Essex Dogs - Dan Jones - E-Book

Essex Dogs E-Book

Dan Jones

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Beschreibung

Juli 1346: Zehn Söldner gehen an der Küste der Normandie an Land und sichern als Vorhut die Flotte des englischen Königs. Der Krieg um den französischen Thron beginnt. Für die Essex Dogs wird es ein Kampf ums Überleben, um Zusammenhalt, gegen die Gespenster der Vergangenheit, während das Heer mordend und brandschatzend der großen Schlacht bei Crécy entgegenzieht. Dan Jones hat mit den Essex Dogs zehn starke Charaktere geschaffen, die uns den Hundertjährigen Krieg hautnah miterleben lassen – von ganz unten, wo Schlamm, Blut, Hunger, Angst und unstillbare Sehnsucht herrschen, wo die Mächtigen als skrupellose, lächerliche Gestalten erscheinen und an jeder Ecke Gefahr lauert. Pismire ist klein und kann überall durchschlüpfen. Scotsman, der Größte, kann Wände einreißen. Der Steinmetz Millstone ist zu allem bereit, um die anderen zu beschützen. Für den abgedrehten Priester Father ist der Krieg zum Lebenselixier geworden. Romford, der Jüngste, kann gut mit dem Bogen schießen, wird aber zum Pagendienst beim ebenfalls erst sechzehn Jahre alten Prinzen von Wales abkommandiert. Und Loveday, der kampferprobte Anführer, der seine Dogs heil nach England zurückbringen will, begegnet einer mysteriösen Frau, die ihn nicht mehr loslässt …

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Dan Jones

ESSEX DOGS

Roman

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Wolfram Ströle

C.H.Beck

Zum Buch

Juli 1346: Zehn Söldner gehen an der Küste der Normandie an Land und sichern als Vorhut die Flotte des englischen Königs. Der Krieg um den französischen Thron beginnt. Für die Essex Dogs wird es ein Kampf ums Überleben, um Zusammenhalt, gegen die Gespenster der Vergangenheit, während das Heer mordend und brandschatzend der großen Schlacht bei Crécy entgegenzieht.

Pismire ist klein und kann überall durchschlüpfen. Scotsman, der größte, kann Wände einreißen. Der Steinmetz Millstone ist zu allem bereit, um die anderen zu beschützen. Für den abgedrehten Priester Father ist der Krieg zum Lebenselixier geworden. Romford, der jüngste, kann gut mit dem Bogen schießen, wird aber zum Pagendienst beim ebenfalls erst sechzehn Jahre alten Prinzen von Wales abkommandiert. Und Loveday, der kampferprobte Anführer, der seine Dogs heil nach England zurückbringen will, begegnet einer mysteriösen Frau, die ihn nicht mehr loslässt … Dan Jones hat mit den Essex Dogs zehn starke Charaktere geschaffen, die uns den Hundertjährigen Krieg hautnah miterleben lassen – von ganz unten, wo Schlamm, Blut, Hunger, Angst und unstillbare Sehnsucht herrschen, wo die Mächtigen als skrupellose, lächerliche Gestalten erscheinen und an jeder Ecke Gefahr lauert.

Über den Autor und die Übersetzer

Dan Jones, Historiker und Journalist, wurde in Großbritannien und den USA durch historische Bestseller, Podcasts und Fernsehdokumentationen zur Geschichte des Mittelalters bekannt. Mit der Essex-Dogs-Trilogie gibt er sein Debut als Autor historischer Romane. Bei C.H.Beck erschien von ihm zuletzt «Mächte und Throne. Eine neue Geschichte des Mittelalters» (2023).

Heike Schlatterer, Amerikanistin und Historikerin, übersetzt historische Sachbücher und erzählende Literatur u.a. von Ibram X. Kendi, Naomi Klein, Robin Lane Fox, Jaron Lanier, Kathy Reichs und Paul Theroux.

Wolfram Ströle, Anglist und Historiker, übersetzt vor allem erzählende Literatur u.a. von Chris Bradford, Stephenie Meyer, Philip Pullman, Arundhaty Roy und Michael Sullivan. Er wurde u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

Inhalt

TEIL 1: WASSER – 12.–19. Juli 1346

1

2

3

4

5

6

7

8

9

TEIL 2: FEUER – 2.–26. Juli 1346

10

11

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TEIL 3: BLUT – 31. Juli–26. August 1346

19

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Epilog

Anmerkung des Autors

Lektüreempfehlungen

Für Violet

… und nichts blieb vom Feuer verschont.

CHRONIK DES GEOFFREY LE BAKER

TEIL 1

WASSER

12.–19. Juli 1346

1

Hiermit teile ich Euch mit, dass wir am 12. Juli wohlbehalten in einem Hafen mit Namen La Hougue bei Barfleur in der Normandie gelandet sind … es gingen viele Ritter gleichzeitig an Land … Bei mehreren Gelegenheiten besiegte unsere Handvoll Männer zahlreiche Feinde …

Brief des Kanzlers von St. Paul an Freunde in London

Herrgott noch mal, wach auf!»

Ruckartig hob «Loveday» FitzTalbot den Kopf. Father hatte ihm seinen spitzen Ellbogen in die Rippen gestoßen. Trotz der kalten, salzigen Gischt, die ihm ins Gesicht peitschte, hatte das Schaukeln des Landungsboots ihn einen Moment lang in den Schlaf gelullt. Er hatte geträumt, er sei zu Hause.

War er nicht, wie er sah, als er die Augen wieder geöffnet hatte. Sie waren immer noch hier, auf dem Meer. So weit von zu Hause entfernt wie nie zuvor. Und die Entfernung wuchs mit jeder Sekunde.

Zu zehnt drängten sie sich auf der kleinen Pinasse: er selbst hinten am Steuerruder, Millstone, Scotsman und Pismire vorn, der Priester, den sie Father nannten, neben ihm am Heck und die Bogenschützen Tebbe, Romford und Thorp dazwischen. Zwei weitere Schützen, Brüder aus Wales, die ihnen am Vorabend ihrer Abfahrt von Portsmouth an Bord der Kogge Saintmarie noch zugeteilt worden waren, betätigten die Ruder.

Loveday ließ den Blick über den Horizont wandern. Die Normandie, Frankreich. Soweit er sich erinnerte, hatten nur er und der Schotte je die englischen Gewässer verlassen. Und auch sie kannten die Küste nicht, die in einer halben Meile Entfernung dunkelgrau, fast schwarz, in der Dämmerung aufragte. Dazu kam, dass die Befehle für die Saintmarie, die Sir Robert le Straunge ausgegeben hatte, beunruhigend vage waren. Sie sollten nur den Strand hinaufstürmen und jedem Franzosen, der ihnen in die Quere kam, die haarigen Eier abschneiden.

Auf Lovedays Frage, ob Sir Robert sowie die hohen Herren und der König über ihm wüssten, wie viele Franzosen denn in etwa mit gespannten Armbrüsten, angelegten Lanzen, intakten Eiern und der Hoffnung, diese auch zu behalten, am Strand auf sie warteten, hatte Sir Robert mit einer unbekümmerten Handbewegung geantwortet, es seien schon genug, dass alle ihren Spaß haben könnten. Er habe das direkt vom Marschall der Armee, Lord Warwick, und der wiederum habe es von König Edward persönlich. Adlige und Rittersleute. Leute, die es am besten wussten.

Wenn ich meinen Spaß haben wollte, dachte Loveday, wäre ich zu Hause in Essex geblieben, würde im Wirtshaus bei Colchester beim Würfeln sitzen und für einen Penny die Nacht den Kopf zwischen die Schenkel von Gilda stecken, dem Mädel der Schankwirtin.

Doch er hatte sich nicht mit Sir Robert angelegt. Der Mann war ein Dummkopf, aber der Dummkopf hatte sie für den anstehenden Feldzug rekrutiert. Und würde ihnen den Sold für die kommenden vierzig Tage zahlen. Die Dogs verliehen ihre Schwert- und Bogenarme an jeden, der sie dafür bezahlte – und für jede Tätigkeit, die rohe Gewalt und scharfen Stahl erforderte. In diesem Sommer war das der Krieg. Sir Roberts Werber hatten versichert, dass er pünktlich zahle und sich ansonsten nicht übermäßig einmische. Aufgrund langer Erfahrung wusste Loveday, dass andere Zahlmeister da strenger waren.

Und so war er jetzt hier: dreiundvierzig Sommer alt, noch gesund und kräftig, aber an den Schläfen bereits grau, mit erschlaffender Körpermitte und beginnenden Gelenkschmerzen. Zusammen mit seinen Gefährten, den Essex Dogs, wie sie genannt wurden. Einige tatsächlich aus Essex und alle voller Tatendrang. Im Morgengrauen in einer kleinen Pinasse zusammengedrängt und auf dem Weg zu einem Strand in Frankreich.

Die größte Invasion des Königs in Frankreich mit tausend Schiffen und fünfzehntausend Kämpfern an Bord nahm gerade ihren Anfang. Die Essex Dogs standen in vorderster Reihe. Und Loveday hatte nur einen Wunsch, denselben wie immer. Dass sie alle zusammen lebendig und mit Geld nach Hause zurückkehrten.

Am Bug übergab sich der stiernackige Steinmetz Gilbert «Millstone» Attecliffe ins Meer. Seekrank, dachte Loveday, denn Angst hatte der nicht. Millstone hatte selten Angst – manchmal zu selten. Loveday kannte ihn seit sieben Jahren. So lange war es her, dass der sanftmütige Koloss aus Kent in der Kathedrale von Rochester einem Vorarbeiter den Schädel eingeschlagen hatte, um einen Streit über den Bau des neuen Turms zu beenden, und sein Handwerk für das Plündern und Kämpfen an den Nagel hängte.

