Silvio hinterlassen hat.“

Es hatte Leo und ihn viele Jahre harter Arbeit gekostet, dem Familienunternehmen wieder zu früherem Glanz zu verhelfen. Brunetti Finances, ein Gigant der Finanzwelt. Tatsächlich arbeiteten sie immer noch daran.

Für Massimo und seinen Bruder bedeutete es eine Genugtuung, die Firma wieder aufzubauen, größer und mächtiger als je zuvor – eine Macht, mit der man rechnen musste, nachdem ihr Vater das Unternehmen in Grund und Boden gewirtschaftet hatte, ganz zu schweigen von der Veruntreuung von Firmengeldern.

Während der vergangenen Monate war mehr als ein Vertrag in letzter Minute geplatzt. Für den ersten Flop war ein Angestellter verantwortlich, der ihr Angebot an die Konkurrenz verraten hatte. Beim zweiten geplatzten Deal war ihr Subunternehmer aufgekauft worden.

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, hatte Massimo vor gut einer Woche ein Sicherheitsleck bei Brunetti Cyber Securities entdeckt, seiner ureigensten Domäne.

Ganz offensichtlich hatte es jemand auf sie abgesehen. Die Cyberattacke war zu schwerwiegend, um sie zu ignorieren. Würde Silvio nicht rund um die Uhr in der Klinik überwacht werden, ohne Kontakt zur Außerwelt, hätte Massimo ihn für die Attacke verantwortlich gemacht.

„Bist du sicher, dass Silvio unser einziger Feind ist?“ Leo zog die Brauen hoch. „Was ist mit deiner letzten Gespielin? Sie macht eine ganze Menge Theater.“

„Gisela und ich sind längst getrennt. Schon seit vier Monaten.“ Massimo war verärgert. Was ging Leo sein Privatleben an?

„Sí, du und ich, wir wissen das. Aber weiß es auch die Tochter des mächtigsten Bank-Tycoons Italiens? Maledizione, Massimo, die Frau ruft mich ständig an, um zu dir vorzudringen.“

Das schmerzhafte Pochen hinter seinen Augen verstärkte sich. Würden sie nicht gerade auf einen Supergau zusteuern, hätte Massimo über den Gesichtsausdruck seines Bruders gelacht.

Leo gab nicht mal seiner eigenen Freundin seine Handynummer. Sie war ein Supermodel, das gerade passenderweise ein Fotoshooting am anderen Ende der Welt hatte. Vermutlich würde sie für zwei Monate weg sein, was Leo äußerst gelegen kam. So lief es mit allen seinen Freundinnen. Mit sicherem Gespür suchte er sich immer eine Partnerin aus, die beruflich viel unterwegs war – möglichst lange und möglichst weit weg. Die Frau, die zu Leo passte, musste Wert auf Distanz legen und mindestens genauso ehrgeizig und rücksichtslos wie er sein. Und nach einer gewissen Zeit mit einer einvernehmlichen Trennung einverstanden sein.

Eigentlich war Massimo nicht wirklich scharf auf eine Beziehung dieser Art. Ihm blieb nur keine Zeit für etwas Tieferes. Und daran würde sich in den nächsten zwanzig Jahren wohl auch nichts ändern. Außerdem hatte er sowieso keine Ahnung, was eine tiefe Beziehung überhaupt bedeutete. Seine Mutter und Silvio – das war Krieg gewesen. Ausgefochten von ihr, um seinetwillen, ihres Sohns Massimo.

„Unternimm endlich etwas, damit Gisela es auch kapiert“, sagte Leo. „Und mach dir bloß nicht ihren Vater zum Feind.“

Massimo hasste es, wenn Leo recht hatte. „Keine Sorge, ich passe schon auf.“

Es war eine dumme Idee gewesen, sich mit der egozentrischen, verwöhnten Gisela Fiore einzulassen. Doch nach all den Monaten, die er sich in sein neustes Projekt vergraben hatte – ein überaus erfolgreiches E-Commerce-Tool –, hatte er dringend etwas Abwechslung gebraucht.

Und dafür taugte Gisela perfekt. Übrigens war es auch das Einzige, wozu sie taugte. Eine heiße Affäre, die nach zwei Wochen ausgebrannt war. Am Ende hatte Massimo es kaum erwarten können, sich wieder in seine Arbeit zu stürzen. In seiner Erinnerung hatten sie einvernehmlich Schluss gemacht.

