Kampf der Könige - Dan Jones - E-Book

Kampf der Könige E-Book

Dan Jones

0,0
14,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn die Serie "Game of Thrones" eine historische Vorlage hat, dann ist es die Geschichte der Plantagenet. Die mächtige, sagenumwobene Dynastie herrschte vom Ende der normannischen Könige über die Zeit der Kreuzzüge und des Schwarzen Todes bis zum Beginn des Hundertjährigen Krieges über England und halb Frankreich. Spannend wie in einem guten Film und mit souveräner Kenntnis von Quellen und Forschung erzählt Dan Jones, wie die Sprösslinge der Dynastie 300 Jahre lang um den Thron kämpften. Ein Meisterwerk, das uns besser verstehen lässt, warum sich "Englands schrecklichste Dynastie" von Richard Löwenherz bis zur Magna Carta so tief in die britische Identität einschreiben konnte.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

 

 

 

 

Klug, brutal und machtbewusst: Das Haus Plantagenet herrschte rund 250 Jahre lang – von 1154 bis 1399 – über England und zeitweise über halb Frankreich. Eleonore von Aquitanien, die berühmteste Frau des Mittelalters, war gleich zweimal Königin. Richard Löwenherz zog in den heiligen Krieg gegen Sultan Saladin. Unter seinem hinterhältigen Bruder Johann Ohneland entstand die Magna Carta, die bis heute Teil der britischen Verfassung ist. Und unter Heinrich III. trat zum ersten Mal das englische Parlament zusammen. Der letzte König der Dynastie, Richard II., war die Vorlage für Shakespeares gleichnamiges Drama, ein Förderer der Künste und ein politischer Versager. Spannend wie in einem guten Film und mit souveräner Kenntnis von Quellen und Forschung lässt Dan Jones eine Dynastie lebendig werden, die wie keine andere Stoff für Sagen, Legenden und Dramen geboten hat, deren Erbe aber bis heute höchst real ist.

Dan Jones, Historiker und Journalist, wurde in Großbritannien und den USA durch historische Bestseller und Fernsehdokumentationen zur Geschichte der Frühen Neuzeit und des Mittelalters bekannt. Bei C.H. Beck erschien von ihm außerdem «Die Templer: Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern» (2019).

Dan Jones

Kampf der Könige

Das Haus Plantagenet und das blutige Spiel um Englands Thron

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer

C.H.Beck

Denn ein vernunftbegabter Mann sollte bedenken, dass Fortuna wankelmütig ist und sich das Rad des Schicksals stets weiterdreht ...

Ein Fürst muss Vorsicht walten lassen und darf niemals vergessen, dass der gnädige Schöpfer ... leidgeprüft und geduldig ist ...

Er ist aber auch streng in seinen Strafen und in der Rache, die er den Verstockten und Böswilligen angedeihen lässt, und normalerweise verhängt er sie bereits auf Erden.

GERALD VON WALES, EXPUGNATIO HIBERNICA

(

Inhalt

Vorwort

ERSTER TEIL Das Zeitalter der Katastrophen

Das Weiße Schiff

Die Suche nach einem Erben

Der Untergang

Ehrgeiz

Eine skandalumwitterte Ehefrau

Heinrich der Eroberer

ZWEITER TEIL Das Zeitalter des Reichs

Geburten und Wiedergeburt

L’Espace Plantagenet

Unheiliger Krieg

Die Regelung der Nachfolge

Das Adlernest

Heinrichs Triumph

Eine Welt in Flammen

König Richard

Held des Ostens

Verrat

Ein unerwarteter Umweg

Die Rückkehr von Richard Löwenherz

Johann Ohneland ganz oben

Johann «Weichschwert»

Triumph und Katastrophe

Johann Ohneland auf dem Tiefpunkt

DRITTER TEIL Das Zeitalter der Opposition

Die Plünderung des Wracks

Ein grausamer Herrscher

Der Anfang vom Ende

Auf nach Bouvines

Die Magna Carta

Die Sicherung des Erbes

Endlich die Krone

Heiliges Königtum

Die Bestimmungen von Oxford

Die Schlacht von Lewes

Aus der Gefangenschaft nach Evesham

Der Leopard

VIERTER TEIL Das Zeitalter des Artus

Endlich König

Ein neuer Artus

Letzter Widerstand

Die Burgen des Königs

Der Preis der Eroberung

Die Vertreibung der Juden

Der vakante schottische Thron

Die Eroberung Schottlands

Die Krise spitzt sich zu

Rückfall

FÜNFTER TEIL Das Zeitalter der Gewalt

Der König und sein Bruder

Der im Zaum gehaltene König

Menschenjagd

Versprechen und Katastrophe

Neue Favoriten

Der Bürgerkrieg

Die Tyrannei des Königs

Mortimer, Isabella und Prinz Eduard

Endspiel

Falsche Dämmerung

SECHSTER TEIL Das Zeitalter des Ruhms

Ein königlicher Staatsstreich

Ruhmreicher König eines verarmten Reiches

Neue Earls, neue Feinde

Der Beginn des Hundertjährigen Krieges

Eduard in unruhigem Fahrwasser

Dominanz

Tod einer Prinzessin

Der Hosenbandorden

Jahrzehnt des Triumphs

SIEBTER TEIL Das Zeitalter der Revolution

Familienangelegenheiten

Wechselfälle des Schicksals

Das Gute Parlament

Neuer König, alte Probleme

England in Aufruhr

Die Rückkehr der Krise

Verrat und Trauma

Die Neuerfindung des Königtums

Richard der Rächer

Richard außer Rand und Band

Richard allein

Epilog

Karten

Französische Könige, 1060 bis 1422

Weiterführende Literatur

Nachweis der Abbildungen

Personenregister

Vorwort

Wer waren die Plantagenets? Die im Buch beschriebenen Personen haben den Namen nicht geführt, mit einer einzigen Ausnahme: Gottfried, Graf von Anjou, ein gutaussehender, streitlustiger junger Mann mit roten Haaren. Der 1113 geborene Gottfried trug gern einen Zweig mit gelb blühendem Ginster am Helm und schmückte seinen Schild mit Löwen. Von der lateinischen Bezeichnung für Ginster (planta genista) leitet sich der Name Plantagenet ab, die schreitenden Löwen, die den Kopf dem Betrachter zuwenden, wurden zum symbolträchtigen Wappentier der englischen Könige, auf Standarten vor riesigen Armeen in die Schlacht getragen, in den kühlen schottischen Lowlands genauso wie in den staubigen Ebenen des Nahen Ostens. Darin steckt eine gewisse Ironie: Gottfried war nie in England, zeigte kaum Interesse an diesem Teil seines Reichs und starb 1151, drei Jahre bevor sein ältester Sohn die englische Krone erbte.

Dennoch hat der Name Plantagenet einen machtvollen Klang. Gottfrieds Nachfahren herrschten mehr als zwei Jahrhunderte lang als Könige über England, angefangen bei Heinrich II., der 1154 gekrönt wurde, bis zu Richard II., der 1399 von seinem Cousin Henry Bolingbroke abgesetzt wurde. Die Plantagenets waren die am längsten herrschende Königsdynastie in England, und während sie regierten, entstanden einige der grundlegenden charakteristischen Merkmale, die wir heute mit England verbinden: Die Grenzen des Reichs wurden festgelegt. Die Beziehungen zu den Nachbarn – in erster Linie zu Schottland, Wales, Frankreich und Irland, aber auch zu den Niederlanden, zum Papsttum und zu den iberischen Reichen, aus denen später Spanien hervorging – wurden etabliert. Rechtsgrundsätze und Regierungseinrichtungen, die bis heute bestehen, wurden in ihren Grundformen angelegt – einige freiwillig, andere durch Zufall oder unter Zwang. Eine reiche Mythologie nationaler Geschichtsschreibung und Legenden entstand, und auch die Verehrung zweier Heiliger – Eduard der Bekenner und der heilige Georg – stammt aus dieser Zeit. Die englische Sprache entwickelte sich von einem unkultivierten, ziemlich rauen lokalen Dialekt zur Sprache der Parlamentsdebatten und der poetischen Dichtung. Burgen, Paläste, Kathedralen und Denkmäler wurden errichtet, von denen viele heute noch stehen und vom Genie der Männer künden, die sie einst erdachten, erbauten und gegen Angriffe verteidigten. Helden wurden geboren, starben und wurden zu Legenden; ebenso die Übeltäter, deren Namen immer noch in den Geschichtsbüchern widerhallen. (Denn manche dieser Übeltäter trugen die Königskrone.) Einige der berühmtesten und dramatischsten Schlachten der europäischen Geschichte wurden in dieser Zeit ausgetragen, etwa die Schlacht bei Bouvines und die Schlacht von Bannockburn, die Seeschlachten von Sluis und Winchelsea, die Schlacht bei Crécy und bei Poitiers. Zwischen dem Zeitalter der Normannen, in dem Kriegskunst eine Kunst der Belagerung war, und dem aufkommenden 15. Jahrhundert, in dem offene Feldschlachten üblich waren, wurde die Militärtaktik revolutioniert; und die Engländer mit ihren tapferen Kriegern und todbringenden berittenen Bogenschützen waren der Schrecken Europas. Gegen Ende der Plantagenet-Ära begannen die Engländer, die Kriegsführung auf offener See zu verfeinern. Die Seekriegstaktik hinkte etwas hinter der für Landkriege her, doch Mitte des 14. Jahrhunderts gab es so etwas wie eine englische Marine, die zum Schutz der Küsten und zum Angriff auf feindliche Schiffe eingesetzt werden konnte. Selbstverständlich kam es während der Herrschaft der Plantagenets auch zu Akten der Grausamkeit, des Gemetzels, der Brutalität und Dummheit. Dennoch war bis 1399, dem Jahr, in dem dieses Buch endet, aus dem kühlen und feuchten Inselreich, das Wilhelm, der Bastard aus der Normandie, im Jahr 1066 erobert hatte, ein hoch entwickeltes Reich geworden, das zu den bedeutendsten der Christenheit zählte. Die Grundlage dafür bildeten die Macht und das Ansehen der Königsfamilie.

