Es sei denn, es geschieht ein Wunder - Elke Ottensmann - E-Book

Es sei denn, es geschieht ein Wunder E-Book

Elke Ottensmann

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Beschreibung

Linda ist fest entschlossen, zum Judentum zu konvertieren und zieht nach Jerusalem. Die ersten Monate lebt sie dort glücklich ihren Traum. Doch eine kurze Reise nach Ramallah sorgt dafür, dass sich das Blatt wendet. Denn dort betritt die 19-Jährige eine völlig andere Welt und begegnet Achmad, einem jungen Muslim, in den sie sich auf den ersten Blick verliebt. Linda beginnt ein aufreibendes Doppelleben: auf israelischer Seite jüdisch, auf palästinensischer Seite muslimisch. Trotz großer Bedenken ihrer Eltern in Deutschland scheint Linda nichts von ihrem Vorhaben abbringen zu können, Achmad zu heiraten. Als sie ihr neues Leben an seiner Seite beginnen will, geschieht etwas, das erneut alles auf den Kopf stellt ... Ein bewegender Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht - mit fundierten Einblicken in das Alltagsleben in Israel.

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Über die Autorin

Elke Ottensmann (Jahrgang 1968) ist Mutter von drei Kindern und Großmutter eines Enkelkindes. Die gelernte Fremdsprachenkorrespondentin schreibt am liebsten über das wahre Leben – so in diversen Artikeln für christliche Magazine und ihren bisher fünf Büchern. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Kaiserslautern.

„Gelobt sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut!“

Psalm 72,18

Um die beteiligten Personen und deren Privatsphäre zu schützen, wurden die Namen aller Protagonisten geändert.

Jüdische und arabische Begriffe, die im deutschsprachigen Kulturkreis nicht unbedingt geläufig sind, werden am Ende des Buches in einem Glossar erläutert.

Textbeginn

„Ich bin fertig!“, rief Linda fröhlich durchs Haus. Martina, die gerade in der Küche das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine räumte, zuckte unwillkürlich zusammen. Vor diesem Augenblick hatte sie sich seit Wochen gefürchtet. Sie trocknete die Hände ab und ging in den Flur, wo ihre 19-jährige Tochter sich gerade den prall gefüllten, viel zu großen Rucksack auf den Rücken hievte. Die langen, blonden Haare hatte sie wie immer zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und auch heute trug sie wie üblich einen wadenlangen Rock und eine bis obenhin zugeknöpfte Bluse. Lindas zierliches Gesicht war ungeschminkt, ihre blauen Augen blitzten vor freudiger Aufregung.

Abgesehen von dem Rucksack war eigentlich alles so wie immer, doch schon in wenigen Augenblicken würde nichts mehr so sein wie bisher. Als Martina in die vertrauten Augen ihrer Tochter blickte, füllten sich ihre eigenen mit Tränen.

„Och Mami, jetzt sei doch nicht so sentimental.“ Linda umarmte sie spontan. Martina zwang sich zu einem Lächeln. „Hast du auch alles, was du brauchst?“

„Na klar doch, im Rucksack sind Klamotten, Waschzeug, Schlafsack, Taschenmesser, Pfefferspray, Taschenlampe, eine Kanne, mein Gebetbuch und eine israelische Flagge.“ Linda zeigte auf ihre schwarze Umhängetasche an der Haustür. „Flugticket und Pass sind in der Tasche, zusammen mit 150 Euro. Außerdem habe ich zwei Wasserflaschen, eine Tüte Chips und einen Apfel eingepackt. Das reicht schon.“

„Wird dir der Rucksack auch nicht zu schwer werden?“

„Mach dir keine Sorgen, das schaff ich schon.“ Linda ging zur Haustür und warf sich die Umhängetasche über die Schulter.

„Hast du denn gar keine Angst?“, fragte Martina.

Überrascht sah Linda ihre Mutter an. „Warum sollte ich Angst haben?“

„Du weißt doch noch nicht einmal, wo du wohnen wirst.“

„Ach Mami, das haben wir doch schon durchgekaut. Für die ersten drei Nächte habe ich einen Schlafplatz in einer Art Jugendherberge gebucht und danach finde ich schon was.“

Martinas Herz wurde so schwer wie Blei. Sie suchte nach Worten, um den Abschied noch ein klein wenig hinauszuzögern. Doch ihr fiel nichts ein, noch dazu war ihre Kehle im Moment wie zugeschnürt. Sie schluckte, dann räusperte sie sich. „Soll ich nicht bis zur Bushaltestelle mitkommen? Ich kann dich auch hinfahren, dann musst du dich nicht so mit dem Gepäck abschleppen.“

„Nö, ich will keinen emotionalen Abschied, schon gar nicht, wenn andere Leute zugucken. Das machen wir am besten kurz und schmerzlos hier.“ Linda blickte auf ihr Handy. „Ich muss jetzt auch los, der Bus kommt in zehn Minuten.“

Die beiden umarmten sich, dann öffnete Linda die Haustür und marschierte mit einem lapidaren „Tschüss, Mami!“ los. Martina rief ihr hinterher: „Pass auf dich auf, mein Schatz, und du weißt ja, dass du jederzeit nach Hause zurückkommen kannst!“

Linda hatte ihren Blick nach vorne gerichtet. „Ich weiß, aber das wird nicht nötig sein. Grüß Papa und Johanna schön von mir! Ich gehe jetzt in mein neues Zuhause!“ Übermütig fügte sie hinzu: „Und ich komme nie wieder heim!“

Martina sah ihrer Tochter hinterher, wie sie unter der Last auf ihrem Rücken leicht gebeugt, aber entschlossenen Schrittes die Straße hinunterging. Der olivgrüne Rucksack war so groß, dass er beinahe bis an ihre Kniekehlen reichte. Mit jedem Schritt schien Linda kleiner zu werden, bis sie schließlich kaum noch zu sehen war. Tränen verschleierten Martinas Blick, als ihre Tochter am Ende der Straße um die Ecke bog und schließlich ganz aus ihrem Blickfeld verschwand. Linda hatte sich kein einziges Mal mehr umgedreht. Gleich würde sie in den Bus einsteigen, der sie zum Flughafen bringen würde. Die von ihr so lang herbeigesehnte Reise hatte ihren Anfang genommen.

Wie angewurzelt blieb Martina vor der Haustür stehen und ließ ihren Blick auf der Stelle ruhen, wo Linda soeben noch gestanden hatte. Die letzten Worte hallten dabei in ihrem Ohr: „Ich komme nie wieder heim!“

Plötzlich erhob sich in der Nähe lautes Vogelgezwitscher. Eine Amsel im noch blattlosen Geäst des Apfelbaumes am Gartenzaun schien sich mit Linda zu freuen und trällerte aus voller Kehle, als sänge sie ein Abschiedslied für sie. Erst jetzt bemerkte Martina, dass die Luft an diesem Morgen mild und von Frühlingsahnung erfüllt war. Die Sonne schien bereits warm vom strahlend blauen Himmel. Bienen und Hummeln summten um die ersten zarten Blüten, Meisen, Gimpel und andere Vögel flogen geschäftig mit Zweigen im Schnabel hin und her, um ihre Nester zu bauen. Bald schon würden diese sich mit jungem Leben füllen. Während Martina dem emsigen Treiben zuschaute, dachte sie wehmütig: Genauso fröhlich und unbekümmert, wie die Vögel ihre Nester bauen, hat mein Kind heute unser Nest verlassen. Jetzt ist sie endgültig flügge geworden.

Anders als ihre Mutter hatte Linda keine Spur von Wehmut gezeigt, im Gegenteil. Seit sie nach dem schriftlichen Abitur im Januar das Flugticket gekauft hatte, hatte sie die Tage bis zu ihrer Abreise gezählt. Und nun, kaum hatte sie das Abizeugnis in der Tasche, war sie fort. In dieser Nacht würde sie in eine völlig fremde Welt eintauchen, die sie schon jetzt als ihr „neues Zuhause“ bezeichnete – noch bevor sie überhaupt wusste, wo sie eine Bleibe finden würde.

Martina hatte keine Ahnung, wie lange sie schon so in Gedanken versunken vor der Haustür gestanden hatte, als plötzlich ihr Nachbar von gegenüber rief: „Guten Morgen, Martina, ist bei dir alles in Ordnung?“ Dietmar überquerte die Straße und sah sie prüfend an. „Nimm’s mir nicht übel, aber du siehst ja aus wie drei Tage Regenwetter.“ Martina spürte einen dicken Kloß im Hals und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. „Linda ist gerade ausgezogen.“ Dietmar nickte verständnisvoll. „Macht dir ganz schön zu schaffen, was?“

„Ja, ich vermisse sie jetzt schon. Und ich habe Angst um sie.“

Wieder nickte Dietmar. „Kann ich verstehen. Ist ja auch ganz schön mutig, gleich so weit wegzuziehen, noch dazu in so eine völlig andere Welt.“

„Linda empfindet das aber überhaupt nicht so. Ich hoffe nur, ihr passiert nichts.“

Dietmar schüttelte zur Abwechslung den Kopf. „Da hätte ich allerdings auch Bedenken. Man hört ja immer wieder von Attentaten. Die kommen da unten ja nie zur Ruhe. Erst neulich wurden sogar wieder irgendwelche Leute entführt, aber keine Ahnung, wer von wem. Da blickt ja sowieso keiner mehr durch.“

Als Martina nichts darauf antwortete, lächelte Dietmar ihr aufmunternd zu. „Wird schon alles gut gehen. Ist doch andrerseits auch toll, dass Linda so selbständig ist. Außerdem kannst du sowieso nichts daran ändern, also nimm’s dir am besten nicht so zu Herzen.“

Wenig getröstet ging Martina ins Haus zurück. Es war gut gemeint von Dietmar, das wusste sie. Aber nicht gerade besonders hilfreich. Ihr erster Impuls war, in Lindas Zimmer zu gehen, um dort der Anwesenheit ihrer Tochter nachzuspüren. Doch gleich darauf zögerte sie. Sie wusste, dass ihr Abschiedsschmerz nur noch größer werden würde, wenn sie jetzt das leblose Zimmer ihrer Tochter betreten würde und beschloss, dies auf später zu verschieben. Stattdessen setzte sie sich an ihren Schreibtisch, holte ihr Tagebuch aus der Schublade und nahm den Füller zur Hand. Sie notierte:

Montag, 8. April – Gerade ist Linda fortgegangen. Sie ist fest davon überzeugt, dass alles gut geht. Hoffentlich hat sie recht! Als letztes rief sie mir zu, dass sie nie wieder heimkommen würde.

Weiter kam Martina nicht, denn der Text verschwamm vor ihren Augen. Eine Träne kullerte über ihre Wange und tropfte genau auf das kleine Wörtchen nie. Sofort flossen die drei Buchstaben ineinander und vermischten sich zu einem unleserlichen, hellblauen Fleck. Martina legte den Füller beiseite und betupfte die feuchte Stelle mit einem Taschentuch. Dabei dachte sie: Noch mehr Reden hätte auch nichts genützt, Linda von ihrem Vorhaben abzuhalten. Was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, zieht sie durch. Jetzt kann ich nur noch für sie beten.

Sie faltete die Hände und bat Gott, dass er Linda auf ihrem Weg begleiten und behüten möge. Dann zwang sie sich dazu, ihre Gedanken auf den vor ihr liegenden Tag zu lenken, und überlegte, was sie alles tun musste, bevor sie ihre sechsjährige Tochter Johanna von der Schule abholen würde. Zum Mittagessen würde sie Spaghetti Bolognese machen, das Lieblingsessen ihrer Jüngsten, und auch für ihren Mann Andreas würde sie etwas Leckeres kochen, wenn er am Abend nach Hause kam. Außerdem wollte sie das Haus von oben bis unten staubsaugen, das Bad putzen und die Wäsche bügeln. Mit Blick auf die Uhr stand Martina auf und stürzte sich in die Arbeit.

Linda war der Abschied schwerer gefallen, als sie es ihrer Mutter gegenüber gezeigt hatte. Nachdem sie losgelaufen war, waren ihr plötzlich beinahe selbst die Tränen gekommen. Überrascht von diesem für sie ungewöhnlichen Gefühlsausbruch hatte sie sich nicht mehr umgedreht – aus Furcht, dann erst recht weinen zu müssen. Ihre letzten Worte Ich komme nie wieder heim! waren ihr einfach so herausgerutscht. Am liebsten hätte sie sich gleich darauf selbst auf die Zunge gebissen und ihrer Mutter noch etwas Tröstliches zugerufen. Stattdessen war sie jedoch einfach stur geradeaus weitergelaufen.

Der heranfahrende Bus verscheuchte ihre trüben Gedanken, und ihre Vorfreude stellte sich wieder ein. Sie ließ ihren schweren Rucksack auf den Sitz plumpsen und sich selbst auf den freien Platz daneben. Die „Reise nach Jerusalem“, schoss es ihr durch den Kopf, als der Bus abfuhr. Wie oft hatten sie dieses fröhliche Kinderspiel im Laufe der Jahre gespielt? Bei keiner Geburtstagsfeier durfte es fehlen. Und welchen Spaß immer alle dabei hatten, um den Stuhlkreis herumzurennen und zu versuchen, einen Stuhl zu besetzen, sobald die Musik aufhörte. Linda lächelte versonnen. Jetzt machte sie wirklich die „Reise nach Jerusalem“.

Gleich morgen würde sie bei der Midrascha anfangen, der Schule für jüdische Studien. Endlich ging ihr jahrelanger Traum in Erfüllung und ihr neues Leben begann!

Sie holte ihr Handy aus der Tasche und schaute sich im Internet noch einmal den Flugplan an. Von Frankfurt aus würde sie direkt nach Tel Aviv fliegen. Die geplante Ankunftszeit war 15.50 Uhr; bis sie ihr Gepäck abgeholt hatte und durch die Kontrollen war, würde es schätzungsweise 18.00 Uhr sein. Die Busfahrt nach Jerusalem dauerte etwa eine Stunde, somit würde sie gegen sieben in der Jugendherberge sein, wenn alles glattlief. Mit einem glücklichen Stoßseufzer lehnte sie sich in den Sitz zurück und begann, mit ihren Freundinnen Naomi und Deborah zu chatten, die mit dem Zug ebenfalls auf dem Weg zum Flughafen waren, um sich von ihr zu verabschieden.

Kaum hatte Linda die Eingangshalle des Flughafens betreten, tönte ihr lautes Jubelgeschrei entgegen, und Deborah und Naomi fielen ihr lachend um den Hals. Linda, die dabei beinahe das Gleichgewicht verlor und nach hinten zu kippen drohte, streifte kurzerhand ihren Rucksack ab und ließ ihn auf den Boden plumpsen. Dann zog sie ihre israelische Flagge heraus und zückte ihr Handy, um den großen Moment festzuhalten.

Nachdem der Rucksack eingecheckt war, hatte Linda noch beinahe zwei Stunden Zeit, bevor sie am Abfluggate sein musste. In einer ruhigen Ecke setzten sich die drei Freundinnen auf eine leere Bank. Naomi holte eine Thermoskanne und drei Becher aus ihrer Tasche. „Man weiß ja nie, ob der Kaffee koscher1 ist, den man hier im Flughafen kriegt, deshalb habe ich uns welchen mitgebracht.“ Sie reichte Deborah und Linda jeweils einen Becher und goss ein. Linda umfasste ihren dampfenden Becher mit beiden Händen und sog genüsslich den Kaffeeduft ein. „Mhmm, das ist jetzt genau das Richtige. Super Idee!“ Deborah nickte zustimmend, dann sagte sie: „Ich beneide dich. Du machst das, wovon andere nur träumen.“ Naomi blies in den aufsteigenden Kaffeedampf. „Genau, du lässt deinen Traum wahr werden, das würden sich die meisten von uns gar nicht trauen.“

„Ja, und deshalb sind so viele Menschen unzufrieden und gefrustet. Anstatt sich zu trauen, ihren Traum zu leben und auch mal was zu riskieren, bleiben die meisten in ihrem gewohnten Alltagstrott. Ich muss das jetzt einfach machen, ich habe lange genug gewartet.“

Schon seit fünf Jahren, für Linda – gefühlt – eine halbe Ewigkeit, interessierte sie sich für Israel. Angefangen hatte es, als ihre Eltern überlegt hatten, dort Urlaub zu machen. Dazu war es dann zwar nie gekommen, doch wissbegierig, wie Linda war, hatte sie sich im Internet über das Land informiert und war dabei natürlich schnell auf den jüdischen Glauben gestoßen. Fasziniert von der so ganz anderen, ihr bisher völlig unbekannten Lebenskultur der religiösen Juden, hatte sie sich immer mehr damit beschäftigt, jedes Buch in der Bücherei zu diesem Thema ausgeliehen und schließlich sogar begonnen, Hebräisch zu lernen. Innerhalb kürzester Zeit hatte sich dadurch eine ganz neue Welt für sie eröffnet, die ihr Spaß machte und sie voll erfüllte.

Lächelnd beobachtete Linda die kleinen Luftbläschen, die auf ihrem Kaffee schwammen. Wenn sie recht überlegte, hatte ihre Reise nach Jerusalem eigentlich schon längst begonnen, als noch niemand etwas davon ahnte – nicht einmal sie selbst. Naomi schien ihre Gedanken zu lesen. „Als du vor drei Jahren zu uns in die Jugendgruppe gekommen bist, hatten wir ja keine Ahnung, dass wir so viel Spaß mit dir haben würden.“ Naomi kicherte leise in sich hinein. „Und was wir alles zusammen gemacht haben!“

Linda nickte. Nach jahrelangem Mobbing in der Schule hatte sie in dieser Jugendgruppe endlich gleichaltrige Mädchen getroffen, die freundlich zu ihr waren und sie einfach so annahmen, wie sie war. Sie hatte dort im Handumdrehen Freundinnen gefunden, und ihr Leben stand plötzlich unter einem anderen Vorzeichen: gemeinsam statt einsam. Das hatte so gutgetan!

Nun waren die Freundinnen nicht mehr zu bremsen. Sie fielen sich gegenseitig ins Wort, und die Erinnerungen an gemeinsame Aktionen sprudelten nur so aus ihnen heraus: wie sie sich zu Purim2 verkleidet, zum Passahfest3 Matzen gebacken und an Schawuot4 ihren Jugendraum mit Blumen geschmückt hatten … Dabei lachten die drei immer wieder vergnügt auf. Ganz besonders schön fand Linda aber immer die wöchentlichen Vorbereitungen für den Schabbat und das erhebende Gefühl, wenn der Tisch schließlich festlich gedeckt war und die Kerzen angezündet wurden.

So in Erinnerung schwelgend, merkten die drei Freundinnen gar nicht, wie schnell die Zeit verflog. Als Lindas Blick zufällig die Uhr an der Wand streifte, sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf. „Mist, höchste Zeit zu gehen! Ich muss ja noch durch die Passkontrolle!“ Sie rannte so schnell los, dass Naomi und Deborah Mühe hatten, hinterherzukommen. Vor der Passkontrolle umarmten sich die drei Freundinnen noch einmal, und Naomi sagte: „Ich werde dich vermissen! Ohne dich wird es richtig langweilig bei uns in der Gruppe sein!“ Deborah seufzte: „Hast du es gut, du ziehst nach Israel, dem Land meiner Träume! Dort ist es jetzt schon richtig warm, und wir müssen im kalten Deutschland bleiben.“

„Tja, Pech für euch!“, scherzte Linda. „Ich lebe von nun an in der Wärme und komme meinem Ziel immer näher.“ Versöhnlich fügte sie hinzu: „Doch bis dahin muss ich noch so viel lernen. Gleich morgen habe ich ein Gespräch mit dem Direktor der Midrascha, und dann lege ich los. Endlich kann mein neues Leben beginnen!“ Linda freute sich wie ein Kind, und es hätte nicht viel gefehlt, dass sie in die Hände geklatscht hätte.

Aus der Entfernung sahen Naomi und Deborah zu, wie ihre Freundin hinter der Passkontrolle ihr Handgepäck vom Band nahm und federnden Schrittes in Richtung Abfluggate lief, bis sie in der Menschenmenge verschwunden war.

Martina zögerte kurz, bevor sie die Tür zu Lindas Zimmer öffnete. Die einfallenden Strahlen der Nachmittagssonne ließen die Staubkörnchen tanzen und tauchten den Raum in freundliches Licht. Auf den ersten Blick deutete nichts darauf hin, dass Linda heute ausgezogen war. Martina hob eine halb leere Chipstüte mit hebräischem Aufdruck vom Fußboden auf, dabei sah sie auf der Rückseite ein schwarzes U in einem Kreis. Ein Stempel, der das Produkt als koscher auswies, wie Linda ihr einmal erklärt hatte. Mit der Tüte in der Hand ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Überall zeugten Spuren von Lindas besonderem Lebenswandel, seitdem sie sich mit 14 Jahren für den jüdischen Glauben entschieden hatte. Auf dem Nachttisch neben dem Bett standen zwei abgebrannte Teelichter, an der Wand hing eine große israelische Flagge, auf der Kommode hatte sie eine Menora5 platziert. Die mit hebräischen Wörtern beschriebenen Zettel auf dem Schreibtisch trugen Lindas Handschrift, die Martina dennoch fremd vorkam.

Als sie die Chipstüte in den Papierkorb warf, fiel ihr Blick auf ein Schulheft, das Linda wohl erst kürzlich weggeschmissen hatte. Sie zog es heraus. Ein altes Englischheft aus der zehnten Klasse. Neugierig blätterte Martina darin; es war vollgeschrieben mit Grammatikübungen und Texten. Oben rechts auf jede Seite hatte Linda die drei hebräischen Buchstaben B“SD6 geschrieben. Am Rand immer wieder kleine Zeichnungen; Linda hatte sich während des Unterrichts wohl öfters gelangweilt. Lächelnd blätterte Martina bis zur letzten beschriebenen Seite, dann stutzte sie. Dort hatte Linda einen Eintrag auf Deutsch gemacht. Martina setzte sich aufs Bett und las: Blöde Schule. Am liebsten würde ich sofort aufhören und nur noch das lernen, was mir Spaß macht. Hebräisch, Tanach7, Halacha8 … Das gibt mir Struktur im Leben und erfüllt mich wie nichts anderes. In meinem Alter braucht man das doch, und die meisten finden ihre Struktur im Sportverein oder in der Schule oder sonstwo, aber mir reicht das nicht. In den jüdischen Traditionen finde ich meine Identität, da fühle ich mich total zugehörig. Außerdem werden meine Fragen des Lebens beantwortet, das ist voll cool.

Martina schaute auf und sah auf die Menora. Linda hatte ihr vor langer Zeit einmal erklärt, man solle die Welt jeden Tag ein klein wenig besser machen: einen Kaugummi von der Straße aufheben, damit kein Vogel daran stirbt, nicht über andere lästern, einfach mal jemanden anlächeln … Auch hatte sie einen hebräischen Ausdruck dafür gebraucht, an den Martina sich jedoch nicht erinnern konnte.

Sie las weiter: Und deshalb will ich nach dem Abi sofort nach Israel, um so schnell wie möglich zu konvertieren.

Nachdenklich klappte sie das Heft zu. Das war es also. Linda hatte zwar kein Geheimnis daraus gemacht, dass ihr die fröhliche Gemeinschaft mit ihren Freunden aus der Jugendgruppe und das Leben nach jüdischen Regeln einen völlig neuen Lebensinhalt gaben und sie mit Glück und Freude erfüllten, doch erst jetzt begriff Martina, wie tief die Sehnsucht bei Linda gewesen sein musste. Sie steckte das Schulheft in den Papierkorb zurück. In dem Moment fiel ihr der Ausdruck wieder ein: Tikkun Olam.9

Linda schaute gerade aus dem Flugzeugfenster auf die unter ihr liegende Skyline von Tel Aviv, als die Ansage des Piloten zuerst auf Hebräisch, dann auf Englisch ertönte:

„Sehr geehrte Fluggäste, wir beginnen nun den Landeanflug auf Ben Gurion International Airport und werden planmäßig um 15.50 Uhr Ortszeit ankommen. Bei klarem Himmel erwarten Sie heute Nachmittag angenehme 20 Grad Celsius. Bitte denken Sie daran, Ihre Uhr eine Stunde vorzustellen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und hoffen, Sie bald wieder bei uns an Bord begrüßen zu dürfen.“ Linda schnallte sich an und überlegte, wie streng die Kontrollen bei der Einreise sein würden und welche Fragen die Sicherheitsbeamten ihr wohl stellen würden. Sie war gekleidet wie eine jüdische Frau – gut möglich, dass sie nicht viel von ihr wissen wollten.

Sie sollte recht behalten. Mit einem fröhlichen „Erev tov – Guten Abend“ gab sie dem Beamten an der Passkontrolle ihren Pass. Freundlich erwiderte er ihren Gruß und fragte nach dem Grund ihrer Reise. Wahrheitsgemäß antwortete Linda ihm auf Hebräisch, dass sie in Jerusalem eine Schule besuchen würde. Offensichtlich erfreut, erkundigte der Beamte sich danach, woher sie so gut Hebräisch könne, und nickte wohlwollend mit dem Kopf, als sie ihm erzählte, dass sie es sich selber beigebracht hatte und in Deutschland Freunde hatte, mit denen sie Hebräisch sprach. Ohne weitere Fragen zu stellen, überreichte er Linda den Pass sowie einen kleinen blau-weißen Zettel mit der Überschrift State of Israel – Border Control auf Hebräisch und Englisch. Er zeigte auf den Barcode: „Damit öffnet sich das Drehkreuz zum Ankunftsbereich. Brukha haBa’ah – Herzlich willkommen in Israel!“

„Todah!“, bedankte sich Linda und begab sich zur Gepäckausgabe.

Um 17 Uhr, eine ganze Stunde früher als gedacht, hatte sie ihren Rucksack wieder auf dem Rücken. Cool, nun würde sie noch bei Tageslicht in ihrer Unterkunft ankommen.

In der eindrucksvollen Ankunftshalle mit den stattlichen Säulen sah sie sich suchend nach Miriam um. Ihre langjährige Freundin aus der Jugendgruppe absolvierte in Jerusalem ein freiwilliges soziales Jahr und hatte angeboten, sie am Flughafen abzuholen. Miriam entdeckte sie zuerst und kam freudestrahlend auf sie zu. „Herzlich willkommen in Israel! Ich freue mich sooo, dass du da bist! Hattest du einen guten Flug?“

Im ersten Augenblick erkannte Linda ihre Freundin kaum, so sehr hatte sie sich verändert. Blass und dünn hatte Miriam Deutschland verlassen, und nun war ihre Haut gebräunt, die hellblauen Augen strahlten, und ihre dunkelblonden, langen Haare waren mit hellen, sonnengebleichten Strähnen durchzogen. Auch hatte sie ein paar Pfund zugenommen, und anerkennend stellte Linda fest, dass Miriam richtig aufgeblüht war. Plaudernd begaben sie sich zum Ausgang. Vor der Ankunftshalle stand eine ganze Reihe gelber Kleinbusse. Gerade als Miriam erklärte, dass sie mit einem dieser Sammeltaxis nach Jerusalem fahren würden, fiel Linda plötzlich ein, dass sie noch gar kein Geld umgetauscht hatte. Miriam lachte, sie kannte die gelegentliche Schusseligkeit ihrer Freundin und kramte ein paar Schekelscheine aus ihrem Geldbeutel. „Das reicht fürs Taxi, und für morgen hast du auch noch was übrig.“ Bald hatten sie ein freies Taxi gefunden und teilten dem Fahrer mit, wo sie hinwollten. Miriam, die bei einer älteren Dame wohnte, würde vor Linda aussteigen. Als Linda den Namen ihres Quartiers nannte, nickte der Fahrer. Sie setzte sich neben Miriam direkt hinter ihm in die erste Reihe, und es dauerte nicht lange, bis auch der letzte Platz besetzt war und sie losfuhren. Miriam sah Linda an. „Es macht dir hoffentlich nichts aus, dass ich nicht ganz bis zu deiner Unterkunft mitfahre?“

„Kein Problem, der Fahrer bringt mich ja bis vor die Tür.“

„Da kann wirklich gar nichts schiefgehen.“ Miriam steckte ihr Handy in die Handtasche. „Abends schalte ich das Handy immer aus. Ich ruf dich morgen früh aber an, um zu hören, wie deine erste Nacht hier war. Ach, übrigens, wenn du willst, kann ich dir morgen den Weg zur Midrascha zeigen, ich habe mir den Tag freigenommen.“

„Oh cool, ja gerne! Ich soll mich am frühen Nachmittag im Sekretariat melden.“

Nachdem Miriam ausgestiegen war, wurde das Sammeltaxi mit jedem Halt leerer, bis Linda schließlich noch der einzige Fahrgast war. Als der Fahrer ankündigte, dass sie das Hostel in fünf Minuten erreichen würden, tippte Linda eine SMS-Nachricht an ihre Mutter:

Bin gut gelandet, komme gleich in der Herberge an. Alles läuft nach Plan, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen! Melde mich morgen wieder. Grüße an Papa und Johanna.

Martina wollte gerade den Staubsauger anschalten, als aus ihrer Handtasche Harfenklänge ertönten. Sie holte ihr Handy heraus und las die SMS von Linda. Froh darüber, dass alles gut gegangen war, schickte sie einen Daumen nach oben und ein Lachgesicht zurück, dann steckte sie das Handy mit einem Stoßseufzer der Erleichterung wieder in ihre Handtasche. Während sie den Wohnzimmerteppich saugte, war sie in Gedanken bei Linda. Gleich würde sie in ihrer Unterkunft ankommen, und wieder einmal hatte Martina sich unnötig Sorgen gemacht. Sie dachte daran, was ihre Tochter kurz vor dem Abschied gesagt hatte:Warum sollte ich Angst haben? Für die ersten drei Nächte habe ich einen Schlafplatz in einer Art Jugendherberge gebucht und danach finde ich schon was.

Wie aus heiterem Himmel kamen Martina Worte aus dem Lukas-Evangelium in den Sinn: „Denn in der Herberge hatten sie keinen Platz gefunden.“ Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Herzschlag. Merkwürdig. Warum dachte sie ausgerechnet jetzt an die Weihnachtsgeschichte? Linda hatte doch ihren „Platz in der Herberge“, aber vermutlich rührte dieser Gedankensprung einfach daher, dass sich beides in Israel abspielte.

Martina nahm den Fuß vom Staubsaugerrohr ab und kratzte mit dem Rohr über einen festgetretenen Schokoladenfleck im Teppich. Ihre Gedanken spulten wie von allein zurück in die Vergangenheit.

Von klein auf hatten sie und Andreas ihrer Tochter die Geburtsgeschichte von Jesus und viele andere Bibelgeschichten erzählt. Nie hatte Linda Zweifel an deren Wahrheit gehegt, doch das änderte sich vollkommen, als sie 13 Jahre alt war. Damals war der sehr beliebte Pfarrer ihrer Kirchengemeinde in den Ruhestand gegangen; nach ihm war ein junger, unerfahrener Pastor gekommen. Er hatte gute Absichten, tat in seinem jugendlichen Eifer jedoch einigen Gemeindegliedern unrecht und verletzte dabei manche Seele, was Linda aufmerksam und mit wachsender Skepsis beobachtete. Eines Tages teilte sie ihren Eltern dann mit: „Wenn das so mit dem christlichen Glauben ist, will ich nichts mehr damit zu tun haben.“ Alles Diskutieren nützte nichts, und als sie kurze Zeit später das Judentum für sich entdeckte, saugte sie wie ein Schwamm alles Neue begeistert auf.

„Mama, ich hab Hunger, gibt’s bald Abendessen?“ Johannas Worte rissen Martina abrupt aus ihren Gedanken und holten sie in die Gegenwart zurück. Froh über die Ablenkung, schaltete Martina den Staubsauger aus und nickte lächelnd.

Wie angekündigt hielt der Taxifahrer fünf Minuten später direkt vor dem Eingang eines länglichen, zweistöckigen Gebäudes an. Lächelnd drehte er sich zu Linda um. „Hier sind wir, getreu unserem Motto: Schnell und zuverlässig von Tür zu Tür!“ Doch gleich darauf stutzte er, denn Linda machte keine Anstalten auszusteigen. Verwundert blickte sie aus dem Fenster und besah sich den Namen der Jugendherberge, der in großen hebräischen Buchstaben über dem Eingang prangte, zückte dann ihr Handy, öffnete ein Foto und schüttelte den Kopf. „Das ist zwar derselbe Name, aber so sieht meine Unterkunft nicht aus, das hier muss eine andere sein.“ Sie zeigte dem Taxifahrer das Foto ihres Quartiers, als ihr einfiel, dass sie irgendwo einen Zettel mit der Adresse hatte. Sie fand ihn nach einigem Suchen in ihrer Umhängetasche und zeigte dem Fahrer den Namen der Straße. Nun war er es, der den Kopf schüttelte. „Die Straße kenne ich nicht, auch diese Herberge habe ich noch nie gesehen. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wo das ist.“ Er nahm ebenfalls sein Handy zur Hand und begann zu telefonieren. Nach drei Anrufen informierte er Linda: „Mein Cousin meint, das sei irgendwo in der Altstadt. Da fährt man von hier aus um diese Zeit mindestens eine Stunde.“ Er seufzte: „Das wird frühestens acht, bis ich nach Hause komme. Aber erst einmal bringe ich Sie zu Ihrer Unterkunft.“

Während das Taxi in Richtung Altstadt rollte, dämmerte es bereits. Linda war sich immer noch ziemlich sicher, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit in ihrem Quartier sein würde, doch zu ihrem Erstaunen war es knapp eine halbe Stunde später stockdunkel. „Krass! Geht die Sonne hier immer so schnell unter?“ Der Fahrer lachte so sehr, dass die Kippa auf seinem Kopf wackelte. „Da wundern sich viele Touristen, die das noch nicht erlebt haben. Aber ja, das ist völlig normal hier.“ Schweigend fuhr er lange Zeit weiter. Irgendwann fiel Linda auf, dass er an jeder Ecke das Tempo verlangsamte und mit den Augen die Straßennamen absuchte, was angesichts der nicht immer guten Beleuchtung schwierig war. Inzwischen waren sie in der Nähe der Altstadt, und die Straßen wurden enger. Irgendwann erklärte der Fahrer, dass er alles versucht habe, die auf dem Zettel angegebene Straße aber nirgends finden könne. Etwas abrupt hielt er an der Einfahrt eines Parkplatzes an.

Linda, die jegliches Zeitgefühl verloren hatte, stellte mit Blick auf ihr Handy erstaunt fest, dass es inzwischen schon beinahe 22 Uhr war. Der Fahrer drehte sich zu ihr um und sagte leicht gereizt: „Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht mehr weiterhelfen. Wir müssten ungefähr in der richtigen Gegend sein, aber die Gassen innerhalb der Altstadt sind mit dem Kleinbus nicht befahrbar. Am besten, Sie machen sich jetzt zu Fuß auf den Weg, schließlich muss ich auch mal heim.“

Linda versicherte ihm, dass sie schon allein zurechtkommen würde und bedankte sich für seine Mühe. Sie hievte ihren Rucksack auf den Rücken und stieg aus. Das Taxi fuhr los, und sie blieb mutterseelenallein auf dem dunklen Parkplatz zurück. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie gehen sollte. Was nun? Miriam konnte sie nicht anrufen, die hatte ihr Handy längst ausgeschaltet. Linda setzte den Rucksack ab, kramte die Taschenlampe heraus und leuchtete die Gegend ab. Vielleicht war ja jemand in der Nähe, den sie fragen konnte. In der hintersten Ecke des Parkplatzes entdeckte sie schemenhaft eine Gruppe Männer und erkannte an deren Hüten und Mänteln sofort, dass dies orthodoxe Juden waren. Ansonsten war weit und breit niemand. Sie knipste die Taschenlampe aus und überlegte. Eigentlich sprach sie fremde Männer grundsätzlich nie an, doch ihre Lage war misslich genug, um eine Ausnahme zu machen. Die Männer würden sich bestimmt auskennen und ihr weiterhelfen. Kurz entschlossen schaltete sie die Taschenlampe wieder an und richtete den Lichtstrahl noch einmal auf die Ecke, wo sie die Männer soeben gesehen hatte. Sie waren nicht mehr da. Verblüfft leuchtete Linda die ganze Umgebung ab, nichts. Als hätten sie sich einfach in Luft aufgelöst. Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken. Am besten, sie lief einfach los, schließlich wollte sie die Nacht nicht auf dem Parkplatz verbringen. Irgendwo würde sie schon jemanden finden, den sie fragen konnte.

Gerade, als sie den Rucksack wieder schultern wollte, fiel ihr ein, dass Joseph ihr vielleicht weiterhelfen könnte. Joseph war vor einem Jahr aus Israel zum Studieren nach Deutschland gezogen und in die Jugendgruppe gekommen. Als Linda ihm erzählt hatte, dass sie für die ersten Tage in Jerusalem eine Unterkunft suchte, hatte er ihr diese empfohlen und dafür gesorgt, dass sie dort übernachten konnte. Er war selbst schon dort gewesen und kannte den Besitzer der Herberge. Schnell holte sie ihr Handy aus der Tasche und wählte Josephs Nummer. Erleichtert darüber, dass er sich meldete, erklärte sie ihm ohne Umschweife ihre Situation. Joseph in seiner besonnenen Art blieb ruhig. „Schau noch einmal genau nach. Ist wirklich gar niemand zu sehen?“

Obwohl sie sich keinen Erfolg versprach, leuchtete Linda die Gegend noch einmal ab und entdeckte plötzlich ein Polizeiauto am Straßenrand, das sie zuvor nicht gesehen hatte. „Ja, da ist ein Polizeiauto.“

„Geh hin und gib dem Polizisten dein Handy, dann erkläre ich ihm, wo das Hostel ist.“

Linda machte sich nicht erst die Mühe, den Rucksack aufzuschnallen, sondern lief, so schnell sie konnte, den Rucksack hinter sich herschleifend, zu dem Wagen, in dem zwei Polizeibeamte saßen. Atemlos klopfte sie an die Scheibe des Beifahrers und hielt dem überraschten Beamten ihr Handy hin. Nachdem Joseph mit ihm gesprochen hatte, sagte der Polizist: „Steigen Sie ein, wir suchen gemeinsam.“

Linda nahm auf dem Rücksitz Platz und fand sich vor einem Gitter wieder, das sie von den Polizisten abtrennte. Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und dachte: Gleich am ersten Abend in Jerusalem sitze ich in einem Polizeiauto wie eine Verbrecherin, die abtransportiert wird. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie den Zettel mit der Adresse des Hostels noch immer in der Hand hielt. Sie streckte ihn durch das Gitter zu dem Polizisten auf dem Beifahrersitz. „Ist das noch weit von hier?“ Der Beamte antwortete: „So, wie Ihr Freund es beschrieben hat, liegt die Gasse im armenischen Viertel im südwestlichen Teil der Altstadt. Wo genau, wissen wir nicht, aber allzu weit kann es nicht mehr sein.“

Sie waren noch nicht lange gefahren, als sie an ein Tor in der Altstadtmauer kamen. Der Polizist am Steuer erklärte, dass sie sich am Jaffator befänden und von hier aus zu Fuß weitermüssten.

Flankiert von den beiden Polizisten schritt Linda durch das Tor, und kurze Zeit später waren die drei im armenischen Viertel. Während sie eine Gasse nach der anderen abliefen, schien der Rucksack immer schwerer zu werden. Gerade, als Linda sich fragte, ob sie die Nacht statt in ihrem Quartier auf der Polizeiwache verbringen würde, rief einer der Beamten: „Hier sind wir ja!“ Er zeigte auf eine hohe Mauer, in der eine Tür eingelassen war. Sollte sich ihre Bleibefür die nächsten drei Tage etwa hinter der Mauer befinden? Neben der Tür befand sich eine Klingel sowie ein kleines Kästchen mit Tastatur. Ein Name war jedoch nirgends zu sehen. Linda drückte auf die Klingel. Gedämpft und wie aus weiter Ferne war hinter der Mauer der Klingelton zu hören. Ein paar Gassen weiter bellte ein Hund, irgendwo im Gemäuer zirpte eine Grille, doch hinter der Mauer rührte sich nichts. Auch die Polizisten klingelten mehrere Male, aber alles blieb still. Schließlich zuckten sie die Schultern und meinten lakonisch, dass wohl niemand da sei.

Linda überfiel auf einmal eine bleierne Müdigkeit, und ihr war, als könne sie keinen Schritt mehr weitergehen. Ihr Rücken schmerzte, der Rucksack schien mittlerweile zentnerschwer. Frustriert blickte sie noch einmal auf den Zettel mit der Adresse und griff sich an die Stirn. Zum Öffnen der Tür musste man ja einen Code eingeben, was sie in der Aufregung ganz vergessen hatte. Joseph hatte die Zahlenkombination extra auf die Rückseite des Zettels geschrieben. Mit neuer Energie tippte sie die Zahlen in die Tastatur ein, woraufhin sofort ein Klicken in der Tür zu hören war. Linda drückte, doch die Tür ging nicht auf. Erst als einer der beiden Polizisten sich mit aller Kraft dagegenstemmte, sprang sie endlich auf. Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung sagte Linda: „Danke, das hätte ich allein nie geschafft.“

Im Schein der Taschenlampe sah sie vor sich einen kleinen Innenhof mit einem zweistöckigen Haus am gegenüberliegenden Ende. Alles war dunkel, nichts regte sich. „Sind Sie sicher, dass Sie hier übernachten wollen?“ Die Polizisten schienen skeptisch zu sein, doch Linda nickte entschlossen. „Alles gut, ich bleibe hier.“

„Na dann, herzlich willkommen in Israel. Wir gratulieren zum Umzug und wünschen viel Erfolg!“ Einer der Beamten gab Linda eine Visitenkarte. „Hier ist meine Handynummer, falls noch etwas sein sollte. Sie können mich jederzeit anrufen.“ Mit einem freundlichen „Laila tov – Gute Nacht“ und „Lehitra’ot – Auf Wiedersehen“ verabschiedeten sich die beiden. Linda blieb allein im Innenhof zurück und hörte, wie die Tür in der Mauer ins Schloss schnappte.

Sie fröstelte, inzwischen war es ziemlich kühl geworden. Sich selbst mit der Taschenlampe den Weg leuchtend, ging sie über den Hof zum Haus und klopfte an die Tür. Ein schwacher Duft von Thymian lag in der Luft, das Hundegebell war in Jaulen übergegangen. In Haus und Hof rührte sich nichts. Beherzt drückte Linda die Klinke herunter, und zu ihrer Überraschung ging die Tür tatsächlich auf. Sie leuchtete mit der Taschenlampe ins Haus und rief: „Hallo, ist hier jemand?“ Doch alles blieb still. Sie betrat den kleinen, gefliesten Vorraum und leuchtete die Wand nach einem Lichtschalter ab. Genau in dem Moment, als sie ihn gefunden und das Licht angeknipst hatte, klingelte ihr Handy. Es war Joseph, der sich nach ihr erkundigen wollte. Froh darüber, seine Stimme zu hören, berichtete sie: „Ich stehe jetzt in dem Haus, aber da ist kein Mensch!“ Joseph blieb ruhig. „Das kann schon mal vorkommen. Der Besitzer wohnt eigentlich auch dort, aber es kann gut sein, dass er noch unterwegs ist. Er selbst bewohnt das Erdgeschoss. Die Zimmer im ersten Stockwerk vermietet er. Am besten suchst du dir einfach selbst ein freies Bett.“

Der nun hell beleuchtete Vorraum ging in einen offenen Eingangsbereich über, gerade groß genug für einen Schreibtisch und ein Zitronenbäumchen im Topf. Dahinter führte eine enge Steintreppe in den ersten Stock. Ohne zu zögern, ging Linda nach oben. Vor ihr lag ein langer Flur, an dessen beiden Seiten sich mehrere Zimmertüren befanden. Sie öffnete das erstbeste Zimmer und schaltete das Licht an. Darin standen drei leere Betten, ansonsten war es spärlich eingerichtet. Linda ließ ihren Rucksack auf den Boden plumpsen, holte den Schlafsack heraus und rollte ihn auf einem der Betten aus. Ohne sich auszuziehen, kroch sie hinein. Ein letzter Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es beinahe Mitternacht war. Völlig erschöpft schlief sie ein.

Am nächsten Morgen wurde Linda von eigentümlichem, aber auch irgendwie schönem Gesang geweckt, der von draußen an ihr Ohr drang. Verschlafen blinzelte sie in das von Sonnenstrahlen durchflutete Zimmer und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Gleich darauf kam ihr schlagartig das nächtliche Abenteuer wieder in den Sinn und sie war sofort hellwach. Sie streckte sich und lauschte den ungewöhnlichen Tönen, vermutlich armenische Gesänge aus der St. Jakobus-Kathedrale, die hier ganz in der Nähe sein musste. Sie griff nach dem versilberten Davidstern-Anhänger an ihrer Halskette, den sie schon seit vielen Jahren Tag und Nacht trug. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl stieg in ihr auf. Endlich war sie tatsächlich in Israel. Heute fing ihr neues Leben an! Sie konnte es kaum abwarten, am Nachmittag in die Schule zu gehen.

Schwungvoll öffnete sie den Reißverschluss ihres Schlafsacks und hatte sich gerade aufgesetzt, als ihr einfiel, dass sie Gott noch nicht gedankt hatte. Schnell legte sie sich wieder hin, dann betete sie wie jeden Morgen vor dem Aufstehen: „Modah ani lefanecha, Melech chai wekayam, sche-he-chesarta bi nischmati b‘chemla, raba emunatecha. – Ich danke Dir, König, Lebender und immer Bestehender, dass Du mir in Barmherzigkeit meine Seele wiedergegeben hast, groß ist Deine Treue.“

Eigentlich würde direkt danach die Reinigung der Hände folgen, doch Linda hatte vor lauter Müdigkeit vor dem Zubettgehen nicht daran gedacht, die kleine Wasserkanne zu befüllen, sowie eine leere Schüssel neben ihr Bett zu stellen. Sie schlüpfte aus dem Schlafsack, kramte ihre Kanne aus dem Rucksack und ging ins Badezimmer, um dort das allmorgendliche Ritual der Händereinigung nachzuholen. Zuerst goss sie Wasser über ihre rechte Hand, dann über die linke, was sie zweimal wiederholte. Dabei sprach sie den Segensspruch: „Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König des Universums, der uns mit seinen Geboten geheiligt und geboten hat, die Hände zu waschen.“

Genau in dem Moment, als sie die Kanne am Waschbecken abstellte, fiel ihr Anhänger von der Kette und landete leise klirrend auf dem gefliesten Fußboden. Linda bückte sich, um ihn aufzuheben, doch an der Stelle, wo sie ihn vermutete, war er nicht. Mit den Augen suchte sie den ganzen Fußboden ab, konnte ihn aber nirgends finden. Sie ging auf die Knie und sah in jeder Ecke nach, doch der Anhänger war wie vom Erdboden verschluckt. Das gibt’s doch nicht, der Davidstern kann doch nicht einfach verschwinden! Ungläubig suchte sie mit den Augen noch einmal den Fußboden ab. Merkwürdig, kaum war sie in Israel, verlor sie ihren Anhänger. Schließlich zuckte sie die Schultern und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie würde eben so bald wie möglich einen neuen kaufen.

Während sie sich nach dem Duschen abtrocknete, hörte sie plötzlich von irgendwoher eine männliche Stimme. Schnell zog sie sich an und rubbelte mit dem Handtuch notdürftig die Haare trocken. Dann öffnete sie die Zimmertür und ging neugierig zur Treppe, um zu sehen, woher die Stimme kam. Unten in dem kleinen Eingangsbereich saß ein Mann mittleren Alters am Schreibtisch und telefonierte. Er hatte schwarzes, kurzgelocktes Haar und trug eine Kippa. Die Nickelbrille mit dem auffälligen knallroten Rahmen verriet Linda, dass er der Besitzer sein musste, denn genau so hatte Joseph ihn beschrieben. Sie ging die Treppe hinunter und sagte auf Hebräisch: „Boker tov! – Guten Morgen!“ Der Herbergsvater war so erstaunt, dass ihm beinahe sein Handy aus der Hand fiel. Verblüfft schaute er Linda einen Augenblick sprachlos an, dann fragte er: „Wo kommen Sie denn her?“

Nachdem Linda ihm alles erzählt hatte, lachte er. „Ach der Joseph, das ist ein guter Junge. Sehr nett von ihm, mein Haus weiterzuempfehlen. Ich habe gestern eine Jugendgruppe nach Eilat gefahren und bin erst kurz nach Mitternacht heimgekommen. Dabei habe ich ganz vergessen, dass Sie schon für gestern Abend angemeldet waren, entschuldigen Sie bitte. Aber wie ich sehe, wussten Sie sich zu helfen. Tut mir leid, dass Sie nur drei Nächte hierbleiben können. Die nächste Jugendgruppe ist leider schon seit fast einem Jahr für Donnerstag angemeldet, und dann werden alle Betten belegt sein.“

Strahlend lächelte er sie an. „Mein Name ist übrigens Avraham, aber die meisten nennen mich einfach nur Avi. Schalom! Herzlich willkommen in Israel!“

Linda ging zur Haustür hinaus und trat in den sonnendurchfluteten Innenhof. Mücken tanzten in den Sonnenstrahlen, hoch über ihr kreiste ein Mauersegler. Sie breitete die Arme aus und atmete tief ein. Die warme Frühlingsluft war von dem Duft orientalischer Kräuter erfüllt, vermischt mit dem Aroma von Weihrauch und frisch gebackenem Brot. Das Gesicht der Sonne zugewandt, schloss sie die Augen, spürte die wohltuende Wärme auf ihrer Haut und war einfach nur glücklich. Sie fühlte sich angekommen und zu Hause. Erst als ihr Magen knurrte, bemerkte sie, wie hungrig sie war. Von Joseph wusste sie, dass es in Avis Herberge kein Frühstück gab, und gepackt von Abenteuerlust lief sie beschwingt über den Hof und schlüpfte durch die Tür in der Mauer, um sich auf die Suche nach einem leckeren Frühstück zu machen. Ohne den Rucksack auf ihrem Rücken fühlte sie sich leicht und befreit. Sie lief einfach los, ließ die Altstadt hinter sich und betrat schließlich ein Café in der King-George-Straße. Als sie die Tür öffnete, schlug ihr süßlich duftende Wärme entgegen. Die Verkäuferin leerte gerade ein großes Backblech frischer Backwaren in ein Regal. Rugelach! Linda lief das Wasser im Mund zusammen. Sie kannte diese kleinen, zuckersüßen Teilchen, die vom Aussehen her an Croissants erinnerten, von ihren jüdischen Freunden aus Deutschland, in deren Familien sie oft gebacken wurden. Sie bestellte zehn Rugelach, die die Verkäuferin ihr in einer Pappschachtel überreichte, setzte sich an einen kleinen Tisch und biss genüsslich in eines der noch warmen Teilchen. Hmm! Wieder durchströmte sie dieses wundervolle Glücksgefühl. Herrlich, endlich konnte sie einfach überall koscher essen, was ihr schmeckte!

Nachdem sie das fünfte Rugelach gegessen hatte und sich gerade die Krümel mit einer Papierserviette vom Mund abwischte, rief Miriam an. Linda berichtete von ihrem nächtlichen Abenteuer, und nachdem Miriam ihren anfänglichen Schreck überwunden und sich mehrere Male vergewissert hatte, dass auch wirklich alles in Ordnung war, lachte sie sich halb kaputt. „Mensch, Linda, was dir aber auch alles passiert.“ Linda stimmte in ihr Lachen ein, woraufhin sich einige der im Café sitzenden Gäste verwundert zu ihr umdrehten. Ihre Heiterkeit war jedoch so ansteckend, dass auch sie unwillkürlich lächelten. Nachdem Miriam sich noch die genaue Adresse von Avrahams Herberge aufgeschrieben und versprochen hatte, gegen Mittag da zu sein, aß Linda genüsslich in aller Ruhe ihre fünf verbliebenen Rugelach.

Kurz nach Mittag machten die Freundinnen sich gemeinsam zu Fuß auf den Weg zur Innenstadt, um von dort die HaRakevet Hakala, die Jerusalemer Stadtbahn, zu nehmen. Unterwegs holte Linda an einem Bankautomaten Geld, dann löste sie an der Haltestelle ein Ticket. Miriam gab ihr den Tipp, sich am zentralen Busbahnhof die Rav-Kav zu besorgen, eine günstige Chipkarte zur Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, die man ganz einfach je nach Bedarf mit Guthaben aufladen konnte. Augenzwinkernd fügte sie hinzu: „Die gilt aber leider nicht für die arabischen Busse, sorry.“ Linda setzte eine enttäuschte Miene auf. „Oh, jetzt bin ich aber traurig.“ Die beiden Freundinnen brachen in Gelächter aus. Als ob sie jemals mit einem arabischen Bus fahren würden! Mit den israelischen Verkehrsmitteln hingegen würde Linda ganz sicher öfters fahren, deshalb nahm sie sich vor, bald die Rav-Kav zu besorgen.

Gleich nach Betreten der Straßenbahn hielt Miriam ihre Chipkarte an ein Lesegerät im Türbereich, woraufhin ein grünes Licht aufleuchtete. Linda tat es Miriam mit ihrer Papierfahrkarte nach und erhielt ebenfalls grünes Licht. Der Wagen war ziemlich voll, doch sie hatten Glück und ergatterten zwei freie Plätze nebeneinander. Miriam steckte ihre Rav-Kav in den Geldbeutel und fragte: „Weiß in der Schule eigentlich jemand, dass du heute kommst?“

„Ja, das habe ich schon vor ein paar Monaten mit dem Schulleiter ausgemacht. Er meinte, ich könnte heute Nachmittag gleich mit dem Unterricht anfangen.“

„In welcher Sprache wird denn da unterrichtet?“

„An der Schule gibt es zwei Programme, das eine ist ganztags auf Hebräisch für jüdische Frauen, und das andere nachmittags auf Englisch für Frauen wie mich, die zum Judentum konvertieren möchten.“

„Und du bist sicher, dass wir zur richtigen Midrascha fahren? In Jerusalem gibt es nämlich einige dieser Schulen für jüdische Studien.“

„Ja, da bin ich ganz sicher. Die Adresse, die ich dir per WhatsApp geschickt habe, war direkt aus der Mail des Rabbiners kopiert.“ Die Freundinnen sahen sich an und lachten.

Kurze Zeit später zeigte Miriam auf ein mehrstöckiges Gebäude direkt an der Straße. „Das ist die Midrascha!“ Linda erhaschte im Vorbeifahren gerade noch einen Blick darauf, und ihr Herz schlug vor Aufregung höher. Das also war ihre neue Schule!