In dieser ganzen Zeit hatte Loveday kein einziges unbeherrschtes Wort von Millstone gehört, und nie hatte er ihn auch nur einen Schritt zurückweichen sehen – eine Haltung, die ihn manchmal ängstigte.

Aber das war jetzt seine geringste Sorge. Während die Brüder aus Wales sich in die Ruder legten, versuchte er, den Bug des Landungsboots so zu steuern, dass es mit der Flut auf den Strand getrieben wurde. Er spürte, wie eine starke Strömung sie nach Norden zog, zum höchsten Punkt der Steilküste.

Wenn ich die Verteidigung organisieren müsste, würde ich die Armbrustschützen genau dort positionieren.

Er wies seine Männer an, die Köpfe einzuziehen und das Ufer im Blick zu behalten. Zugleich versuchte er, an den Wellen, die sich vor ihnen brachen, zu erkennen, ob das Wasser schon so flach war, dass sie über Bord springen und die Pinasse den Strand hinaufziehen konnten. Die Bootsführer des anderen halben Dutzends Boote, die neben ihnen mit derselben Strömung kämpften, stellten ziemlich sicher die gleichen Überlegungen an.

Sein Mund war trocken. Er blickte zum trächtigen Rumpf der Saintmarie zurück und zu den vielen anderen Koggen, die neben ihr ankerten. In ihren Bäuchen stampften und schnaubten die dort seit zwei Tagen und Nächten angebundenen Pferde, wälzten sich Ritter und Waffenknechte auf ihren Strohlagern. Während die Bogenschützen und Fußsoldaten mit schmerzenden Gliedern in der Kälte auf dem nassen Deck lagen.

Loveday zog den Stöpsel aus seiner ledernen Feldflasche und nahm einen tiefen Schluck Bier. Es war stark gewürzt und ziemlich nah am Umkippen. Er rülpste und schmeckte Salbei, gab die Flasche an Father weiter. Dann feuerte er seine Dogs zuversichtlicher, als ihm tatsächlich zumute war, mit dem Schlachtruf eines Spaniers an, den er vor vielen Jahren in London kennengelernt hatte. Der Spanier, ein dunkelhäutiger Kerl, der gegen die Sarazenen gekämpft und davon eine lange Narbe vom Scheitel bis zum Kinn davongetragen hatte, hatte in einer Londoner Schenke den Sold eines Feldzugs vertrunken.

«Desperta ferro!» Erwache, Eisen!

Kaum hatte Loveday das ausgerufen, da durchschnitt eine Salve von Armbrustbolzen die Luft. Auf der Steilküste zu ihrer Rechten brannte plötzlich ein Feuer. Und er hörte die Schreie der Franzosen über ihnen. Jetzt waren sie auch zu sehen – allem Anschein nach eine größere Truppe. Sie schwenkten johlend ihre Armbrüste, und einer zeigte ihnen nach schottischer Manier seinen nackten Hintern.

Ihr Boot war nur noch knapp hundert Fuß vom Strand entfernt. Loveday brüllte, die Waliser sollten um ihr Leben rudern. Der Größere der beiden nickte und murmelte etwas in seiner eigenen Sprache, dann verdoppelten sie ihre Anstrengungen. Ein Ruck ging durch das Boot, und es machte einen Satz nach vorn wie eine von der Leine gelassene Bulldogge.

Während die anderen hastig nach Eisenhelmen und Lederkappen griffen, hörte Loveday von links angstvolle und verzweifelte Schreie. Das Nachbarboot war auf einen unter der Wasseroberfläche verborgenen Felsen aufgelaufen. Die Besatzung, ein Dutzend Waffenknechte und Schützen, sprang ins Wasser, während das Boot sank wie ein Schweinswal, der nach einem Tintenfisch taucht. Nur vier Männer tauchten wieder auf, alle Schützen, die wie wild mit den Armen auf das Wasser einschlugen, um ans Ufer zu kommen. Die anderen hatten vermutlich nie schwimmen gelernt oder wurden vom Gewicht ihres Gepäcks und ihrer Rüstungen auf den Meeresboden gedrückt.

Während Boot und Mannschaft in den Wellen versanken, kam vom Steilhang eine Salve riesiger Steinbrocken geflogen. «Katapulte!», schrie Millstone am Bug. In derselben Sekunde wurde vor den Augen der Dogs einer der im Wasser strampelnden Schützen von einem Stein so groß wie ein Amboss getroffen. Der Schädel platzte auf, und das Wasser um ihn herum färbte sich dunkel.

Weitere Armbrustbolzen flogen über sie hinweg – zwei davon schlugen in die Seite der Pinasse, ein dritter zischte so dicht an Lovedays Nase vorbei, dass er den Luftzug spürte. Er versuchte, ruhig zu atmen, und sagte sich, dass er Ähnliches schon erlebt und auch überlebt hatte. Aber er spürte, wie ihm trotz der Kälte der Schweiß den Rücken hinunterrann.

Vor ihm richteten sich Tebbe, Romford und Thorp auf, um Pfeile einzulegen und das Feuer zu erwidern. Sie sollten unten bleiben, brüllte Loveday. Tebbe duckte sich wieder, der Schotte drehte sich um, legte Romford und Thorp seine Pranken auf die Schultern und drückte sie zu Boden.

Die Waliser ruderten unterdessen unverdrossen weiter, und schließlich knallte das Boot, nachdem eine sich brechende Welle es noch einmal hochgehoben hatte, mit einem dumpfen Schlag auf den harten Sand. Der Aufprall nahm Loveday den Atem, dann hörte er Pismire vom Bug rufen, sie sollten ins Wasser springen und das Boot auf den Strand ziehen.

Wie von Gottes Hand hochgezogen stand er plötzlich wieder, nahm sein Schwert und hievte sich über die Seite der Pinasse ins Salzwasser. Die Kälte verschlug ihm ein zweites Mal den Atem. Seine Kleider sogen sich voll, die Wolle klebte eisig an seinen Schenkeln, sein Lederwams wurde so schwer wie ein Kettenhemd. Doch dann spürte er festen Boden unter den Füßen und begann, Befehle zu brüllen. Millstone und Scotsman standen hinter der Pinasse und schoben, die drei Schützen zogen am Bug – alle fünf im selben Rhythmus. Und wenn von den Felsen über ihnen eine neue Salve von Bolzen und Steinen herunterregnete, ließen sie sich ins flache Wasser fallen.

Fünfzig Schritt vor ihnen lag am Fuß der steilsten Klippe der verrottete Rumpf eines Fischerboots. Die zerbrochenen Spanten glänzten wie das Gerippe eines Wals.

«Rüber zum Wrack – in Deckung!», schrie Loveday Pismire und Father zu.

Die Köpfe tief zwischen die Schultern gezogen, rannten sie den Strand hinauf. Der Rock des Priesters aus grobem grauen Tuch war durchnässt und schleifte über den Sand. Sie schlüpften hinter die stinkenden Planken des Bootsgerippes und warfen sich keuchend auf den Sand. Inzwischen waren sie so dicht an den Klippen, dass die Geschosse von oben über ihre Köpfe und die anderen anlandenden Boote hinwegflogen.

Loveday stützte sich auf die Ellbogen und wischte sich das Salzwasser aus den brennenden Augen. Er spuckte Blut aus und tastete mit der Zunge seine Zähne ab. Sie waren alle noch da. Offenbar hatte er sich in die Wange gebissen. Er nahm wieder den Strand in den Blick.

Entgegen seinen Bedenken hatte die Strömung sie immerhin so weit den Strand hochgetrieben, dass sie nach der Landung nur wenige Schritte bis zur Deckung brauchten. Die drei Schützen hatten die Pinasse inzwischen mithilfe von Millstone und Scotsman auf den Strand gezogen, waren dahinter in Deckung gegangen und warteten auf den geeigneten Moment, um zum Steilhang zu rennen. Die beiden Waliser duckten sich hinter einem kleinen Felsvorsprung in der Nähe. Loveday nickte dem Größeren der beiden zu, der blond war und Lyntyn hieß. Lyntyn nickte zurück.

Nacheinander rannten Millstone, Scotsman, Tebbe, Romford und Thorp von der Pinasse zum Wrack – geduckt oder auf allen vieren wie die Affen. Loveday nahm sie in Empfang. Das Mantra ihres alten Anführers, Captain hatten sie ihn genannt, hatte er immer noch im Ohr: Begrabt eure Toten. Lasst keinen lebenden Mann zurück.

Die Dogs waren vollzählig. Sie fluchten, spuckten aus und suchten sich nach Wunden ab. Loveday sah, wie ein Waffenknecht aus einem anderen Boot den Strand hinaufrannte. Er wurde von zwei Bolzen getroffen – in die Seite und in den Hals. Blut spritzte, und der Mann sank mit ungläubig aufgerissenen Augen auf die Knie, bevor ein dritter Bolzen eines Scharfschützen von oben ihn ins Gesicht traf und seine rechte Wange durchbohrte. Er fiel zur Seite, blieb im Sand liegen und stand nicht wieder auf.

«Möge Gott seiner Seele gnädig sein», sagte Tebbe, der groß war und hager, der schlaksigste der drei englischen Schützen. Seine langen Haare hatte er zu einem festen Zopf gebunden, der ihm halb über den Rücken reichte.