Der Weg dahin wird in diesem Buch beschrieben. Doch das Buch soll auch unterhalten. Es bietet ein Stück erzählte Vergangenheit mit einigen der großen Ereignisse aus der Geschichte Englands in der Zeit zwischen dem Sinken des Weißen Schiffs 1120 und der Absetzung von Richard II. 1399. Dazu gehören der Bürgerkrieg zwischen Stephan und Mathilde; die Ermordung Thomas Beckets durch die Ritter Heinrichs II.; die Revolte der Königssöhne in den Jahren 1173 und 1174; die Kriege Richards I. gegen Saladin während des Dritten Kreuzzugs; der Krieg der Barone gegen König Johann und die Anerkennung der Magna Carta; die glücklosen Bemühungen Heinrichs III. in einer späteren Auseinandersetzung mit dem Adel, unter anderem mit seinem Schwager (und seiner Nemesis) Simon de Montfort; die Feldzüge Eduards I. in Wales und Schottland; die spezielle Beziehung Eduards II. zu Piers Gaveston und seine erzwungene Abdankung; der von Eduard III. provozierte Hundertjährige Krieg, in dem er zusammen mit seinem Sohn, dem Schwarzen Prinzen, kämpfte und den König von Frankreich gefangen nahm, und die anschließende Stiftung des Hosenbandordens, um die militärische Überlegenheit Englands zu feiern; die enorme Zahl der Todesopfer, die der Schwarze Tod in Europa forderte; die heroische Haltung Richards II. gegenüber Wat Tylers Rebellen während des Bauernaufstands von 1381, gefolgt von Richards Tyrannei und seinem endgültigen Sturz, als er von Bolingbroke entthront wurde. Alle diese Geschichten sind schon für sich genommen aufregend; sie sind aber auch Teil des historischen Kanons, der England nach wie vor, trotz der kulturellen Umbrüche im 21. Jahrhundert, als Nation und Volk definiert. Die Könige aus dem Haus Plantagenet erfanden nicht nur England als politische, administrative und militärische Einheit. Sie trugen auch dazu bei, unsere Vorstellung von England zu prägen – eine Vorstellung, der nach wie vor eine große Bedeutung zukommt.

Es ist ein dickes Buch geworden – und es hätte noch viel umfangreicher werden können. Zur leichteren Lektüre habe ich den Text in sieben Abschnitte unterteilt. Teil I, «Das Zeitalter der Katastrophen», beschreibt, in welch schlechter Verfassung sich England gegen Ende der normannischen Herrschaft befand, die unter Wilhelm dem Eroberer begonnen hatte und sich unter der Regierung seiner beiden Söhne Wilhelm Rufus und Heinrich I. fortsetzte. Nach dem Tod Heinrichs tobte in England und in der Normandie ein brutaler und lähmender Bürgerkrieg. Zwei Erben erhoben Anspruch auf den Thron: König Stephan, der Enkel Wilhelms des Eroberers, und Heinrichs Tochter Mathilde. Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis der Krieg zugunsten Mathildes entschieden war. In dieser Zeit zerfiel England praktisch in zwei Herrschaftsbereiche mit zwei Höfen und zwei konkurrierenden Regierungen. Die öffentliche Ordnung lag darnieder, das Land wurde von Söldnern heimgesucht und verwüstet. Erst mit der Thronbesteigung von Mathildes Sohn, ihrem ältesten Kind mit Gottfried Plantagenet – ein unberechenbarer, jähzorniger, aber intelligenter Junge namens Heinrich FitzEmpress –, wurde das Reich wieder geeint und gut regiert. Heinrich FitzEmpress wurde Heinrich II., und durch eine gelungene Kombination aus Glück, ungeheurer persönlicher Energie, großem militärischem Geschick und Eigensinn konnte sich Heinrich als König etablieren und wurde Herr über ein Flickwerk von Territorien, das sich von den Grenzen Schottlands bis zu den Rändern der Pyrenäen erstreckte.

Heinrichs II. Herrschaft über seine ausgedehnten Gebiete, die sich allmählich, wenn auch nicht gezielt zu einem Reich zusammenfügten, ist Thema von Teil II, «Das Zeitalter des Reichs». Darin werden Heinrichs beeindruckende Eroberungen geschildert, das katastrophale Zerwürfnis mit seinem einstigen besten Freund, Erzbischof Thomas Becket, und die Auseinandersetzungen des Königs mit seinen aufmüpfigen Kindern und seiner außergewöhnlichen Frau, Eleonore von Aquitanien. Die Revolte der eigenen Kinder stellte nach Ansicht einiger Zeitgenossen die göttliche Strafe für Beckets Tod dar. «Das Zeitalter des Reichs» betrachtet auch Heinrichs revolutionäre Reformen des englischen Rechts, der Justiz und Verwaltung – Reformen, die England Rechtsverfahren und Regierungsprinzipien gaben, die Jahrhunderte überdauerten.

Trotz der Leistungen und Eroberungen während seiner Herrschaft ist Heinrich II. einer der weniger bekannten Könige aus dem Haus Plantagenet. Ganz anders dagegen sein dritter Sohn Richard I., auch Richard Löwenherz genannt, der das Plantagenet-Reich 1189 erbte, als in Europa eine enorme Kreuzzugbegeisterung herrschte. Richard – der dafür, dass er schon wenige Jahrzehnte nach seinem Tod Heldenstatus erlangte, überraschend wenig Zeit in England verbrachte – widmete sein Leben der Verteidigung und Erweiterung der Macht des Hauses Plantagenet. Seine Eroberungen führten ihn im Dritten Kreuzzug bis nach Sizilien, Zypern und ins Königreich Jerusalem, bevor er, nach einer kostspieligen unfreiwilligen Zwischenstation in Deutschland, nach England zurückkehrte, um sein Erbe gegen den französischen König Philipp II. «Augustus» zu verteidigen. «Das Zeitalter des Reichs» endet im Jahr 1204, als Richards Bruder König Johann eine demütigende Niederlage gegen Philipp erlitt, die Normandie verlor und Schande über das militärische Vermächtnis der Familie brachte. Die Regierungsentscheidungen unter Johann sollten das Verhältnis zwischen England und Frankreich fast hundertfünfzig Jahre lang prägen.

Die Auswirkungen von Johanns militärischem Versagen werden in Teil III betrachtet, «Das Zeitalter der Opposition». Nach dem Verlust der Normandie waren die Könige von England gezwungen, sich dauerhaft in England niederzulassen, wodurch Johann schon bald in Konflikt mit seinen Baronen, Kirchenleuten und keltischen Nachbarn geriet. «Das Zeitalter der Opposition» beginnt mit den dunklen Tagen von Johanns Regierung, in denen die militärischen Erfolge über Wales, Schottland und Irland von der außerordentlichen Grausamkeit des unfähigen Königs überschattet wurden. Wie Johann das komplizierte Regierungssystem nutzte und ausnutzte, das ihm sein Vater Heinrich II. hinterlassen hatte, provozierte eine der größten Verfassungskrisen der englischen Geschichte. 1215 brach ein langer Bürgerkrieg aus, dem die Frage zugrunde lag: Wie kann ein Reich einen tyrannischen König disziplinieren? Eine Frage, die auch mit einem gescheiterten Friedensvertrag namens Magna Carta nicht zu beantworten war. Doch diese brachte einige wichtige Prinzipien und Richtlinien der englischen Regierung zum Ausdruck und wurde zur einenden Grundlage, auf die spätere Gegner der Krone ihre Kritik stützten, während der Herrschaft von Johanns Sohn Heinrich III. und zu Beginn der Regierung seines Enkels Eduard I. Es war stets die Magna Carta, auf die sich für das restliche 13. Jahrhundert alle Gegner der Krone in Krisenzeiten beriefen. Anführer der Gegner war ein Mann namens Simon de Montfort. Die Kriege Heinrichs III. und Eduards gegen de Montfort brachten «Das Zeitalter der Opposition» schließlich zu einem Ende.

Teil IV beginnt im Jahr 1260 gegen Ende einer langen Periode eines immer wieder aufflackernden Bürgerkriegs zwischen den Königen der Plantagenets und ihren Baronen. Königlicher Held dieser Zeit war Eduard I., ein groß gewachsener und erbarmungsloser Mann, von dem man sagte, er könne so wütend werden, dass er einen Mann im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode erschreckt habe. Unter Eduards kriegerischer Führung mussten die Engländer schließlich aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen, und sich ihren Nachbarn zuwenden: Schottland und Wales. Die brutalen Bemühungen Eduards I., nicht nur über England, sondern über ganz Britannien zu herrschen, sind Thema von «Das Zeitalter des Artus». Mit der Herausbildung eines neuen Mythos für das englische Königtum wuchs die Beliebtheit der Artussagen, und eine regelrechte Jagd nach Reliquien setzte ein. Eduard präsentierte sich als Erbe von Artus (ursprünglich ein legendärer walisischer König), der die Britischen Inseln einen und ein neues Zeitalter königlicher Herrschaft einläuten wollte. Trotz des immer wieder aufflackernden Widerstands seiner Barone, die über das noch junge politische Organ des Parlaments eine politische Opposition zu organisieren begannen, kam Eduard seinen Zielen relativ nahe. Der Einfluss seiner Politik auf Englands Beziehungen zu Schottland und Wales ist auch heute noch zu erkennen.