Nur dass Gisela ihn seitdem alarmierend häufig mit SMS bombardierte, gefolgt von theatralischen Sprachnachrichten. Wenn sie mal nicht schon draußen vor dem Bürogebäude kampierte …

„Soll ich dir jetzt von dem Hacker erzählen oder nicht?“, forderte er Leo heraus.

„Ich bitte darum.“

„Gestern Nacht bin ich auf eine erste konkrete Spur gestoßen. Ich habe herausgefunden, wie es ihm gelungen ist, meine Firewalls zu durchbrechen. Zweimal.“

„Zweimal?“

„Sí.“

„Cristo, du bist ein richtiger Freak. Wie ist es möglich, dass dich jemand austrickst?“

Massimo nickte. Computer waren sein Ding. Darin war er absoluter Meister. „Der Hacker ist offenbar sehr clever. Ein echtes Genie.“

Leo fluchte. „Aber jetzt hast du genug Beweise, um ihn aufzuspüren?“

„Sí. Ich habe Bots benutzt, um mich an die Malware zu hängen, die er …“

„Hey, bitte in Worten, die auch ein Normalsterblicher versteht“, protestierte sein Bruder.

Ein warmes Gefühl stieg in Massimo auf. Als er in seiner schlimmsten Krise steckte, war es Leo gewesen, der ihn dort rausgeholt und ihn an sein Potenzial erinnert hatte. Nein, sein Bruder war absolut kein Dummkopf. „Ja, ich habe Beweise. Ich konnte den Aufenthaltsort des Hackers sogar auf New York eingrenzen.“

„Fantastisch. Ich arrangiere ein Treffen mit dem örtlichen Polizeichef in einer halben Stunde. Der schaltet dann die Abteilung für Cyberkriminalität ein. Bis heute Abend sitzt dieser Mistkerl von Hacker hinter Schloss und Riegel.“

„Nein. Ich will die Cops da raushalten. Jedenfalls im Moment noch.“

„Was? Warum denn das?“

„Weil ich den Cyberclub ausfindig gemacht habe, in dem der Hacker Mitglied ist. Und ich habe auch schon Kontakt aufgenommen.“

„Kontakt mit dem Hacker? Warum?“

Massimo zuckte die Achseln. Er konnte nicht recht in Worte fassen, was ihn motivierte – Neugier, der Thrill, sogar ein Anflug von Kameradschaft. Der Hacker faszinierte ihn. „Ich möchte ihn gerne kennenlernen. Herauskriegen, wie er vorgeht.“

„Dios mio, Massimo. Er hat unsere Sicherheitssysteme unterlaufen. Zweimal.“

„Essattemente! Er könnte es wieder und wieder tun. Du musst zugeben, da ist etwas … seltsam an der Sache. Die Konten unserer Kunden wurden nicht angerührt. Und auch meine Programme wurden nicht geklaut, dabei könnte man sie äußerst lukrativ im Darknet verkaufen. Doch sie sind nirgends aufgetaucht. Es ist fast so, als wollte mich der Hacker herausfordern, an der Nase herumführen. Er ist schwer auszumachen.“

„Was schlägst du also vor?“

„Lass mich eine Beziehung zu ihm aufbauen. Ich möchte gerne in seinen Kopf gucken. Sobald ich kapiert habe, wie er tickt, lasse ich die Falle zuschnappen.“

„Ich will dein Wort darauf, dass er unsere Server nie wieder anrührt.“

„Vertraust du mir etwa nicht mehr?“, fragte Massimo herausfordernd. Hey, schließlich war er hier das Computergenie.

Leo blieb unschlüssig an der mit Hightech gesicherten Schiebetür stehen.

„Gib mir eine Woche, und ich liefere dir den Hacker, seine Lebensgeschichte und den Beweis für seine kriminellen Aktivitäten in Geschenkpapier verpackt.“

„Eine Woche. Höchstens.“ Leo öffnete die Tür. „Ich will ihn hinter Gittern.“

Eine Woche später

Massimo stand vor der Hintertür des Cyberclubs – einer Metalltür von undefinierbarer Farbe auf der Rückseite eines heruntergekommenen Gebäudes in Brooklyn. Es war der totale Kontrast zu seinem schicken Penthouse mit Blick auf den Central Park, das er vor einer Stunde verlassen hatte.

Märzschnee bedeckte den Parkplatz in der dunklen Straße und dämpfte den Gestank der großen Müllcontainer keine zwei Meter hinter ihm.

