Es muss dunkel sein, damit man die Sterne sieht - Jenny Bünnig - E-Book

Es muss dunkel sein, damit man die Sterne sieht E-Book

Jenny Bünnig

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Beschreibung

Ein Roadtrip könnte die Lösung sein! Durch den Tod ihres Vaters ist für Ria alles aus dem Gleichgewicht geraten. Spontan schließt sie sich ihrer Oma Charlotte und deren Freundinnen Frau Lensker, Margot und Hildie auf einer ungewöhnlichen Reise an: Um etwas zurückzuholen, was unrechtmäßig den Besitzer gewechselt hat, zu einer großen Liebe, die nicht vergessen werden konnte, wegen einer schweren Schuld, die nicht beglichen wurde, und für eine süße Rache, die viel zu lange nicht in die Tat umgesetzt wurde. Mit einem VW-Bus geht es quer durch Europa, unterbrochen von zahlreichen Pinkelpausen (man ist halt nicht mehr die Jüngste), unerwarteten Hindernissen (Altersstarrsinn!) und absurden Begegnungen (wer bitte ist Signore Verdi?). Ein wunderbarer Roman über das Leben, das Alter und Freundschaft durch dick und dünn.

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Seitenzahl: 457

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© 2014 LangenMüller in der

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel, München

Umschlagmotiv: Simona Petrauskaite, München

Satz: EDV-Fotosatz Huber /Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

Die F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH empfiehlt, für ein optimales Leseerlebnis die Schrift Garamond BQ zu verwenden

ISBN 978-3-7844-8186-9

Für die, die ich im Herzen trage

»Zurück ins Licht,

der Sonne entgegen,

ist es kalt da, wo du stehst,

dann fang an, dich zu bewegen.«

Jupiter Jones

Pudelmütze, Badeanzug, Kniestrümpfe, Zahnbürste. Alles flog aufs Bett. Unterwäsche, Sonnenbrille, ein Lexikon, Hausschuhe, Kassetten, Socken und die Fernbedienung folgten. Ich achtete nicht darauf, was ich packte. Stopfte nur die Sachen in meinen Rucksack. Kaugummi, ein Handtuch, Tesafilm, meinen MP3-Player. Ich sah mich um. Hatte ich etwas vergessen? War das eine gute Idee? Konnte ich wirklich einfach so weg?

Ich hatte keine Antworten, deshalb griff ich nach Kleiderbündel und Rucksack und verließ das Zimmer.

Es war kalt, als ich ins Freie trat. Ein frischer Wind blies mir entgegen und ich fröstelte. Mein Fahrrad stand neben dem Eingang, gegen die Hauswand gelehnt. Ich schnallte alles auf dem Gepäckträger fest und schwang mich in den Sattel, die Hände um den Lenker, einen Fuß auf dem Pedal. Ein letztes Mal zögerte ich. Vielleicht würde ich sie gar nicht mehr erreichen. Vielleicht waren sie längst losgefahren. Ich musste es wenigstens versuchen.

Im nächsten Moment war ich bereits auf dem Bürgersteig. Ein Sprung. Und auf der Straße. Hupen hinter mir. Regenwasser spritzte. Ich raste um eine Kurve. Und fast in den Gegenverkehr. Reifen quietschten. Wütende Rufe. Ich beachtete sie nicht. Musste weiter. Dann nach links. Zweimal rechts. Geradeaus. Ich schnitt einen Roller. Drängelnde Autos. Geriet völlig außer Atem.

Wie weit noch? Konnte ich es schaffen?

Dann sah ich ihn.

Der rote VW-Bus rumpelte aus der Ausfahrt und schlängelte sich zwischen parkenden Wagen hindurch. Ich stand noch an der Ecke und war zu weit entfernt, während er sich bereits zwischen den übrigen Fahrzeugen einfädelte. Ich hielt an, zitternd, entkräftet, nach Luft japsend. Ich schwitzte, aber mir war eiskalt. Ich hatte sie verpasst! Sie waren weg …

Nein! Kamen sie nicht am Markt vorbei, wenn sie zur Autobahn wollten? Ich riss mein Rad herum. Trat erneut in die Pedale. Beschleunigte. Und schoss die Straße hinab. Über die Kreuzung. An Bäumen vorbei. Quer über den Gehweg. Sie mussten gleich kommen. Da! Ich jagte ihnen entgegen. Noch 100 Meter. Noch 50. Sahen sie mich? Der Bus wurde nicht langsamer. Kein Bremsen. Kein Quietschen. Ein Zusammenstoß? Ein Zusammenstoß! Doch dann … nichts.

Alles blieb still.

Langsam öffnete ich die Augen. Ich blinzelte schwach, konnte kaum klar sehen. Ich zwinkerte, einmal, zweimal, nur langsam begriff mein Kopf, dass ich unversehrt war, dass der rote VW-Bus vor mir stand, keuchend und prustend.

Die Finger um den Lenker gekrallt, blickte ich an mir nach unten, über die Brust, den Bauch und die Beine, hinab bis zu meinen Füßen. Alles war heil. Alles sah zumindest so aus als ob.