Eduard I. zählt zweifellos zu den großen Königen der Plantagenets, auch wenn er persönlich nicht unbedingt sympathisch war. Sein Sohn Eduard II. hingegen war in jeder Hinsicht der Schlimmste von allen. Teil V, «Das Zeitalter der Gewalt», erzählt die traurige Geschichte eines Königs, der die grundlegenden Aufgaben des Königtums nicht verstand und dessen Herrschaft von einem erschreckenden außenpolitischen Versagen gekennzeichnet war. Sie mündete in der kompletten Isolierung der politischen Klasse und einem mörderischen Bürgerkrieg. Eduards katastrophale Beziehungen zu seinen Günstlingen Piers Gaveston und Hugh le Despenser dem Jüngeren hatten verheerende Folgen für die englische Politik, ähnlich wie das brutale Gebaren seines Cousins Thomas of Lancaster, der kompromisslos Krieg gegen den König führte, bis er schließlich 1322 hingerichtet wurde. Durch Lancasters Fehde und Eduards Unzulänglichkeiten sank das Ansehen des Königtums derart, dass Eduard II. schließlich von seinen eigenen Untertanen abgesetzt wurde. Die englische Geschichte in den Jahren 1307 bis 1330 trieft von Blut. Teil V versucht zu erklären, wie es dazu kam – und wie «Das Zeitalter der Gewalt» schließlich ein Ende fand.

Der bedeutendste aller Plantagenet-Könige war Eduard III. Eduard erbte den Thron als jugendlicher Marionettenkönig, gelenkt von seiner Mutter, Isabella von Frankreich, und ihrem Liebhaber Roger Mortimer, die für die Absetzung Eduards II. verantwortlich waren. Doch er konnte ihren Einfluss bald abschütteln. Die darauffolgenden glanzvollen drei Jahrzehnte seiner Regierung werden in Teil VI, «Das Zeitalter des Ruhms», beschrieben. In diesen Jahren expandierten die Plantagenets in jeder Hinsicht. Dank der Feldherrentalente Eduards, seines Sohnes, des Schwarzen Prinzen, und seines Cousins Henry Grosmont konnte England in der Eröffnungsphase des Hundertjährigen Krieges Frankreich und Schottland (und einigen anderen Feinden, darunter Kastilien) mehrere vernichtende Niederlagen zufügen. Siege zu Land bei Halidon Hill (1333), Crécy (1346), Calais (1347), Poitiers (1356) und Najéra (1367) begründeten den Ruf der englischen Truppen – die auf den tödlichen Langbogen setzten – als erfolgreichste Kriegsmaschinerie in Europa. Die Erfolge in den Seeschlachten bei Sluis (1340) und Winchelsea (1350) gaben ihnen zusätzliches Selbstvertrauen auf dem unsicheren Kriegsschauplatz zu Wasser. Eduard und seine Söhne stellten nicht nur die militärische Macht der englischen Könige wieder her, sondern förderten gezielt einen nationalen Mythos, der die Artussage mit einer neuen Verehrung des heiligen Georg und der Wiederbelebung ritterlicher Tugenden durch den Hosenbandorden verknüpfte. Damit schufen sie eine Kultur, die die Angehörigen des englischen Adels bei gemeinsamen Kriegszügen miteinander verband. 1360 hatte die Herrschaft der Plantagenets ihren Höhepunkt erreicht. Die politische Harmonie im eigenen Land wurde durch die Dominanz außerhalb des Landes ergänzt. Eine neue Glanzzeit schien sich anzubahnen.

Doch dann schwand die englische Vormachtstellung genauso plötzlich, wie sie gekommen war. Teil VII zeichnet nach, wie schnell sich das Rad des Schicksals – eine beliebte mittelalterliche Metapher für die Wechselfälle des Lebens – drehen kann. Ab 1360 begann Eduards Herrschaft zu zerfallen, und mit der Thronbesteigung seines Enkels Richard II. im Jahr 1377 bahnte sich eine Krise der Herrschaft an. Richard hatte viele gravierende Probleme geerbt. Der Schwarze Tod, der ab Mitte des 14. Jahrhunderts mit einer Pestwelle nach der anderen die Bevölkerung Europas dezimierte, stellte die wirtschaftliche Ordnung Englands auf den Kopf. Zwistigkeiten unter den Söhnen des betagten Königs sorgten für eine uneinheitliche Außenpolitik, während Frankreich unter Karl V. und Karl VI. wieder aufblühte und begann, England erneut Richtung Ärmelkanal zurückzudrängen. Richard II. mag schlechte Karten gehabt haben, doch er ging auch fahrlässig mit seinem Erbe um. Das Königtum der Plantagenets und der königliche Hof lieferten zwar ein glanzvolles Spektakel und ließen die Kunst aufblühen; unter anderem machten sich in jener Zeit die ersten großen mittelalterlichen Autoren – Geoffrey Chaucer, John Gower und William Langland – ans Werk. Aber Richard war ein misstrauischer, gieriger, gewalttätiger und gehässiger König, der einige der größten Männer in seinem Reich vor den Kopf stieß. 1399 hatte das Reich genug von ihm, und er wurde von seinem Cousin Henry Bolingbroke abgesetzt.

An dieser Stelle endet auch das Buch. Theoretisch könnte man es noch weiter fortsetzen. Direkte Nachkommen Eduards III. regierten England bis 1485, als Heinrich Tudor Richard III. in der Schlacht von Bosworth besiegte und dadurch den Thron besteigen konnte. Tatsächlich kam der Name «Plantagenet» für die Königsdynastie erst während der Rosenkriege in Gebrauch, als die Unterlagen des englischen Parlaments, die sogenannten Parliament Rolls, einen «Richard Plantaginet» aufführten, «gemeinhin Duc of York genannt», der sein Recht auf den Königsthron geltend mache. In der Folge verliehen Eduard IV. und Richard III. den Beinamen einigen ihrer illegitimen Kinder – eine Referenz an die königliche Abstammung außerhalb des Familienstammbaums; die Verwendung des Namens verwies auf eine Verbindung zu einer alten und legendären königlichen Blutlinie, die in eine Zeit fast jenseits der menschlichen Vorstellung zurückreichte.

Für mich liegt die Zeit der Plantagenets in England jedoch zwischen den Jahren 1254 und 1400, und zwar aus den folgenden drei Gründen:

Erstens war dies die einzige Phase im englischen Mittelalter, in der die Krone relativ reibungslos von einer Generation an die nächste übergeben wurde, ohne gravierende Erbfolgekonflikte oder Kriege um die dynastische Legitimation. Abgesehen von Arthur von Bretagne und Prinz Ludwig von Frankreich, die zu Beginn und gegen Ende von König Johanns harter Regierung berechtigte, aber letztlich hoffnungslose Ansprüche erhoben, gab es während der Plantagenet-Jahre keine rivalisierenden Anwärter auf die englische Königskrone. Das lässt sich weder für die normannische Herrschaft sagen, die mit König Stephan endete, noch für das Jahrhundert nach der Absetzung Richards II., als die Dynastie der Plantagenets in die beiden Seitenlinien jüngerer Söhne zerfiel, die Familien Lancaster und York.

Zweitens habe ich mich für den Zeitraum von 1254 bis 1399 einfach deshalb entschieden, weil er für mich eine der aufregendsten und spannendsten Phasen in der Geschichte des Mittelalters darstellt, in der sich einige der größten Ereignisse in der Geschichte unseres Landes zutrugen. Und drittens habe ich mein Buch aus praktischen Überlegungen auf diesen Zeitraum begrenzt. So gern ich die Geschichte der Plantagenets bis zum grausigen Ende der Dynastie unter Heinrich Tudor weitererzählt hätte – in einem Buch, das leicht genug ist, um es auch im Bett zu lesen, wäre dies einfach nicht möglich gewesen. Eines Tages wird ein zweiter Band die Geschichte zum Abschluss bringen.

Es war mir eine Freude, dieses Buch zu schreiben. Ich hoffe, es ist auch eine Freude, es zu lesen. Bei meiner Arbeit haben mich viele Menschen unterstützt. Ohne meine unvergleichliche Agentin Georgina Capel wäre das alles nicht möglich gewesen. Außerdem möchte ich Dr. Helen Castor für ihre außergewöhnlich großzügige, weise und ermutigende Art danken, in der sie fast jeden Aspekt des Buches ausführlich mit mir diskutierte. Ben Wilson und Dr. Sam Willis halfen mir bei allen Fragen in Zusammenhang mit Schiffen und Seeschlachten. Richard Partington lieferte nützliche Hinweise zu Eduard III. Walter Donohue, Paul Wilson und Toby Wiseman kommentierten das Manuskript in seinen verschiedenen Phasen. Alle Fehler gehen natürlich auf mein Konto. Meine Lektorin bei Harper Press, Arabella Pike, war so geduldig wie immer und spornte mich mit ihren Beobachtungen und Bemerkungen zum Text an. Ihr Team, darunter Kerry Enzor, Sophie Ezra, Steve Cox und Caroline Hotblack, war ebenfalls sehr hilfsbereit und tolerant. Die Mitarbeiter der British Library, der London Library, den National Archives, den London Metropolitan Archives und der Guildhall Library waren außergewöhnlich freundlich, ebenso die Aufsichten, Führer und Mitarbeiter in den unzähligen Burgen, Kathedralen und auf den Schlachtfeldern, die ich bei der Recherche für meine Reise durch drei Jahrhunderte europäischer Geschichte besuchte.

Vor allem möchte ich jedoch Jo, Violet und Ivy Jones danken, die sich mit meiner unaufhörlichen Schreiberei abfinden mussten, es ist daher völlig klar, dass ich ihnen auch dieses Buch widme.

Battersea, London

Dan Jones

Januar 2012

ERSTER TEILDas Zeitalter der Katastrophen

1120–1154

Es war, als ob Christus und seine Heiligen geschlafen hätten.