«Gott wird die Seinen erkennen», sagte Father. Er nahm einen tiefen Schluck aus Lovedays Flasche, die er vom Landungsboot mitgebracht hatte. Dann reckte er den Hals und blickte zum oberen Rand der Felsen hinauf, wo die Armbrustschützen und Katapulte postiert waren. Er nahm noch einen Schluck und wischte sich den Mund mit der Hand ab.

«Lass uns da raufgehen und die verdammten Franzmänner umlegen.»

Auf dem Bauch liegend sahen sie sich um und versuchten sich zu orientieren. Loveday robbte zu Millstone, Pismire und Scotsman, seinen drei erfahrensten Männern. Pismire zeigte auf einen steilen, in den Fels eingeschnittenen Pfad etwa hundert Schritt vom Bootswrack entfernt. «Dort führt ein Weg hinauf.» Er wies zum oberen Rand der Klippen.

Loveday war nicht zum ersten Mal für Pismires scharfen Blick in heiklen Situationen dankbar. Er nickte. «Gut. Wie gehen wir vor?»

«Möglichst einfach», sagte Pismire. «Wir pirschen uns von hinten ran, schneiden ihnen die Kehle durch und rammen ihnen ihre Armbrüste mit dem Bügel voraus in den Arsch.»

Loveday sah die beiden anderen an. Der Schotte nickte, Millstone zuckte mit den Schultern. Auf seiner anderen Seite stach Father erregt mit seinem Messer auf den schmutzigen Sand ein.

Vom Strand kam ohrenbetäubender Lärm. Eine weitere vom oberen Klippenrand abgeschossene Salve von Steinen hatte ein Boot getroffen, das gerade aus der Brandung gezogen wurde. Die Schützen, die es zogen, stoben auseinander. Einem Jungen von höchstens fünfzehn Sommern wurde das Bein zertrümmert. Schreiend brach er zusammen. Weiße Knochensplitter stachen durch sein rosafarbenes Fleisch. Während er sich am Boden wand, gingen seine Kameraden zitternd hinter ihrem halb auf dem Strand liegenden Boot in Deckung.

Loveday holte tief Luft. Er fasste Pismire am Arm.

«Sehr gut», sagte er. «So machen wir’s. Aber lass uns zuerst herausfinden, was da oben los ist. Du gehst mit Scotsman, nimm auch Tebbe und Thorp mit. Findet heraus, wie viele es sind. Wenn ihr sie ein wenig herumscheuchen könnt, macht das. Aber wenn nicht, schick einen Mann zurück, um Verstärkung zu holen. Und warte auf uns.»

Pismire nickte. Loveday blickte sich um und überlegte. «Nimm auch Father mit.» Father nahm einen letzten Schluck aus Lovedays Flasche und warf sie ihm zu. Er grinste mordlustig und zeigte seine braunen Zähne.

Pismire sah Loveday mit hochgezogenen Augenbrauen an. Früher hatte er Father vertraut, aber in den letzten Jahren war sein Vertrauen geschwunden. Er musterte den alten Priester. «Du gaffst wie das Höllenmaul.»

«Um dich an deine Sünden zu erinnern», sagte Father.

Tebbe und Thorp überprüften ihre Pfeiltaschen. Der jüngste Schütze, Romford, zog Loveday am Ärmel. «Ich will auch mit.»

«Du bleibst hier, Junge», erwiderte Loveday. «Ich brauche dich. Die Franzosen könnten uns auf dem Strand angreifen. Wir brauchen mindestens einen Bogenschützen zur Deckung.» Romford zog einen Flunsch. Aber er beschwerte sich nicht.

Der Junge mit dem zertrümmerten Bein schrie immer noch. Loveday drehte sich weg und nickte Pismire zu. «Viel Glück», sagte er. «Und pass auf, dass ihr alle zurückkommt. Denk dran, was der Captain …»

Pismire verdrehte die Augen. Er ließ sich nur ungern an den Captain erinnern, genauso wie er sich nur ungern um Father kümmerte. «Gehen wir», sagte er zu Scotsman, Father, Tebbe und Thorp. Die fünf warteten eine Pause des Sperrfeuers von oben ab, dann rannten sie geduckt den Fuß des Steilhangs lang zu dem Pfad.

Loveday, Millstone und Romford sahen ihnen nach. Loveday fuhr sich mit der Hand über den Kopf und drückte Wasser aus seinem schütteren, strähnigen Haar. Dasselbe machte er mit seinem Bart. Er blickte zu den Felsen hinüber, hinter denen die Waliser in Deckung gegangen waren.

Die Brüder waren nicht mehr zu sehen.

Pismire lotste seine Leute den steilen Pfad hinauf. Sie krochen auf dem Bauch wie Schlangen und nutzten das hohe Gras als Deckung. Pismire hatte keine Mühe, sich zu verstecken. Er war der kleinste der Dogs, stämmig und drahtig, mit kurzen schwarzen Haaren. Seit seinem zwölften Namenstag war er kaum noch gewachsen. Die Kinder im Dorf hatten ihm seinen Spitznamen «Pismire» gegeben, so nannten sie die kleinen, bissigen Ameisen, die sie immer plagten, wenn sie an Feiertagen auf den Feldern spielten. Er ähnelte den kleinen Geschöpfen sowohl von der Größe her wie vom Temperament: Man bemerkte ihn kaum – bis er seine scharfen Zähne in einen schlug.

Sie näherten sich dem oberen Ende des Pfads, und es zeigte sich, dass Pismire mit seiner Vermutung recht gehabt hatte. Der sandige, mit Gestrüpp überwucherte Weg führte sie von hinten zum oberen Rand der Klippen. Sie hielten sich geduckt und hoben die Köpfe nur ein wenig, um das Gelände überblicken zu können, das sich um sie öffnete.

Sie konnten kaum glauben, was sie sahen. Pismire war aufgrund des starken Beschusses der ersten Landungsboote mit Steinen und Bolzen davon ausgegangen, dass hier oben eine größere Truppe von Verteidigern lagerte, alle in den leuchtend blauen Waffenröcken des französischen Königs Philippe mit den goldenen Lilien: Lanzen schwenkende Ritter, Waffenknechte mit Schwertern und Reihen von Armbrustschützen, die jeden niederstreckten, der so dumm war wie sie, den Kopf aus der Deckung zu recken.

Stattdessen sahen sie vor allem menschenleere Wiesen. Die einzigen Verteidiger in Sichtweite bestanden aus einem Trupp von Männern an der höchsten Stelle, etwa dreihundert Schritt rechts von ihnen, die drei kleine Katapulte und etwa zwanzig Armbrüste bedienten. Sie waren nur leicht gepanzert, kein Einziger trug eine Rüstung aus dicken Metallplatten. Gekleidet waren sie fast genauso wie die Dogs, in Umhänge aus robustem Tuch oder Leder, gepolstert mit Pferdehaar, gelegentlich trug einer ein Kettenhemd. Einige Armbrustschützen hatten einfache Helme ohne Visiere.

Ihr Vorteil lag in ihrer Stellung, dachte Pismire. Aber sie waren höchstens zwei Dutzend und eigentlich nur für den Fernkampf ausgerüstet. Er sah Scotsman an, und der erwiderte seinen Blick. Sie kämpften schon lange zusammen und wussten, dass sie dasselbe dachten.

«Bringen wir sie zum Tanzen», sagte der Schotte. Sie blickten hinter sich. Father kicherte in sich hinein und drückte das Becken auf den groben Sand des Pfads. Tebbe und Thorp warteten auf Anweisungen.

Pismire winkte sie stumm weiter. Er hatte zwischen dem dornigen, mit kleinen gelben Blüten bedeckten Gesträuch, das eine tiefe Rinne im Felsen säumte, einen Weg ausfindig gemacht. Die Bogenschützen schickte er nach rechts, am Rand der Klippen entlang. Anschließend kroch er mit dem Schotten und Father nach links, landeinwärts, zu dem Weg, auf dem die Franzosen gekommen waren. Das Gras war von ihren Stiefeln und den darüber gezogenen Steinschleudern noch platt gedrückt.

Sie kauerten sich in eine Senke. Pismire sah zu, wie auch Tebbe und Thorp in Position gingen. Einige Atemzüge lang wartete er noch. Vom Strand unten kam Geschrei – die Männer klangen wie wütende Möwen. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Nach der stechenden Gischt des Meeres fühlte er sich warm und erfrischend an. Die Tröpfchen streuten das Licht der aufgehenden Sonne und erfüllten die Luft mit kleinen farbigen Blitzen.

Pismire gab den Schützen ein Zeichen. Mit Befriedigung verfolgte er, wie sie zu schießen begannen.

Tebbe und Thorp waren in Dörfern auf Foulness Island vor der Küste von Essex aufgewachsen, wo Nebel, Plünderer, die übers Meer kamen, und beißende Ostwinde die Männer hart machten und jeder Junge mit einem Bogen in der Hand aufwuchs. In diesem Moment, geschützt durch das Gelände und ihre Stellung, waren sie ganz in ihrem Element. Im Wechsel standen sie auf, legten einen Pfeil an, spannten den Bogen, zielten und schossen – mit fließenden Bewegungen und gespenstisch schnell.

Zunächst nahmen sie sich die Männer an den Katapulten vor. Tebbe schoss als Erster, sein Pfeil flog pfeifend eine Handspanne zu hoch über den Kopf des Franzosen hinweg. Noch während er wieder in Deckung ging, zielte schon Thorp, wobei er sich an Tebbes Fehlschuss orientierte. Sein erster Pfeil traf den Mann mitten in die Brust. Er flog rückwärts, als hätte ein Maultier ihn in die Brust getreten. Mit hilflos zuckenden Beinen blieb er auf dem Boden liegen.