Der Hacker, so hatte er herausgefunden, war ein Gewohnheitsstier – ganz im Gegensatz zu ihm selbst und so gar nicht der herkömmlichen Vorstellung eines chaotischen Computergenies entsprechend. An zwei Abenden in der Woche besuchte der Hacker diesen Club, immer genau um acht Minuten nach neun, und blieb für exakt vierunddreißig Minuten. Anschließend ging er komplett offline.

Wie ein Junkie, der sich einen strikt limitierten Schuss genehmigte. Woanders hatte Massimo ihn nicht ausfindig machen können.

Was bedeutete, dass ihm zwei Sitzungen von jeweils vierunddreißig Minuten blieben, um herauszufinden, wie der Typ arbeitete. Und das hatte er auch geschafft. Hacker waren ein mysteriöser und ungeselliger Haufen, gleichzeitig gaben sie aber auch gerne mit ihrem Können an, besonders wenn sie so genial waren wie dieser Typ. Massimo musste ihm also nur ein bisschen Honig um den Bart schmieren, um ihn aus der Reserve zu locken.

Was bedeutete, der erste Kontakt war hergestellt.

Er schob die Hände in die Taschen seines Trenchcoats, sein Herz hämmerte ihm gegen die Rippen. Adrenalin pumpte durch seine Adern.

Das metallische Quietschen der Tür ließ ihn zusammenzucken. Eine schmale, von Kopf bis Fuß dunkel bekleidete Gestalt huschte die Treppenstufen hinunter. Ein heftiger Windstoß wehte der Gestalt die Kapuze vom Kopf und enthüllte ein zart gemeißeltes Gesicht: eine auffallend schmale Nase, eine hohe Stirn, hohe Wangenknochen, ein energisches Kinn. Volle Lippen. Schwarzes Haar, wild und lockig.

Kein Zweifel, das war eine Frau. Sehr jung und sehr zierlich.

Unmöglich … diese zerbrechlich wirkende Frau konnte doch nicht mit dem Hacker identisch sein, der seine Firewall geknackt hatte, oder? War sie tatsächlich das diabolische Computergenie, das Leo lieber heute als morgen hinter Gittern sah und das ihm schlaflose Nächte bereitete?

Das hatte nicht eine einzige seiner Freundinnen bis jetzt geschafft.

Sehr amüsant – sein lautes Lachen durchbrach die Stille.

Wie ein Reh im Scheinwerferlicht verharrte die junge Frau reglos und wandte ihm das Gesicht zu.

Braune Augen, umrahmt von langen, dunklen Wimpern, sahen ihn an. Massimo bemerkte, wie sie schluckte und ihr Blick über sein Gesicht huschte. Ein sanftes Seufzen kam über ihre Lippen. Dann wandte sie sich ab und ging zielstrebig zu einem Wagen am Straßenrand. Der Schnee knirschte leise unter ihren Stiefeln.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Er hatte doch sogar kurz mit dem Hacker gechattet, bevor er ausgestiegen war. Er – oder sie! – war in dem Gebäude gewesen. Einem Impuls folgend schnappte Massimo sich sein Tablet und sandte dem Hacker rasch eine Nachricht.

Ob er wohl antworten würde? Er benutzte das Chatboard sonst nie außerhalb des Cyberclubs. Doch Massimo hatte vorgesorgt, seinen Köder längst ausgelegt: die Sicherheitssoftware, die er für die Firma von Giselas Vater schrieb. Damit hatte er das Interesse des Hackers geweckt, was Massimo daran merkte, dass er länger als die vierunddreißig Minuten geblieben war, die er sich sonst gestattete.

Vitruvian Man: Ich kann dir noch mehr über die Verschlüsselungstechnik für das neue Design erzählen.

Sein Puls raste. Dios mio, er kam sich vor wie ein Teenager kurz vor dem ersten Kuss.

Die Frau zögerte, zog ihr Handy aus der Jackentasche. In diesem Moment wurde Massimo bewusst, was es hieß, mit angehaltenem Atem zu warten.

Mit einem leisen Zirpen verkündete sein Tablet den Eingang einer neuen Nachricht. In der Stille kam ihm das Geräusch so laut vor wie ein Rauchmelder.

Gollum: Vielen Dank, aber nicht heute Abend. Meine Sitzungszeit ist um. Vielleicht nächstes Mal.

Ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen, sein Puls beschleunigte sich.

Sie war es.

Sie war die Hackerin.

In den Sekunden, die er brauchte, um diese Erkenntnis zu verarbeiten, hatte sie ihren Wagen erreicht.