Angelsächsische Chronik

Das Weiße Schiff

Der Prinz war betrunken. Genauso wie die Besatzung und die Passagiere des Schiffs, auf dem er sich befand. Am 25. November 1120 amüsierten sich fast zweihundert junge und schöne Abkömmlinge der führenden Familien Englands und der Normandie an Bord eines prächtigen, weiß gestrichenen Langschiffs. Das Schiff hatte ein wohlhabender Kaufmann für die Fahrt von der Normandie nach England zur Verfügung gestellt. Nun hob und senkte es sich auf dem Wasser, begleitet vom Gelächter der Feiernden im Hafen von Barfleur. Eine über hundert Kilometer lange Überfahrt auf der im Spätherbst unruhigen See des Ärmelkanals lag vor ihnen. Dennoch wurde das am Rand der geschäftigen Hafenstadt vertäute Schiff mit zahlreichen Weinfässern beladen, und Passagiere wie Besatzung wurden ausgelassen zum Trinken ermuntert.

Der Prinz war Wilhelm Aetheling. Er war der einzige eheliche Sohn Heinrichs I., König von England und Herzog der Normandie, und dessen Frau Matilda von Schottland, einer gebildeten, fähigen Königin, die von den angelsächsischen Königen von Wessex abstammte, die England vor der Eroberung durch die Normannen regiert hatten. Wilhelm war nach seinem Großvater benannt, nach Wilhelm dem Eroberer. Sein Beiname «Aetheling» war ein traditioneller angelsächsischer Titel für den Thronerben. Wilhelm war ein privilegierter, geselliger junger Mann, dem man seine königliche Abstammung mütterlicher- und väterlicherseits anmerkte. Vermutlich entsprach er voll und ganz dem uralten Klischee vom vergötterten und verwöhnten ältesten Sohn. Ein normannischer Chronist berichtet, Wilhelm sei «in goldbestickte seidene Gewänder» gekleidet gewesen, «umgeben von einer Schar Bediensteter und Wachen», und habe «ein beinahe himmlisches Strahlen» an sich gehabt; ein junger Mann, dem von allen Seiten «außerordentliche Verehrung» entgegengebracht worden sei, weshalb er zu «übermäßiger Arroganz» geneigt habe.

Wilhelm war umringt von zahlreichen jungen Adligen, darunter sein Halbbruder Richard von Lincoln und seine Halbschwester Matilda, Gräfin von Le Perche. Beide waren illegitime Nachkommen Heinrichs und gehörten zu einer ganzen Schar von insgesamt vierundzwanzig Kindern, die der bemerkenswert virile König gezeugt hatte. Außerdem waren mit von der Partie: Wilhelms Cousin Stephan von Blois, der ebenfalls ein Enkel Wilhelms des Eroberers war; Richard, der sechsundzwanzig Jahre alte Earl of Chester, und seine Frau Maud; Geoffrey Ridel, ein englischer Richter; Othver, der Tutor des Prinzen, und mehrere andere Cousins, Freunde und königliche Amtsträger. Zusammen bildeten sie eine goldene Generation anglonormannischer Adliger, die zu Recht in großem Stil reisten.

Der Eigner des Weißen Schiffs war Thomas Fitzstephen. Sein Großvater Airard hatte ein Langschiff zur Invasionsflotte des Eroberers beigesteuert; Fitzstephen dachte wohl, die Beförderung zukünftiger Könige nach England liege in der Familie. Er hatte beim König um die Ehre gebeten, die königliche Gesellschaft sicher von Barfleur zur englischen Südküste zu bringen. Heinrich hatte ihn mit der Überfahrt des Prinzen und dessen Begleitung beauftragt, doch mit der ehrenvollen Aufgabe war auch eine Warnung verbunden: «Ich vertraue euch meine Söhne Wilhelm und Richard an, die ich liebe wie mein eigenes Leben.»

Wilhelm war in der Tat eine kostbare Fracht. Mit seinen siebzehn Jahren war er bereits ein begüterter und erfolgreicher junger Mann. Er war 1119 mit Matilda verheiratet worden, der Tochter Fulkos V., des Grafen von Anjou und zukünftigen Königs von Jerusalem. Die Verbindung sollte die seit Generationen bestehenden Feindseligkeiten zwischen den Normannen und Angevinen (so wurden die Bewohner der Grafschaft Anjou genannt) beenden. Nach der Hochzeit hatte Wilhelm seinen Vater Heinrich ein Jahr lang durch die Normandie begleitet und die Kunst des Regierens erlernt. Unter anderem war er mit dabei gewesen, als Heinrich mit Ludwig VI., genannt «der Dicke», dem politisch gewieften König von Frankreich – in den Quellen aufgrund seiner Leibesfülle mit einem Schwein verglichen –, einen Friedensvertrag ausgehandelt hatte, den der Chronist William von Malmesbury als «brillant und sorgfältig abgestimmt» beschrieb. Wilhelm sollte in der hohen Kunst der königlichen Herrschaft unterrichtet werden. Offenbar mit Erfolg, denn in offiziellen Dokumenten wurde er als rex designatus bezeichnet, als designierter König, was darauf schließen lässt, dass er in die Position des Nebenkönigs an der Seite seines Vaters aufgestiegen war.

Der Höhepunkt in Wilhelms jungem Leben hatte sich nur wenige Wochen vor dem Ablegen des Weißen Schiffs ereignet. Wilhelm hatte vor dem korpulenten Ludwig gekniet und ihm die Treue als neuer Herzog der Normandie geschworen. Diese semisakrale Zeremonie besiegelte, dass Heinrich das Herzogtum an seinen Sohn übergeben hatte. Wilhelm wurde damit als eine der führenden Figuren Europas anerkannt. Zudem markierte die Zeremonie in gewisser Weise den Übergang vom Jugendlichen zum Mann.

Eine Ehefrau, ein Herzogtum und der unaufhaltsame Aufstieg zum König: Wilhelm hatte allen Grund zu feiern – und das tat er auch. Als das schwache Licht des Novembernachmittags einer klaren, kalten Nacht wich, blieb das Weiße Schiff im Hafen von Barfleur vertäut, und der Wein floss reichlich.

Es war ein stattliches Schiff – mit Platz für mehrere Hundert Passagiere, einer Besatzung von fünfzig Mann und einem großen Frachtraum. Das war wohl durchaus beachtlich, der normannische Chronist Ordericus Vitalis bezeichnete es als «hervorragend ausgerüstet und bereit für den königlichen Dienst». Das Weiße Schiff war lang und tiefgängig, hatte erhöhte Aufbauten und war mit Schnitzereien an Bug und Heck verziert, es besaß einen hohen Mast in der Mitte, ein rechteckiges Segel und Öffnungen in der Bordwand für die Ruder auf beiden Seiten. Das Steuerruder befand sich nicht in der Mitte des Hecks, sondern seitlich; der Kapitän musste sich daher sehr gut mit den örtlichen Gegebenheiten auskennen und zur Hafenseite hin blind navigieren.

Ein günstiger Wind wehte aus südlicher Richtung und versprach eine schnelle Überfahrt. Die Besatzung und die Passagiere auf Wilhelms Schiff verabschiedeten am Abend das Schiff des Königs. Eigentlich sollten sie ihm folgen, doch das Zechgelage an Bord war so unterhaltsam, dass das Weiße Schiff noch lange nach Einbruch der Dunkelheit im Hafen blieb. Als Priester eintrafen und das Schiff mit Weihwasser segnen wollten, wurden sie unter Johlen und Gelächter weggeschickt.

Im Laufe des Abends wurde immer ausgelassener gefeiert und auch geprahlt. Das Weiße Schiff hatte kaum Fracht und verfügte über fünfzig Ruderer. Der angetrunkene Kapitän behauptete, sein Schiff sei mit geblähtem Segel und kräftigem Rudereinsatz so schnell, dass es den Vorsprung von König Heinrichs Schiff leicht aufholen könne und England noch vor dem König erreichen werde.

An Bord machten sich nun einige Passagiere Gedanken, dass eine Überfahrt bei hoher Geschwindigkeit mit einer betrunkenen Besatzung nicht unbedingt die sicherste Art war, den Ärmelkanal zu überqueren. Aethelings Cousin Stephan von Blois erklärte, er habe eine Magenverstimmung, ging von Bord und suchte sich ein anderes Schiff, das ihn nach Hause bringen sollte. Einige andere schlossen sich ihm an, beunruhigt über das ausgelassene und eigensinnige Verhalten der königlichen Gesellschaft und der Besatzung. Doch allen Bedenken zum Trotz rüsteten die betrunkenen Seeleute das Schiff für die Abfahrt.

Gegen Mitternacht lichtete das Weiße Schiff in einer klaren Neumondnacht die Anker und nahm Kurs auf England. Es flog «geschwinder als ein geflügelter Pfeil und sauste über die gekräuselte Oberfläche der Tiefe», schrieb William von Malmesbury. Doch das Schiff kam nicht sehr weit. Tatsächlich kam es nicht einmal über den Hafen von Barfleur hinaus.

Ob es nun an der ausgelassenen Feier an Bord lag, an einem simplen Navigationsfehler oder am Zorn des Allmächtigen, weil man sein Weihwasser zurückgewiesen hatte, jedenfalls rammte das Weiße Schiff nur wenige Minuten nach dem Ablegen einen scharfen Felsen, bekannt als Quillebeuf, der am Ausgang des Hafens aus dem Wasser ragt und dort auch heute noch zu sehen ist. Die Kollision riss ein fatales Loch in den hölzernen Bug. Zersplitterte Planken wurden ins Meer geschleudert. Eiskaltes Wasser drang ins Schiff.

An Bord hatten alle nur einen Gedanken: Wilhelm zu retten. Während die Besatzung versuchte, das eindringende Wasser aus dem Schiff zu schöpfen, wurde ein Rettungsboot zu Wasser gelassen. Aetheling stieg zusammen mit einigen Begleitern und Ruderern ins Boot, das ihn ans rettende Ufer von Barfleur bringen sollte.

Schreckliche Szenen müssen sich abgespielt haben: Das Gebrüll der betrunkenen Besatzung, die sich mühte, das havarierte Schiff zu retten, die Schreie der Passagiere, die durch die Wucht des Aufpralls ins Meer geschleudert worden waren. Die prächtigen Gewänder der adligen Männer und Frauen saugten sich schnell mit Wasser voll und wurden schwer, es war unmöglich, das rettende Ufer zu erreichen oder sich auch nur über Wasser zu halten. Über den Wellen hallten die Schreie der Ertrinkenden.