Thorp duckte sich, und Tebbe stand auf, legte an und schoss. Die Franzosen sahen sich erschrocken um und versuchten herauszufinden, woher die Schüsse kamen, aber die Männer aus Essex waren schneller. Tebbe traf einen zweiten Mann. Der Pfeil drang durch sein Auge tief in seinen Kopf ein.

Zwei erledigt, dachte Pismire. Jetzt kann der Tanz beginnen.

Thorp und Tebbe schossen jeder noch zweimal. Der erste Schuss ging daneben, mit dem zweiten trafen sie beide denselben Armbrustschützen in Schenkel und Bauch. Die Franzosen waren jetzt in heller Aufregung und suchten hastig Deckung. Der Beschuss des Strands mit Bolzen und Steinen hatte aufgehört.

Ein Armbrustschütze ging hinter einer Steinschleuder in Deckung. Tebbe sah, wie er seine Armbrust lud, und wartete geduldig, bis er um das hölzerne Gestell spähte, um zu schießen. In dem kurzen Augenblick, in dem er sich aufrichtete und zielte, schoss Tebbe zwei Pfeile in rascher Folge ab. Der zweite zertrümmerte dem Mann das Brustbein, er ging stöhnend zu Boden.

Sofort richtete Thorp sich auf und schoss ebenfalls zweimal. Er traf einen Franzosen in den Hals, während der sich noch aufgeregt nach Deckung umsah. Der zweite Pfeil streifte den Helm eines anderen Armbrustschützen.

Die Franzosen schrien einander an. Pismire, Scotsman und Father lächelten.

Gleich war es so weit …

Der Erste, der die Flucht ergriff, war ein junger Schütze mit glatten Haaren und dem ersten Flaum auf den Wangen. Er rannte vom Klippenrand landeinwärts und warf dabei in Panik seine Waffe weg.

Pismire klopfte dem Schotten auf die Schulter. Der Junge kam direkt auf sie zu. Der massige Schotte zog die Beine unter den Leib und duckte sich wie ein Hund, der sich bereit machte, einen Bären anzugreifen.

Der Junge sah ihn nicht kommen. Als er an ihnen vorbeirannte, sprang Scotsman auf und rammte ihm mit seinem ganzen Gewicht die rechte Schulter in die Rippen. Er warf ihn seitlich um, beugte sich mit einer fließenden Bewegung über ihn, drehte ihn mit dem Gesicht zum Boden, kniete auf seinen Rücken, legte den Arm um sein Gesicht und lehnte sich zurück. Das Genick des Jungen brach, und sein Leib zuckte und zappelte wie ein Fisch. Scotsman stand auf, ohne noch einen Gedanken an Deckung zu verschwenden, und brüllte.

Drei weitere Franzosen, ebenfalls auf der Flucht vor Tebbes und Thorps Pfeilen, blieben stehen. Sie sahen erst den Schotten, dann einander an und stoben in drei Richtungen auseinander. In blinder Panik rannten sie über die Felsen, um dem furchterregenden Koloss mit den Flammen-Haaren zu entkommen.

Pismire sprang auf und heftete sich an ihre Fersen. Er rannte über das unebene, sandige Grasland und holte einen Mann mittleren Alters ein. Der streckte die Hand aus und machte eine halbe Drehung, um Pismire abzuwehren, doch Pismire warf sich auf ihn, warf ihn zu Boden, zog sein Messer und stieß es ihm vier, fünf Mal in die Brust. Er holte tief Luft, stand wieder auf und sah sich um. Der Schotte schlug gerade einem anderen Franzosen seine Fäuste ins Gesicht.

In einiger Entfernung beugte sich Father über einen Armbrustschützen, den ein Pfeil in den Bauch niedergeworfen hatte. Er drückte den Pfeil hin und her und lachte wie von Sinnen über die Schreie des Mannes.

Tebbe und Thorp waren weiter mit Schießen beschäftigt. Thorp hatte einem Mann einen Pfeil in den Hintern geschossen, er taumelte über die Anhöhe. Tebbe schoss einem anderen Mann ins Rückgrat und sah mit offenem Mund zu, wie er einknickte, weil seine Beine ihn plötzlich nicht mehr trugen.

Pismire bemerkte, dass auch noch aus einer anderen Richtung Pfeile zu den Franzosen hinüberflogen. Am Ende des Pfads waren die beiden Brüder aus Wales aufgetaucht, die sie zum Strand gerudert hatten. Sie standen nebeneinander und deckten die fliehenden Franzosen, als würden sie auf Enten in einem Mühlteich schießen, stumm und unbewegt mit Pfeilen ein.

Pismire ging in die Hocke und erlaubte sich ein Lächeln. Die Bogenschützen würden den Kampf zu Ende bringen. Er spürte die schweren Schritte des Schotten, der sich ihm näherte.

«Fünf Männer gegen zwei Dutzend», sagte Scotsman. «Wann war es je so leicht?»

Pismire nickte. «Aber wo ist der Rest?»

Scotsman zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht war blutverschmiert, und Blut tropfte, mit Regenwasser und Schweiß vermischt, rosafarben von den Spitzen seines rotbraunen Bartes. «Vielleicht gibt es den Rest gar nicht», sagte er.

Die beiden Männer überließen die Bogenschützen und Father ihrem Vergnügen und kehrten zum oberen Ende des Pfads zurück, der vom Strand heraufführte. Sie sahen, wie Loveday, Millstone und Romford dort unten Treibholz für ein Feuer sammelten.

Eine halbe Meile draußen auf dem Meer wurde die englische Flottille immer größer – eine gewaltige Masse knarrender Koggen, Holks, Pferdetransporter und kleinerer Schiffe.

Darüber flatterten Banner und Wimpel in allen Regenbogenfarben und belebten das öde Grau des Morgenhimmels. Und aus derselben Richtung näherte sich in diesem Moment, angetrieben von zwölf Ruderpaaren, eine Galeere dem Ufer, über der das quadrierte königliche Wappen mit den Löwen und Lilien wehte.

Schwer atmend blickten die Dogs ihr entgegen. Von ihren Köpfen stieg Dampf auf.

«König Edwards Schiff», sagte Pismire. «Unser König hat den ganzen Spaß verpasst.»

2

Als die englische Flotte beigedreht hatte und vor Anker gegangen war, ging der König von Bord seines Schiffes. Doch kaum berührte sein Fuß den Boden, da stolperte er und stürzte schwer, so dass ihm das Blut aus der Nase schoss … Er sagte: «Das ist für mich ein sehr gutes Zeichen. Es zeigt, wie dieses Land sich danach sehnt, mich zu umarmen.»

Chronik des Jean Froissart

Die Dogs schlugen ihr Lager am Strand auf. Loveday sah seinen Männern dabei zu. Die drei englischen Schützen und der Schotte entluden das Landungsboot, während Millstone und Father aus Öltuch und Rudern einen provisorischen Windschutz bauten. Dann setzten sie sich in dessen Windschatten an ein Feuer aus Treibholz, streckten die Beine aus und versuchten, ihre durchnässten Kleider zu trocknen. Die schweigsamen Waliser machten wenige Schritte entfernt ihr eigenes Feuer. Von den Flammen stieg ein angenehm salziger Rauch auf, der Loveday im Rachen kitzelte.

In diesem Moment der Ruhe zog er aus seinem Bündel die kleine Figur aus Ochsenknochen, an der er gerade herumschnitzte. Er hatte das als Kind gelernt und machte es immer noch gern, weil er glaubte, dass es ihm Glück brachte, aber auch, um seine Geschicklichkeit mit dem Messer zu üben. Über die Jahre hatte er Hunderte solcher Figuren geschnitzt. In der Regel verschenkte er sie.

Jetzt bemerkte er, dass der jüngste Schütze, Romford, ihm bei der Arbeit zusah.

«Wer ist das?», fragte Romford.

Loveday lächelte. Der Junge hatte das scharfe Auge eines Schützen. Das Figürchen war nicht größer als sein Daumen, und trotzdem hatte er im Rauch des Feuers gesehen, dass es jemanden darstellte.

«Eine Heilige», antwortete er. «Eine Frau. Glaube ich zumindest. Vielleicht die heilige Martha.»

«Wer ist die denn?»

Loveday zuckte mit den Schultern. «Sie hat etwas für Jesus getan, ich weiß nicht mehr genau, was. Ich schnitze einfach gern. Aus Gewohnheit.»

Romford nickte, als verstehe er das.

Das Wasser war jetzt weit abgelaufen. Es hatte geriffelten Sand und seichte Tümpel freigelegt, die in der Nachmittagssonne glänzten wie poliertes Glas. Dort, wo Männer im Kampf um die Bucht gefallen waren, waren dunkle Flecken zu sehen. Die Leichen hatte man weggezogen, Füße voran. Sie würden von Priestern gesegnet und von den Kameraden begraben werden. Loveday dachte an die Dogs, die er im Lauf der Jahre unter die Erde gebracht hatte. An den «armlosen» Peter mit seinem weißen Haarschopf. An Garvie. An Wiseman, den Juden. Und er erinnerte sich an den einen, der ohne Grab geblieben war. Den Captain.

Er schob die Gedanken und Gesichter beiseite. Die anderen Dogs glaubten, dass es Unglück brachte, von den Toten zu sprechen. Er konzentrierte sich wieder auf die Bucht und das Meer.

Hunderte kleiner Boote fuhren zwischen den Koggen und dem Strand hin und her, sie hoben und senkten sich mit ihren Ruderern in der Brandung. Aus den Booten kletterten seekranke Soldaten: Ritter und Waffenknechte, walisische Bogenschützen, mit Speeren bewaffnete Männer aus dem Norden und jede Menge gewöhnliche Fußsoldaten – Bauern mit den verschiedensten Waffen, Kurzschwertern und Messern, Hämmern und Keulen, Äxten und Sensen. Am Horizont kamen weitere große Transportschiffe in Sicht. Ganz England schien auf dem langen, nassen Sandstrand aufzumarschieren. Stunde um Stunde füllte er sich mit geschwungenen Langbögen aus Esche, Haselnuss, Ulme und Eibe, Kisten mit Pfeilen und Ersatzteilen für Rüstungen, aufgerollten langen Tauen und Eisenketten, Fässern mit Getreide, Mehl, Schweinefleisch, Pökelfisch und Bier. Hunderte von Pferden, die tagelang unter Deck eingesperrt gewesen waren, wieherten und galoppierten herum. Viehhirten und Küchengehilfen trieben lebende Tiere für die Küche des Königs und der Adligen an Land. In hölzernen Käfigen gackerten Hühner, Gänse schnatterten. Schweine versuchten, den Burschen zu entkommen, die sie hüten sollten und jetzt fluchend mit Stöcken auf ihre haarigen Flanken einschlugen.

Vor allem aber füllte der Strand sich mit Männern, Hunderten und Tausenden von Männern mit Akzenten und Dialekten aus jedem Winkel Englands und Wales’. Die einen schleppten Bündel, die anderen kamen mit leeren Händen, als seien sie eben erst auf der Suche nach einem verloren gegangenen Schaf aus ihrem Dorf aufgebrochen. Einige hatten frische Gesichter, voller Staunen angesichts der unvorstellbaren Tatsache, dass sie soeben ein anderes Königreich betraten. Die allermeisten jedoch trugen den rauen, verbitterten Gesichtsausdruck von Männern, die weit herumgekommen waren und keinem Streit aus dem Weg gingen. Männern wie den Dogs, die sich mit ihren Fäusten, ihrem Verstand und ihren Waffen durchs Leben schlugen, mal als Räuber und mal als Söldner in den Kriegen des Königs. Immer auf der Suche nach Arbeit, immer für einen Kampf zu haben.

«Die haben es verdammt viel leichter als wir, hier an Land zu gehen», sagte Pismire, der Lovedays Blick über den Strand gefolgt war und mit einem Ast in der Glut des Feuers stocherte.

«Ach, sei still – du hattest doch deinen Spaß», sagte Scotsman. Er fuhr sich mit den Fingern durch Haare und Bart und zog dabei den verkrusteten Dreck heraus, der sich darin festgesetzt hatte.

Pismire grunzte. «Mag sein. Ich meckere ja nicht. Wenn es so weitergeht, soll’s mir recht sein. Morgen werden wir noch für weitere achtunddreißig Tage hier bezahlt. Und die verbringe ich lieber damit, leichte Kämpfe zu gewinnen als schwere.» Kein Dog zählte die Tage seines Vertrags genauer als Pismire.

Father grinste. «Die französischen Wichser trauen sich nicht, gegen uns zu kämpfen. Sie sind abgehauen, um ihr Geld und ihre Töchter zu verstecken. Sollen sie. Wir kriegen sie trotzdem.» Er legte zwei Finger an die Lippen und steckte die Zunge hindurch.

Loveday warf Millstone einen Blick zu. Millstone schüttelte den Kopf und starrte ins Feuer. Er mochte solche Reden nicht. Und Loveday wusste, dass Father allmählich zu einer Gefahr wurde. Der abtrünnige Priester war einmal einer ihrer besten Männer gewesen. Vor fünfzehn Sommern hatte er seine Gemeinde verlassen, die durch Hunger und korrupte Bischöfe zerstört worden war, und hatte sich seither um die Essex Dogs gekümmert, ihnen auch gelegentlich bei ihrer Arbeit geholfen. Zäh, schlau und pfiffig war er gewesen. Doch seit einiger Zeit fraßen Alter und Bier immer mehr an seinem Herzen, und er wurde für die Menschen um ihn herum, egal, ob Freunde oder Feinde, zu einer Gefahr. Trotzdem war er einer von ihnen, und das zählte für Loveday mehr als alles andere.

Er spürte die angespannte Stimmung und wechselte das Thema. An alle gewandt sagte er: «Egal jetzt. Wenigstens sind wir nicht mit dem Gesicht voran im Sand gelandet.»

Früher am Tag hatten die Dogs ihrem König Edward und seinen Befehlshabern bei ihrem Landungsritual zugesehen. Eine schnittige, schnelle Galeere, gerudert von stämmigen Ruderern in den königlichen Farben, hatte den König und seinen ältesten Sohn, den Prinzen von Wales, zum Ufer gebracht. Doch dann war es zu einem peinlichen Zwischenfall gekommen. Als Edward durch das seichte Wasser watete, auf das Land zu, das er für sich beanspruchte, hatte ein großer Brecher ihn von hinten erfasst. Er hatte auf dem kiesigen Grund den Halt verloren und war kläglich umgefallen. Rasch hatten königliche Ritter ihn wieder aufgerichtet. Der Prinz hatte dabeigestanden, belustigt, wie es schien. Seitdem wurde am Strand über nichts anderes geredet.

«Ist es zu glauben, dass der blöde Pisser sich die Nase blutig schlägt?», brummte der Schotte. «Kommt mir wie ein Omen vor, wenn ihr mich fragt.»

«Gott sei Dank hat dich niemand gefragt.» Pismire grinste. «Zumindest nicht in Hörweite des Königs. Ich würde mich von ihm so weit fernhalten wie nur möglich. Wenn der deinen roten Bart sieht, lässt er dich gleich aufknüpfen.»

«Wieso?»

«Weil du ein dicker, dreckiger Schotte bist, der sich seit den Zeiten von William Wallace nicht mehr die Haare gewaschen hat, deshalb. Die meisten deiner Landsleute kämpfen auf der Seite der Franzosen. Das macht dich zum Feind, sobald du den Mund aufmachst.»

Loveday grinste. Pismire und Scotsman konnten sich den ganzen Tag kabbeln, was sie auch oft taten.

«Aber wie findet ihr seinen Sohn?»

Das war Romford. Loveday ließ den Blick auf dem neuesten Mitglied der Dogs ruhen. Romford war sechzehn Jahre alt und hager, sein Körper bestand nur aus Muskeln und Knochen. Die weißen Zähne waren noch makellos und vollständig, sein gelber Bart, ein weicher Flaum, spross an den seltsamsten Stellen unterhalb der vorspringenden Wangenknochen hervor. Romford war manchmal schüchtern und verlegen, aber Loveday hatte ihn noch nie aufgeregt oder panisch erlebt. Er saß neben Millstone, und die beiden bildeten ein seltsames Paar, der blonde Junge und der grantige Steinmetz mit einer Haut so dunkel wie die eines Sarazenen, und drahtigen schwarzen, krausen Haaren. Neben ihm sah Romford wie ein Engel aus.

«Der Prinz wurde doch im selben Sommer geboren wie du, oder?», fragte Loveday.

«Genau», sagte Romford stolz. «Und jetzt ist er ein Ritter. Auf seinem ersten Feldzug wurde er am Strand zu Sir Edward, Prinz von Wales, ernannt.»

«Und was hat das mit dir zu tun?», fragte Father.

«Mit mir? Ich bin kein Prinz, kann dafür aber umso besser schießen.» Romford tat so, als würde er einen Bogen spannen und schießen. Ein imaginärer Pfeil flog geradewegs durch Fathers Herz.

Father hielt sich ein Nasenloch zu, schnaubte einen schleimigen braunen Batzen in den Sand und wischte sich die Nase mit dem Ärmel. «Träum du mal weiter davon, mich zu erschießen, Junge, und ich erwürge dich im Schlaf», sagte er.

Romford lächelte, schwieg aber. Tebbe und Thorp kicherten, und Father starrte sie wütend an.

Von den Zelten des Königs tönte ein Trompetenstoß über den Strand. Loveday stand auf, steckte die kleine Figur der heiligen Martha in sein Bündel und sein Messer in die Scheide, er nickte Millstone zu. «Zeit für uns, unsere Befehle entgegenzunehmen», sagte er. «Lass uns Sir Robert suchen.»

Sie brauchten einige Zeit, um Sir Roberts Zelt zu finden, denn der Strand war mindestens zwei Meilen lang und wimmelte vor Menschen. Der Wind hatte den Nieselregen des Nachmittags fortgeweht, und die Sonne wärmte den Sand. Einige Männer waren noch mit dem Landen und Ausladen beschäftigt, aber die meisten von denen, die zuerst angekommen waren, hatten sich schon am Strand eingerichtet, tranken und sangen. Sie feierten, dass sie dem Meer wohlbehalten entkommen waren, und prahlten damit, was für Abenteuer sie noch bestehen und mit welchen Schrecken sie die Franzosen heimsuchen würden.

Loveday und Millstone schlängelten sich zwischen den Gruppen hindurch. Sie überquerten kleine Rinnsale von Pisse, die von den Dünen am hinteren Strandende ins Meer liefen, und wichen königlichen Offizieren aus, die müßige Männer dazu zu bringen versuchten, Kisten zu schleppen.

Zuerst waren sie an Sir Roberts Zelt vorbeigelaufen und mussten wieder umkehren. Bei ihrer Ankunft hatte die Befehlsausgabe schon begonnen. Leise stellten sie sich in die hinterste Reihe der zwei Dutzend Männer, die sich um den korpulenten Ritter aus Essex geschart hatten. Sie alle hatten sich in den aufregenden Monaten zu Beginn des Frühjahrs, als die Invasionspläne des Königs verkündet worden waren, für den Sold, den Sir Robert gesunden und erfahrenen Kämpfern anbot, zum Dienst verpflichtet.

Sir Robert leierte seine Anweisungen eintönig herunter. «Ich muss vor allem eines betonen», sagte er gerade. Sein Gesicht war an den Wangen violett, seine Nase vom Alkohol entstellt, und seine Schweinsäuglein blinzelten pausenlos. «Auf Geheiß des Königs darf nicht geplündert und die einfache Bevölkerung des Landes nicht misshandelt werden. Davon hängt euer Lohn der nächsten vierzig Tage ab. Der König ist gekommen, um seinen Anspruch auf die französische Krone geltend zu machen, die sein falscher Cousin Philippe widerrechtlich an sich gebracht hat. Das heißt, die Bewohner dieses Landes sind Untertanen des Königs, und wir sind hier, um sie zu befreien, nicht, um sie zu unterdrücken. Dies ist für den König von allergrößter Wichtigkeit. Es bedeutet, dass, dass, dass …»

Loveday holte tief Luft und sah sich um. Den Gesichtern der Umstehenden nach zu urteilen, waren sie alle gelangweilt und unruhig.

Ein Mann neben Millstone meldete sich zu Wort. Er war groß und hager, vielleicht zehn Jahre jünger als Loveday, mit sandfarbenen Haaren und Brauen und einem langen Gesicht. Die Barthaare hatte er zu einem Schnurrbart gestutzt. Arroganz lag in seinem Blick. «Ist das ein Krieg oder nicht?», fragte er. «Sind wir zum Kämpfen hier? Oder um den Leuten die Beichte abzunehmen, den Arsch abzuwischen und ihnen bei der Ernte zu helfen?» Er sprach mit einem breiten Akzent. Von irgendwo nördlich von Essex, weiter die Küste hinauf. Irgendwo in East Anglia. «Heute im Morgengrauen habt Ihr noch gesagt, wir sollten ihnen die Speere in den Hintern rammen und ihren Frauen die Titten abschneiden.»

Die anderen scharrten mit den Füßen im Sand. Sir Roberts Wangen verfärbten sich von Violett zu Mitternachtsblau. «Es ist für den König von allergrößter Wichtigkeit», wiederholte er. «Allergrößter Wichtigkeit. Es sind …»

Millstone starrte den hageren Mann aus East Anglia an.

«Seine Untertanen», sprach der Mann den Satz zu Ende. «Und seine Befehle. Das haben wir gehört. Ich werde meinen Männern also sagen, sie sollen ihre Lanzenschäfte verfeuern und anfangen, Blumen zu pflücken und sie zu Blumensträußchen zu binden.»

Sir Robert gab sich Mühe, diese Unverschämtheit zu überhören. «Wir bleiben am Strand, bis alle Schiffe ausgeladen sind. Dero Gnaden der König werden in La Hougue ihr Hauptquartier aufschlagen. Dort steht ihm ein schönes Herrenhaus zur Verfügung, das seinen Anforderungen entspricht.» Sir Robert machte eine ungefähre Handbewegung in Richtung der Landzunge, auf der die Dogs zuvor die Männer an den Katapulten niedergemacht hatten. «Ich selbst gehe davon aus, dass ich regelmäßig bei ihm sein werde, denn natürlich bin ich einer seiner vertrautesten Berater.»

Millstone starrte den Ostanglier weiter unverwandt an. Der Mann musste es bemerken. Und tatsächlich drehte er sich wenige Augenblicke später Millstone zu. Er war fast einen Kopf größer als der Steinmetz mit seinen runden Schultern. Gereizt sah er auf ihn hinunter. «Was glotzt du so blöd?»

Millstone rührte sich nicht, blinzelte nicht, sagte nichts. Er starrte ihn einfach nur weiter an.

Sir Robert bemerkte, dass etwas unter seinen Zuhörern nicht stimmte, und unterbrach seine Tirade. «Männer, ich … wirklich, bitte … könnt ihr …»

Niemand hörte ihm zu. Der Mann aus East Anglia wiederholte seine Frage, ganz langsam und mit einem drohenden Unterton. «Verdammt noch mal, was glotzt du so blöd?»

Millstone zuckte nicht mit der Wimper. Loveday neben ihm spannte seine Muskeln. Sein Messer war in seinem Bündel, das Kurzschwert hatte er am Lagerfeuer gelassen. Langsam ballte er die Fäuste. Ein anderer Ostanglier mit einer wie ein Buchstabe geformten Narbe auf der Stirn trat einen Schritt vor, sodass er ebenfalls vor Millstone stand. Niemand sonst rührte sich.

«Männer, ich bitte euch inständig …», sagte Sir Robert.

Da sprach Millstone. Ruhig und gemessen. «Ich versuche, Sir Robert zuzuhören, und habe gehofft, du würdest still sein.»

Der Ostanglier beugte sich vor und brachte sein Gesicht so dicht vor das von Millstone, dass ihre Nasen sich fast berührten. Er grinste höhnisch und sagte: «Und ich habe gehofft, du würdest später noch zu meinem Lagerfeuer kommen und meinen Männern die Pimmel lutschen. Zieh dir dazu doch einen netten Rock an.»

Millstone lächelte. «Ich glaube, ich bin etwas zu alt für euch.»

Loveday hielt den Atem an. Der Ostanglier verzog das Gesicht, und Loveday merkte, was er vorhatte. Der Mann zog den rechten Fuß nach hinten und legte den Kopf ein wenig zurück. Auch Millstone sah das. Und als der Mann wieder nach vorne schwang und seine Stirn gegen Millstones Nasenrücken krachen lassen wollte, drehte der stämmige Steinmetz sich unerwartet leichtfüßig auf seinem linken Ballen zur Seite und brachte sich außer Reichweite. Der Drall seines Kopfstoßes riss den Ostanglier nach vorn und nach unten, und er flog mit dem Gesicht voraus in den Sand. Die anderen Männer brüllten vor Lachen und applaudierten.

Der Gefährte des Ostangliers mit dem Brandzeichen auf der Stirn fuhr mit seiner Hand zum Gürtel. Loveday trat rasch vor und legte ihm die Hand auf die Brust. «Nicht.»

Der Mann am Boden setzte sich auf, in seinem Blick flackerte Mordlust. Blut tropfte aus seiner Nase und färbte seinen Schnurrbart rot.

Millstone lächelte ihn an. «Zuerst der König», sagte er, «und jetzt du.»

Der dicke Sir Robert hatte sich inzwischen kreischend zwischen den Männern durchgedrängt, gefolgt von einem seiner Waffenknechte. Der trug nur einen gepolsterten Gambeson ohne Panzer darüber, doch genügte sein gebieterisches Auftreten, dass Millstone und Loveday zwei Schritte zurückwichen. Der Mann mit dem Brandzeichen schlich davon, und der Hagere, aufrecht im Sand sitzend, machte keinen Versuch mehr, den Kampf fortzusetzen.

«Shaw», sagte Sir Robert, bleich vor Zorn, «was soll das?»

Shaw sah Millstone finster an. «Nichts, Sir Robert.»

Sir Robert schnaubte. «Ganz recht, nichts.» Er wandte sich an Millstone und Loveday. «Und ihr Essex-Leute …»

Millstone hob entschuldigend die Hände.

«Wir sind nicht auf Ärger aus, Sir», sagte Loveday. Er hielt Shaw die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Shaw sah sie nur an und spuckte einen blutigen Schleimbatzen aus, der im Sand liegen blieb. Loveday zog seine Hand zurück.

Sir Robert sah sich unter den Männern um. «Diese Art von Gewalt wird nicht geduldet und wird sich nicht wiederholen.» Er räusperte sich und wischte ein paar Sandkörner von den Ärmeln seiner gesteppten Tunika. Dann fuhr er, so gut es ging, mit der Einsatzbesprechung fort.

«La Hougue wird gegenwärtig gesichert und als königliches Hauptquartier vorbereitet. Für euch alle wird es noch vor Sonnenuntergang Bier und Schweinefleisch geben. Von der besten Qualität, wie ich gehört habe.» Einige leise Lacher waren zu hören.

«Bis dahin schlagen wir unser Lager auf», fuhr Sir Robert fort. «Denkt dran: Wir sind hier, um die treuen Untertanen des Königs zu schützen. Gott segne euch, Männer. In zwei Tagen treffen wir uns nach der Morgenmesse wieder hier vor meinem Zelt. Jetzt wünsche ich euch eine gute Nacht.»

Er wandte sich ab und verschwand in seinem Zelt. Millstone und Loveday lösten sich ebenfalls aus der Gruppe und machten sich auf den Rückweg zu der Stelle, an der die Dogs ihr Feuer gemacht hatten.

«Was war das eben?», fragte Loveday. Millstone blickte starr geradeaus und wich seinem Blick aus. Loveday stieß ihn in die Seite. «Also?»

Millstone zuckte mit den Schultern und schüttelte kaum merklich den Kopf. «Ich weiß nicht. Da war was an ihm, was ich nicht mochte.»

«Was? Warum? Wer ist der Mann?»

«Weiß ich nicht», sagte Millstone. «Vielleicht irre ich mich auch. Es war nur so ein Gefühl, mehr nicht. Jedenfalls wissen wir jetzt Bescheid.»

«Worüber?»

«Was uns erwartet.»

Bei Einbruch der Dämmerung sahen die Dogs auf der Anhöhe die ersten Flammen gen Himmel schlagen.

Scotsman stand an den Töpfen, kochte getrocknete Bohnen und Kräuter in Bier zu einem dicken Eintopf und röstete die Haut des ledrigen Stücks Pökelfleisch, das Tebbe und Thorp von der Station des Quartiermeisters am anderen Ende des Strands mitgebracht hatten. Die Waliser hatten am Fuß der Felsen Krabben gefangen und warfen sie lebendig in kochendes Meerwasser.

Überall am Strand bereiteten andere kleine Gruppen ähnliche Mahlzeiten zu. Entlang der Wasserlinie galoppierten Ritter mit ihren Pferden, die so lange eingesperrt gewesen waren. Es war eine warme, angenehme Nacht, vom Meer her kam eine sanfte Brise, die für frische Luft sorgte und den Gestank der vielen Menschen und Tiere fortblies.

Doch auf den Hügeln landeinwärts brannten die ersten Häuser. An drei oder vier Stellen stieg in dicken Wolken ölig-schwarzer Rauch auf. Strohdächer brannten, der Dreck flog hoch, der sich monatelang auf ihnen festgesetzt hatte.

Loveday blickte nach Westen, in den Sonnenuntergang, zu den Feuern. «Nicht alle hat die Botschaft des Königs erreicht.»

Pismire, der neben ihm stand, beschirmte seine Augen mit dem Unterarm gegen die grelle Abendsonne. «Ich glaube schon, dass sie alle erreicht hat», sagte er. «Aber sie pfeifen drauf.»

Als sie sich zum Essen setzten, war es fast dunkel, und Fackeln wurden angezündet. Die Dogs waren jetzt ruhiger. Loveday fühlte ihre Anspannung, noch bevor jemand sie aussprach. Sie hatten Blut geleckt und spürten das erregende Kribbeln in der Nähe des Todes. Einige wollten mehr davon. Father malte mit der Spitze seines Messers fünfzackige Sterne in den Sand. Millstone und der Schotte starrten angestrengt auf ihre hölzernen Schalen mit Bohnen. Pismire blickte unverwandt in die Kochgrube, Romford ließ den Blick unsicher von einem älteren Gefährten zum anderen wandern.

Loveday brach das Schweigen, damit es keiner von den anderen tun musste. «Wir bleiben heute Nacht hier», sagte er. «Nicht weil der König oder Sir Robert es befohlen hat, sondern weil ich es befehle. Wir bleiben hier. Vor uns liegt ein langer Weg nach Paris. Unterwegs wird es für jeden von uns noch mehr als genug geben.»

Father stieß seinen Dolch unsanft in den Sand, stand auf, ging zu der Schlafkuhle, die er in den Boden gescharrt hatte, und wickelte sich eine Decke um die Schultern. Dabei brummte er etwas in sich hinein.

Loveday schenkte ihm keine Beachtung. «Vielleicht greifen die Franzosen heute Nacht wieder an», sagte er. «Wahrscheinlich ist es nicht, aber wir müssen gewappnet sein. Und es geht nicht nur um die Franzosen.» Er warf Millstone einen Blick zu, sprach aber nicht weiter über Shaw und die Ostanglier. Stattdessen teilte er die Wache ein. «Die erste Schicht geht an Millstone und Romford. Die zweite an Tebbe und Thorp, die dritte an Pismire und Father. Pismire, du weckst mich, bevor es hell wird.» Dann wiederholte er, als müsse es noch einmal gesagt werden: «Wir bleiben heute Nacht hier.»

Die, die mit Schlafen dran waren, legten sich in ihre Sandbetten. Schon bald schnarchten die meisten. Romford und Millstone saßen am Feuer. Millstone erzählte dem Jungen mit seiner leisen, sanften Stimme eine alte Geschichte. Doch zwei der Dogs fehlten.

Die Brüder aus Wales waren verschwunden. Wo sie gesessen hatten, lag nur noch ein Haufen zerbrochener Krabbenschalen.

Kurz vor dem Morgengrauen rüttelte Pismire Loveday aus einem Traum. Loveday war froh darüber. Er hatte am Hof des Königs einem Begräbnis beigewohnt und unter den Trauernden gestanden, an denen die Bahre vorbeigetragen wurde: ein kleiner Sarg auf den Schultern sechs weinender Frauen.

Mit schwarzen, hohlen Augen hatte der König vor der Hofgesellschaft gestanden, aus seiner Nase lief Blut. Schon das war schrecklich gewesen. Schlimmer noch, Loveday wusste, dass die Frau im Sarg die Mutter der sechs Frauen war – eine Frau, die er liebte. An die er aber nicht denken wollte. Deren Namen er nicht mehr aussprach. Nicht hier, nicht jetzt, niemals mehr.

Er setzte sich auf, klopfte Pismire dankbar auf den Arm, streckte seinen vom stundenlangen Liegen auf dem Boden steifen Rücken und sah sich um. Pismire legte sich in seine Schlafkuhle. Father, der die letzte Wache gemeinsam mit ihm gehabt hatte, schnarchte bereits leise.

Nachdem Loveday sich orientiert hatte, ging er zum Feuer hinüber, das bis auf die Glut hinuntergebrannt war. Er blies vorsichtig in die Asche, um zu prüfen, ob sie noch Wärme abgab, dann ging er den Strand hinauf, um nach Brennmaterial zu suchen, mit dem man das Feuer wieder anfachen konnte.

Er war erst ein paar Schritte gegangen, als sein Blick auf einen Stapel von sechs oder sieben Bündeln Brennholz neben der Ausrüstung der Dogs fiel. Er starrte sie einen Moment lang an. Es war noch keine Rede davon gewesen, dass die königlichen Quartiermeister Brennholz ausgaben. Man hatte ihm gesagt, die Soldaten sollten zunächst am Strand nach Holz für ihre Feuer suchen. Er sah auf Pismire und Father hinunter, die beide so tief schliefen, als hätten sie die ganze Nacht noch kein Auge zu getan.

Dann blickte er landeinwärts. Nur noch kleine Rauchwölkchen trieben über den Häusern, die am Vorabend gebrannt hatten. Er überlegte, woher die Holzbündel stammen mochten – wessen Hände das Holz gespalten und zusammengebunden hatten und wessen Hände es zum Lager der Essex Dogs am Strand gebracht haben mochten, während er von untoten Frauen in Särgen geträumt hatte.

Jemand hatte seine Befehle missachtet. Kurz stieg Zorn in ihm auf. Eigentlich müsste er das Feuerholz ins Meer werfen. Aber er tat es nicht. Die Morgenluft war beißend kalt, und er wusste, dass er bald frieren und Hunger bekommen würde. Also hob er ein Bündel auf und schnitt mit seinem Messer die Schnur durch, mit der es zusammengebunden war. Es war gutes Holz aus lange abgelagerten Stämmen, zurechtgeschnitten zu dünnen, gleich langen Scheiten. Keine Rinde, keine nassen oder verfaulten Stellen.

Loveday schichtete die Scheite zu einer kleinen Pyramide über der Glut vom Vorabend auf, kniete sich daneben hin und blies behutsam, bis Flammen emporzüngelten und die neuen Scheite erfassten. Er blies weiter, ein steter Luftstrom, der das Feuer gleichmäßig zum Brennen brachte. Nach und nach legte er weitere Scheite auf, und schon bald knackte und knisterte das Holz. Er zog zwei der Planken in die Glut, die die Dogs von dem Wrack mitgenommen hatten, hinter dem sie bei der Einnahme der Bucht in Deckung gegangen waren. In kürzester Zeit brannte ein lebhaftes Lagerfeuer.

Im Schneidersitz setzte er sich davor, zog seine Decke um die Schultern und ließ den Blick über die schlafenden Engländer wandern – und über die beiden Waliser, die zurückgekehrt waren. Er betrachtete sie eine Weile und kam mit einer gewissen Erleichterung zu dem Schluss, dass offenbar sie das Brennholz gestohlen hatten.

Diese Erkenntnis beruhigte ihn. Sie hatten seine Befehle nicht verstanden und getan, was in ihren Augen dem Wohl der Gruppe diente. Er zog die Figur der heiligen Martha heraus und begann, die Seite zu bearbeiten und ihre rechte Hand zu schnitzen.

Während er schnitt und kratzte, dachte er an seinen ersten Feldzug zurück. An das wilde Tiefland von Schottland. Auch damals hatten sie eine Bucht gestürmt, bei einem Ort namens Kinghorn. Es war ein viel kleinerer Feldzug gewesen, erinnerte er sich. Er hatte zu den Fußsoldaten gehört, die, gedeckt von Schützen mit ihren Langbögen, schreiend aus dem Meer den Strand hinaufgerannt waren.

Er sah zu dem Schotten hinüber, der jetzt auf der anderen Seite des Lagerfeuers lag und ruhig in das schmutzige Gestrüpp seines Barts atmete. Sie hatten damals auf gegnerischen Seiten gekämpft, was er allerdings erst sehr viel später erfahren hatte. Für einen kurzen Moment ließ Loveday sich von Erinnerungen überwältigen. Er dachte an die unzähligen, auf engstem Raum zusammengepferchten Männer und den Gestank vor der Schlacht, wenn die hartgesottenen Krieger, wo immer sie standen, pissten und kackten, weil die Anspannung ihnen die letzten Reste von Scham nahm. Dann der Sturm nach vorn, wenn das Trompetensignal ertönte. Die Nahkämpfe und das tödliche Pfeifen der Pfeile über ihnen, das Wiehern der Pferde, getroffen von so vielen Pfeilen, dass sie wie Igel aussahen. Das Gewusel beim Zusammenprall der beiden Heere, in dem die meisten es gar nicht schafften, ein Schwert oder eine Keule zu schwingen. Und zugleich die animalische Energie, mit der alle dorthin drängten, wo sie die Kampflinie vermuteten. Die irre Lust, Waffen auf Fleisch treffen zu lassen. Leben auszulöschen. Zu töten. Und selbst zu überleben. Schließlich das schreckliche Endstadium des Kampfes, als die schottischen Ritter übereinander fielen und die Pferde die am Boden liegenden Männer in ihren Rüstungen zerquetschten.

Es war Lovedays erste Schlacht gewesen. Er selbst hatte keinen einzigen Treffer bei irgendwem gelandet. Aber danach war er in einem euphorischen Zustand gewesen.

Seitdem hatte er viele Schlachten erlebt. Alle waren anders gewesen und doch auch wieder nur Variationen derselben Schlacht. Und davor kam immer das, was sie auch jetzt erwartete. Der Marsch. Die zähen Strecken von Langeweile. Das Kochen, das Feuermachen. Sie plünderten Städte, drangsalierten die Zivilbevölkerung, stahlen Essen und nahmen Befehle von Dummköpfen wie Sir Robert entgegen, dem letzten in einer langen Reihe von Rittern dieses Namens aus Essex, deren einziger Daseinszweck darin bestand, Menschen, die unter ihnen standen, dafür zu bezahlen, dass sie auf ihren Gütern arbeiteten und ihr Leben in Kriegen aufs Spiel setzten, in denen die Le Straunges sich die Gunst der mächtigeren Lords und Könige zu verdienen hofften.

Das Lagerfeuer knackte, und eine der Planken, die Loveday ins Feuer gezogen hatte, brach auseinander. Die Flammen schlugen hoch. Loveday nahm einen Ast, beugte sich vor und schob die Scheite zurecht, damit das Feuer gleichmäßig brannte. Inzwischen dämmerte der Morgen herauf. Das erste Licht des Tages hatte einen klaren, hellen Schein, und die vom Feuer aufsteigende Hitze ließ es flimmern. Durch die zitternde Luft hindurch betrachtete Loveday seine schlafenden Kameraden. Romford, der mit leicht geöffnetem Mund reglos dalag. Millstone, der leise etwas in sich hinein murmelte. Und Father, der sich auf die Seite rollte, als fühlte er die Kraft von Lovedays Blick. Father öffnete seine Augen und schaute ihn an. Schenkte ihm ein finsteres Lächeln und zwinkerte ihm zu.

3

Begierig, den Feind anzugreifen, zogen die Engländer durch verschiedene Teile des Landes … Einige kamen zur Stadt Barfleur, wo sie auf eine Fülle verborgener Reichtümer stießen …

Aus den Kriegsakten Edwards III.

Die Dogs verbrachten den Tag damit, ihre Ausrüstung in den Versorgungszelten zu vervollständigen, die jetzt die Bucht säumten. Sie teilten sich auf, standen in langen Schlangen an und stopften danach etliches von dem, was sie bei der Landung aus den Booten nicht hatten mitnehmen können, in ihre Bündel. Bogensehnen und Pfeile, Ersatzpfeilspitzen, kleine Säcke mit Mehl, getrocknete Bohnen und Knoblauchknollen, mehrere Speckseiten und einen runden, säuerlich riechenden Käse, ein paar Schaufeln und Äxte – die von den königlichen Offizieren ausgegebenen Werkzeuge waren neu, mit stabilen Griffen aus Eschenholz, die der Dogs dagegen alt und abgenutzt – sowie drei zusammengerollte Seile unterschiedlicher Stärke. Auf denen hatte Father bestanden. Er hatte verkündet, er wolle noch vor Ende des Sommers einen Franzosen aufknüpfen.

Sie organisierten sich einen stabilen vierrädrigen Karren, nicht neu, aber in hervorragendem Zustand, die Achsen erst vor Kurzem ersetzt, frisch geölt und geschmiert, und dazu als Zugtier ein schweigsamer langohriger Esel. Außerdem sicherten sie sich aus einem großen Pferch am hinteren Ende der Bucht sechs kräftige Pferde.

Deren Auswahl besorgten die beiden Waliser Darys und Lyntyn. Sie verständigten sich auf eine stumme, instinktive Weise mit den Tieren, beruhigten sie, indem sie sie streichelten und klopften, und konnten ihren Charakter an den Augen erkennen, eine Fähigkeit, die dem Rest der Männer abging. Loveday hatte zugesehen, wie sie leise mit den Tieren und miteinander sprachen, während sie ihre Auswahl trafen und die Pferde dann in den Besitz der Dogs überführten. So etwas hatte er noch nie erlebt.

Den Nachmittag über faulenzten sie. Loveday erkundete das sandige Plateau oberhalb des Strands, auf dem die Männer mit den Steinschleudern gestanden hatten. Bei seiner Rückkehr hatten Tebbe, Thorp und Romford sich zu einer Gruppe von Bogenschützen aus Kent gesellt, die in den Dünen Zielscheiben aufgestellt hatten und sich im Schießen übten. Dazu hatten sie die blutigen Wämser und Hemden der Franzosen, die die Dogs nach der Landung getötet hatten, mit Stroh ausgestopft. Jetzt töteten sie sie noch einmal.

Loveday bewunderte die Kraft und Anmut, mit der die Schützen ihre Langbögen spannten. Er kam mit solchen Bögen nicht zurecht. Während die Schützen übten, näherte sich ihnen mit einem breiten Grinsen und angefeuert von seinen lachenden Kameraden ein junger Schweinehirt. Loveday sah, wie er einen der Männer aus Kent fragte, ob er seinen Bogen ausprobieren dürfe. Er legte einen Pfeil an, hatte aber Mühe, den Bogen auch nur halb zu spannen. Als er schoss, schrammte die straffe, gewachste Hanfsehne unsanft an der Innenseite seines linken Arms entlang. Er tat einen Schrei, und der Pfeil landete irgendwo seitab, weit entfernt. Seine Kameraden brüllten vor Lachen, und der Junge trottete kopfschüttelnd zu ihnen zurück.

Loveday lächelte in sich hinein. Jeder Narr und jedes Kind, ja, sogar eine Frau, konnte den Abzug einer Armbrust betätigen. Ein Langbogen dagegen erforderte viel Kraft in Schultern und Rücken, dazu ein scharfes Auge, einen kontrollierten Atem, eine ruhige Hand und jahrelange Übung. Deshalb auch war er eine der tödlichsten Waffen überhaupt.

Und eben deshalb hatte König Edward ein ganzes Jahr darauf verwandt, viele Tausend Bogenschützen anzuwerben, sie auf Schiffe zu verladen und an diesen fernen Strand zu schaffen, wo sie ihm helfen sollten, über zwei Königreiche zu herrschen statt nur über eines.

Am nächsten Morgen, nach einer weiteren Nacht am Strand, machten Loveday und Millstone sich erneut auf den Weg zu Sir Roberts Zelt. Diesmal fanden sie es schneller, weil darum herum mehrere große Banner in den Farben Sir Roberts wehten, einer hässlichen Mischung aus Rosa, Grau, Grün und Gold. Als der beleibte Ritter zu seinen Männern hinaustrat, war er in dieselben Farbtöne gekleidet: Sie verliefen in diagonalen Streifen über einen dicken wollenen Umhang, unter dem er einen langen, gepolsterten Gambeson trug, der halb unter einem ärmellosen Kettenhemd verschwand. Die Kleider sahen teuer aus, waren aber viel zu warm. Es war ein heißer Tag, und der Schweiß lief Sir Robert über die Schläfen, hinab zu seinen feisten Wangen, während er zu ihnen sprach.

Loveday verstand nicht, warum er sich das antat. Verstohlen sah er sich in der Gruppe um, er suchte die Männer aus East Anglia. Und da waren sie: Shaw stand, von den beiden Dogs aus gesehen, auf der anderen Seite der Gruppe, in seinem linken Nasenloch steckte ein Propf aus schmutzig braunem Leinen. Bei Lovedays Ankunft blickte er wütend in dessen Richtung, verhielt sich aber ruhig. Millstone ignorierte er völlig und fiel auch Sir Robert nicht ins Wort, als der die Pläne für den Nachmittag bekannt gab.

Zunächst erläuterte er den Aufbau des königlichen Heeres. Es werde aus drei Teilen bestehen. «König Edward wird den mittleren Teil befehligen», sagte er, «der hauptsächlich aus den Männern seiner Leibgarde besteht. Die Nachhut wird der Bischof von Durham anführen.»

Loveday hatte den Bischof schon gesehen. Er war mit seinen Pferden über den Strand galoppiert und hatte seinen persönlichen Gefolgsleuten auf den Rücken geklopft. In der Hand schwang er einen Streitkolben, und er fluchte laut und oft. Von Father abgesehen, konnte man sich kaum jemanden vorstellen, der weniger mit einem Mann Gottes gemein hatte.