Ich hörte ein Ratschen, als sich die Seitentür des Busses öffnete. Stimmen drangen an mein Ohr. Ich zögerte kurz, stieg dann langsam von meinem Fahrrad. Mein Herz hämmerte mir in den Ohren, als ich den Drahtesel an einen Laternenmast lehnte, meinen Rucksack und den Beutel nahm. Ich brauchte einen Moment, wandte mich schließlich um und setzte mich in Bewegung. Erst auf die Frontscheibe zu, dann um den Kotflügel herum.

»Ria …?!« Das war die fragende Stimme meiner Oma.

Ich zwang mich zu einem Lächeln, hatte darin aber so wenig Übung, dass es misslang. Trotzdem zerrte ich weiter trotzig an meinen Mundwinkeln, während ich in künstlich heiterem Tonfall sagte: »Hallo, Oma Charlie.«

»Wer ist das?«, fragte jemand aus dem Inneren des Wagens. Dann tauchte in der Tür ein weiteres Gesicht auf. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob es mir bekannt vorkam, doch das tat es nicht.

»Das ist meine Enkelin«, erklärte in diesem Moment Oma Charlie. Sie versuchte, sich ihre eigene Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Ihre Augen sausten jedoch von mir zu der Frau neben ihr und wieder zurück, während sie sich offensichtlich bemühte, in meinen Zügen eine Antwort zu finden.

Ich hätte die Sache für sie abkürzen können. Sie suchte vergeblich.

»Ria?«, drang eine bekannte Stimme aus dem Inneren des VW-Busses. Ich erwartete, dass die dazugehörige Person ebenfalls zwischen den beiden bereits sichtbaren Köpfen auftauchen würde, aber nichts geschah. Ich starrte einige Sekunden in den dämmrigen Innenraum des Busses, dann wandte ich mich ab und musste einige Male durchatmen, ehe ich Oma Charlie ansehen konnte.

»Und was will sie?«, fragte das fremde Gesicht in diesem Augenblick, wartete auf eine Erklärung. Als Oma Charlie stumm blieb, drehte es sich zu mir: »Was willst du?«

Ich wusste, ich hätte antworten müssen, aber ich stellte erschrocken fest, dass ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte. Ich stand mitten auf der Straße, während sich ärgerlich hupende Autos an uns vorbeischoben und ich in meinen dünnen Sachen zitterte. Ich fühlte, dass ich wegmusste, konnte es jedoch nicht aussprechen. Es kam mir vor, als hätte sich in den letzten Monaten ein großes Schweigen in mir ausgebreitet.

»Also, Charlottes Enkelin«, setzte die fremde Frau an, weder ihr Blick noch ihre Stimme waren freundlich, »warum tauchst du wie ein Springteufel vor uns auf der Straße auf? Hast du dafür einen Grund? Oder eine generelle Todessehnsucht?« Ich hielt die Luft an und wagte nicht, in ihrer Gegenwart zu atmen. »Wenn du nämlich nur Hildies Fähigkeiten als Autofahrerin auf die Probe stellen wolltest, kann ich dir sagen, du spielst ernsthaft mit deinem Leben.« Ich suchte in der unbekannten Mimik nach einem Anzeichen dafür, dass dies ein Scherz sein sollte, vielleicht ein bissiger Kommentar, der nicht für mich bestimmt war, konnte jedoch nichts entdecken.

»Ach, Frau Lensker«, murmelte in diesem Augenblick Oma Charlie, schüttelte leicht den Kopf und schob die Angesprochene ins Innere des VW-Busses zurück. Diese ließ es geschehen, allerdings nur, weil sie offenbar das Interesse an mir verloren hatte. »Was gibt es, Schätzchen?«, fragte Oma Charlie und sah mich aufmerksam an.

Was sollte ich sagen? Ich hatte Angst und war kurz davor, einen Rückzieher zu machen, aber ich hatte mich entschieden. Ich konnte nicht mehr zurück … weil ich nicht mehr zurück konnte.

Mit einer fahrigen Bewegung glitten meine zitternden Hände über mein Gesicht. Dann hob ich den Kopf, sah Oma Charlie an, schluckte kurz und erklärte schließlich überraschend ruhig: »Ich möchte mitkommen.«

Im ersten Moment schien Oma Charlie zu erstaunt, um zu reagieren. Sie musterte mich. »Du willst mitkommen?«, fragte sie endlich, betont deutlich, als hätte sie mich falsch verstanden und wollte mir die Möglichkeit geben, diesen Irrtum aufzuklären.

Doch ich nickte: »Ja.«

»Weiß deine Mutter davon?«

»Ja«, sagte ich noch einmal. Mehr musste sie nicht wissen.

»Und was ist mit deiner Abschlussarbeit?« Sie wartete einige Augenblicke schweigend und sah dann ein, dass ich nicht antworten würde. »Und du willst wirklich mitkommen? Mit uns?« Unschlüssig stand sie in der Tür.