Als das kleine Rettungsboot den Hafen ansteuerte, hörte Wilhelm unter den panischen Rufen die Stimme seiner älteren Halbschwester Matilda heraus. Sie schrie um ihr Leben – im sicheren Wissen, in der Kälte und Dunkelheit zu ertrinken. Das war mehr, als Aetheling ertragen konnte. Er befahl den Männern im Boot, umzukehren und Matilda zu retten.

Eine fatale Entscheidung. Die Gräfin war nicht die Einzige, die ums Überleben kämpfte. Auch andere, die im eiskalten Wasser paddelten, sahen das Rettungsboot und versuchten, an Bord zu klettern und sich in Sicherheit zu bringen, was aber nur bewirkte, dass auch das Rettungsboot kenterte und sank. Matilda wurde nicht gerettet, und auch Wilhelm Aetheling ertrank, der Herzog der Normandie und designierte König von England. Der Chronist Heinrich von Huntingdon schrieb dazu: «Anstatt eine goldene Krone zu tragen, wurde sein Kopf von den Felsen des Meeres zertrümmert.»

Nur ein Einziger überlebte den Untergang des Weißen Schiffs, ein Metzger aus Rouen, der in Barfleur an Bord gegangen war, um ausstehende Schulden einzutreiben, und von den Feiernden einfach mitgenommen wurde. Als das Schiff sank, wickelte er sich zum Schutz gegen die Kälte in Widderfelle und klammerte sich die ganze Nacht lang an ein Wrackteil. Am Morgen wankte er klatschnass ans Ufer und erzählte seine Geschichte. Später wurden mit der Flut einige Leichen ans Ufer gespült, doch die meisten wurden nie gefunden.

Es dauerte eine Weile, bis die Nachricht vom Untergang des Schiffes nach England gelangte. Heinrichs Schiff, bemannt mit einer nüchternen Besatzung und umsichtig gesteuert von einem aufmerksamen Kapitän, erreichte unbeschadet die englische Küste, wo sich der König und sein Haushalt den Vorbereitungen auf Weihnachten widmeten.Als die schreckliche Nachricht aus Barfleur bekannt wurde, herrschte am Königshof blankes Entsetzen. Heinrich wurde zunächst in Unkenntnis gelassen. Adlige wie Amtsträger fragten sich bestürzt, wer dem König sagen sollte, dass drei seiner Kinder, darunter sein geliebter Erbe, «den Ungeheuern der Tiefe zum Fraße dienten», wie es William von Malmesbury formulierte.

Schließlich wurde ein kleiner Junge zu Heinrich geschickt, um die Nachricht zu überbringen. Er warf sich dem König zu Füßen und berichtete weinend von der Tragödie. Laut Ordericus Vitalis sank Heinrich I. «zu Boden, überwältigt von Kummer». Es heißt, er habe nie wieder gelächelt.

Der Untergang des Weißen Schiffs löschte eine ganze Generation der anglonormannischen Elite nahezu komplett aus. Der Tod von Wilhelm Aetheling – und das glückliche Überleben seines Cousins Stephan von Blois – sollte die gesamte Politik des westlichen Europa drei Jahrzehnte lang durcheinanderwirbeln.

Der Verlust seines Erben war nicht nur eine persönliche Tragödie für Heinrich I. Wilhelms Tod bedeutete für die normannische Dynastie eine politische Katastrophe. Oder wie Heinrich von Huntingdon schrieb: Wilhelms «sichere Aussicht auf den künftigen Königsthron war von größerer Bedeutung als das aktuelle Königtum seines Vaters». Durch Wilhelms Heirat war der Friede zwischen der Normandie und Anjou gewährleistet. Mit Wilhelms Huldigung von Ludwig VI. befand sich das gesamte anglonormannische Reich im Frieden mit Frankreich. Sämtliche Pläne und Bemühungen Heinrichs zur Sicherung seiner Länder und seines Vermächtnisses hatten auf dem Überleben seines Sohnes gegründet.

Ohne ihn war alles vergebens.

Die Suche nach einem Erben

Heinrich I. war ein «Mann, gegen den niemand obsiegen konnte, mit Ausnahme von Gott persönlich». So steht es in den sogenannten Brut-Chroniken. Tatsächlich war Heinrichs Herrschaft in fast jeder Hinsicht ein Erfolg. Der vierte Sohn Wilhelms des Eroberers konnte am Ende seines Lebens auf eine außergewöhnlich lange, friedliche Regierungszeit von fünfunddreißig Jahren zurückblicken, in der sein Reich prosperierte und die Autorität des englischen Königs einen neuen Stellenwert erreichte. Nach dem Tod seines Vaters 1087 waren England und die Normandie zwischen seinen älteren Brüdern aufgeteilt worden; Heinrich führte beide Herrschaftsgebiete wieder zusammen. Nachdem er sich im Jahr 1100 der Krone bemächtigt hatte, besiegte er 1106 seinen älteren Bruder Robert Kurzhose in der Schlacht bei Tinchebrai und errang damit die Kontrolle über die Normandie. Robert blieb fast drei Jahrzehnte lang Heinrichs Gefangener, bis er 1134 in der Burg von Cardiff starb. Heinrich förderte die Herausbildung einer anglonormannischen Aristokratie, deren Kultur und Landbesitz sich zu beiden Seiten des Ärmelkanals erstreckten. Mit der Heirat Matildas, die von den Königen von Wessex abstammte, sorgte er dafür, dass die normannische und die angelsächsische Blutlinie zusammenkamen, und trug so dazu bei, dass die Wunden, die durch Wilhelms Eroberung entstanden waren, wieder heilen konnten.

Heinrich war ein großer Gesetzgeber und Verwalter. Er schuf ein ausgeklügeltes Regierungssystem, das eine deutliche Verbesserung zu dem seines Vaters Wilhelm oder seines Bruders Wilhelm Rufus darstellte. Er gewährte den englischen Baronen eine Charter of Liberties (Carta der Freiheiten), die die Gesetze von König Eduard dem Bekenner wiederherstellte, die Rechte der Barone garantierte und die königliche Macht in einigen Bereichen einschränkte. Er entsandte königliche Richter in die englischen Grafschaften, wo sie umherreisten und Verbrechen, Gesetzesverstöße und Korruption ahndeten und so die Rolle der Krone innerhalb der lokalen Verwaltung stärkten. Er reformierte die königlichen Finanzen und setzte ein Schatzamt ein, das zweimal im Jahr Abrechnungen erstellte und die Buchhaltungssysteme Englands und der Normandie unter einem Schatzmeister vereinte. Darüber hinaus stärkte er die Position der Normandie auf dem Festland. Insgesamt betrachtet bot Heinrichs Regierung eines der effizientesten Verwaltungssysteme in Europa seit römischer Zeit. «In jener Zeit», heißt es in der Angelsächsischen Chronik, «wagte niemand, einem anderen Unrecht zu tun, er schuf Frieden für Mensch und Tier.»

Doch trotz dieser großen Leistungen versagte König Heinrich I. in einem entscheidenden Punkt. Er versäumte es, seine Nachfolge zu sichern.

Nachdem Wilhelm Aetheling beim Untergang des Weißen Schiffs umgekommen war, mühte sich Heinrich I., einen weiteren legitimen Sohn zu zeugen, dem er sein Land und seine Titel vermachen konnte. Königin Matilda war 1118 gestorben, daher heiratete Heinrich 1121 ein attraktives junges Mädchen, Adelheid von Löwen. Doch obwohl Heinrich zweiundzwanzig illegitime Kinder gezeugt hatte, gelang es ihm nicht, seine neue Frau zu schwängern.

Damit blieb Heinrich nur eine einzige, verzweifelte Option. Weil er seine illegitimen Söhne (etwa seinen fähigen Ältesten, Robert von Gloucester) nicht zum Nachfolger aufbauen konnte, entschied er, sein einziges anderes legitimes Kind zur Erbin zu ernennen: Kaiserin Mathilde.

Als ihr jüngerer Bruder ertrank, war Mathilde achtzehn Jahre alt. Sie lebte seit einem Jahrzehnt in Deutschland, wohin sie mit acht Jahren gereist war, um Heinrich V. zu heiraten, den deutschen König und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Sie war in den prachtvollen Städten und Palästen Mitteleuropas aufgewachsen und hatte die Höhen politischer Macht kennengelernt. Der Einfluss des Kaisers reichte vom deutschen Reich bis in die Toskana. Da ihr Ehemann ständig in seinem ausgedehnten Herrschaftsgebiet unterwegs war, fungierte Mathilde in seiner Abwesenheit als seine Regentin. Zweimal hatte sie die Kaiserinnenkrone bei wichtigen Zeremonien in Rom getragen, und als eine der bedeutendsten Frauen in Europa pflegte sie Umgang mit den berühmtesten und einflussreichsten Personen ihrer Zeit.

Doch 1125 wurde Mathilde Witwe. Sie hatte mit dem Kaiser keine Kinder, daher war ihre politische Aufgabe in Deutschland beendet. Heinrich I. hatte in England jedoch eine neue Rolle für sie. Sie kehrte mit dem Titel Kaiserin und einer von ihr sehr geschätzten kostbaren Reliquie in ihre alte Heimat zurück: der konservierten Hand des Apostels Jakobus, einem Andenken aus der Kaiserkapelle. Kaum war sie wieder in England, stand sie im Zentrum des politischen Geschehens. Als an Weihnachten 1126 Hof gehalten wurde, saß Mathilde neben ihrem Vater, während die anglonormannischen Barone ihr als Erbin des Königreichs und des Herzogtums die Treue schworen.

