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Sternentanz - Erwachen der Dämmerung (Finale)
Iona fühlt sich bedroht. Nach Develors Gruselkuss könnte er ihr immer und überall auflauern. Aber das ist nicht ihre einzige Sorge: Hinzu kommt, dass sich Eviana und Slinga gegen sie verbündet haben. Bislang konnte kein rettender Kristallsplitter gefunden werden, das Schicksalsbuch prophezeit mal wieder fürchterliche Bilder und obendrein ist Alex verschollen.
Ob das alles noch gut ausgeht?
Die romantische Pentalogie der tiefen Gefühle und fantastischen Abenteuer geht ins Finale
Sternentanz
Band I – Flüstern der Nacht
Band II – Ruf der Schatten
Band III – Wispern der Dunkelheit
Band IV – Glühen der Finsternis
Band V (Finale) – Erwachen der Dämmerung
Schattentanz
Band I - Windschatten
Band II - SchattenMeer
Band III - SchattenRiss (Finale)
Lichtertanz
Band I – Die Magie der Glanzlichter
Band II – Die Magie der Goldwinde
Band III – Die Magie der Lichtkristalle (Finale)
Flammentanz
Band I – Funken
Band II – Flammen
Band III – Feuer
Band IV – Brand
Band V – Glut (Finale)
Fabolon
Band I – FarbelFarben
Band II – Goldenes Glück
Band III – StaubNebelNacht
Band IV – RostRoter Rubin
Band V – SchneeFlockenBlüten
In der gleichen Welt: Romantasy
WandelTräume
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Band V
Isabella Mey
Genau wie seine Schwester Lida lebt Lando, ein Lumar vom Planeten Luno, von der Energie der Magier, genannt Futaren. Um nicht zu sterben, verschleppt er Iona von ihrem Zuhause auf Fabolon. Auf Luno wird der böse Fürst Develor auf sie aufmerksam, der sie ebenfalls in seinen Besitz bringen will. Lida verhilft Iona zur Flucht, die danach allerdings auf der Erde landet, wo sie ihren Bruder Finn kennenlernt. Schließlich glückt ihr die Rückkehr nach Hause zu ihren Eltern Handrich und Meonore im Restaurant Sternentanz.
Lando fühlt sich schuldig und will sich mit Iona versöhnen, doch alles geht schief, was ihn zum Selbstmord treibt. Durch ein Bild im Schicksalsbuch kann Iona ihn gerade noch rechtzeitig retten. Sie erkennt, dass er ihr wesentlich mehr bedeutet, als erahnt. Aber Lando kann sich eine derartige Beziehung nicht vorstellen. Iona lernt auf dem Magierplanet Kastron, ihre Magie zu kontrollieren sowie Portale zu öffnen und freundet sich mit Anissa an. Der Rat möchte auch Ionas Bruder Finn kennenlernen, daher kehrt Iona zur Erde zurück, aber Finn will nicht mitkommen. Iona entdeckt hier Alex, der Angst vor seiner Feuermagie hat. Weil er so ungläubig ist, zeigt sie ihm ein Portal, in das er jedoch unvorsichtig hineinläuft. Ungewollt landen Iona und Alex auf dem Vampirplaneten Morkor. Lando, Finn und Anissa verbünden sich, um sie dort zu retten, doch Iona wird von den Vampiren gefangen genommen. Nach einer abenteuerlichen Rettungsaktion können sie alle von Morkor über ein Luftportal fliehen und landen in New York. Nach diesem Abenteuer wollen auch Alex und Finn auf Kastron ihre Magie trainieren. Lando kehrt nach Luno zurück, wo er gemeinsam mit seinem Freund Zonk die gefangenen Magier (Futaren) aus der Festung des Fürstenpaars Develor und Lyndia befreit. Der Großteil der Geflüchteten landet auf dem Magierplaneten Kastron, auf dem sich auch Iona befindet und es stellt sich heraus, dass auch ihre leiblichen Eltern unter den Geretteten sind.
Iona erhält einen anonymen Brief, indem sie aufgefordert wird, die Magier zu finden, die wie sie als Babys bei Pflegefamilien ausgesetzt wurden. Bevor sie das in die Tat umsetzten kann, wird Kastron von den bösen Lumaren überfallen und mehrere Magier werden verschleppt. Nachdem Iona außerdem von Develor geküsst wurde, muss sie fürchten, von ihm jederzeit aufgespürt zu werden. Die Kristallsplitter, die bei den verschleppten Babys versteckt worden sein sollen, könnten helfen, um von Lumaren nicht mehr aufgespürt zu werden.
Man beschließt, sich in zwei Gruppen aufzuteilen: Während Alex, Anissa, Abione (Ionas Mutter), Zonk und Finn den Technikplaneten Tekto besuchen, reisen Iona, Lando, Lida und Anbald (Ionas Vater) zum Mittelalterplanet Altaron. Dort werden sie gefangengenommen und in den Kerker geworfen. Hier treffen sie auf die Magierin Eviana, bei der es sich um eine der Gesuchten handelt. Allerdings verliebt sie sich unsterblich in Lando und will ihn Iona streitig machen. Gemeinsam können sie flüchten und nach Faresia in den Sternentanz zurückkehren. Aber noch ist die Tekto-Gruppe nicht wieder zurückgekehrt. Immerhin kann sich Iona mit ihren Pflege-Eltern und der intriganten Haushaltshilfe Slinga versöhnen.
Auf Luno hat Ionas Auftauchen jedoch genauso etwas ins Rollen gebracht wie die Befreiung der Futaren aus der Festung, denn nicht alle sind vom Planeten geflohen. Einige dieser Magier befinden sich nun in der Obhut der Dorfbewohner, angeführt von dem Lumaren Jontas.
Planet Luno
»Die Wächter! Sie kommen!«, brüllt Trentin bestürzt. Er steht oben auf dem Dach seines Hauses und deutet mit ausgestrecktem Arm zum Horizont.
»Ach, sollen sie doch …«, winkt Jontas ab und reckt selbstsicher den Hals. Nachdem er sich an der Energie von über zwanzig Futarinnen gelabt hat, strotzt er vor Kraft und Magie. »Mit denen nehme ich es doch zehnmal auf.«
»Sei dir da lieber nicht so sicher.« Trentin klettert durchs Dachfenster, um in seinem Haus Deckung zu suchen.
»Hey, komm wieder raus, du Angstmolch!« Verärgert reckt Jontas die Faust zu der Stelle, wo sein Nachbar verschwunden ist. Seit er so viel Magie und Macht in sich vereint, spielt er sich nur allzu gerne als neuer Anführer im Dorf auf. Das stößt jedoch bei den wenigsten auf Gegenliebe.
Immerhin hält seine Frau noch zu ihm, was kein Wunder ist, denn durch den unerwarteten Segen an männlichen Futaren strotzt auch sie nun vor Energie. Jenke tritt von hinten an ihren Gemahl heran und schaut zu den Wipfeln der Bäume empor, doch aus diesem Winkel sind noch keine Wächter zu erkennen. »Du wirst sehen, diese Würmer werden sich in der Erde winden, wenn du sie mit deinen Eisblitzen niederstreckst.«
Gerade öffnet Jontas den Mund zu einer Antwort, als sich die Schatten acht geflügelter Toralke in der Ferne vom Firmament abheben. Ihm wird plötzlich flau im Magen.
Habe ich den Mund vielleicht doch etwas voll genommen?
Die Magiemenge ist schließlich nur einer von vielen Faktoren, die den Ausgang eines Kampfes bestimmt. Im Gegensatz zu den Wächtern hatte Jontas bisher kaum Möglichkeiten, seine kämpferischen Fähigkeiten zu erproben und Jenke dürfte es da ähnlich ergehen. Wenn ihn die acht Wächter von allen Seiten in die Mangel nehmen, wird er kaum Chancen haben. Außerdem gehen Gerüchte um, dass sie sich zwischenzeitlich wieder einige der entflohenen Futaren zurückholen konnten – darunter auch wilde mit unverbrauchter, starker Energie.
Jontas presst die Zähne zusammen, um das verräterische Klappern zu unterbinden. Während er beobachtet, wie sich die Reiter rasch nähern, erschüttert ein kaum merkliches Beben seinen Leib.
»Sind die Futaren alle in Sicherheit?«, keucht er, wobei sein sorgenvoller Blick vom Garten, in dem sie normalerweise untergebracht wären, zum Wald hinüber schweift. Im Futarengehege könnte man sie viel zu leicht aufspüren, daher hatte man gemeinschaftlich ein Versteck im Wald errichtet und dieses mit mehreren magischen Tarnzaubern gesichert. Zahlreiche darum herum installierte Lomolithkristalle halten die Raubmonster fern. Die meisten Futaren dürften sich zwischenzeitlich zum Schlafen hingelegt haben, was hoffen lässt, dass sie leise sein werden.
Doch wenn nur eines der Kinder zu Jammern oder Schreien anfängt, würden die Wächter zwangsläufig darauf aufmerksam werden. Schon setzen die acht Toralke zur Landung an. Kalter Schweißt rinnt Jontas übers Gesicht. Nicht einmal Jenke gibt einen Laut von sich, was ihr überhaupt nicht ähnlichsieht.
Ob ich angreifen soll?
Doch die einzige Attacke stammt von seinem Herzen, welches schmerzhaft gegen die Rippen donnert. Am liebsten würde er sich mit dem leichten Wind verflüchtigen, der sein Haar zerzaust, und dennoch wollen sich die erstarrten Glieder keinen Finger breit wegbewegen.
Schon graben sich die Pranken der Toralke in den Staub, welcher das trockene Pflaster des Dorfplatzes überzieht.
»Wo sind sie?« Ariks tiefes Brüllen flößt dem Paar mindestens genauso viel Furcht ein wie seine wettergegerbte Fratze. Mit gezücktem Schwert springt er von seinem Reittier.
Abwehrend heben Jontas und Jenke die Arme, unfähig, einen Laut hervorzubringen. Im Antlitz der wutentbrannten Gesichter, die das Paar allein durch die Blicke zu erdolchen drohen, ist aller Hochmut versiegt.