Wir beide schienen nicht vor- und nicht zurückzukönnen, als eine vierte Stimme aus dem Inneren des Wagens drang: »Nun lass Ria doch nicht stehen wie bestellt und nicht abgeholt. Steig ein, Kleines.« Ich kannte die Frau, deren leise Worte es zu mir auf die Straße geschafft hatten, aber diese waren so dünn und zerbrechlich, dass ich sie nicht gleich zuordnen konnte.

»Ja, komm, Schätzchen«, sagte Oma Charlie endlich und streckte die Hand nach mir aus. Ich wusste, ich hätte sie nehmen sollen, aber ich konnte nicht. Ich tat, als hätte ich sie nicht bemerkt, und hievte mich umständlich in den Bus.

»Und macht endlich die Tür zu«, brummte es unfreundlich aus der Ecke, als ich kaum eingestiegen war. »Es zieht wie Hechtsuppe.«

Etappe eins Marl – Fribourg

Unschlüssig blieb ich stehen und warf einen Blick durch den Fahrzeugraum. Dieser kam mir größer vor, als ich von außen erwartet hatte, und war dennoch niedrig. Ich musste den Kopf einziehen. Im hinteren Teil waren eine breite leere Bank und ein Berg aus Taschen, der sich im Kofferraum erhob. Außerdem gab es zwei einzelne Sitze, einer mit dem Rücken zur Straße hinter dem Beifahrer angebracht, der andere an der Seite gegenüber der Tür. Beide waren besetzt.

»Also«, begann Oma Charlie, während ich verloren und mit gebeugtem Rücken im Wageninneren stand. »Margot kennst du ja, richtig?« Sie wies auf eine Frau, in der ich Margot zu erkennen versuchte – ohne großen Erfolg.

Ich erinnerte mich an sie als eine einnehmende, fast einschüchternd eindrucksvolle Erscheinung, etwas größer noch als ich selbst. Davon war nichts zurückgeblieben. Die Person, die mir nun mit einem angestrengten, aber trotzdem schwachen Lächeln freundlich zunickte, war wie ein Abdruck im Sand, wenn der Mensch, der ihn hinterlassen hat, längst verschwunden ist. Sie war in den Polstern zusammengesunken, klein und elendig dürr. Ihre Züge wirkten so flüchtig, als könnte man sie mit einem nassen Tuch einfach fortwischen. Wohin war die Frau verschwunden, die ich früher Tante Margot genannt hatte, obwohl wir nicht verwandt waren? Was war mit ihr passiert? Was hatte sie so gezeichnet? Ich schluckte, als ich erkannte, dass es Schmerz war.

»Noch nie eine kranke Frau gesehen«, fuhr mich in diesem Augenblick die Stimme an, die ich bisher versucht hatte zu ignorieren.

Diese gehörte einer Frau, die mich mürrisch anstarrte, als ich mich zwang, meinen Blick von dem abzuwenden, was einmal Margot gewesen war. Sie hatte es sich bequem gemacht, die Beine übereinandergeschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt und musterte mich tadelnd.

»Das ist Frau Lensker«, erklärte meine Oma. Ich wollte etwas sagen, konnte jedoch nur nicken. »Und an Hildie erinnerst du dich bestimmt noch, oder?« Vom Fahrersitz aus drehte sich eine kleine, zierliche Frau um, die nur knapp über die niedrige Lehne sehen konnte, an der es keine Kopfstütze gab.

Ich war mir sicher, dass es ihr kaum möglich war, über das Lenkrad zu spähen. Kein Wunder, dass der Bus so spät zum Stehen gekommen war. Auch die dicke, runde Brille, hinter der die eigentlich stecknadelgroßen runden Augen riesig wirkten, kam mir alles andere als beruhigend vor. Wenigstens hatte Hildie sich kaum verändert.

»Wie schön, dich wiederzusehen«, sagte sie. »Du fährst also mit, ja? Brichst mit uns in ein Abenteuer auf?!« Sie lachte.

Ja, richtig, Hildie lachte gern. Und sie liebte Bücher. Ich lugte auf den Beifahrersitz, wo ein aufgeschlagener Roman darauf wartete, weitergelesen zu werden. Ich hörte das Kichern, das ihr ganz selbstverständlich über die Lippen kam, als wäre es tatsächlich immer so einfach. Dazu die fröhlich zwinkernden Augen und die Grübchen, die sich zwischen die Falten in ihre Wangen schoben.

»Setz dich doch«, sagte Oma Charlie hinter mir. Ich drehte mich nicht zu ihr um. »Deine Sachen können wir auf dem nächsten Rastplatz im Kofferraum verstauen.«

»Ich glaube kaum, dass wir noch Platz haben«, knurrte Frau Lensker, aber Oma Charlie beachtete sie nicht: »Mach es dir bequem.« Mit einer energischen Geste nahm sie mir meinen Kleiderbeutel aus der Hand, den ich noch immer fest umklammert hielt. Dann schob sie mich zur hinteren Bank.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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