Dass es sich dabei um eine außergewöhnliche Maßnahme handelte, war Heinrich und seinen Baronen bewusst. Beispiele für weibliche Herrscherinnen im 12. Jahrhundert gab es kaum. Ein König verlangte viel von seinen Untertanen, wenn er ihre Einwilligung einforderte, sich später von seiner Tochter regieren zu lassen. Doch Heinrich blieb kaum eine andere Wahl.

Mathilde brauchte nun eindeutig einen neuen Ehemann, der ihren Anspruch auf die Thronnachfolge untermauerte. Wie schon bei Wilhelm Aetheling suchte Heinrich eine Allianz mit den Grafen von Anjou. Er wandte sich an Fulko V. und handelte eine Ehe zwischen Mathilde und Fulkos ältestem Sohn Gottfried aus. Am 17. Juni 1128 wurde das Paar in der normannisch-angevinischen Grenzstadt Le Mans getraut. Kaiserin Mathilde war sechsundzwanzig Jahre alt. Ihr Bräutigam war fünfzehn. Der Chronist Jean de Marmoutier berichtet, die Hochzeit sei «drei Wochen lang ohne Pause» gefeiert worden, «und als sie zu Ende war, ging niemand ohne ein Geschenk».

An seinem Hochzeitstag war Gottfried ein hochgewachsener, anmaßender Jugendlicher mit roten Haaren, einer scheinbar unerschöpflichen natürlichen Energie und der Neigung zur Selbstdarstellung. Seine helle Haut und sein gutes Aussehen brachten ihm den Beinamen Le Bel ein. Außerdem wird berichtet, dass er gern einen Zweig gelbblühenden Ginsters (lateinisch planta genista) im Haar trug, was ihm einen weiteren Spitznamen eintrug: Gottfried Plantagenet. Jean de Marmoutier beschrieb ihn später als «bewundernswert und freundlich ... ein Meister des Disputs ... [und] außerordentlich geschickt im Umgang mit Waffen». Eine Woche vor der Hochzeit mit Mathilde hatte Heinrich I. seinen angehenden Schwiegersohn in Rouen zum Ritter erhoben, Gottfried war dabei in Leinen und Purpur gekleidet und trug ein doppelt gewirktes Kettenhemd und goldene Sporen, einen Schild mit goldenen Löwen und ein Schwert, das angeblich der sagenhafte Wieland der Schmied geschaffen hatte. Sobald die Ehe geschlossen war, wurde Gottfried auch Graf von Anjou, weil Fulko V. den Titel ablegte und ins Heilige Land aufbrach, wo er König von Jerusalem wurde.

Trotz all dem war Mathilde nicht besonders begeistert. Gottfried war nicht nur elf Jahre jünger als sie, er entstammte auch noch dem verhassten Haus Anjou. Die Normannen betrachten die Angevinen als Barbaren, die Priester ermordeten, Kirchen entweihten und abstoßende Tischmanieren hatten. Es ging die Legende, dass sie von Satans Tochter Melusine abstammten, die in grauer Vorzeit einen angevinischen Grafen geheiratet hatte. Als sie gezwungen wurde, zur Messe zu gehen, hatte sie sich als Teufelin entpuppt, war durchs Kirchenfenster geflogen und für immer verschwunden, doch ihr Blut pulsierte noch immer in den Adern ihrer Nachkommen.

Die Legende mochte aus uralter Zeit stammen, doch es gab auch neuere Hinweise auf ein gefährlich aufbrausendes Temperament im Haus Anjou. Gottfrieds Urgroßvater Fulko III., genannt «der Schwarze», war bekannt für seine Gewalttätigkeit. Es hieß, er habe seine erste Ehefrau in ihrem Hochzeitskleid auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, nachdem sie angeblich Ehebruch mit einem Ziegenhirten begangen hatte. Dabei reichte sein eigener Ruf als Vergewaltiger und Plünderer von der Atlantikküste bis ins Heilige Land.

Dennoch erschien Heinrich I. die Vermählung seiner Tochter mit Gottfried Plantagenet als notwendiges Übel. Die beiden Angetrauten mochten einander nicht, aber das spielte keine Rolle. In den ersten Jahren ihrer Ehe stritten sie sich häufig und trennten sich immer wieder, doch dann versöhnten sie sich unter Heinrichs Führung und erfüllten ihre politische Pflicht: Am 5. März 1133 brachte Mathilde in Le Mans ihren ersten Sohn zur Welt. Das Paar nannte ihn Heinrich, nach dem anglonormannischen König, dessen Krone er einmal erben sollte. Am Ostersamstag wurde das Kind in der Kathedrale von Le Mans getauft und dem Schutz des heiligen Julian unterstellt. Doch es war schon mehr notwendig als der Schutz eines Heiligen, um die Zukunft des Kindes zu sichern. Innerhalb von zwei Jahren versank alles, was Heinrich I. für seinen Enkel erhofft hatte, in Chaos und Zweifeln.

Der Untergang

In der letzten Novemberwoche des Jahres 1135 traf Heinrich I. mit seinem Gefolge in Lyons-la-Forêt in der Haute-Normandie ein. Die dortige Burg mit den umliegenden Wäldern diente den normannischen Herzögen seit zwei Jahrhunderten regelmäßig als Rückzugsort, und auch Heinrich hatte vor, sich wie seine Vorfahren bei einer aufregenden Jagd zu vergnügen. Mit seinen achtundsechzig Jahren war der König immer noch rüstig und stark.

Nach der Ankunft am Montag wollte Heinrich am Dienstag auf die Jagd gehen. Doch in der Nacht wurde er krank und sein Zustand verschlechterte sich rasch. Am Ende der Woche war offensichtlich, dass Heinrich ernsthaft erkrankt war. Der alte König bereitete sich auf den Tod vor. In einem Brief des Erzbischofs von Rouen heißt es, Heinrich «beichtete seine Sünden ... schlug sich auf die Brust und schob alle Feindschaften beiseite». Am Sonntag, dem 1. Dezember, nach drei Tagen Absolution, Gebet und Almosen, erhielt Heinrich vom Erzbischof die letzte Ölung. Wenig später starb er.

Viele Chronisten hoben Heinrichs Frömmigkeit auf dem Sterbebett hervor, doch einer – Heinrich von Huntingdon – notierte auch einige gruselige Details aus dem unmittelbaren Nachleben des Königs. Der königliche Leichnam wurde «nach Rouen gebracht, wo seine Eingeweide, sein Gehirn und seine Augen zusammen bestattet wurden». Dann wurde

der Körper überall mit Messern eingeritzt und mit reichlich Salz bestreut und in Ochsenleder gewickelt, um den strengen, durchdringenden Geruch zu binden, der bereits bei jenen, die ihn hüteten, für Todesfälle sorgte. Selbst der Mann, der für eine hohe Summe angestellt worden war, um den Kopf mit der Axt abzutrennen und das stinkende Gehirn zu entfernen, kam zu Tode, obwohl er sein Gesicht mit Leintüchern verhüllt hatte ...

Die drastische Schilderung war weit entfernt von königlichem Prunk. Doch die physische Realität von Heinrichs Tod verblasste angesichts der politischen Folgen. Noch während Heinrichs einbalsamierter Leichnam nach England zur Beisetzung im Kloster Reading überführt wurde, brach im Königreich ein Bürgerkrieg aus, und das Land geriet in eine konstitutionelle Krise, die fast zwei Jahrzehnte währen sollte. Üblicherweise wird dieser Zustand als «die Anarchie» bezeichnet, doch wer damals lebte und über die dunkelsten Tage Englands berichtete, bevorzugte den Ausdruck «Shipwreck», also «Untergang».

Infolge von Heinrichs Versäumnis, einen erwachsenen männlichen Erben zu stellen, entbrannte ein heftiger Kampf um das anglonormannische Reich. Nach der Rückkehr seiner Tochter Mathilde aus dem deutschen Reich hatte Heinrich I. seine Barone dreimal – 1126, 1131 und 1133 – dazu gebracht, ihr den Treueeid zu schwören. Doch kaum war der alte König gestorben, hatten seine Untertanen ihr Treuegelübde vergessen.

Im Dezember 1135 befand sich Mathildes Cousin Stephan von Blois in Boulogne, der Grafschaft seiner Frau. Als er vom Tod seines Onkels erfuhr, setzte er eilig nach England über. Obwohl er geschworen hatte, Mathildes Herrschaft zu stützen, zog Stephan direkt nach London und ließ sich zum König ausrufen. Am 22. Dezember ging er nach Winchester, wo er sich den Staatsschatz aneignete und sich vom Erzbischof von Canterbury salben ließ. Stephan handelte schnell und sicherte sich die Unterstützung der anglonormannischen Magnaten auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Ohne große Bedenken oder lange Überlegungen stellten sie sich sofort hinter ihn. Kaiserin Mathilde, Gottfried Plantagenet und ihre Kinder waren plötzlich enterbt.

Dass die Barone und Bischöfe in England und in der Normandie Mathildes Ansprüche so schnell abtaten, sagt so einiges über die Natur des Königtums im 12. Jahrhundert. Zwar hatte es bereits weibliche Herrscher gegeben, doch sie waren schwach und wenig überzeugend gewesen. Zudem kursierte das Gerücht, dass Heinrich auf dem Totenbett seine Barone von ihrem Eid entbunden habe. Dem schenkte man nur allzu gerne Gehör. Die Aussicht, von einer Frau regiert zu werden, schien wenig verheißungsvoll.