Rasch setzte Massimo sich in Bewegung. Mit wenigen Schritten war er bei ihr, verharrte ein paar Schritte hinter ihr, um ihr keine Angst einzujagen. Jedenfalls jetzt noch nicht.

„Warum Gollum?“, fragte er in betont sanftem Ton, trotz der Verärgerung, die er empfand. „Warum nicht Aragorn oder Gandalf oder Wizard?“

Erschrocken fuhr sie zu ihm herum, die Augen weit aufgerissen, heftig atmend. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“

Als sie die Fahrertür ihres altersschwachen Beetles aufschließen wollte, kam er näher, drängte sie in die Enge, ohne sie jedoch anzufassen.

Ein Hauch von Lavendel stieg ihm in die Nase. Fast drohte er, schwach zu werden. Stumm hob er sein Tablet, zeigte ihr die Konversation auf dem Display. „Ich weiß, wer Sie sind. Und ich kann beweisen, was Sie gemacht haben. Ohne jeden Zweifel. Brunetti Cyber Securities – na, klingelt da was?“

Sein Lächeln erlosch im selben Moment, als der unschuldige Ausdruck auf ihrem Gesicht verschwand.

Energisch schob sie das Kinn vor, ihre Augen blitzten angriffslustig. „Was wollen Sie?“

„Ihre Brieftasche“, konterte er nicht minder herausfordernd.

Gehetzt blickte sie sich um.

„Zwecklos, weglaufen zu wollen. Hier gibt es nichts, wo Sie sich verstecken können. Ich empfehle Ihnen dringend, zu tun, was ich Ihnen sage.“

Langsam zog sie ihre Brieftasche aus der Hosentasche und hielt sie ihm hin.

„Natalie Crosetto“, las er laut. Seufzend fuhr er fort: „Sie haben mich auf eine lustige Hetzjagd quer durchs Internet geschickt, Miss Crosetto, und jetzt drehe ich den Spieß um. Wir gehen zusammen zu meinem Hotel. Dort erklären Sie mir dann in aller Ruhe, warum Sie mein System attackiert haben.“

„Nein!“ Sie holte tief Luft. „Ich kenne Sie doch gar nicht. Sie können wohl kaum erwarten, dass ich Ihnen gestatte, mich zu … kidnappen!“

„Was schlagen Sie also vor?“

„Bei mir zu Hause. Bitte. Morgen Vormittag.“

„Ich bin nicht quer über den Atlantik geflogen, um Sie gleich wieder entkommen zu lassen, kaum dass ich Sie gefunden habe. Wir gehen zu Ihnen nach Hause, wenn Sie sich da sicherer fühlen, okay. Sie dürfen Ihr Handy behalten, sodass Sie jederzeit die Polizei anrufen können, falls Sie sich von mir bedroht fühlen. Aber Sie werden mir jede einzelne meiner Fragen beantworten, und zwar heute Abend.“

Das energische kleine Kinn schoss noch ein Stückchen weiter vor, obwohl ihre Lippen zitterten. Trotz ihrer offensichtlichen Panik war sie immer noch bereit, ihn zu attackieren. „Sonst was?“

„Sonst werden Sie sich noch heute Abend hinter Gittern wiederfinden. Und dort bleiben Sie mindestens für die nächsten zehn Jahre, wenn es nach mir geht.“

2. KAPITEL

Natalie Crosetto starrte den Mann an, der auf ihrer Couch lümmelte – ein Schmuckstück, das sie letzten Monat in einem Wohltätigkeitsladen entdeckt hatte –, wie ein König auf seinem Thron. Den Blick hatte er streng auf den Delinquenten gerichtet, der sein Urteil erwartete.

Und der Delinquent war sie.

Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Oberlippe und in ihrem Nacken. Sie bebte am ganzen Körper, eine Reaktion, die sie nicht kontrollieren konnte.

Gefängnis. Er könnte dafür sorgen, dass sie im Gefängnis landete … Was bedeutete, dass die Chance, das Sorgerecht für Frankie zu erhalten, sich in Luft auflöste. Verdammt, wieso hatte sie sich von Vincenzo da reinquatschen lassen? Was würde aus ihrem Bruder werden, wenn sie ins Gefängnis musste? Nein, lieber Gott, bitte, nein …

„Kopf zwischen die Knie. Und tief atmen, Miss Crosetto.“ Er stand auf, damit sie sich setzen konnte.

Automatisch gehorchte sie und beugte sich vor. Ah, schon besser. Die Schwärze vor ihren Augen schwand, sie konnte wieder besser sehen. Tief füllte sie ihre Lunge mit Sauerstoff. Ein, aus. Ein, aus.

Die Panikattacke ebbte ab, ihr Verstand setzte wieder ein. Auf Vincenzo brauchte sie nicht zu zählen, keine Chance, dass er sie aus dem Schlamassel retten würde. Jedenfalls nicht, solange sie nur die eine Nummer hatte, über die sie ihn per SMS kontaktieren konnte. Und diesen Kontakt durfte sie nicht preisgeben, solange sie nicht wusste, was der Fremde mit dieser Information anstellen würde.

Sie hatte niemanden, konnte sich nur auf sich selbst verlassen. Wie immer.

Während sie noch immer den Kopf zwischen den Knien hielt, versuchte sie, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.

Beim ersten Mal hatte sie ihre Spuren perfekt verwischt, sodass der Kerl ihr niemals auf die Schliche gekommen wäre. Doch dann war sie ein zweites Mal durch die Firewall geschlüpft, wenn auch nur widerstrebend. Aber Vincenzo hatte darauf bestanden. Und das war ihr Fehler gewesen.

Trotzdem … der Mann musste ein Computergenie sein, wenn es ihm tatsächlich gelungen war, sie zu finden. Ein Computergenie mit unbeschränkten Möglichkeiten. Möglichkeiten, die es ihm erlaubten, sie nicht nur online zu identifizieren, sondern ihr bis hierher zu folgen. Um dann direkt vor dem Cyberclub aufzutauchen, sie mit seinem Chat in die Falle zu locken …

Sie schaute auf. Wieder drohte Panik sie zu überwältigen.

Ein Fremder in ihrer Wohnung. Ihrem Heiligtum. Dem einzigen sicheren Ort vor der grausamen Welt da draußen. Nicht mal Vincenzo hatte sie hierher eingeladen.

Himmel, was für ein Schlamassel.

Natalie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Reiß dich zusammen, du hast schon Schlimmeres überlebt. Ja, das hatte sie. Und auch diesmal würde sie einen Ausweg finden.

Als Erstes musste sie sich vor ihm in Sicherheit bringen, ihn irgendwie aus ihrer Wohnung kriegen.

Seine Kleidung war teuer und elegant, das sah sie auf den ersten Blick. Sein Trenchcoat, den er abgelegt hatte, der perfekt sitzende dunkle Anzug, die Manschettenknöpfe, zweifellos aus Platin, die schwarzen Lederschuhe, offensichtlich handgemacht, mit denen er ungeduldig auf den Boden klopfte.

Sie kannte Vincenzos Hintergrund zwar nicht wirklich, aber er besaß einen exquisiten Geschmack. Genau wie dieser Mann.

Selbst sein Haarschnitt sah teuer aus. Das tiefschwarze Haar war so geschnitten, dass es seine hohen Wangenknochen und die hohe Stirn betonte, seine Züge noch schärfer aussehen ließ. Ganz bestimmt war er kein einfacher IT-Mitarbeiter und auch kein Schnüffler, der auf ihre Fährte angesetzt worden war.

Selbst wenn sie es schaffte, ihn loszuwerden, seine Auftraggeber würden nicht lockerlassen. Sie konnte unmöglich für den Rest ihres Lebens auf der Flucht sein. Trotzdem sann sie fieberhaft darüber nach, wie sie das Ruder zu ihren Gunsten drehen konnte.

Den Blick fest auf die imposante Gestalt gerichtet, die ihr gegenüber lässig an der Wand lehnte, stand Natalie auf. Blitzschnell griff sie nach dem Baseballschläger neben dem Bücherregal an der Wand. Der Schläger gehörte zu all den kleinen Dingen, die sie zusammensammelte, damit Frankie sich hier zu Hause fühlen konnte.

„Legen Sie den Schläger weg, Miss Crosetto“, befahl der Mann in milde gelangweiltem Ton.

Das konnte sie nicht. Nicht um alles in der Welt.

Für einen Mann seiner Statur bewegte er sich erstaunlich schnell und geschmeidig. Keine zwei Sekunden später war er bei ihr und entwand ihr mühelos den Schläger, der scheppernd zu Boden fiel. Mit festem Griff drehte er ihr den Arm auf den Rücken, unerbittlich, aber ohne ihr wehzutun.

Sie stolperte gegen ihn, riss den Kopf hoch und funkelte ihn an. Sein Körper fühlte sich hart und warm an, aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Ganz bestimmt nicht sogar.

In seinem durchdringenden Blick schimmerten Cleverness und noch etwas anderes, was sie nicht benennen konnte. Dunkle Schatten lagen unter seinen grauen Augen. Seine scharf geschnittene Nase hatte eine kleine Delle in der Mitte. Der fein geschwungene Mund war ungeheuer … sexy.

Plötzlich wurde ihr ganz heiß, und sie spürte ein Ziehen in ihrem Bauch, ein Prickeln in ihren Brüsten.

Ihr Atem beschleunigte sich. Sie stand so dicht vor ihm, dass sie sogar die winzigen Sprenkel in seinen Pupillen erkennen konnte. Er sah aus wie eins dieser männlichen Models, die mit einer perfekten Knochenstruktur auf die Welt gekommen waren und denen alles immer mühelos zufiel. Frauen und Geld.

„Reiten sie sich nicht noch weiter rein, Miss Crosetto.“

Sein arroganter Ton vertrieb ihre Lethargie sofort. „Sie befinden sich in meinem Zuhause. Sie haben mich genötigt, Sie hierher mitzunehmen. Sie …“

Er ließ sie so abrupt los, dass sie beinahe gefallen wäre.

Natalie holte tief Luft.

„Ich habe Ihnen nichts getan, und das habe ich auch nicht vor. Außerdem, darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mich hierher eingeladen haben? Allerdings hätte ich eine etwas noblere Unterkunft als dieses Loch hier erwartet.“ Abschätzig ließ er den Blick durch den Raum mit den schäbigen Möbeln schweifen. „Bezahlt man Sie für Ihre Hacker-Jobs so schlecht, dass Sie sich nichts Besseres leisten können?“

Sie rieb sich das Handgelenk, das er eben noch umfasst gehalten hatte. Nicht etwa, weil es schmerzte, sondern um die Erinnerung an die Wärme seiner Hand zu vertreiben. „Ich habe keine Ahnung, worüber Sie reden.“

Er setzte sich wieder auf die Couch, die Ellbogen auf die langen Beine gestützt. „Wie viel hat man Ihnen dafür bezahlt, die Firewall von BCS zu knacken?“

„Sie müssen mich mit jemandem verwechseln. Ich bin nur eine kleine Angestellte in einer unbedeutenden Kreditagentur in Brooklyn.“

Er rieb sich die Schläfen. „Nicht noch mehr Lügen, per favore.“ Sein Akzent sandte Schauer über ihren Rücken, die nichts mit Angst zu tun hatten.

Ungeduldig sah er sie an. „Hören Sie endlich auf, das Unschuldslamm zu spielen. Jetzt, da ich Ihre Identität enttarnt habe, ist es ein Kinderspiel für mich, mich über Ihren Finanzstatus und Ihre persönlichen Daten zu informieren. Zum Beispiel darüber, wie oft Sie Geld aus dem Automaten abheben.“

Mit seinen nächsten Worten zog er ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg, als er ihr bis auf die Sekunde genau schilderte, wie und wann sie die Sicherheitssoftware von BCS torpediert hatte. Das hörte sich nicht so an, als hätte er es auswendig gelernt.

„Sie sind nicht einfach nur ein hübscher, reicher Junge, oder?“

Er zog die Augenbrauen hoch. Fast meinte sie, er hätte kurz geblinzelt, aber im Moment konnte sie ihrem Urteilsvermögen selbst nicht trauen. „Ein hübscher, reicher Junge? Erinnern Sie mich daran, das meinem Bruder zu erzählen. Er wird sich totlachen.“

Natalie brachte keinen Ton heraus, konnte ihn einfach nur anstarren.

„Hm, Ihnen ist anscheinend nicht bewusst, wie groß der Schlamassel ist, in dem Sie stecken.“

„Das ist mir sogar erschreckend deutlich bewusst. Sie haben ja keine Ahnung, was …“ Sie versuchte, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Vergeblich. „Aber Angriff ist manchmal die einzige Verteidigung, die einem zur Verfügung steht.“

Interesse flackerte in seinem Blick auf, bevor er begann, ihr minutiös zu erörtern, wie er ihr auf die Spur gekommen war.

„Ich muss sagen, Sie haben das sehr clever angestellt“, schloss er. „Geradezu genial. Aber Sie haben einen Fehler gemacht. Sie …“