Strintha nähert sich bedrohlich, wobei sie die Spitze ihres Schwertes auf Jontas’ Stirn richtet, bis der kalte Stahl kaum merklich und doch äußerst bedrohlich die Haut berührt. Wie versteinert steht er da, lediglich sein schwarzes halblanges Haar tanzt im Wind, der ihm einzelne Strähnen über die Augen weht. Mit einer sachten Seitwärtsbewegung des Schwertes schiebt Strintha das Haar nicht etwa beiseite, sondern teilt es mit ihrer rasiermesserscharfen Klinge lautlos entzwei. Horror flutet seine Adern.
»Los! Antwortet!«, droht die Wächterin mit zusammengekniffenen Augen, doch Jontas’ Kehle bringt lediglich ein trockenes Röcheln zustande.
Er sollte endlich Stärke demonstrieren und den Kampf aufnehmen, stattdessen verachtet er sich selbst für seine Feigheit. Im Geiste spulen sich bereits Horrorszenarien ab, wie später Freunde und Verwandte spöttisch mit dem Finger auf ihn zeigen. Nichts als große Töne spucken, kannst du feiger Jammerlappen, werden sie ihn verhöhnen.
»Los! Durchsucht das Gelände! Irgendwo hier in der Nähe müssen sie sein.« Trenia deutet ausgerechnet zu der Stelle im Wald, wo tatsächlich das Versteck der Futaren liegt.
Drei der Wächter schlagen bereits die entsprechende Richtung ein, doch Arik bleibt breitbeinig vor Jontas stehen – ein fieses Grinsen im Gesicht. »Eigentlich ist es doch völlig egal, ob wir unsere Futaren finden oder nicht. Sammeln wir doch einfach ihre ein.«
»A-aber das geht nicht«, empört sich Jenke, ihrer Sprache nun doch wieder mächtig.
»Das könnt ihr nicht machen!«, bekräftigt Jontas.
»Ach? Und wer will uns daran hindern?« Arik kommt ihm bedrohlich nahe, vollführt eine Schlingerbewegung mit der Faust, die einen Wirbelwind um Jontas und seine Frau erzeugt. Die beiden werden von den Füßen gehoben, im Kreis herumgeschleudert, um gleich darauf auf dem Pflaster aufzuschlagen.
»Spar dir lieber deine Kräfte«, ermahnt ihn Strintha. »Aber du hast recht. Es ist nur fair, wenn wir uns im Gegenzug ihre Futaren schnappen.« Gemeinschaftlich marschieren die Wächter an Trentins Haus vorbei, um den Garten seiner Futaren anzusteuern.
Da das jedoch seine pure Existenz bedroht, nimmt Trentin nun all seinen Mut zusammen und stürmt zur Tür heraus. Doch statt die Wächter anzugreifen, faucht er Jontas an: »Was stehst du hier so blöd herum? So tu endlich etwas!«
»Ganz alleine? Nein, nein, da müssen wir schon alle zusammenhalten«, kontert dieser.
»Wieso? Es ist doch alles deine Schuld! Du wolltest diese befreiten Futaren haben und du hast jetzt ihre E …«
»Beiß auf die Zähne!«, fällt ihm Jontas scharf ins Wort, damit die Wächter nicht mitbekommen, wie viel Magie er nun in sich vereint. Der Aufruhr war nicht unbemerkt geblieben und jetzt, wo die Wächter weitergegangen sind, versammeln sich immer mehr Lumaren auf dem Dorfplatz. Fassungslos sehen sie alle zu, wie die Wächter den Lomolithzaun deaktivieren, um zu Trentins Futaren zu gelangen.
»Die werden uns alle Futaren klauen«, ruft Istiana panisch. »Und das ist alles deine Schuld!« Anklagend deutet sie auf Jontas, der jedoch hochmütig den Hals reckt, denn im Kreise der Dorfgemeinschaft fühlt er sich nun wieder sicher und stark.
»Schuldzuweisungen bringen uns auch nicht weiter«, weist sie ihre Mutter zurecht. »Wir müssen jetzt zusammenhalten. Kommt! Jontas kann das auch mit der vermehrten Magie nicht schaffen, aber gemeinsam haben wir eine reale Chance, die Wächter zu besiegen.«
Plötzlich jault Trentins Futarin laut auf, als Arik sie zu einem groben Kuss nötigt. Keiner der Dorfbewohner würde so mit seinen Futaren umspringen, was automatisch den allgemeinen Zorn erregt. Wütend stapfen nun etwa zwanzig Leute zum Garten, die Hände kampfbereit erhoben.
»Zzz, ich glaub’s ja nicht. Die kleine Flohversammlung probt einen Hüpfaufstand!«, spottet der Wächter namens Marokan.
»Pahhh!« Arik stößt die völlig verstört dreinblickende Futarin grob von sich fort, sodass sie rücklings im Gras landet. »Das werdet ihr bereuen«, zischt er und schickt den zornigen Leuten einen mehrfach verästelten Eisblitz entgegen.
Doch darauf waren die Dorfbewohner bereits gefasst. Zwar beherrscht Jontas das Kämpfen nicht, dafür hat er eine gewisse Begabung für magische Schilde und schon, als die Gruppe losmarschiert war, hatte er einen Großteil seiner Magie in ein Schutzschild gesteckt, das Freunde und Verwandte einhüllt. Es ist so angelegt, dass es die darauf abgefeuerte Energie absorbiert, wodurch es sich weiter verstärkt. Dementsprechend löst sich der Eisblitz sehr zum Erstaunen des Wächters vollständig auf, bevor er jemanden verletzen kann. Die Leute, die eben noch scharf die Luft eingesogen haben, stoßen einen Seufzer der Erleichterung aus. Und auch ein verhaltener Jubel ist zu hören.
»Gut gemacht!«, lobt Jenke. »Das warst doch du, oder?«
»Ja!« Jontas grinst selbstgefällig.
»Dir wird das freche Grinsen schon noch vergehen«, knurrt Arik und zückt sein Schwert. »Zum Angriff!« Gefolgt von den anderen sieben Wächtern stürmt Arik auf die Dorfbewohner zu, welche zwar ohne Waffen dastehen, doch allerlei Zauber beherrschen sie allemal. So bringt Jenke wilde Ranken dazu, sich um die Füße der Angreifer zu schlingen. Strintha stolpert und streckt der Länge nach hin, während die anderen das Grünzeug zornig mit den Klingen ihrer Schwerter zerhacken. Istiana lässt mittels ihrer Magie feinen Sand auf die Wächter herabrieseln, der ihnen in den Augen brennt. Da holt die Wächterin Trenia aus und schickt den Dorfbewohnern einen kräftigen Wind entgegen, welcher sie allesamt taumeln lässt. Unglücklicherweise wechselt damit auch der Sandsturm seine Richtung und schlägt nun den Dorfbewohnern entgegen. In dem allgemeinen Tumult vermengen sich Jammern und Kreischen mit Kampfgeschrei und dem Jubel der Wächter. Den einfachen Lumaren bleibt kaum Zeit, sich aufzurappeln. Schon fliegt ein Dolch durch die Luft und schneidet ein Stück von Jenkes Ohr ab. Sie jault auf und geht in die Knie – mehr aus Angst als vor Schwäche. Mit erhobenen Schwertern greifen die Wächter abermals gemeinschaftlich an.
»Hitze!«, brüllt Istianas Vater Rondo, einer plötzlichen Eingebung folgend und schon vereinen die Dorfbewohner ihre Magie zu tödlichen Flammen. Jaulend lassen die Wächter ihre glühend heißen Schwerter fallen, andere tanzen wie auf heißen Kohlen im Kreis, während Trenias langes Haar in Flammen steht. Keuchend wirft sie sich ins Gras, wälzt sich dort umher, um den Brand zu löschen.
Beflügelt vom gemeinsamen Erfolg hebt Jontas den Arm und ruft: »Zum Angriff!«
Brüllend überbrücken die Dorfbewohner die letzte Distanz zu den Wächtern, um sich auf sie zu stürzen. Steine und Fäuste fliegen gleichermaßen wie zwickende und stechende magische Stöße. Diese zornige Übermacht ist den Wächtern eindeutig zu viel, sodass sie die Flucht ergreifen und zu ihren Reittieren zurückeilen. Unter Schimpfen und Fluchen der zornigen Dorfbewohner schwingen sie sich auf ihre Toralke und fliegen davon.
Jubelschreie erfüllen das einzige Dorf Lunos. Zum allerersten Mal seit sie denken können, haben die einfachen Lumaren die Wächter besiegt.
»Ha! Ich hab’s doch gesagt: Unter meiner Führung werden wir die Wächter in die Flucht schlagen. Und ich hatte recht«, prahlt Jontas.
»Aber sie werden wiederkommen«, mahnt Trentin. »Wir werden nie wieder ruhig schlafen können und nirgends mehr sicher vor ihnen sein.«
»Da hast du leider recht«, dämpft Istianas Mutter Iba ebenfalls die Euphorie.
»Und wenn sie Develor und Lyndia zur Verstärkung hohlen, können wir einpacken«, seufzt eine Lumarenfrau niedergeschlagen. »Es heißt, er ist unsterblich und unbesiegbar mächtig. Diesen Kampf können wir nicht gewinnen.«
»Wir müssen von hier verschwinden und uns verstecken«, pflichtet ein anderer bei.
»Aber wo soll das denn sein? Lumaren spüren die Nähe von Futaren und anderen Lumaren, da müssten wir schon sehr weit weggehen«, gibt ein anderer zu bedenken.
»Nicht unbedingt weit, aber vielleicht sehr tief …«, meint Istiana versonnen. »Zonk und ich haben uns neulich auf die Suche nach dem unterirdischen Versteck gemacht, von dem Lida erzählt hat und ich glaube, wir haben den Eingang gefunden. Allerdings wurde er mit einer großen Steinkugel verschlossen und versiegelt.«
»Wenn wir unsere Magie vereinen, könnten wir ihn vielleicht freilegen«, sagt Iba hoffnungsvoll.
»Ihr wollt wirklich hier abhauen?« Jenke schüttelt unwillig den Kopf.
»Klar, oder willst du es etwa mit dem Fürstenpaar aufnehmen?«, spottet Trentin.
»Uns bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als zu flüchten«, meint Rondo. »Und wir sollten auch die Stadtbewohner warnen. Bestimmt werden die Wächter als nächstes versuchen, sich deren Futaren zu krallen.«
»Ich übernehme das«, erklärt Trentin. »Packt ihr unterdessen schon mal eure Sachen zusammen.«
Planet Tekto
»Au! Du stehst auf meinem Fuß!«, beschwert sich Anissa und schupst Zonk zurück, kaum dass die vier aus dem Wasser aufgetaucht sind. Abione, Finn, Anissa und Zonk sind in einem Becken herausgekommen, das augenscheinlich einen See simulieren soll. Allerdings reicht das Wasser gerade mal bis unter die Hüfte.
»Solange ich nur auf deinem Fuß stehe und nicht auf dich, kannst du ja beruhigt sein«, kontert der Lumar. »So gerätst du wenigstens nicht in Kussgefahr. Es sei denn, du drückst mir einen auf, so wie neulich.«
»Pahhh! Als ob ich das freiwillig gemacht hätte …«
»Scht! Jetzt zankt doch nicht schon wieder.« Finn schüttelt unwillig den Kopf. »Wir haben echt Glück, dass die Leute hier irgendwie in ihrer eigenen Welt versunken sind. Keiner scheint uns zu bemerken.« Tatsächlich spazieren auf den Wegen um das Becken jede Menge Menschen in silberweißen Anzügen, die bisher keinerlei Notiz von den seltsamen Ankömmlingen im Wasserbecken genommen haben und das, obwohl Abione bisher keinen Unscheinbarkeitszauber gewirkt hat.
Im Hintergrund ragt eine Felswand aus schwarzem Schiefer in die Höhe. In stetigem Strom rinnt dort Wasser bis in den See hinab. Das gesamte Areal wird von einer gigantischen gläsernen Kuppel vom Außenbereich abgeschirmt.
Hier drin stehen ringsum große weiße Gebäude, die halbierten Eiern mit runden Fenstern gleichen. Das einzige Grün findet sich in unzähligen, hüfthohen Aquarien, welche die Straßen säumen. Darin schwimmen algenartige Pflanzen.
»Bei Luno! Was ist das für ein krass verrückter Ort?«, staunt Zonk, während er sich interessiert umschaut. »Und da draußen ist echt nichts als Sand!« Er deutet nach rechts, wo das Wasserbecken direkt ans Kuppelglas grenzt. Dahinter ziehen sich Sanddünen bis zum Horizont.
»Stimmt. Cool irgendwie. Das hier muss so eine Art gläserne Wohnkugel sein«, staunt Finn. »Eine von ziemlich vielen.« Er deutet zu unzähligen Nachbarsphären, welche über mehrere Stockwerke hinweg wie ein Netz aus Perlen über schnurförmige Verbindungsgänge miteinander verknüpft sind.
»Ob das alles durch Magie oder durch irgendeine Technik zum Schweben gebracht wird?«, fragt sich Anissa.
»Tekto scheint mir eher ein Technikplanet zu sein«, meint Abione.
»Ha, es sieht ja aus, als würden die Fahrrad fahren«, ruft Finn lachend aus. Tatsächlich bewegen sich draußen mehrere Glaskugeln hintereinander schwebend vorwärts. Im Inneren sitzen Menschen, die in die Pedale treten.
»Das wiederum erstaunt mich doch sehr, dass auf einem so hoch entwickelten Planeten der Antrieb offenbar noch auf Muskelkraft basiert.« Abione schüttelt den Kopf.
»Vielleicht gehört das zu einem sportlichen Trainingsprogramm«, mutmaßt Finn.
»Fitness im Tret-UFO«, witzelt Zonk lachend. »Aber was zum Dorrum ist ein Fahrrad?«
Zur besseren Kommunikation hat sich Finn angewöhnt, in Gegenwart der Lumaren stets Englisch zu sprechen, doch das nutzt Zonk wenig, wenn er Fahrräder nicht kennt und es erscheint Finn zu mühsam und unnötig, ihm das jetzt genauer zu erklären. »Ach, nicht so wichtig«, winkt er daher ab.
»Das ist schon eine äußerst seltsame Welt.« Abione lässt ihren Blick zum fernen Kuppeldach hinaufschweifen. »Na dann schauen wir uns mal weiter um, schlage ich vor.«
Damit waten die vier zum Ufer. Genau wie beim Felsen im See sieht das Material des Beckenrands aus wie schwarzer Schiefer. Als Abione ihre Finger darüber gleiten lässt, fühlt es sich allerdings nicht nach Gestein an, sondern eher wie eine Art Kunststoff.
Kaum hat sie trockenen Boden unter den Füßen, ertönt plötzlich ein schriller Ton.
Eine Alarmsirene?
Immerhin lässt das die Leute kurz aufschauen. Nach einem flüchtigen Blick auf die Fremden im Wasser gehen sie jedoch wieder ihrer Wege, als wäre nichts passiert.
»Was bedeutet das?« Zonk runzelt die Stirn. »Kreischt dieser Ton etwa unseretwegen?«
»Deinetwegen ganz bestimmt«, grunzt Anissa und steigt hinter ihm über die unechte Steinmauer an Land.
»Wenn du mich weiter so reizt, überwinde ich vielleicht doch noch meinen Ekel und küsse dich – bloß, um dich zu ärgern«, stichelt der Lumar.
»Versuche es nur, dann beiße ich dir die Zunge ab!«, droht Anissa mit hochrotem Kopf.
»Hey, wir haben gerade echt andere Probleme.« Finn deutet zu einem Trupp von sechs Robotern. Sie wurden geschlechtslosen Menschen nachempfunden, wobei die weiß-metallisch glänzende Oberfläche, die starren blauen Glasaugen und die synchron gesteuerten Bewegungen keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass es sich um Maschinen handelt. Dennoch bewegen sie sich überaus geschmeidig auf die Ankömmlinge zu und formieren sich dann im Kreis um sie herum.
»Identifizieren Sie sich!«, fordert einer von ihnen mit harter, klarer Stimme.
»Was hat er gesagt?« Als Nichtinhaber fabolonischer Sprachmagie kann er den Roboter nicht verstehen.
»Er will, dass wir uns identifizieren«, erklärt Abione und wendet sich dann der Maschine zu. »Mein Name ist Abione und das hier sind Finn, Zonk und Anissa.«
»Ungültige, unregistrierte Namen. Dies ist die letzte Warnung: Geben Sie eine gültige Identifizierung ab.«
»Hier mögen solche Namen vielleicht nicht benutzt werden«, wendet Anissa ein, »doch wir stammen von anderen Planeten, wo sie durchaus gültig sind. Wir suchen nach …«
»Identifizierung negativ«, surrt der Roboter, woraufhin der ganze Trupp die Arme hebt. Aus den Händen zischt ein gummiartiger, transparenter Gelee. Das alles passiert so schnell und unerwartet, dass die vier Außertektonischen noch keinerlei Schutzschilde hochgefahren hatten.
Schockiert über den plötzlichen Angriff erstarren Anissa, Zonk, Abione und Finn, als sie im selben Moment von den Füßen gehoben werden und hilflos in der Luft herumschweben. Vor allem Finn und Anissa hadern noch mit sich, nicht rascher mit Gegenwehr reagiert zu haben, aber nun ist es ohnehin zu spät. Wahrscheinlich wäre es sowieso nicht ratsam gewesen, da die Lage vielleicht noch schlimmer eskaliert wäre und man nicht wissen kann, welche tückischen Waffen hier sonst noch eingesetzt werden. Das Glibberzeug bildet vier transparente Kugeln um die Gefangen im Inneren.
»Hey, behandelt man so friedliche Gäste?!«, protestiert Zonk, wobei er gegen die glibberige Wand boxt, doch seine Faust federt einfach zurück. »Hier gibt’s eh keine Futaren zum Aussaugen, also was soll das?«
»Lass mal! Ich glaube, das bringt nichts«, meint Abione, was die anderen jedoch nur gedämpft durch die Kugelwände hören.
Tatsächlich beachten die Roboter die vier nicht weiter, sondern marschieren einfach davon, wobei die Kugeln wie Haustiere hinter ihnen herschweben. Hin und wieder richtet einer der Passanten seinen Blick darauf, doch insgesamt erscheinen die Leute eher desinteressiert.
Angst kriecht in Anissas Eingeweide.
Dieser Planet ist so fremd und anders, dass sie nicht vorhersehen kann, was nun passieren wird und diese Ungewissheit lastet schwer auf ihrem Gemüt. Finn geht es nicht viel besser, doch er beschließt, sich der Situation zu ergeben, solange er nichts dagegen unternehmen kann.
»Und jetzt?«, schreit Zonk gegen die Schalldämpfung der Glibberkugelwände an.
»Abwarten«, meint Finn. »Es wird sich schon noch eine Gelegenheit finden um zu entkommen.«
»So sieht’s gerade aber nicht aus.« Anissa betastet das gummiartige Zeug. »Soll ich versuchen, die Kugeln wegzubrennen?«
»Schauen wir erst einmal, wo man uns hinbringt«, meint Abione.
Anissa nickt stumm. Sie hadert selbst damit, ob es eine gute Idee wäre, denn schließlich kennt sie die Feuereigenschaften dieses Gelees nicht und ein Feuer könnte alles auch noch schlimmer machen.
Es geht zu einem Bereich, wo sich hunderte halbeiförmige Wohneinheiten auf mehreren Stockwerken aneinanderreihen. Türen gleiten auf und zu, Leute gehen raus und rein. Transparente Flure und Aufzüge verbinden die Einheiten miteinander. Die Roboter lassen die Kugeln mit den Gefangenen in einen röhrenförmigen Aufzug hineinschweben. Die Tür gleitet zu und sogleich wieder auf, ohne dass eine Bewegung zu spüren gewesen wäre. Erst, als es wieder nach draußen geht, erkennt man den Unterschied. Anissa muss die Augen schließen, da sich in ihrem Kopf alles zu drehen beginnt, beim Blick in die Tiefe. Ihr Herz hatte bisher schon ordentlich gegen die Brust gedonnert, doch nun pocht es in nie dagewesener Frequenz.
Warum müssen diese verflixten Böden auch alle transparent sein?!
Es geht den Flur entlang, wie Anissa beim flüchtigen Blinzeln registriert. Schließlich schweben die vier in einen der Räume hinein, der wie alle anderen vollständig in Weiß gehalten ist. Die Roboter verbleiben außerhalb der Schiebetür, bevor sie sich schließt. Im selben Moment lösen sich die Kugeln einfach auf. Statt herauszupurzeln, gleiten Anissa, Finn, Zonk und Abione sanft heraus.
»Wir sind nicht gefallen. Warst du das?«, erkundigt sich Anissa bei Finn. Hier kann sie endlich wieder aufatmen, da der Boden mit schwarzer Schieferoptik ausreichend Schutz vor Höhenangst bietet.
»Nein, da muss irgendein Mechanismus dahinterstecken.« Finn zuckt mit den Schultern und sieht sich im Raum um. »Immerhin: Wir leben noch.«
»Schön, dass du es positiv siehst«, meint Abione, ohne seinen ironischen Unterton zu beachten.
»So, das ist also unser neues Zuhause«, scherzt Zonk, wobei er mit bitterer Miene die Einrichtung mustert. Vier schwebende Stühle ohne Beine gruppieren sich um einen Tisch herum, auf dem vier gefüllte Breischüsseln auf den Verzehr warten. Ein Loch im Boden dient vermutlich der Notdurft. Außerdem befinden sich vier schwebende Liegeflächen im Raum.
»Das sind dann wohl die Betten?« Anissa verzieht das Gesicht.
Aus einer Wandöffnung ergießt sich Wasser in ein kleines Becken – in schwarzer-Schiefer-Optik. Das ovale Fenster ermöglicht einen ausgezeichneten Blick auf die karge Wüstenlandschaft. »Nur leider hat keiner für die Ernährung eines Lumaren gesorgt«, fährt Zonk seufzend fort, wobei sein Blick unwillkürlich zu Anissa gleitet.
»Nein! Vergiss es! Und warum schaust du dabei eigentlich immer nur mich an. Abione ist schließlich auch eine Magierin.«
»Stimmt, aber bei dir macht es mir viel mehr Spaß, dich zu ärgern.«
Schnaubend lässt sich Anissa auf einen der Stühle sinken und stellt erstaunt fest, dass er sich automatisch ihrer Größe anpasst.
»Erstaunlich bequem …«, murmelt sie, lehnt sich zurück und schlägt die langen Beine übereinander, die in einer grünen Strumpfhose stecken. Die durchweg grüne Kleidungsfarbe hatte sie auf Fabolon gewählt, um dort nicht aufzufallen. Damit liegt sie auf Tekto natürlich vollkommen verkehrt, wo jede bunte Farbe aus dem silbrig-weißen Einheitsbrei heraussticht.
Abione untersucht die Tür, welche sich selbst nach umfangreichem magischen sowie physischen Abtasten nicht öffnen lässt.
»Eine Luxuszelle ganz in Schwaz-Weiß«, brummt Finn und lässt sich auf dem Stuhl neben Anissa nieder.
»Pahhh!« Zonk pocht gegen die weiße Wand, was keinerlei Geräusch erzeugt. »Wies aussieht, sind hier Wohnung und Gefängnis dasselbe.«
»Stimmt, der einzige Unterschied besteht darin, ob die Tür aufgeht oder nicht«, schnaubt Finn und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ist ja ziemlich praktisch: Jeder, der sich nicht an die Regeln hält, sitzt dann in der eigenen Wohnung in der Falle.«
»Wir könnten versuchen auszubrechen, aber ob unsere Magie gegen diese Technik ankommt, lässt sich schwer sagen«, seufzt Abione. »Eventuell könnte man die Energiesysteme entkoppeln, was aber bestimmt verheerende Folgen für die Bewohner hätte.«
»Äh, sagt mal … Wo ist eigentlich Alex?«, fällt Anissa plötzlich auf. »Wollte er nicht auch mit uns nach Tekto reisen?«
»Tja, eigentlich schon …« Nachdenklich runzelt Finn die Stirn. »Bei all der Aufregung ist mir noch nicht mal aufgefallen, das er fehlt.«
»Vielleicht war er ja doch bei der anderen Gruppe für Altaron dabei«, mutmaßt Anissa.
»Nein, ich bin mir sicher, vor uns waren nur Anbald, Lando, Lida und Iona im Brunnen«, antwortet Finn. »Auf Alex habe ich gar nicht mehr geachtet, aber ich könnte schwören, dass er im Portalbrunnen noch mit dabei war.«
»Oje, dann hoffe ich, er ist noch immer auf Fabolon. Nicht dass er im Brunnen die Verbindung zu uns verloren hat und ganz wo anders gelandet ist«, sorgt sich Anissa.
»Du kümmerst dich um alle und jeden, nur verhungernde Lumaren lassen dich eiskalt«, beschwert sich Zonk. Es klingt gespielt empört und doch bricht eine echte Betroffenheit hindurch.
»Nur diejenigen, die dreist und eingebildet sind und meinen, ein Recht dazu zu haben, Magier auszubeuten«, kontert sie und ballt die Fäuste.
»Na, da bin ich ja froh, dass ich nicht zu dieser Gruppe zähle. Meine Futarinnen freuen sich nämlich auf jeden meiner Küsse.«
»Pahhh! Und du willst nicht eingebildet sein?! Die erliegen doch nur deiner anziehenden Magie.«
»Hey, noch mal zur Erinnerung, falls das nicht angekommen sein sollte«, geht Finn dazwischen. »Wir sind hier auf einem fremden Planeten in einer Zelle gefangen. Man sollte ja wirklich meinen, ihr hättet sonst keine Probleme.«
»Hm, du hast ja recht«, lenkt Anissa kleinlaut ein und schenkt ihm ein entschuldigendes Lächeln.
Plötzlich taucht ein Mann in weißer Kutte so dicht neben Abione auf, dass sie erschrocken zurückweicht. Dabei berührt sie unwillkürlich den Stoff seines Umhangs, durch den ihre Finger widerstandslos hindurchgleiten. »Oh, ein Hologramm«, erkennt sie tief durchatmend.
»Ein Holo-was?«, grunzt Zonk, der vor Schreck von seinem Sitz hochgefahren ist. Genau wie alle anderen starrt er verdattert auf den plötzlich aus dem Nichts aufgetauchten Mann.
»Wer seid ihr und was wollt ihr hier?«, erkundigt sich dieser mit gleichmütiger, tiefer Stimme. Das blasse Gesicht unter der Kapuze erscheint alterslos und ebenmäßig.
»Wir kommen von verschiedenen Planeten und suchen nach einem dunkelblonden Jungen, der hier als Baby ausgesetzt wurde«, erklärt Abione in versöhnlichem Tonfall. »Und wer sind Sie?«
»Ihr steht Atalbert II gegenüber und solltet demütig die Häupter senken.«
»Hm, ich meine, wir sollten ihm den Gefallen tun und uns verneigen«, schlägt Abione vor. »Schließlich sind wir als ungebetene Eindringlinge hier einfach aufgetaucht«.
Zonk verspürt zwar wenig Lust dazu, doch hat er mal wieder seine eigene Art, die Geste zu veralbern, indem er sie völlig übertreibt. Während die anderen lediglich den Kopf neigen, wirft er sich förmlich vor den Füßen des Hologramms zu Boden.
»Aller ergebenster Herrscher …«, bringt er übertrieben demütig hervor, doch Ironie scheint nicht zum Repertoire der hiesigen Einwohner zu gehören.
Der Hologramm-Atalbert II erwidert die Geste mit einem zufriedenen Nicken, bevor er fortfährt: »Die Situationsanalyse hat ergeben, dass Ihr bedingten Zugang zu verschiedenen Sphären erhaltet. Innerhalb von drei Tageszyklen wird euch die Erlaubnis gewährt, den vermissten Jungen zu suchen, um ihn in eure Welt zurückzuführen. Bedingung ist das Tragen eines Hyperarmbandes. Es enthält euren Identifikationsnamen.«
»Wovon redet er?«, erkundigt sich Finn, woraufhin Abione das Gesagte nochmals wiederholt.
»Wir haben keinen Identifikationsnamen«, wendet Finn vorsichtig ein.
»Sprachmodulation abgeschlossen. Euch werden neue Nummern verliehen.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verpufft das Hologramm.
»Atalbert spricht plötzlich englisch«, staunt Finn und fast im selben Moment gleitet die Tür in die Wand. Ein sechsköpfiger Trupp an Robotern tritt ein. Dieses Mal strecken sie den vier Außertektonischen silbrig glänzende Armbänder entgegen. Widerstrebend hebt Anissa die linke Hand.
»Mit56252«, sagt ein Roboter, wobei er Anissa das Armband übers Handgelenk streift. Dort passt es sich sofort dem Umfang ihres Armes an, sodass es nicht mehr abgestreift werden kann.
»Wir erhalten Nummern als Namen?« Anissa runzelt die Stirn. »Und hoffentlich geht das später wieder ab.«
»Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig, als das erst einmal zu akzeptieren«, sagt Abione, die die Nummer Mit56253 erhält.
Dann wird Finn zu Mit56254 und Zonk zu Mit56255.
»Nur dieser Atalbert II scheint hier einen einigermaßen nummernfreien Namen zu haben«, fällt Finn auf.
»So ist es doch immer«, kontert Anissa. »Das gemeine Volk wird durchnummeriert, wobei die Obersten Sonderstatus genießen.«
»Das ist alles so krass hier. Diese Welt kommt mir vor wie ein verrückter Traum«, bemerkt Finn. »Oder vielmehr ein dystopischer Albtraum.«
Die Roboter wenden sich ab und gleiten über dem Boden schwebend davon. Anissa richtet ihren Blick starr geradeaus, um auf keinen Fall nach unten zu schauen, als sie Finn und Zonk aus der Zelle hinaus folgt. Lediglich Abione bleibt nachdenklich zurück.
»Was ist los?« Anissa dreht sich zu ihr um.
»Irgendwas … irgendetwas kommt mir an all dem bekannt vor. Vor allem diese seltsamen Nummern … Wo ist mir das nur schon mal begegnet?«
»Na, es wird dir schon noch einfallen«, meint Finn. »Zonk, kannst du eigentlich irgendeinen Magier orten?«, will er von dem Lumaren wissen.
»Sogar drei.« Breit grinsend schaut Zonk in die Runde. »Aber das ist genau das Problem. Ich müsste alleine umhergehen, um einen fremden Futaren besser von euch unterscheiden zu können.«
»Prima«, freut sich Anissa. »Dann sollten wir uns unbedingt trennen. Wir drei warten unten am Wasserbecken und du machst dich alleine auf die Suche.«
»Ist mir ganz recht, dann muss ich mich wenigstens nicht mehr fürchten, von einem deiner Küsse überrumpelt zu werden«, stichelt Zonk. Er stolziert an ihr vorbei, doch in diesem Moment begeht Anissa den Fehler, nach unten zu sehen. Ein heftiger Schwindelanfall bringt den Wackelpudding in ihren Knien zum Schlingern. »Oh.« Unwillkürlich greift sie haltsuchend nach Zonks Schulter.
Verwundert hält er inne und wendet sich stirnrunzelnd zu ihr um. »Na, was denn jetzt? Soll ich etwa doch bei dir bleiben, Schnuzelchen?«
»Pahhh! Verschwinde!«, schimpft Anissa ärgerlich und zieht ihre Hand von Zonks Schulter, als hätte sie sich an ihm verbrannt.
»Die wilden Futarinnen wissen echt nicht, was sie wollen«, brummt der Lumar und begibt sich zu dem röhrenförmigen Aufzug, mit dem sie hergekommen sind. Finn, Anissa und Abione folgen ihm hinein.
Die Türen schließen sich selbsttätig, kaum dass alle drinnen sind, aber in dem silbrig weiß gehaltenen Raum deutet nichts auf eine Bedienungsmöglichkeit hin.
»Und jetzt?« Ratlos schaut sich Finn um.
»Bringe uns in die Etage mit dem Wasserbecken«, befiehlt Abione. Tatsächlich wird eine kaum merkliche Bewegung fühlbar, bevor sich die Türen gleich darauf wieder öffnen. Draußen scheint sich nichts verändert zu haben, weil die Etagen alle gleich aussehen, doch beim Hinaustreten wird klar, dass sie sich nun etliche Stockwerke tiefer befinden.
»Da entlang«, erinnert sich Finn an den Weg und marschiert vorneweg.
»Hoffentlich stimmt das. Hier sieht irgendwie alles gleich aus«, sorgt sich Anissa.
Es geht links um ein größeres Gebäude herum. Durch die Fenster sieht man drinnen Kinder, die an Tischen sitzen und auf irgendwelchen Tasten herumdrücken. Finn geht nun geradeaus, an mehreren Aquarien vorbei, unter einem Torbogen hindurch. Rechts in einem Gebäude kann man durch die Fenster Menschen sehen, die an irgendwelchen bunten unförmigen Hologrammen herumbasteln. Nach allem, was er schon gesehen hat, wundert er sich nicht mehr darüber, dass diese 3-D-Bilder auf Berührung reagieren. Die vier passieren unzählige Bewohner dieser Sphärenwelt, doch kaum einer schenkt ihnen auch nur einen Blick.
»Ziemlich tristes Leben hier«, meint Zonk. »Ohne Magie und ohne Futarinnen, wo bleibt denn da noch der Sinn? «
»Das hätt ich mir ja denken können, dass es für dich nichts anderes gibt«, schnaubt Anissa.
»Was denn auch sonst? Essen fällt für mich ja zum Glück weg.«
»Sinnfragen können wir doch wirklich ein andermal klären«, murrt Finn und folgt zielsicher der linken Biegung.
Da endlich kommt der See mit dem Portal in Sicht, aus dem sie aufgetaucht sind.
»Puhhh, ich hätte nicht gedacht, wie beruhigend der Anblick auf ein schlichtes Wasserbecken sein kann«, seufzt Anissa und lässt sich auf der Beckenmauer nieder. »Na dann los! Für dich dürfte es ein Leichtes sein, zurückzufinden, da du uns ja orten kannst.« Mit einer wegwerfenden Bewegung drängt sie Zonk zum Gehen.
»Glaub mir, Spatzelchen, ich bin mindestens genauso froh, dich los zu sein, wie du.« Damit marschiert Zonk über den silbrig-weißen Untergrund davon, rempelt dabei einen Fußgänger unsanft an. Dieser hält jedoch nur kurz inne, um seinen Weg dann ungerührt fortzusetzen.
»Sieht ja fast so aus, als wäre er beleidigt«, brummt Anissa, während sie beobachtet, wie der Lumar in der Menge abtaucht.
»Na ja, vielleicht kannst du dir das nicht vorstellen, aber auch Lumaren haben Gefühle«, kontert Finn, der zwischen ihr und Abione auf der Beckenumrandung hockt.
Anissa presst die Lippen zusammen und kämpft das aufwallende Schuldgefühl nieder. »Ach, dieser Zonk ist auch nicht gerade feinfühlig in dem, was er sagt und wie er immer über seine Futarinnen redet, als wären sie Zuchtvieh!«, empört sie sich.
»Wenn man von Klein auf in ein bestehendes System hineingewachsen ist, fällt es unglaublich schwer, eine andere Sichtweise einzunehmen, als die gewohnte«, erklärt Abione. » Da ist Zonk aber nicht der Einzige, denn das gleiche Prinzip beobachtet man überall, wo man nichts anderes kennt, als das Eigene. Unser Vorteil ist, dass wir zwischen den Planeten reisen und die Systeme vergleichen können. Wenn man sieht, dass es auch anders und besser geht, nimmt man leichter eine neue Sichtweise ein, aber manchmal braucht es Zeit, sich dafür zu öffnen. Ich finde, indem Zonk mitgeholfen hat, uns aus Develors Festung zu befreien, hat er schon einen großen Schritt in eine neue Richtung getan und das werde ich ihm nie vergessen.«
»Na schön, dass ihr zwei euch einig seid«, grunzt Anissa und verzieht beleidigt das Gesicht. »Toll! Jetzt komme ich mir vor, als sei ich hier die Böse. Dabei waren es doch vermoxte Lumaren, die meine Eltern …« Sie schluckt den aufwallenden Schmerz herunter.
»Das ist schlimm, keine Frage …« Abione greift besänftigend nach Anissas Hand. »Aber das ist nicht Zonks Schuld. Es wäre besser, deinen Kummer herauszuweinen als den Lumar für dein Leid büßen zu lassen.«
»Hm«, brummt Anissa nachdenklich. Ihre Augen werden feucht, doch will sie keine Schwäche zeigen – nicht hier in der Öffentlichkeit und schon gar nicht vor Finn. Daher blinzelt sie die aufwallenden Tränen hastig fort. Obendrein legt er tröstend seinen Arm um ihre Schulter. Die Geste hätte wirklich schön sein können, wenn nicht ihre Beherrschung drohen würde, verloren zu gehen. So ringt Anissa innere Kämpfe mit sich aus, statt Finns Nähe zu genießen.
Ein merkwürdiger Ton aus seinem Armband rettet sie vor einem peinlichen Gefühlsausbruch, denn sofort zieht er den Arm wieder zurück und mustert das gummiartige Ding am Handgelenk. »Hä, was hat denn das zu bedeuten?«
Auch die anderen Armbänder stimmen plötzlich in die merkwürdigen Töne mit ein: »Knasrks … Sprache kalibriert«, ertönt am Ende, wobei das von Finn noch hinzufügt: »Dehydration 15 Prozent. Wasserzufuhr notwendig.«
»Das Ding will mir tatsächlich vorschreiben, wann ich zu trinken habe«, empört er sich. »Na ja, wenigstens sitzen wir direkt neben dem Wasserbecken.« Er lässt ein paar runde Wasserkugeln hochschweben und nacheinander in seinen Mund hineingleiten. »Hab schon Besseres getrunken.« Finn schüttelt sich, doch das Armband scheint einigermaßen zufrieden: »Hydration bei 100 Prozent.«
Da fährt Abione plötzlich in die Höhe. »Jetzt weiß ich, woher mir das bekannt vorkommt.« Sie fasst sich an die Stirn, um dann das silbergraue lange Haar aus dem Gesicht zu streichen. »Als Lando und Zonk uns befreit hatten, war unter den Gefangenen auch ein Junge, der seltsam monoton geredet hat. Sein Name war Mir, gefolgt von irgendeiner Nummer und er besaß genauso ein Armband!«
»Aber das bedeutet, Develor hat ihn bereits vor uns gefunden und gefangen genommen?« Anissa blinzelt verwirrt.
»Wenn der Junge auf Luno eines der ausgesetzten Kinder war, dann sind wir ganz umsonst hergekommen«, seufzt Finn. »Es sei denn, auf Tekto leben weitere Magier.«
»So wie es hier aussieht, halte ich das für eher unwahrscheinlich.« Abione schüttelt den Kopf. »Diese Welt hat so gar nichts Magisches an sich und ich konnte bisher auch nirgends irgendwelche Spuren von Magie entdecken. Allerdings war sie bei diesem Mir auch nur schwach ausgeprägt. Magie wird ja direkt von Gefühlsenergie gespeist, auf diesem Planeten sieht es für mich aber so aus, als ob den Menschen die Gefühle abtrainiert wurden.«
»Ja, ich schätze, da ist was dran«, stimmt Anissa zu, erleichtert, das Lumaren-Eltern-Thema beiseiteschieben zu können. »Dann sollten wir eigentlich gleich wieder abreisen, sobald Zonk zurückkehrt.«
»Sieht so aus«, stimmt Finn leicht unbefriedigt zu. Jetzt, wo die Abreise nicht mehr fernliegt, hätte er diese futuristische Welt doch noch ein wenig erkundet. »Das wäre dann ein ziemlich kurzes Abenteuer, dabei hatte ich mich innerlich schon auf ein zweites Morkor eingestellt.«
»Bloß nicht!«, schnaubt Anissa. »Ich habe jetzt noch Albträume von diesen Blutsaugern und Werwölfen.«
»Morkor! Schrecklich. Wie seid ihr nur dort hingelangt? « Abione blinzelt fassungslos. Man hatte ihr die Geschichte zwar in groben Zügen erzählt, doch da es gerade nichts weiter zu tun gibt, berichten Finn und Anissa nun in allen Details. Danach kehrt das Gespräch wieder zu den verschleppten Babys zurück.
»War Mir nach dem Überfall Develors noch auf Kastron oder haben sie ihn wieder mitgenommen?«, erkundigt sich Finn.
»Das habe ich mich auch gerade gefragt.« Abione zuckt mit den Schultern. »Aber ich habe nicht auf ihn geachtet und kann mich wirklich nicht daran erinnern, ob er noch da war. Das müssen wir dann als nächstes herausfinden.«
Nun bleibt den dreien nichts anderes übrig, als zu warten und zu warten und zu warten. Der Zentralstern, welcher die Landschaft bislang in grelles weißes Licht getaucht hatte, nähert sich bereits dem Horizont und malt intensiv rot-orange Farben in den Himmel. Und trotz der umherschwebenden Lichter in den Innenbereichen leuchtet auch hier drin alles im Widerschein der Dämmerung, was selbst Anissas Gesicht erröten lässt. Der Grund dafür könnte allerdings auch in ihrer Frage liegen, in der eine peinlich besorgte Note mitschwingt: »Wo bleibt Zonk?«
Planet Tekto
Die Straßen leeren sich, als der Tag zur Nacht wird und das Firmament über der Kuppel erstrahlt. Abertausend Sterne leuchten nicht nur außerhalb, auch im Inneren spenden in der Luft umherschwebende Leuchtkugeln gedämpftes Licht.
»Die sehen beinahe so aus wie magisch erzeugt«, bemerkt Finn.
»Stimmt, aber es sind wohl nur Hologramme, jedenfalls haftet ihnen keinerlei magische Energie an«, bemerkt Abione.
»Erschöpfung bei 30 Prozent«, nervt eines der Armbänder, dieses Mal von Finn. »Schlaf erforderlich.« Abiones und Anissas hatten sich diesbezüglich auch schon gemeldet.
»Kann man das blöde Ding nicht irgendwo ausschalten?« Entnervt drückt Finn auf dem Armband herum und fährt dann in die Höhe. »Wir sollten nach Zonk suchen. Nicht, dass ihm etwas passiert ist.«
Anissa springt prompt auf, als hätte sie schon darauf gewartet. »Ja, du hast recht.«
»Aber jemand muss hierbleiben, falls er zurückkehrt«, meint Abione.
»Ich nicht. Ich werde wahnsinnig, wenn ich hier noch länger untätig herumsitzen muss«, grunzt Anissa.
»Okay, dann gehen wir gemeinsam«, sagt Finn. Ich schlage vor, wir suchen systematisch alles in größer werdenden Kreisen um das Becken herum ab und kommen dann jedes Mal wieder zu Abione zurück. So sehen wir, ob Zonk zwischenzeitlich wiedergekehrt ist und können uns nicht so leicht verlaufen.«
»Klingt nach einem guten Plan.« Anissa nickt. Seite an Seite schlendern die Magier den Weg entlang, doch schon nach kurzer Zeit kommt ihnen ein Trupp dieser Roboter entgegen.
»O nein, nicht die schon wieder«, seufzt Anissa. Diese Maschinen sind ihr unheimlich und am liebsten wäre sie einfach davongelaufen. Doch höchstwahrscheinlich brächte das überhaupt gar nichts.
Wie sie befürchtet hatte, versperren ihnen die Roboter prompt den Weg. »Identifikation!«, fordert einer von ihnen.
»Hm, welche Nummer hatte ich nochmal?«, überlegt Anissa, doch die Armbänder reagieren bereits selbsttätig mit der Antwort: »Mit56254«, »Mit56252«
»Dunkelzeit ist Schlafenszeit!«, erklärt der Roboter im Befehlston.
»Ähm, unser Freund ist verlorengegangen. Wir müssen ihn suchen. Ähm, Mit56255, war Zonk doch, oder?« Anissa schaut zwischen Finn und den Robotern hin und her.
»Sofortige Rückkehr in Wohnbereich wird angeordnet«, antwortet die Maschine, ohne auf das Gesagte einzugehen.
Ob es ihm an Intelligenz mangelt oder ob den Maschinen ihre Einwände schlichtweg egal sind?, fragt sich Anissa.
»Ja, gut, wir gehen ja schon ins Heiabettchen«, lenkt Finn ein und zieht Anissa in Richtung der Unterkünfte davon. Die beiden eilen flink um einige Gebäude herum. Es sind keine Schritte möglicher Verfolger zu hören, was nichts bedeuten muss, denn häufig schweben die Dinger über dem Boden. »Na, das kann ja noch heiter werden«, brummt Finn, als sie am Rand der Sphäre angelangt sind. Hier bietet sich ein guter Blick auf die öde Dünenlandschaft, sanft erhellt vom Sternenlicht. Der Weg verlängert sich durch eine Öffnung hindurch und folgt einem transparenten Gang. Er verbindet diese mit der nächsten Wohnkugel, welche etwa einen halben Kilometer entfernt hoch über der Sandlandschaft schwebt. Vor der Mündung befindet sich eine Art Bahnhof. In den Boden eingelassene Röhren beherbergen eiförmige Gefährte, in denen vier Personen Platz finden können. Gleichförmige Schritte lassen Finn und Anissa erschrocken aufhorchen.
»Mist, nicht schon wieder, diese Robos«, zischt Finn.
Das Geräusch gruselt Anissa, dennoch sind die Schritte besser als ein lautloses Heranschweben.
Die beiden wechseln vielsagende Blicke und als hätten sie sich abgesprochen, springen sie fast synchron in ein solches Gefährt hinein.
»Losfahren«, befiehlt Anissa auf gut Glück und tatsächlich setzt sich das Ding in Bewegung, saust blitzschnell durch die transparente Röhre, in rasender Geschwindigkeit durch die nächste Sphäre hindurch und dann noch eine weitere, bis Finn schließlich »Anhalten«, ruft und damit das Ding zum Stehen bringt.
»Puhhh, was war das denn?«, keucht Anissa.
Leicht benommen klettern sie heraus.
»Na, ob das so schlau war?«, seufzt Finn. »Ich hoffe, wir finden den Weg auch wieder zurück. Irgendwie sieht es in jeder dieser Kugeln genau gleich aus. Vermutlich hat auch jede von ihnen ein solches Wasserbecken.«
»Tja, das könnte echt ein Problem werden.« Anissa späht wachsam umher, doch hier sind keine Roboter in Sicht. »Vielleicht kam Zonk nicht zurück, weil er sich verirrt hat. Ich meine, das Ganze hier ist so weit verzweigt und wir können ihn ja wohl kaum überall suchen.«
»Es kann doch unmöglich sein, dass du dir Sorgen um ihn machst, oder?«, spottet Finn und stupst sie in die Hüfte.
»Quatsch, wie kommst du denn darauf? Ich will nur wieder weg von hier. Vielleicht sollten wir einfach alleine zurückkehren. Ich meine, er kann bestimmt selbsttätig Portale öffnen und braucht uns dafür nicht.«
»Doch! Er muss uns orten können, um die richtige Sphäre mit dem Portal zu finden. Außerdem könnte ihm tatsächlich etwas zugestoßen sein. Es ist bedenklich, dass er so lange wegbleibt.«
»Schon, ja …«, gibt Anissa kleinlaut zu, als sich sie ein Geräusch sich nähernder Schritte aufhorchen lässt. Noch ist nichts von ihnen zu sehen.
»Ach nein! Warum schlafen Roboter eigentlich nie?«, zischt sie entnervt.
»Verstecken wir uns lieber.« Finn greift nach Anissas Hand und zieht sie zum Eingang des nächstgelegenen Gebäudes. »Öffnen!«, befiehlt er, doch die ovale Tür will nicht nachgeben.
Anissa legt die Hand darauf und schon schwingt sie so überraschend leicht nach innen, dass der fehlende Widerstand die beiden hinterher stolpern lässt. Sie landen in einem langen fensterlosen Flur, welcher an der Außenwand entlangführt. Obwohl keine Lichtquellen zu sehen sind, ist der Gang hell erleuchtet, als strahlten die Wände selbst Licht ab. Anissa versucht, die Tür wieder zu schließen, denn die Schritte sind nun schon bedenklich nah. »Vermoxt, die will einfach nicht einrasten«, wispert sie mit klopfendem Herzen. »Und bestimmt können sie diese blöden Armbänder orten.«
»Meldung: Gesicherter Zugang geöffnet«, sagt eine monotone Stimme..
Finn hilft ebenfalls, die schwere Tür in die ursprüngliche Position zu schieben, doch im selben Moment stößt ein Roboter sie so unsanft auf, dass die beiden Magier rückwärts stolpern.
Anissa landet nicht in Finns Armen, auch wenn es bei diesen Gelegenheiten sonst immer so läuft – zumindest in den Theaterstücken, die Anissa auf Fabolon gesehen hat. Stattdessen knallen beide unsanft auf den Hintern und berühren sich dabei alles andere als zärtlich an den Armen. Doch die Situation ist sowieso viel zu bedrohlich, um eine prickelnde Nähe zu genießen. Schließlich weiß man nie, wie diese Maschinen darauf reagieren, wenn jemand eine verschlossene Tür öffnet – und das auch noch zur verbotenen Nachtzeit. Finn und Anissa rappeln sich gerade wieder auf, als sich der Rest des sechsköpfigen Trupps humanoider Maschinen Zutritt verschafft.
»Blasenfüllstand bei 80 Prozent. Urinabgabe erforderlich«, quäkt Finns Armband im denkbar ungünstigsten Moment. Wäre die Lage nicht so bedrohlich, hätte dieser Kommentar bei Anissa mit Sicherheit einen Lachanfall provoziert. Die Roboter lässt das jedoch vollkommen kalt.
»Identifikation«, surrt einer von ihnen und prompt beantworten die Armbänder die Frage.
»Keine Autorisation für diesen Bereich. Sofortige Exekution.« Anissa und Finn glauben nicht recht gehört zu haben, doch die Maschinen strecken bereits synchron ihre Arme aus.
»Die wollen uns umbringen!«, kreischt Anissa, wobei ihre Magie schneller reagiert als der Verstand. Gleißend helles Licht erfüllt den Raum, als sich grelle Blitze aus ihren Handflächen lösen. Sie hüllen die Roboter in ein wahres Gewitter, das sich fatal auf deren Elektronik auswirkt: Arme, Beine, Kopf und Gesichtszüge zucken unkontrolliert. Aber auch Finn bleibt nicht untätig. Das schwarze Glibberzeug, welches aus den metallischen Fingern herauszischt, verfehlt sein Ziel, weil er es nach schräg oben zur Decke ablenkt. Dort bildet es eine zähe Schleimschicht, in der sich blubbernde Blasen bilden.
Daraufhin lässt Finn die unkontrolliert zuckenden Roboter hochschweben und schleudert sie durch den Eingang so weit zurück, dass sie erst einmal außer Sichtweite geraten. Es bleibt ungewiss, wie nachhaltig die Blitze die Maschinen geschädigt haben, oder ob sie sich selbst wieder reparieren können.
»Oh! Shit!«, flucht Finn atemlos. »Ich schätze, jetzt haben wir ein ziemlich dickes Problem.«
»Wir müssen schnell weg von hier.« Anissa dreht sich zu der einzigen Tür um, die weiter ins Innere hineinführt, und lässt ihre Magie darauf wirken. Kaum schwingt sie auf, schlüpfen die beiden hinein. Immerhin lässt sich diese Tür danach wieder zuschließen. Hier befinden sich die beiden nun in einem hellen Saal, in dessen Zentrum eine nach vorne geöffnete Röhre an einen Aufzug erinnert.
»Erschöpfungszustand bei 50 Prozent. Schlaf dringend erforderlich«, quäkt Finns Armband.
»Wir müssen diese vermoxten Dinger endlich loswerden.« Anissa bearbeitet den gummiartigen Ring mit feuriger Magie, bis das lästige Ding endlich erschlafft und sich abstreifen lässt. »Jetzt du!« Finn streckt ihr willig den Arm entgegen und gleich darauf ist auch er die Bürde los.
Plötzlich poltert von draußen etwas gegen die Tür.
»Mist! Wir sitzen in der Falle«, ärgert sich Finn.
Anissas Puls ist schon wieder bei 200. So viel Angst hatte sie nicht mal beim Kampf mit den Lumaren. Da wusste man wenigstens einigermaßen, womit man es zu tun hatte. Dagegen erscheinen ihr diese Maschinen vollkommen unberechenbar.
»Wir müssen versuchen, mit dem Aufzug zu fliehen.« Sie lugt in die einseitig geöffnete Röhre hinein und schaut zur Decke empor, die mit unzähligen milchigen Kristallen gespickt ist. »Wenn das tatsächlich einer ist. Nachher wird man zur Maschine umgebaut oder landet irgendwo anders im Universum.«
»Die Frage ist auch, ob das ohne Armbänder überhaupt funk …«
Anissa setzt lediglich einen Fuß in die Röhre, doch noch mit demselben Atemzug löst sie sich in hellem Licht auf. Finn blinzelt fassungslos.
Weg.
Sein Herz donnert bis zum Hals.
Was ist mit ihr geschehen?
Die massive Tür vibriert bereits heftig. Finn schaut panisch zwischen dem Eingang und der gespenstischen Röhre hin und her. »O Mann. Hoffentlich geht das gut.«
Bleibt mir eine andere Wahl? Diese Roboter zögern nicht, mich um die Ecke zu bringen …
Als die Tür schließlich nachgibt und ins Innere fliegt, tritt Finn ebenfalls in die Röhre hinein. Augenblicklich umfängt ihn helles Licht. Es fühlt sich an, als würden seine Zellen einzeln auseinandergebaut, wobei sie sich auflösen. Panik ist das letzte Gefühl, das ihn ergreift, bevor er sich dematerialisiert, um schon mit dem nächsten Atemzug an einem anderen Ort wieder Gestalt anzunehmen. Noch immer schockiert atmet er heftig durch. Portalreisen war er ja schon gewohnt, aber auf diese Art wo anders hin teleportiert zu werden, ist eine vollkommen neue und beängstigende Erfahrung.
Als Finn schließlich neben Anissa auftaucht, schaut er sich ziemlich verdattert um, denn dort wo sie gelandet sind, sieht es vollkommen anders aus als bisher: Der Boden ist mit einem dicken roten Teppich ausgekleidet. Schmiedeeiserne Laternen verbreiten warmes Licht. Um eine Sitzgruppe aus gemütlich anmutenden Polstermöbeln stehen massive Steinkübel herum, in denen Pflanzen üppig wachsen. Blüten verströmen einen Duft, der Finn entfernt an Lavendel erinnert, an anderen baumeln reife Früchte. Sanfte, sphärische Musik, das Rauschen eines Baches und Vogelgesang schaffen eine äußerst angenehme Atmosphäre.
In einiger Entfernung erspäht Anissa plötzlich eine leicht bekleidete Frau, die auf einer Polsterliege schlummert. In einer Hängematte liegt eine weitere, welche sich mit dem Polieren ihrer Fingernägel beschäftigt.
»Wo sind wir denn hier gelandet?«, flüstert Finn verwirrt. »Das ist nicht mehr Tekto, oder?«
»Dann schau mal da rüber.« Anissa zieht ihn nach links. Die beiden schleichen um den Teleporter herum, wo der Rand der Sphäre nun in greifbare Nähe rückt. In der Tiefe breitet sich die bekannte karge Wüstenlandschaft bis zum Horizont aus – schummerig beleuchtet vom matten Licht der Sterne.
»Wir befinden uns viel höher«, bemerkt Anissa und deutet auf ein gigantisches dreidimensionales Geflecht unzähliger Wohnkugeln unter ihnen.
»Vielleicht sind wir in der Chefetage gelandet«, wispert Finn, wobei er sich wachsam umschaut. Zu seiner Rechten befindet sich ein in blaue Tücher gefasstes Himmelbett, welches ihn geradezu auffordert, sich darin auszuruhen – immerhin übernimmt dieses blöde Armband diese Aufgabe nicht mehr. In den palmenartigen Gewächsen, die hier überall herumstehen, sitzen Vögel, deren Gefieder in allen Regenbogenfarben schillert.
»Jedenfalls ist das hier so ziemlich das Gegenteil von den öden Wohnblocks da unten«, antwortet Anissa.
Ein plötzliches Kichern lässt sie zusammenzucken. Jemand nähert sich. Rasch suchen Finn und Anissa Deckung hinter einem der Pflanzkübel und lugen vorsichtig über den Rand. Eine orientalisch gekleidete Frau in blauen Seidentüchern zieht kichernd einen Kerl hinter sich her, geradewegs auf das Himmelbett zu. Der Mann trägt das gleiche Gewand wie das Hologramm von Atalbert II. Allerdings entblößt die heruntergeklappte Kapuze nun seinen Glatzkopf. Das ebenmäßige Gesicht weist keinerlei Falten auf. Nach Erdenmaßstäben würde Finn ihn auf etwa dreißig Jahre schätzen.
Es kommt, wie vorherzusehen war, dass sich das Paar im Himmelbett ausgiebig vergnügt, wobei Finn und Anissa peinlich berührt mal hin- und dann wieder wegschauen, um schließlich auf allen Vieren davonzukrabbeln, bis sie außer Hörweite geraten. Sie verkriechen sich in einem Dickicht aus Büschen und einzelnen Bäumen. Hier lauschen sie angestrengt, bis sie sich einigermaßen sicher fühlen.
»Nur gut, dass wir die Armbänder nicht mehr haben«, bemerkt Anissa. »Die hätten uns glatt verraten.«
»Ja, ich kann auch gut darauf verzichten, auf meinen Erschöpfungs- oder Blasenstand hingewiesen zu werden. Am Ende ordnet mir dieses Ding noch an, mit wem ich Nachkommen zu zeugen habe.« Verschmitzt grinsend rollt Finn die Augen und richtet sich wieder auf, da hier, bei dem von Pflanzendickicht gesäumten Blumenteich niemand in der Nähe zu sein scheint.
Ohne es zu wollen, entfalten sich in Anissas Geist dementsprechende Szenen – mit ihr selbst als Auserwählte. »Tja, das wäre wirklich unerhört«, pflichtet sie bei und kann nicht verhindern, dass heißes Blut ihre Wangen zum Glühen bringt. Um Finns Blick zu entgehen, betrachtet sie die Steinwand samt Wasserfall, hinter dem sich die Umrisse einer kleinen Grotte abzeichnen.
»Wenigstens ist Atalbert jetzt gut beschäftigt«, führt er das Thema weiter.
»Der scheint sich hier so eine Art Harems-Paradies angelegt zu haben«, schnaubt Anissa, im Versuch, mit ihrer Empörung alle anderen Gefühle und Gedanken aus ihrem Geist zu verdrängen.
»Der feuchte Traum aller Männer …«, witzelt Finn.
»Das meinst du nicht im Ernst, oder?« Mit gerunzelter Stirn schnellt ihr Blick von der Minihöhle zu Finn.
»Na ja, es hat schon was …« Er unterdrückt ein Lachen. »Aber keine Sorge, ich bin absolut monogam und nur an festen Beziehungen interessiert. Also, falls du Interesse haben solltest …« Er zwinkert ihr mit beiden Augen zu.
»Ähm.« Ein weitere Schwall an heißem Blut schießt in Anissas Wangen. Eigentlich wäre jetzt eine gute Gelegenheit für ein Liebesgeständnis. Aber gerade fühlt sie sich herumgewirbelt wie in einer Salatschleuder. Sie mag Finn, sehr sogar, das steht außer Frage, aber eher wie einen sehr guten Freund – mittlerweile.
Oder reicht es doch aus für eine Beziehung?
Statt darauf zu antworten, wendet sie den Blick zu einem Fußpfad, der sich außen an dem künstlichen Berg hinaufschlängelt. »Wo das wohl hinführt?« Anissa geht ein paar Schritte darauf zu, hält dann jedoch inne, weil Finn ihr lediglich nachschaut.
»Sorry, ich gebe zu, das ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit für Romantik, außerdem ist mir nicht entgangen, dass dir Zonk doch mehr bedeutet, als du zugeben willst.«
»Äh, was?!« Abrupt fährt Anissa nun doch zu Finn herum. »Wie kommst du denn auf diesen Blödsinn?« Erbost stemmt sie die Hände in die Hüften.
»Bei uns auf der Erde gibt es einen Spruch, der heißt: Was sich liebt, das neckt sich. Und bei euch scheint das …«
»Pahhh! Diese Erdensprüche gelten weder für Lumaren noch für Magier. Das ist absoluter Quaritsch. Ich kann diesen Zonk nicht ausstehen und das wird sich auch nie ändern.«
»Schscht! Nicht so laut«, mahnt Finn.
Anissa presst erschrocken die Lippen zusammen. Mit klopfendem Herzen lauschen die beiden auf Geräusche hinter dem Vogelgesang. Zum Glück bleibt alles friedlich. Roboter scheinen in dieser Sphäre keinen Zutritt zu haben, sonst wären sie sicher schon längst hier aufgetaucht.
Noch immer wurmt es Anissa, dass Finn tatsächlich glauben kann, sie würde etwas für diesen Zonk empfinden. Das kann sie unmöglich auf sich sitzenlassen.
Und so überkommt sie auf einmal der unwiderstehliche Drang, Finn genau das zu beweisen. Auf keinen Fall soll er glauben, dieser Lumar könnte ihm das Wasser reichen.
Einem plötzlichen Impuls folgend fliegt sie Finn auf einmal um den Hals. Ihre Lippen suchen die seinen, doch ihr stürmischer Anflug geht unwillkürlich in eine andere Ebene über, als Finn den Kuss zärtlich erwidert. Er schlingt seine Arme um ihre Hüfte und wiegt sie dabei sanft hin und her. Anissa genießt seine Nähe, fühlt sich wohl und angenommen und doch ist es ganz anders als dieses lodernde Feuer, das sie bei Zonk empfunden hat. Aber das kann sie sowieso nicht gelten lassen, denn schließlich verwendet der Lumar eine anziehende Magie und deshalb ist das alles bei ihm sowieso nicht echt!
Als sich die beiden schließlich wieder voneinander lösen, wendet Anissa errötend den Blick ab. »Ähm, ja, ge-gehen wir weiter?«, stammelt sie.
»Ja«, haucht Finn. Er folgt ihr zwei Schritte die Treppe hinauf. »Wie … Wie darf ich das gerade eben deuten?«
»Ähm, ich mag dich«, sagt sie leichthin.
»Du solltest herausfinden, was du wirklich willst.« Der Ernst in Finns Stimme bringt Anissas Herz zum Flattern. Nach dem Kuss fühlt sie sich unsicher und entblößt – eine dermaßen unangenehme Empfindung, sodass sie sich eilig in dicke Schutzschichten hüllt.
»Wenn du Zonk meinst, den will ich auf keinen Fall!« Damit stapft Anissa den schmalen Pfad empor. »Von oben hat man bestimmt einen besseren Blick über das gesamte Areal.«
Der Weg schlängelt sich um den felsigen Berg herum und endet auf einer Aussichtsplattform, von der aus man fast die ganze Sphäre im Blick hat. Die Chefetage besteht im Grunde aus einer gigantischen Wellnessoase mit unzähligen Bars, Pools und Liegemöglichkeiten.
»Atalbert muss sich hier sehr sicher fühlen«, merkt Anissa an. »Nicht ein einziger Roboter hält Wache.«
»Stimmt, aber du lenkst ab.«
»Lass mich einfach mit diesem Zonk in Ruhe«, entgegnet sie schlecht gelaunt, woraufhin beide in Schweigen verfallen.
Aufs Geländer gestützt hängen Finn und Anissa ihren Gedanken nach, betrachten Obstbäume, künstlich angelegte Bäche und bunte Vögel.
Schließlich wendet sich Anissa einer unscheinbaren Tür im Fels zu, die sich hinter der Plattform befindet. »Was da wohl drin ist?« Neugierig schickt sie ihre Magie hinein, um sie zu öffnen. »Da zeigt sich mal wieder, dass die Magie der Technik weit überlegen ist«, triumphiert Anissa, als die Tür nach innen aufschwingt.
Ein hell erleuchteter Saal tut sich vor ihr auf, wobei die Wände übersäht sind mit dreidimensional wirkenden Bildern verschiedener Bereiche der Sphären. Auf einigen sind patrouillierende Roboter zu sehen.
»Oh man, das waren wohl wir …« Finn nickt nach rechts, wo das Bild von auf dem Boden verteilter Roboterteile zu sehen ist. Einzelne Gliedmaßen zucken, wobei Blitze über die Oberfläche wandern.
»Magie ist der Technik eben doch überle … He, schau mal! Sitzt da nicht Abione?« Anissa deutet zu einer Gestalt, die auf dem Rand eines Wasserbeckens hockt.
»Die Arme sieht müde aus«, seufzt Finn, wobei er selbst ein Gähnen zu unterdrücken versucht. »Aber wo ist Zonk?« Er dreht sich im Kreis, um die unzähligen Bilder nach dem Lumaren abzusuchen. »Der kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«
Anissa schluckt. »Hoffentlich wurde er nicht schon exekutiert.«
»Also, sorgst du dich doch um ihn«, stellt Finn fest.
»Na hör mal! So sehr hasse ich den Lumaren schließlich auch wieder nicht, dass ich ihm den Tod wünsche«, empört sie sich.
»Zeige Mit56255!«, wirft Finn einen Befehl in den Raum, doch es passiert rein gar nichts.
»Vielleicht liegt es daran, dass du weder ein Armband trägst noch die Sprachmagie beherrschst. Lass mich mal versuchen: Zeige Mit56255!«, sagt Anissa, woraufhin tatsächlich im Zentrum des Saales ein großes Hologramm aufflackert. Da kauert Zonk mit geschlossenen Lidern in der Ecke. Seine leicht faltige Haut hat bereits einen gräulichen Schimmer angenommen. »O nein!«, haucht sie und schlägt sich entsetzt die Hände vor den Mund. »Er ist doch nicht …«
Finn schüttelt schulterzuckend den Kopf. »Das lässt sich von hier aus schlecht sagen.«
»Zeige auf einem Lageplan, wo sich Mit56255 befindet«, weist Anissa den Computer an und schon erscheint ein dreidimensionales Gebilde aus unzähligen miteinander verbundenen Sphären, wobei in einer von ihnen ein roter Punkt aufleuchtet – etwa vier Etagen tiefer und drei Kugeln östlich – also die Richtung, wo der aufgehende Zentralstern angedeutet ist. Kryptische Zeichen erscheinen darüber, die Anissa mit dem Zauberspruch Losan lesbar macht. »Das sind die Koordinaten«, murmelt sie, wobei sie die Ziffernfolge stetig wiederholt, um sie sich einzuprägen.
»Exekutieren!«, schallt plötzlich eine harsche Stimme durch den Saal. Finn und Anissa fahren herum. Im Eingang steht Atalbert II und funkelt die Eindringlinge zornig an. Fast gleichzeitig materialisieren sich unzählige Roboter um die Magier herum. Wie beim letzten Mal aktiviert sich Anissas Magie durch den Schreck ganz von selbst und ein wahres Blitzgewitter geht auf die Maschinen nieder. Zum Denken bleibt keine Zeit, beide handeln getrieben von ihren Überlebensinstinkten. Finn geht sogleich schutzsuchend in die Hocke und reißt die Maschinen mittels seiner Magie von den Füßen, woraufhin sie hilflos in der Luft schweben. Die elektrische Ladung der Blitze bringt ihre Elektronik vollkommen durcheinander, sodass sie unkoordinierte Zuckungen vollführen. Als Finn die Roboter schließlich zu Boden krachen lässt, türmen sie sich in einem Haufen Schrott. Zum Aufatmen bleibt dennoch keine Zeit, denn dort, wo Atalbert in der offenen Tür gestanden hatte, versperrt nun eine massive Felswand den Ausgang.
»Vermoxt!«, keucht Anissa und steigt über den zuckenden Arm eines Roboters, um dorthin zu gelangen, wo mal ein Durchgang gewesen war. »Wie kommen wir jetzt hier raus?«
»O shit!« Finn deutet zum grauen Nebel, der aus mehreren Löchern rechts von der Felswandtür herausströmt. »Was ist das?« Er springt über einen in sich zusammengekrümmten Roboter, um Anissa zum versperrten Ausgang zu folgen. Dabei lenkt er mit seiner Magie die Schwaden vorsichtshalber nach oben ab, wo sie sich an der Decke zu immer dunkler werdenden Wolken sammeln.