Zudem entschied noch nicht allein die Abstammung über die Thronfolge der englischen Könige. Auch der Aspekt der Königswahl spielte noch eine starke Rolle. Tatsächlich wäre Heinrich I. ohne dieses Element gar nicht König geworden: Heinrich hatte seinem älteren Bruder Robert Kurzhose 1100 das Königreich England und 1106 die Normandie unter der Nase weggeschnappt. Jetzt wiederholte sich die Geschichte. Stephan hatte eigentlich keinen direkten Anspruch auf den Thron und konnte auch nicht das Recht des Erstgeborenen geltend machen, denn er hatte noch einen älteren Bruder, Theobald von Blois, der eher als Thronfolger infrage gekommen wäre. Dennoch war Stephan ein glaubwürdiger Kandidat. Er war zusammen mit den Königssöhnen am Hof Heinrichs I. aufgewachsen und hatte eine herausragende Stellung unter den übrigen anglonormannischen Baronen inne. Er war dem Tod knapp entronnen, als er angeblich wegen einer Magenverstimmung das Weiße Schiff mit Wilhelm Aetheling an Bord verlassen hatte, bevor es in See gestochen war. Seitdem war er einer von Heinrichs Favoriten gewesen. Er war Anfang vierzig, reich, mächtig, charmant und höflich. Boulogne, die Grafschaft seiner Frau Matilda, war für den englischen Wollhandel von großer Bedeutung. Sein Bruder Heinrich von Blois, der Bischof von Winchester, war ein mächtiger Mann in der englischen Kirche und sicherte Stephan die Unterstützung vieler weiterer Bischöfe. Doch vor allem handelte Stephan schnell genug, um in einem Machtvakuum den Thron für sich zu beanspruchen. Er war zur richtigen Zeit zur Stelle, um die Macht an sich zu reißen und England und die Normandie zu verteidigen. «Niemand anderes war zur Hand, der den Platz des Königs einnehmen und den großen Gefahren ein Ende bereiten konnte, die das Königreich bedrohten», schrieb der unbekannte Autor der Gesta Stephani («Die Taten Stephans»).

Damit unterschied sich Stephans Situation deutlich von der Mathildes und Gottfrieds. Die Kaiserin war im Dezember 1135 mit ihrem dritten Kind schwanger, sie war weit von England entfernt und konnte nicht so schnell handeln wie ihr Cousin. Außerdem hatten sie und Gottfried in den letzten Jahren vor Heinrichs Tod eine heftige Auseinandersetzung mit dem König geführt, weil sie die Burgen an der normannischen Grenze für sich beanspruchten, die Heinrich seiner Tochter ursprünglich als Mitgift versprochen hatte. Gottfried als einem Abkömmling des Hauses Anjou begegnete man in England und der Normandie ohnehin mit Misstrauen – und Mathildes Ansehen war anscheinend nicht viel besser. Laut Heinrich von Huntingdon verstieg sich die Kaiserin «zu unerträglichem Hochmut ... und verstimmte die Herzen von fast allen». Obwohl ihre beiden Söhne – der zweijährige Heinrich und der einjährige Gottfried – beide deutlich näher mit dem verstorbenen König verwandt waren als Stephan, bestand im 12. Jahrhundert kaum eine Chance, dass ein Kleinkind allein aufgrund seines Geburtsrechts zum König erhoben wurde.

Und so wurden Mathilde und Gottfried 1135 ins politische Abseits manövriert. Sie konnten allenfalls die umstrittenen Grenzfestungen aus Mathildes Mitgift für sich beanspruchen, ansonsten mussten sie abwarten und zusehen, wie Stephan seine auf wackligen Ansprüchen gründende Herrschaft in England und der Normandie festigte.

Doch Stephan musste erkennen, dass es deutlich einfacher war, König zu werden, als König zu sein. Ihm fehlten die kalkulierte Rücksichtslosigkeit und politische Intelligenz Heinrichs I. Er stützte sich auf eine kleine Gruppe befreundeter Barone, die ihn berieten und ihm zur Seite standen, während er andere angesehenere und mächtigere Magnaten ignorierte. Er versäumte es, sich gegenüber Baronen durchzusetzen, die seine Autorität nicht anerkannten, und stieß andere vor den Kopf, die eigentlich seine wichtigsten Verbündeten hätten sein sollen.

Bereits nach drei Jahren war Stephans Herrschaft auf beiden Seiten des Ärmelkanals ins Wanken geraten. In der Normandie beanspruchte Gottfried Plantagenet das Herzogtum für seinen Sohn. Ab 1136 führte er einen Eroberungskrieg von den südlichen Grenzen der Normandie aus, dem Stephan wenig entgegensetzen konnte. Der König musste sich voll und ganz auf England konzentrieren, wo er die Unterstützung von Mathildes Halbbruder Robert von Gloucester verlor, dem mächtigsten Baron des Landes – und kurz darauf die seines eigenen Bruders Heinrich, des Bischofs von Winchester, den er bei der Ernennung zum Erzbischof von Canterbury übergangen hatte. Auch Bischof Roger von Salisbury, ein sehr erfahrener königlicher Verwalter, wandte sich von ihm ab, nachdem seine Anhänger und sein Sohn verhaftet worden waren; ein klarer Bruch des von Stephan bei seiner Krönung gegebenen Versprechens, sich nicht in die Angelegenheiten der Kirche oder ihrer Bischöfe einzumischen.

Stephans Herrschaft wirkte von Anfang an polarisierend. Er verteilte großzügig den mühsam angehäuften Staatsschatz Heinrichs I. – allerdings keineswegs gerecht. Verschwenderisch bedachte er Freunde wie die Zwillinge Waleran und Robert Beaumont auf Kosten etablierter mächtiger Barone wie Ranulf, den Earl of Chester. Damit destabilisierte er die landesweite wie die lokale Politik. Doch noch schlimmer waren seine unüberlegten Eingriffe in das ausgeklügelte Regierungssystem Heinrichs I. Stephan entließ mehrere angesehene und erfahrene Verwalter und versuchte, England mit hochgeborenen Adligen zu regieren, die sich militärisch bewährt hatten, aber wenig Ahnung von Verwaltung hatten. Ausschlaggebend für Stephan war allein ihr Rang, nicht ihre administrative Erfahrung.

Diese ungünstige Entwicklung gab Mathilde und ihrer Familie neuen Mut. In aller Ruhe beobachteten sie aus der Ferne, wie Stephans Position immer mehr ins Wanken geriet. 1138 schien sich eine Chance zu bieten, nachdem sich Mathildes einflussreicher Halbbruder Robert von Gloucester offiziell von Stephan abgewandt hatte. Während Gottfried Plantagenet seine Angriffe in der Normandie fortsetzte, brachte Mathilde 1139 ihre Ansprüche als Erbin ihres Vaters in Rom beim Zweiten Laterankonzil vor. Sie setzte mit Truppen nach England über, wo sie sich mit Robert von Gloucester zusammentat und in Bristol ein Hauptquartier mit Gegenregierung einrichtete. Der Bürgerkrieg hatte begonnen.

Mathilde fand ein Reich in großer Unruhe vor. Durch ihr Eingreifen wurde die Lage allerdings noch schlimmer. Sie scharte eine kleine, aber bedeutende Anhängerschaft aus unzufriedenen Baronen um sich, darunter Robert von Gloucester und Brian FitzCount, einen sogenannten Marcher Lord mit großen Ländereien im Grenzgebiet zwischen England und Wales, sowie Miles of Gloucester, der unter Heinrichs Herrschaft wichtige Verwaltungsaufgaben im Westen ausgeübt hatte. Damit war England gespalten. Miles of Gloucester griff in ganz England die Festungen von Stephans Anhängern an, ohne dass dieser etwas dagegen unternehmen konnte. Mathildes Anhängerschaft gewann so an Einfluss und Selbstvertrauen. Doch die Kaiserin war nie stark genug, um den König zu schlagen und England aus eigener Machtfülle zu regieren. Damit zog sich der Krieg zwischen Cousin und Cousine immer länger hin: Beide nahmen für sich in Anspruch, rechtmäßig über England zu herrschen, doch keiner von beiden konnte das ganze Reich unter die eigene Kontrolle bringen.

1141 errang die Kaiserin ihren ersten wichtigen Sieg. Ende 1140 hatte König Stephan Ranulf, den mächtigen Earl of Chester, vor den Kopf gestoßen, weil er Ländereien und Festungen, auf die der Earl gehofft hatte, dessen Feinden zusprach. Das genügte, um Ranulf in die Arme von Stephans Gegnern zu treiben. Der Earl eroberte die königliche Festung Lincoln. Im Februar 1141 belagerte Stephan seinerseits die Burg, um sie zurückzuerobern. Robert von Gloucester nutzte die Chance, marschierte nach Lincoln und griff die königlichen Truppen an. In einer offenen Feldschlacht wurden Stephans Männer besiegt und der König gefangen genommen.

Das hätte der Wendepunkt für Mathilde sein können. Da ihr Cousin gefangen war, bot sich ihr die Gelegenheit, England für sich und ihren Sohn in Besitz zu nehmen. Sie führte nun den neuen Titel Domina Anglorum, Herrin der Engländer, und versuchte, ihre Krönung in London zu arrangieren. Stephans Bruder Heinrich, der Bischof von Winchester, war mittlerweile päpstlicher Legat und stellte sich mit dem ganzen Gewicht seiner Position hinter die Kaiserin. Viele bedeutende Barone Englands wandten sich vom König ab und kümmerten sich lieber um ihre eigenen Besitzungen. Sie weigerten sich, ein Regime zu stützen, an dem sie schon so lange zweifelten.

Doch die Kaiserin konnte ihren Vorteil nicht nutzen. Beherzter militärischer Widerstand stellte sich ihr entgegen, organisiert von Stephans Ehefrau Matilda. Zudem schaffte es die Kaiserin, sich schon bald mit dem Bischof von Winchester zu entzweien und einen Großteil der Magnaten zu beleidigen, indem sie ihnen mit Arroganz und Geringschätzigkeit begegnete. Im Frühsommer wandten sich die Einwohner von London gegen sie, weil sie ihnen finanzielle Zugeständnisse verweigerte, und jagten die Kaiserin schließlich am 24. Juni 1141 aus der Stadt. Nachdem ihre Pläne derart durchkreuzt worden waren, versuchte sie, Heinrich von Winchester in seinem Bischofspalast zu belagern. In einer für Mathildes Anhänger katastrophalen Schlacht wurde Robert von Gloucester gefangen genommen. Um ihren Halbbruder wieder zu befreien, hatte Mathilde keine andere Wahl, sie musste sich auf einen Gefangenenaustausch einlassen. König Stephan wurde freigelassen. Ihr kurzer Triumph, der nur acht Monate gewährt hatte, war damit wirkungslos.

