Eselmädchen - Wiebke Tillenburg - E-Book

Eselmädchen E-Book

Wiebke Tillenburg

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Beschreibung

In einer Welt, in der den Menschen die Fähigkeit geraubt wurde, ihre Wut zu beherrschen, erhält ein Junge die Chance, sie vor ihrem Untergang zu bewahren. Doch der Zeitpunkt ist ungünstig. Denn inzwischen hat er selbst alles verloren, was ihm einst Halt und Hoffnung bot. Ein philosophisches Fantasymärchen, jenseits aller Hoffnung für die Menschheit.

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Wiebke Tillenburg, geboren 1989, wuchs in Aachen auf und studierte irgendwas mit Germanistik und Geschichte. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Koblenz und versteckt sich zwischen Buchdeckeln, um dort weiße Seiten mit bunten Ideen zu füllen.

Nebst der Beteiligung an verschiedenen Anthologien, veröffentlichte sie zuletzt 2017 zwei ihrer Kurzgeschichten in »Sehnsuchtsfluchten«.

www.wiebke-tillenburg.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

Epilog

Vorwort

Werte Leserin, werter Leser,

bevor ich Sie in dieses Märchen eintauchen lasse, möchte ich darauf hinweisen, dass es sich hier keinesfalls um eine Kindergeschichte handelt! Obwohl der Titel sehr freundlich klingt, ist es die Geschichte an vielen Stellen nicht.

Die Idee zu diesem Märchen basiert auf der Ideenlehre Platons. Hierbei habe ich auf das Konzept der Ideenwelt und der dort befindlichen Abbilder zurückgegriffen. Im Detail weicht die Geschichte jedoch stark von der Theorie ab.

Zu Zeit und Raum der Handlung sei gesagt, dass die Atmosphäre der Geschichte an die 1930er bis 1940er Jahre irgendwo in Westeuropa angelehnt ist. Allerdings besteht in diesem Fall kein direkter historischer Bezug und dieses Märchen erhebt keinen Anspruch darauf, die Realität abzubilden. Das Buch verärgert, verwirrt und regt im besten Fall zum Nachdenken an.

Sie werden an Textstellen geraten, bei denen Sie sich fragen, was ich mir bei alldem gedacht habe. Lassen Sie sich gesagt sein, dass ich mir etwas gedacht habe. Doch ich möchte Sie an dieser Stelle bitten, sich Ihre eigenen Gedanken zu machen. Sicherlich entdecken Sie etwas, das mir selbst entgangen ist.

Prolog

Die kleine Hand zur Faust geballt, hielt das Mädchen den zierlichen Schatz fest umschlossen. Atemlos erreichte sie ihr Zimmer und blickte sich hektisch in dem kargen Raum um. Wo sollte sie ihn verstecken? Noch nie hatte sie solche Angst gehabt. Alle ihre üblichen Verstecke waren nutzlos, ihre Schwester kannte sie längst. Sie musste ein neues suchen, nur für diesen besonderen Schatz. Nein, das würde zu lange dauern! Ihre Schwester tauchte sicherlich gleich hier auf und forderte, dass sie es zurückbrachte.

Ohne sich umzusehen, war sie nach Hause gerannt. Was war mit ihrer Schwester geschehen? Warum war sie nicht gleich hinter ihr? Sie hatte fest damit gerechnet, dass die Ältere sie noch auf der Wiese einholen würde. Sonst war sie schneller mit ihren längeren Beinen. Ob die Stimmen sie am Ende dort behalten hatten? Zum Glück waren sie aus ihrem eigenen Kopf verschwunden, sobald sie wieder im Wald war.

Das Mädchen grübelte noch darüber, ob die Stimmen ihrer großen Schwester etwas angetan hatten, als auf der Treppe Schritte zu hören waren. Erschrocken fiel ihr wieder der Schatz ein, für den sie immer noch kein richtiges Versteck gefunden hatte. Eilig steckte sie ihn in den Ärmel ihres Kleides. Ein Glück, dass er so flach war. Schnell versicherte sie sich, dass man von außen nichts erkennen konnte und setzte sich dann auf das ordentlich gemachte Bett. Mit ernstem Kindergesicht erwartete sie die große Schwester, die im nächsten Augenblick auf der Türschwelle erschien. »Ich gebe es nicht her! Es ist mein Schatz und ich habe ihn sicher versteckt. Du wirst ihn niemals finden«, rief die Kleine trotzig.

Überraschenderweise lächelte die Große, während sie zu ihr trat, sie fest in die Arme schloss und flüsterte: »Ich werde dich immer lieb haben.«

Dann reichte sie ihr einen Apfel, der aussah wie aus einem Bilderbuch und verließ wortlos das Zimmer.

***

Das Mädchen hüpfte fröhlich auf mich zu. Wirres Haar umrahmte ihr Gesicht in fettigen Strähnen. Sie trug einen altmodischen, nicht besonders sauberen Kittel und machte insgesamt einen verwahrlosten Eindruck. Alles in mir schrie danach, mich abzuwenden und nach Hause zu gehen. Es war nicht mehr weit. Wenn ich rannte, wäre ich bereits an unserem Gartentor, sobald das Mädchen den Zaun erreichte. Doch dann dachte ich an den Vorfall in der Schule und daran, dass meine Hose immer noch nicht gänzlich getrocknet war. Ich bildete mir ein, dass ein unangenehmer Geruch von mir ausging und kam zu dem Schluss, dass ich mich nicht in der Lage befand, oberflächliche Urteile zu fällen. Außerdem war ich zu neugierig, um mich ein weiteres Mal abzuwenden.

Alle Zweifel verschwanden, als das Eselmädchen vor mir stand. Ihr Lächeln war herzlich und so einnehmend, dass ich sie erstaunt und etwas unhöflich anstarrte. Sie wirkte auf einmal nicht mehr abstoßend, sondern strahlend. Ich wollte mein aufdringliches Starren durch eine höfliche Begrüßung ausgleichen, doch sie kam mir zuvor: »Möchtest du heute gar nicht eilig an meiner Wiese vorbeilaufen und so tun, als würdest du uns nicht sehen?«

Ihre Frage ließ mich augenblicklich erröten. »Ich muss pünktlich zu Hause sein, zum Essen«, versuchte ich zu erklären, bewegte mich jedoch nicht vom Fleck.

Das Mädchen lächelte immer noch. »Komm, ich stell dich den Eseln vor und dann kannst du bei uns pünktlich zum Essen sein.«

Zu meiner eigenen Überraschung kletterte ich widerspruchslos über den Holzzaun und folgte ihr über die weitläufige Wiese zu einer Gruppe Esel, die im Schatten des Waldes graste. Sie winkte mich ungeduldig zu einem sehr großen Braunen, mit hängenden Ohren und grauen Stellen im struppigen Fell. Er sah erbärmlich aus.

»Wir müssen dich zuerst Oheim vorstellen. Er ist der Älteste und du darfst uns nur besuchen, wenn er dich mag«, erklärte das Mädchen, als sei es selbstverständlich, dass ich zunächst bei einem alten Esel vorsprechen musste.

Verwirrt trat ich an das gebrechlich wirkende Tier heran. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Versuchsweise hielt ich ihm eine Hand hin, damit er mich beschnuppern konnte. Er beachtete sie nicht und graste friedlich weiter. Neben mir schüttelte sich das Mädchen vor Lachen. Von dem glockenhellen Gelächter aufgeschreckt, hob der Esel den Kopf und sah mich unverwandt an. Ich stolperte erschrocken zurück, als mich sein Kastanienblick traf.

Das war nicht der Blick eines Tieres. Aus diesen Augen sprachen Weisheit, Verständnis und eine abschätzige Kälte, die mich schaudern ließ. Oheim blickte geradewegs in meine Seele, als versuchte er herauszufinden, was mich im Innersten bewegte. Ich glaubte mich für Stunden in Oheims Blick gefangen, obwohl der Augenblick schnell verging. So plötzlich, wie Oheim den Kopf gehoben hatte, ließ er ihn wieder sinken und widmete sich mit solcher Hingabe dem Grasen, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.

»Er mag dich«, sagte das Mädchen und zog mich am Arm mit sich.

Ich bezweifelte das. »Woher weißt du das?«

»Oheim macht keine großen Worte. Wenn er dich nicht gemocht hätte, wäre er auf dich losgegangen«, sagte es leichthin. »Bist du hungrig?«

»Ja«, antwortete ich, ohne darüber nachzudenken, ob soviel Ehrlichkeit vielleicht unhöflich war. Eigentlich wollte ich weg von diesem merkwürdigen Mädchen, das alle nur das Eselmädchen nannten, und weg von dem alten Esel mit seinem durchdringenden Blick. Doch die Neugierde behielt die Oberhand. Außerdem musste ich mir eingestehen, dass ich das Eselmädchen mochte.

Also folgte ich ihr ein Stück am Waldrand entlang, bis wir eine kleine Hütte erreichten, die zwar alt, aber in gutem Zustand war. Sie war aus groben Brettern gezimmert und ihre Fensterrahmen waren in einem freundlichen Rot gestrichen. Vor dem Haus befand sich ein massiver Tisch mit zwei Baumstämmen, die als Bänke dienten. Das Mädchen betrat die unverschlossene Hütte und zog mich ebenfalls über die Türschwelle. Meine Augen mussten sich nach der sonnenbeschienenen Weide erst an das Zwielicht im Innern gewöhnen. Ich erkannte, dass der Innenraum größer war, als die Hütte von außen vermuten ließ. Hier befand sich eine altmodische Feuerstelle, darauf ein verbeulter Kessel, daneben ein stabiles Regal, in dem sich allerlei Geschirr und Vorräte stapelten. Außerdem gab es in der Mitte des Zimmers einen weiteren Tisch und einige Stühle. In der entlegensten Ecke des großen Raumes konnte ich ein wuchtiges Gebilde ausmachen, das ein Bett sein mochte.

Das Mädchen schob mich auf einen Stuhl und ging hinüber zur Feuerstelle, wo es mit zwei Tellern und einer großen Suppenkelle hantierte. Nach einigem Geklapper kehrte sie mit den dampfenden Tellern und einigen Scheiben Brot zurück. Es duftete verlockend. Ohne zu zögern begann ich, den dickflüssigen Eintopf in mich hineinzulöffeln. Er enthielt viel Gemüse und Stücke einer stark geräucherten Wurst. Es schmeckte großartig.

Zuhause gab es nur selten Fleisch und Mutters Eintopf bestand zum größten Teil aus Kartoffeln und Karotten, die wir ohne Weiteres im Garten anbauen konnten. Zunächst zögerte ich, von dem Brot zu essen, es war ganz dunkel und sah angetrocknet aus. Doch es schmeckte sehr gut, ganz anders als das weiche, weiße Brot, das ich von Zuhause kannte.

Wir aßen schweigend. Als mein erster Hunger gestillt war und ich mich wohler fühlte, fiel mir wieder ein, was ich mich schon die ganze Zeit fragte: »Lebst du hier ganz alleine?«

»Nein«, antwortete sie überrascht. »Oheim und die anderen sind doch bei mir.«

Ihre Antwort verwirrte mich. »Ja, aber außer ihnen. Hast du keine Familie?«

»Sie sind meine Familie. Ich brauche sonst niemanden.« Die Worte klangen kühl. Ich las in ihrem Gesicht, dass mehr dahinter steckte.