Es muß aber geheim bleiben - Marion Bloem - E-Book

Es muß aber geheim bleiben E-Book

Marion Bloem

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Beschreibung

Dini und Helma sind Freundinnen. Heimliche Freundinnen, denn sie treffen sich nur in ihrem Versteck. Dort, unter der Kellertreppe eines Wohnhauses, erzählen sie sich ihre geheimsten Gedanken und Gefühle. Dini bewundert ihre Freundin. Helma weiß soviel von der Welt der Erwachsenen, die für Dini noch unbekannt ist … Offen und unbefangen spricht die holländische Autorin und Psychologin aus, was Mädchen im Pubertätsalter bewegt (und Erwachsene manchmal nicht wahrhaben wollen): ihre Fragen nach Sexualität, Liebe und Freundschaft, ihre Zweifel, Unsicherheiten und Ängste, die sie sich oftmals nicht auszudrücken trauen.

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Marion Bloem

Es muß aber geheim bleiben

Zwei Freundinnen kriegen was raus über Liebe und Leben

Aus dem Niederländischen von Marie-Thérèse Schins-Machleidt

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Dini und Helma sind Freundinnen. Heimliche Freundinnen, denn sie treffen sich nur in ihrem Versteck. Dort, unter der Kellertreppe eines Wohnhauses, erzählen sie sich ihre geheimsten Gedanken und Gefühle. Dini bewundert ihre Freundin. Helma weiß soviel von der Welt der Erwachsenen, die für Dini noch unbekannt ist …

Offen und unbefangen spricht die holländische Autorin und Psychologin aus, was Mädchen im Pubertätsalter bewegt (und Erwachsene manchmal nicht wahrhaben wollen): ihre Fragen nach Sexualität, Liebe und Freundschaft, ihre Zweifel, Unsicherheiten und Ängste, die sie sich oftmals nicht auszudrücken trauen.

Über Marion Bloem

Marion Bloem, geboren 1952 in Arnheim/Niederlande, ist Psychologin, Schriftstellerin und Filmemacherin. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn. Viele Reisen führten sie nach Asien, u.a. nach Indonesien. Über dieses Land, aus dem ihre Eltern stammen, drehte sie 1983 einen Dokumentarfilm.

Inhaltsübersicht

Eine Geschichte über ...Das KennwortDie GeheimspracheNoch mehr geheime SachenDer TamponEs wird geflaggtDas StrickzeugGrunzDie ZeitungGeister können höchstens Angst einjagenUnheimliche AugenEin ekelhafter MannMal was anderesSo ein warmes GefühlS.O.S. – komm sofortDer PillenstreifenÜberhaupt nichts passiertHelmas CousineWollen wir das Kätzchen behalten?Ein völliges DurcheinanderFrau AuffenkopfDer letzte SchultagDini ist alleinWo ist die geheime Zeitung?Dini wartetEndlich

Eine Geschichte über Helma van der Lugt

und Dini Vreeswijk

 

Für Femke, die Helma kennt,

für Iris, die Dini kennt,

für Joyce, die beide kennt,

und mit vielem Dank an Kaja Alexander,

die solche wunderbaren Geschichten erfinden kann.

Das Kennwort

«Gemütlich, nicht?» fragt Helma, während sie den Po ganz nach hinten schiebt. Sie lehnt sich gegen die Betonwand, streckt die Beine so weit vor, daß die Zehen die andere Wand berühren, und seufzt. Dini nickt. «Mehr als gemütlich», sagt sie und denkt an ihre Mutter. Wenn die es gemütlich findet, ist das meistens in einem Restaurant, und dann haben ihr Bruder und sie ordentlich stillzusitzen. Außerdem dürfen sie nicht mit den Fingern essen, die Ellbogen nicht auf den Tisch legen, nicht mit vollem Mund reden, sie müssen geradesitzen, sollen nicht auf ihrem Stuhl herumhängen und so weiter.

Eben deshalb gefällt es Dini hier, denn hier können sie und Helma tun und lassen, was sie wollen.

Die beiden hocken unter einer Treppe in einem kleinen Wohnhaus. Hier ist ihr geheimes Versteck. Sie haben sich dieses Haus ausgesucht, weil fast nie andere Kinder herkommen. Hier wohnen nur alte Leute. Ihr Unterschlupf ist unter der Treppe, die zum Keller führt. Dort sind nur die Abstellräume, in denen alte Möbel, alte Fahrräder herumstehen und anderes Gerümpel aufgehoben wird.

«Was sollen wir machen, wenn jemand in den Keller geht?» fragt Dini. «Dann werden wir sofort erwischt.»

«Alte Leute gehen nicht mehr so oft in den Keller. Vielleicht ab und zu mal, aber dann hören wir sie schon von weitem kommen, weil sie auf der Treppe schlurfen. Wenn wir mucksmäuschenstill sind und uns ganz in die Ecke verkriechen, dann können sie uns überhaupt nicht bemerken», sagt Helma zuversichtlich.

«Und wenn die Jungs aus der Schule uns nachkommen? Was dann?» fragt Dini weiter.

«Wir dürfen eben nie direkt von der Schule aus hierhergehen. Und uns auch nie darüber unterhalten und so, denn wenn sie spitzkriegen, daß wir ein Geheimnis haben, werden sie neugierig. Komm bloß nie mit dem Fahrrad; wenn sie das vor dem Haus stehen sehen, kommen sie sofort in den Flur, um nachzusehen, was wir hier machen.»

«Wirst du auch keinem etwas von unserem Geheimversteck verraten?»

«Natürlich nicht, und du?»

«Nein, bestimmt nicht.»

«Schwörst du es?»

«Ja. Und du auch?»

«Logisch. Niemand darf was ahnen, denn ich weiß genau, daß Els quasseln würde …»

«Ssssssst», unterbricht sie Dini, «ich hör was.»

Sie halten den Atem an und bleiben ganz still sitzen. Auf der Treppe ist ein scharrendes Geräusch. Träge Schritte kommen näher.

«Da geht einer in den Keller», flüstert Helma und zerquetscht Dinis Arme fast.

«Los», flüstert Dini, «wir müssen in die Ecke.»

Sie verkriechen sich schnell unter den tiefsten Teil der Treppe, wo sie wie Sardinen in der Büchse hocken. Mit klopfendem Herzen warten sie ab, wo dieses Geschlurfe hingeht. Helma kneift Dini wieder und immer fester. Zunächst fühlt Dini vor lauter Spannung und Angst, entdeckt zu werden, gar nichts, aber dann wird es ihr unangenehm. Ihr Arm fängt an zu stechen. Sie wird vor Schmerzen ganz nervös. Sie sieht sich den Arm an. Helma kneift sie so, als wolle sie durch die Haut hindurch. Dini sieht, wie ihr Arm blau anläuft. Sie muß lachen. Erst nur ein bißchen, doch bald immer stärker. Sie kann einfach nicht aufhören. Dann stellt sie fest, daß Helma auch lachen muß, aber die versucht, sich zu beherrschen. Da kann sie überhaupt nicht mehr zu lachen aufhören. Zu komisch! Dini traut sich nicht «Au!» zu sagen, weil sie Angst hat, entdeckt zu werden. Jetzt kriegt sie erst recht einen Lachanfall, das ist wirklich unmöglich. Sie muß unbedingt aufhören, aber zu allem Überfluß fängt Helma jetzt auch noch an! Doch das ist nicht das Allerschlimmste. Helma kneift jetzt noch schlimmer, um ihr Lachen zu bezwingen. Und steckt Dini noch mehr an.

Die scharrenden Füße gehören einer alten Dame, die jetzt in einen Verschlag verschwindet, ohne etwas von dem Gekichere zu merken. Kurze Zeit später kommt sie wieder zum Vorschein mit einem Gemälde.

«Ssssssst», flüstert Dini, als Helma anfängt, sich richtig zu schütteln, und dabei Geräusche macht, als würde sie jeden Moment losprusten.

Als das Schlurfen wieder über ihrem Kopf ist, lockert Helma ihren Griff. Und als sie hören, wie die alte Dame ihre Wohnungstür öffnet, läßt sie Dini los. Dini fängt sofort an, ihren Arm zu reiben.

«Gott sei Dank, daß alte Leute meistens ziemlich taub sind», sagt Helma, immer noch kichernd. «Mannomann, was mußte ich lachen.»

Dini besieht sich ihren Arm. Er ist ziemlich bunt und fühlt sich komisch an. Er sticht und prickelt, genau wie bei einer Limo. Da muß sie an die Spielchen von Arie und Joop aus ihrer Klasse denken. Die fragen immer: «Willste eine Limo?», und wenn man «Ja» sagt, dann drehen sie mit beiden Händen die Haut am Arm in alle Richtungen, und man hat ein eigenartiges, prickelndes Gefühl. Aber jetzt ist Dini stolz auf dieses Gefühl in ihrem Arm. Eigentlich müßte ich Helma jetzt genauso hart zurückkneifen, überlegt sie. Wenn Helma es dann, genau wie sie, ohne zu klagen über sich ergehen läßt, dann ist das ein Zeichen von wahrer Freundschaft. Fast so ähnlich wie bei den Indianern. Da muß man die Friedenspfeife rauchen, auch wenn das scheußlich schmeckt. Man muß eben etwas für eine Freundin riskieren. Dini überlegt, daß es bestimmt noch mehr Völker gibt, die solche Sachen machen. Zum Beispiel ein Ohr abschneiden und sich das gegenseitig schenken oder sich in die Hand schneiden und dann bei dem anderen das Blut ablecken.

«Hier ist es viel besser als bei euch im Keller», sagt Helma jetzt.

Sie sind aus der Ecke herausgekrochen und sitzen wieder mit dem Rücken gegen die Wand, die Beine ausgestreckt.

Dini sucht Helmas Augen, die gucken immer so fröhlich. Sie robbt etwas näher an Helma heran.

«Leg du ein Bein über meins, dann mache ich das auch bei dir», schlägt Helma vor. «Das ist besser, weißte, dann haben wir mehr Platz.»

Dini tut, was Helma sagt.

«Sitzt du gut so?» fragt Helma.

Dini nickt.

Sie hatte schon mal ein geheimes Versteck, als ihre Oma noch lebte. Das war in dem kleinen Arbeitszimmer von Opa, der damals schon tot war. In dem Zimmer stand ein Klappbett, mit einer Art Kasten herum und einem Vorhang davor. Dini und ihr Bruder spielten immer zusammen hinter dem Vorhang. Das machte er nur bei Oma, in dem Geheimversteck. Dort spielten sie Arzt. Dabei wechselten sie sich ab. Wenn Dini der Arzt war, mußte sie den Rücken ihres Bruders kitzeln, und wenn ihr Bruder Arzt war, sah er immer nach, ob sie Geschwüre im Po hatte.

«Habe ich Geschwüre?» fragte Dini, wenn er sehr lange untersuchte.

«Das nicht direkt», antwortete er dann, «aber es sieht so aus, als würde der Kopf von einem Bandwurm herausgucken. Laß mich noch mal in Ruhe nachsehen.»

Dini freute sich immer auf die Besuche bei der Oma. Sie war sehr lieb, und sie hatte massenweise Schokolade, aber das Geheimversteck gefiel Dini am besten.

Nur wenn auch ihre Cousine dort zu Besuch war, dann war es nicht so schön wie sonst, denn dann durfte Dini nicht mit hinter den Vorhang kommen.

«Wie lautet das Kennwort?» fragten sie Dini.

Dini wußte überhaupt nichts von einem Kennwort. Das hatten sie ihr nie erzählt.

«Dann kommst du nicht herein.»

Während sie ihren Bruder und ihre Cousine kichern hörte bei ihren Spielen, wobei sich der Vorhang mal wölbte oder ganz glatt herunterhing, probierte Dini alle Kennwörter, die sie kannte: «Schlüssel? Kühlschrank? Kasperletheater? Wecker? Tischbein?»

«Nein, aber nein! Völlig falsch!» riefen sie dann hinter dem Vorhang und lachten schallend.

Nach einer Weile gab Dini schließlich auf. Sie setzte sich ins Wohnzimmer und naschte von der Schokolade. Die schmeckte ihr zwar nicht, aber sie aß immerzu weiter, um durch ihre Kaugeräusche das Lachen im Arbeitszimmer zu übertönen.

Nachdem die Oma gestorben war, hatte Dini nie wieder ein Geheimversteck gehabt.

An ihrem letzten Geburtstag, als alle Gäste bis auf Helma schon nach Hause gegangen waren, saßen Dini, ihr Bruder und Helma noch zusammen im Keller. Dinis Bruder wollte ihnen mit einer Art Zauberlaterne kleine Filme zeigen, und das ging nur im Dunkeln. Nachdem sie sich die sieben Filme angesehen hatten, blieben sie noch sitzen, weil sie es in dem kleinen, dunklen Raum richtig spannend fanden.

Dini war sehr stolz, daß Helma an ihrem Geburtstag länger blieb. Als sie ihr die Einladung gab, hatte sie schon gefürchtet, daß Helma nicht kommen würde, weil sie überhaupt nichts dazu sagte. Außerdem spielten sie nie zusammen, denn Helma kümmerte sich in der Schule gar nicht um Dini. Aber am Tag nach dem Geburtstag warf sie ihr einen Zettel aufs Pult, auf dem stand: «Wollen wir nach der Schule zusammen spielen? Ich habe Lust, ein Geheimversteck zu suchen.»

Helma hatte zuerst den Keller als geheimes Versteck vorgeschlagen, aber Dini fand es viel schöner, etwas ganz anderes zu suchen.

«Es muß irgendwo sein, wo keine Kinder hinkommen», sagte sie.

«Irgendwo unter einer Treppe», meinte Helma, «da habe ich früher auch immer mit meiner Schwester gespielt, als wir noch in einem Wohnblock wohnten.»

«Ich weiß so ein Haus, in dem nur alte Leute wohnen», sagte Dini, «da finden uns die blöden Jungs aus unserer Klasse nie.»

Und so kamen sie hierher.

«Wir brauchen noch ein paar geheime Sachen, oder?» sagt Helma jetzt. «Und Licht, hier ist es ziemlich dunkel.»

Ist doch gerade schön, denkt Dini.

«Kannst du nicht die kleine Taschenlampe von deinem Bruder klauen? Du weißt schon, die er neulich mit im Keller hatte.»

«Ich weiß nicht, wo er die hat», sagt Dini.

«Die hat er bestimmt im Keller vergessen. Als ich damals nach Hause ging, lag sie da noch.»

«Gut, ich suche sie», verspricht Dini.

«Ja, und ich werde immer meinen Wintermantel mitbringen», sagt Helma. «Den legen wir hier auf den Boden, als Matratze. Der ist schön weich.»

«Brauchen wir kein Kennwort?» fragt Dini.

«Nein, weshalb denn?» antwortet Helma.

Dini schweigt. Ein Kennwort wäre zu schön.

«Im Sommer kann ich den Mantel wohl nicht mitbringen, sonst fragt meine Mutter ewig», meint Helma.

Dini will noch mal von dem Kennwort anfangen, aber sie sieht Helma an, daß sie nur mit ihrem dicken Wintermantel beschäftigt ist.

«Zum Glück ist ja vorläufig noch kein Sommer», sagt Helma, «also brauchen wir uns um das Problem noch nicht zu kümmern.»

«Wirst du auch wirklich keinem erzählen, daß hier unser Geheimversteck ist?» fragt Dini.

«Das hab ich dir doch schon gesagt, Mensch. Ich hab’s sogar geschworen.»

«Und wenn die Jungs nun doch dahinterkommen?»

«Ganz einfach. Wir lassen sie gar nicht erst rein.»

«Aber dann bräuchten wir eigentlich doch ein Kennwort», meint Dini. «Ein ganz schwieriges Wort, das keiner erraten kann.»

«Oh, meinst du? Ja, du hast recht …» Helma überlegt.

«Wie findest du ‹Freundinnen›? Ist das nicht ein gutes Kennwort?» sagt Dini zögernd.

«Nein, ich weiß was Besseres», sagt Helma. «‹Verheiratet›. Das rät nie einer.»

Dini wird innerlich ganz warm. Sie kann es kaum fassen, daß Helma sich so ein Kennwort ausgedacht hat. Da brauche ich keine Angst zu haben, daß jemand dahinterkommt, überlegt sie. Und wenn sie es doch erfahren, verstehen sie sofort, daß sie nicht willkommen sind. Dieser Ort gehört wirklich nur uns beiden.

«Wir brauchen aber auch noch eine Geheimsprache», sagt Helma. «Dann können wir uns in der Schule geheime Nachrichten durchgeben. Sollen wir uns die nicht auch gleich überlegen?»

Die Geheimsprache

«Wollen wir uns eine Geheimsprache mit Zahlen ausdenken?» fragt Helma. «Dann ist das A eine i, das B eine 2, das C eine 3 und so weiter. Hast du einen Stift mit?»

Dini hat außer einem Taschentuch und ein paar Murmeln, die sie am Nachmittag von Arie, einem Jungen aus ihrer Klasse, bekommen hat, gar nichts mit.

Helma sucht in ihren Taschen. Sie findet nichts. «Bleib mal eben hier, ich habe draußen einen Container gesehen. Vielleicht finde ich da einen alten Bleistift.» Schon ist Helma verschwunden.

Dini nistet sich jetzt allein in Helmas dickem Wintermantel ein. Sie streckt die Beine, spreizt die Arme. Mit geschlossenen Augen lauscht sie auf die Geräusche im Haus.

Acht, fünf, eh … Mensch, das spricht sich nicht leicht, denkt sie. Sie öffnet die Augen und zählt nach, was L in der Geheimsprache ist. Das wird die Zwölf. Aber wie weiß man nun, ob es L ist oder A und B, wenn man es aufschreibt? grübelt sie. Und die Jungen würden sofort merken, wie die Geheimsprache funktioniert, wenn man an den Fingern nachzählt …

Sie hat eine Tante, die früher die P-Sprache konnte. Die setzte vor jedes Wort Pe oder Pep, und man verstand sie kaum, wenn sie schnell redete.

«Pehelma pepist pedraußen, pesie pesucht pestifte.» Dini spricht leise vor sich hin. Das klingt hübsch, mit all diesen Ps. «Pepich pebin pefroh. Pehelma pepist pemeine pefreundin. Pewir pehaben pepein pegeheimversteck. Pedas pepist petoll …»

«Dini!» hört sie plötzlich Helma schreien. «Los, hilf mir mal.»

Dini schreckt aus ihrem P-Murmeln auf. Sie krabbelt hoch, aber ehe sie noch das Versteck verlassen hat, steht Helma schon keuchend vor ihr. Sie rennt sofort wieder zurück und ruft dabei: «Komm mal gucken, einfach toll. Der Container ist proppevoll mit schönen Sachen. Hier, ein Perserteppich für den Boden. Gut, was?»

Dini traut ihren Augen nicht. Helma schleppt einen zusammengerollten Teppich, der bestimmt sechs Meter lang ist. Wie breit er ist, kann sie nicht sehen, denn er ist zusammengerollt. Bestimmt ist er riesig! Wie schaffen wir den je unter die Treppe, überlegt sie.

«Vielleicht ein bißchen groß», sagt sie zögernd.

Rums. Helma läßt den Teppich genau vor Dinis Füßen aus den Händen gleiten.

«Du läßt mich immer alles allein machen. Steh nicht so blöd rum, faß mal mit an.»

Helma beginnt, an dem Wintermantel zu zerren, während Dini immer noch draufsteht. Dini drückt sich gegen die Wand und geht vom Mantel herunter, damit Helma ihn aus dem Versteck ziehen kann. Dann schiebt sie mit viel Kraft die Teppichrolle unter die Treppe. Dini packt die Rolle an der anderen Seite und zieht. Die Rolle ist sehr schwer, aber es gelingt ihnen, sie halbwegs ins Versteck zu schieben.

«Jetzt ausrollen», kommandiert Helma.

Das geht nie, denkt Dini, aber sie macht, was Helma ihr sagt.

Die seufzt, ächzt und stöhnt. Sie versucht den Teppich auseinanderzurollen und doppelt zu falten, aber das Geheimversteck ist zu klein und der Teppich zu groß.

Nachdem sie sich umsonst so abgemüht hat, sagt Helma, jetzt ganz verlegen: «Ich glaub nicht, daß das geht.»

Ihr Kopf ist rot vor Anstrengung. Sie legt sich lang hin auf dem Teppichberg. Dini versucht noch ein bißchen am Teppich zu zerren, weil sie das enttäuschte Gesicht ihrer neuen Freundin sieht.

«Du, laß doch», sagt Helma, «es geht einfach nicht. Ich werde ihn wieder in den Container schmeißen.»

«Pepes pepist peschade», sagt Dini.

«Wie bitte?» fragt Helma.

«Geheimsprache», lacht Dini stolz. «Meine Tante hat die früher immer benutzt.»

«Spricht sie manchmal noch so mit dir?»

«Nein, aber vor langer Zeit mit meiner Mutter, wenn mein Bruder und ich etwas nicht verstehen sollten. Aber als ich mal bei meiner Oma zu Besuch war, da war meine Tante auch da, und da hat sie mir erklärt, wie die Sprache funktioniert. Die P-Sprache nannte sie es.»

«Dann nehmen wir doch die P-Sprache, Dini!» jubelt Helma, und es sieht aus, als wäre sie nie enttäuscht gewesen, so fröhlich strahlen ihre Augen jetzt wieder.

«Ich hab überhaupt nichts von dem verstanden, was du gesagt hast. Was meintest du denn eigentlich?»

Dini weiß es nicht mehr. Aber sie erklärt, wie die Geheimsprache funktioniert.

«Du mußt vor jedem Wort pe sagen, manchmal pep. Also, bei Haus sagst du pehaus. Aber bei essen sagst du pepessen. Du merkst schon selber, wie es geht, wenn du es ausprobierst.»

«Peverheiratet», sagt Helma, «das klingt nicht sehr geheimnisvoll.»

«Für uns nicht, aber für Leute, die nicht wissen, daß wir einfach pe davorgesetzt haben, schon», erklärt Dini, «die hören ja nur ein komisches Wort.»

«Pehelma, pedini. Ja, das ist komisch», lacht Helma aus vollem Hals, «pedini. Das klingt vielleicht geheimnisvoll.»

Sie steht auf und zerrt mit aller Kraft den Teppich unter der Treppe hervor. Dini hilft auf der anderen Seite.

«Pepeins, pezwei, pedrei», ruft Helma, und dann schubsen sie mit vereinten Kräften den Teppich wieder aus dem Versteck, zurück in den Flur.

«Ich hab noch mehr», sagt Helma, «Moment mal.»

Neben dem Teppich liegt noch Gerümpel, das Helma dort hingeworfen hatte.

«Augen zu», sagt sie.

Dini sitzt an der Betonwand, die Augen geschlossen.

Plötzlich wird etwas Schweres über ihren Kopf gestülpt. Es ist Helmas Wintermantel.

«Augen zulassen», ruft Helma, als Dini sich den Mantel vom Kopf zieht, um sich wieder draufzusetzen.

«Jetzt kannst sie wieder aufmachen», flüstert Helma, «guck mal.»

Dini öffnet die Augen und sieht genau vor ihrer Nase ein wunderbares Schmuckkästchen aus Holz. Es war bestimmt mal ein Griff daran, denn an einer Stelle sind noch zwei kleine Nägel zu sehen, die halb aus dem ungestrichenen Holz hervorlugen. Vom Deckel ist eine kleine Ecke abgebrochen, aber es sieht immer noch wunderbar aus.

«Pedies pepist pepunsere peschatztruhe», flüstert Helma langsam, um sich nicht mit all den Ps zu verhaspeln.

«Ja», flüstert Dini heiser zurück. Ihr ist ganz feierlich zumute.

«Pehier peheben pewir pepall pepunsere peschätze pedrin pepauf.»

Dini streichelt mit den Fingerspitzen vorsichtig das Holz. Sie möchte den Deckel öffnen, aber Helma hält sie zurück.

«Warte, noch nicht», sagt sie. «Wir müssen erst unser Kennwort sagen, und dann zusammen und zur gleichen Zeit den Deckel öffnen.»

Helma schiebt sich neben Dini. Sie nehmen das Kästchen beide zur Hälfte auf den Schoß und legen sich gegenseitig einen Arm um die Schulter.

«Du öffnest es mit der linken, ich mit der rechten Hand», sagt Helma. «Okay, wir fangen an, pepeins, pezwei, pedrei …»

«Peverheiratet», sagen sie im Chor.

Und sofort danach wird das Kästchen geöffnet.

«Ooooh, wie schön», flüstert Dini voller Ehrfurcht vor den Schätzen, die sie im Kästchen erblickt.

Da sind ein Stückchen von einem kaputten Spiegel, eine alte Wäscheklammer und das Schönste – ein Vögelchen aus Porzellan mit nur einem Bein.

«Gut, was?» sagt Helma stolz. «Guck mal, die Wäscheklammer ist antik. Schön, nicht?» Sie reibt sie mit dem Ärmel ihres Wintermantels sauber.

«Echt antik», sagt sie, «und das Vögelchen ist vielleicht sogar aus dem Mittelalter. Ich glaube, daß es von einer großen Figur abgebrochen ist oder so.»

Dini nimmt das Vögelchen in die Hände und spuckt drauf. Mit den Fingern putzt sie das Porzellan solange, bis das Vögelchen glänzt.

«Wir sind richtig verheiratet», flüstert Dini.

Helma nickt. Dini traut sich nicht, zu lange in die lustigen Augen zu sehen, denn dann bekommt sie ein ganz komisches Gefühl im Bauch.

«Wir müssen aber den Teppich wieder in den Container zurücklegen», sagt sie.

«Das machen wir nachher zusammen», meint Helma, «wenn wir nach Hause müssen.»

Noch mehr geheime Sachen

«Die riechen aber gut», sagt Dini, während sie die Nase in einen Stapel unbenutzter Rabattmarkenheftchen steckt und tief einatmet.

Helma hat auch einen Packen in der Hand, an dem sie schnuppert. «Mmmmmmmmmm, lecker.»

Zusammen sehen sie sich die verschiedenen Sorten von Markenheftchen an, die Helma aus dem Supermarkt in der Nachbarschaft heimlich mitgenommen hat. Dini wollte gerade ins Haus gehen, als sie Helma rufen hörte. «Pehier, peschnell pepunter pedeinen pemantel», keuchte sie und drückte Dini einen ganzen Haufen Papierkram in die Hand.