Ende 1142 schien Mathildes Kampf um die Krone nahezu hoffnungslos. Stephans Truppen hatten sie bis nach Oxford getrieben und belagerten sie Ende November in ihrer Festung. Ihre Erfolgsaussichten schwanden immer mehr. Weit weg, auf der anderen Seite des Ärmelkanals, setzte ihr Ehemann Gottfried Plantagenet seine überaus erfolgreiche Eroberung der Normandie fort. Robert von Gloucester hatte ihn nicht überreden können, davon abzulassen und seiner Frau in England beizustehen. Gottfried war nur bereit, dreihundert Ritter und den neunjährigen Sohn Heinrich als neue Gallionsfigur für die angevinische Sache zu entsenden.

Kurz vor Weihnachten befand sich Mathilde in einer verzweifelten Lage. Anstatt auf die Ritter zu warten, die ihr Mann ihr geschickt hatte, um den Belagerungsring um Oxford aufzuheben, nahm sie ihr Schicksal in die eigene Hand. In einer verschneiten Nacht wickelte sich Mathilde in einen weißen Umhang, schlüpfte durch eine versteckte Tür in der Festungsmauer, schlich an den Wachen vorbei und flüchtete über die schneebedeckten Felder. Dank ihrer Tarnung – der schneeweiße Umhang, der sich geisterhaft vom schwarzen Nachthimmel abhob – konnte sie die dreizehn Kilometer bis Abingdon unbehelligt zu Fuß zurücklegen. Bei ihrem Marsch über die gefrorenen Wiesen und Felder rechnete sie jeden Moment mit dem Knirschen von Hufen, das einen Suchtrupp ankündigte. Doch es blieb still. Bei Abingdon traf sie auf Freunde, die ihr halfen, in den sicheren Westen zu fliehen. Sie war entkommen, der Kampf um die englische Königskrone konnte weitergehen.

Dieser berühmte Moment des Bürgerkriegs war eine glückliche Fügung für Mathilde, hatte jedoch katastrophale Folgen für England. Verstärkt durch neue Truppen und ermutigt durch die wundersame Rettung seiner Halbschwester führte Robert von Gloucester die Gegenoffensive gegen Stephan an. Doch wieder kam es zu einer Pattsituation. Stephan behielt die Krone, blieb aber ein schwacher König, der sich nicht auf die uneingeschränkte Loyalität der anglonormannischen Barone verlassen konnte. Mathilde war auf freiem Fuß und stärker denn je, doch nach dem Debakel von 1141 hatte sie sich bei zu vielen Magnaten in Misskredit gebracht, um noch hoffen zu können, die Krone für sich zu beanspruchen. Einzig in der Normandie kam es zu entscheidenden Entwicklungen. Hier eroberte Gottfried rasch ein Herzogtum, das Stephan nur ein einziges Mal während seiner gesamten Regierungszeit (1137) besucht hatte. 1144 hatte Gottfried Rouen eingenommen und wurde als Herzog der Normandie anerkannt, allerdings zwang er dadurch jene Barone, deren Besitz sich auf beiden Seiten des Ärmelkanals ausdehnte, zwei Herren gleichzeitig die Treue zu schwören.

England und in geringerem Maße auch die Normandie waren weiterhin von Konflikten geplagt. Das Land war «verstümmelt», wie es der Chronist William von Newburgh formulierte. Ab 1142 war England geteilt und hatte zwei königliche Höfe – einen offiziellen unter dem König in Westminster und Winchester und den anderen unter Mathilde, die von Devizes im Südwesten aus regierte. Die öffentliche Ordnung löste sich auf, mitunter herrschten gesetzlose Zustände. England wurde in einem furchtbaren Bürgerkrieg zwischen drei Fraktionen aufgerieben und war hin und her gerissen zwischen den Anhängern Stephans, den Unterstützern Mathildes und denen, die nur an sich selbst dachten. König David I. von Schottland nutzte das Machtvakuum im Norden und dehnte seinen Herrschaftsbereich auf Westmorland, Cumberland und Northumberland aus. Unter Heinrich I. war England ein wohlhabendes Land gewesen, das gut regiert und an den Grenzen entschlossen verteidigt worden war, doch nun war sein Reich zu einem Flickwerk konkurrierender Autoritäten und Mächte geworden. Die Bevölkerung litt schwer unter dieser Last. Es war, so die Angelsächsische Chronik, als ob «Christus und seine Heiligen geschlafen hätten».

In einer solchen Lage kann es keine Sieger geben. Stephan und Mathilde betrachteten sich beide als die rechtmäßigen Nachfolger Heinrichs I. und richteten eine entsprechende Regierung ein: Sie hatten ihre eigene Münze, ihre Gerichte, ihre Lehnsmänner und einen eigenen diplomatischen Apparat. Doch es konnte keine zwei Regierungen gleichzeitig geben. Ebenso wenig war zu gewährleisten, dass Anordnungen umgesetzt wurden, weil kein Untertan darauf vertrauen konnte, dass ein bestimmtes Recht auch galt. Wie in jedem Gemeinwesen ohne eine zentrale Quelle unangefochtener Autorität griffen Selbstjustiz und Gewalt schnell um sich. Überall im Land besetzten flämische Söldner Burgen und neu befestigte Häuser. Frondienste wurden zur Bewaffnung ländlicher Gebiete genutzt. Häufig eskalierte die Gewalt, wenn einzelne Gutsbesitzer die Verteidigung ihrer Ländereien selbst in die Hand nahmen. Der Himmel war dunkel vom Rauch der verbrannten Leichen, und die Bevölkerung litt schwer unter den marodierenden fremden Soldaten.

Die Chroniken aus jener Zeit sind voller düsterer Schilderungen der Begleiterscheinungen des Krieges. Ein Beispiel sind die Gesta Stephani, in denen der Autor berichtet:

[Der König] selbst machte sich daran, diese schöne und einladende Gegend um Salisbury zu verwüsten, die so voller guter Dinge war; sie [seine Anhänger] nahmen alles, was sie kriegen konnten, plünderten, steckten Häuser und Kirchen in Brand und, was ein noch schlimmerer und grausamerer Anblick war, zündeten die Ernte an, die eingebracht war und auf den Feldern lag, und verzehrten oder verdarben alles Essbare, was sie finden konnten. Vor allem in der Umgebung von Marlborough wüteten sie mit bestialischer Grausamkeit, um Devizes herum hausten sie furchtbar und sie hatten vor, das ihren Gegnern in ganz England anzutun.

1148 verließ Mathilde England. Es wirkt vielleicht sonderbar, dass sie einen Kampf aufgab, auf den sie einen Großteil ihres Lebens verwandt hatte, doch nachdem sie ein Jahrzehnt lang für die Ansprüche der Plantagenets eingetreten war, betrachtete sie ihre Aufgabe als beendet. Ihre Kinder – Heinrich und seine beiden jüngeren Brüder Gottfried und Wilhelm, die auf der anderen Seite des Ärmelkanals aufgewachsen waren – wurden allmählich erwachsen. Mathilde wollte die noch verbleibenden Jahre ihres Lebens zurückgezogen und komfortabel im Kloster Notre-Dame-du-Pré verbringen, das zur Benediktinerabtei von Bec bei Quevilly gehörte. Von dort konnte sie über eine Brücke über die Seine Rouen besuchen, die normannische Hauptstadt, die Ordericus Vitalis als «schöne Stadt zwischen murmelnden Bächen und lächelnden Wiesen» beschrieb, «stark befestigt durch Mauern, Wallanlagen und Brustwehren». Die Stadt hatte ihr einiges zu verdanken, denn während Mathilde die Truppen König Stephans an der englischen Front beschäftigt hatte, war es Gottfried Plantagenet möglich gewesen, Rouen einzunehmen. Jetzt wollte Mathilde den Anblick genießen.

England war keinesfalls aufgegeben. Ihr ältester Sohn wurde bald sechzehn. Es war an der Zeit, dass er den Kampf übernahm, Zeit für Heinrich FitzEmpress, sich mit eigenen Eroberungen zu beweisen.

Ehrgeiz

Am 13. April 1149 landete der sechzehnjährige Heinrich an der Küste von Devon. Es war sein dritter Besuch im gespaltenen Reich, von dem ihm seine Mutter bestimmt immer wieder erzählt hatte, dass es rechtens ihm zustehe. Er hatte das Land in seinen dunkelsten Stunden erlebt, im Alter von neun Jahren, kurz bevor Mathilde allein über die schneebedeckten Felder aus Oxford hatte fliehen müssen, und war anschließend in der Obhut seines Onkels geblieben. Er wurde fünfzehn Monate lang in Bristol unterrichtet und traf dort auf den berühmten Astronomen, Mathematiker und scholastischen Philosophen Adelard von Bath, der dem jungen Mann eine Abhandlung über das Astrolabium widmete. 1144 kehrte Heinrich zu seinem Vater zurück, vermutlich aus Sicherheitsgründen und aus politischem Pragmatismus, und unterstützte ihn darin, seine Position als Herzog der Normandie zu festigen.

Heinrich war ein merkwürdig aussehender junger Mann. In seinen Adern mischte sich das Blut seiner normannischen, angelsächsischen und angevinischen Vorfahren. Seine Stimmung konnte binnen Sekunden von etwas raubeiniger guter Laune zu erbittertem Zorn wechseln. Von seinem Vater hatte er die roten Haare, den hellen Teint und die unermüdliche Energie geerbt; von seinem Großvater mütterlicherseits sein Streben nach Dominanz und das Gespür für Chancen. Gerald von Wales hinterließ eine lebendige Beschreibung des älteren Heinrich: