Exel - Regina + Giuseppe De Facendis - E-Book

Beschreibung

Exel, ein Außerirdischer vom Planeten Sirius, ist auf die Erde gekommen, um die Menschheit vor den Machenschaften seines Nachbarn zu schützen, einem Satanen. Er ist ein Einzelgänger, der mit viel Humor und Ironie seine Gegner außer Gefecht setzt und zwar mit Hilfe einer recht extravaganten Verteidigungsart: dem Tanz des klassischen Balletts! In unterhaltsamen Wortwechseln spricht er manch philosophischen Gedanken aus. Zu seinen Gegnern zählen neben dem Satanen die legendären Grauen der Area 51, mehrere machtgierige Erdenbewohner und die von ihnen geschaffene Klone. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre dieses Science Fiction Romans. Ein Comic Held in Buchformat!

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Seitenzahl: 291

Veröffentlichungsjahr: 2015

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De Facendis Regina & Giuseppe

EXEL

Willensfreiheit

Der Comic Held in Buchformat

Ein Science Fiction Roman mit viel Humor, etwas Gesellschaftskritik und

Exel

Willensfreiheit

Regina & Giuseppe De Facendis

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2014 Regina & Giuseppe De Facendis

978-3-7375-1312-8

Titelbild und Illustrationen: Giuseppe De Facendis

Text: Regina und Giuseppe De Facendis

„ Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde.

Friedrich Nietzsche, Werke II - Also sprach Zarathustra

1

Es war eine ungewöhnlich warme Sommernacht. Der Vollmond und ein strahlender Sternenhimmel nahmen der Dunkelheit jegliche Beklommenheit und aus den Bäumen ertönte das durchdringende Geräusch zirpender Grillen. Obwohl die entfernten Kirchturmglocken schon vor einer Weile das letzte Mal an diesem Abend geschlagen hatten, war die Temperatur immer noch angenehm, eigentlich eine Nacht zum Wohlfühlen. Aber nur eigentlich, denn es gab jemanden, der all diese angenehmen, positiven Eindrücke der herrlichen Sommernacht nicht wahrnehmen konnte, jemanden, der in diesem Moment nur eines empfinden konnte: und zwar Hass, Hass in höchster Konzentration und ohne jegliche Verunreinigung. Dieses Gefühl war irgendwann in den tiefsten Abgründen seines Ichs entstanden, irgendwann nachdem sie geflohen waren, irgendwann nachdem sie sich getrennt hatten, um ihren Verfolgern zu entkommen. Es waren Tage - oder waren es Wochen? - vergangen seit der Flucht und dieser Hass hatte sich langsam, aber unaufhaltsam an die Oberfläche vorgekämpft. Was konnte der Grund dafür sein? überlegte er anfangs. War etwas Außergewöhnliches geschehen? Aber er suchte nicht wirklich nach einer Antwort auf seine Fragen. Die Intensität des Gefühls war weiter gewachsen, ununterbrochen, von Tag zu Tag, bis hin zur Unerträglichkeit. Seit einiger Zeit fragte er sich nicht mehr, woher dieser unbeschreibliche Hass rührte, er wusste nur mit Bestimmtheit, dass er ihn nicht mehr ertragen konnte, und zwar jetzt, in diesem Moment! Er musste handeln, er musste endlich etwas tun, um sich dieses schrecklichen Gefühls zu entledigen.

Die rechte Hand fest um den Griff einer Axt geschlossen, kauerte er seit geraumer Zeit versteckt im Schatten einer Baumgruppe und beobachtete das Innere eines geparkten Wagens, das durch das einfallende Licht des Mondes beleuchtet wurde. Im Halbdunkel bewegten sich zwei nackte Körper und durch das geöffnete Fenster hörte man die erregten Stimmen der beiden Insassen.

Im Kopf des Beobachters hallte unentwegt der gleiche Refrain wider: schlechte, verdorbene Menschen! Schlechte, verbotene Dinge! Gleich werdet ihr die gerechte Strafe erhalten!

Er kroch aus dem Gebüsch hervor und schlich mit der Axt bewaffnet in gebückter Haltung am Fahrzeug entlang. Dann riss er blitzschnell die Seitentür auf, packte den völlig überraschten nackten Mann am Arm und trennte ihn mit einem Ruck von seiner Partnerin.

„ Hallo, mein Junge! Ich muss euer Stelldichein kurz unterbrechen. Denn heute ist dein Glückstag! Bald wirst du dank meiner Tat in einer besseren Welt, einer Welt ohne Schmutz und Gewalt sein!“

Und während er die Worte aussprach, sauste der tödliche Hieb auch schon auf sein Opfer nieder. Ein Schrei des Entsetzens durchbrach die abendliche Stille. Die Frau versuchte, von panischer Angst getrieben, durch die Tür auf der anderen Seite des Wagens zu entkommen, aber die Hand des Mörders hatte sich bereits wie ein Schraubstock um den Fuß der Flüchtenden gelegt.

Der Angreifer atmete einen Moment tief durch und hielt inne. Ich fühle mich schon besser, irgendwie erleichtert, schoss es ihm durch den Kopf. Jetzt noch die Kleine und mein Problem ist gelöst!

Er schleifte die nackte, um Hilfe rufende Frau aus dem Wageninneren und hielt sie auf dem weichen, mit Moos durchsetzten Rasen des Parks gefangen.

„ Kannst du dir ein bequemeres Plätzchen vorstellen, um deinen Freund ins Jenseits zu begleiten“, sagte er mit erregter Stimme. „ Dankbar solltest du mir sein, meine Liebe! Ich erspare dir Jahre des Leidens, Jahre voller Schmerz und Qual … und bedenke, ich erspare dir den Anblick deines alternden, langsam zerfallenden Körpers.“

Die Frau schlug wild um sich und schrie verzweifelt um Hilfe, aber wer sollte ihr zu dieser nächtlichen Stunde im letzten versteckten Winkel der Parkanlage schon helfen? Warum war sie mit Tommy gerade hierhergekommen? Warum hatten sie den Wagen in diesem verlassenen Punkt des Parks geparkt? Warum waren sie nicht ins Motel am Ende der Stadt gegangen? Die falsche Entscheidung im falschen Moment! Oder Schicksal?

Entsetzt blickte sie ins Antlitz des Mörders. Die zottigen, verschmutzen Haare fielen ungekämmt in sein Gesicht, das durch die langen Bartstoppeln noch ungepflegter wirkte. Dieser abstoßende Mann sollte also ihrem kurzen Leben ein Ende setzen! Das sollte ihr Schicksal sein? Hingemetzelt von einem Kerl, der mit seiner verschlissenen Kleidung und den abgelaufenen Schuhen eher einem armseligen Clochard als einem furchteinflößenden Monster glich? Wie konnte er es wagen, von Glück zu sprechen?

„ Schau dir diese Nacht an ...“, sprach der Mörder grinsend weiter, „ … wie zum Sterben geschaffen: eine warme Sommernacht mit strahlendem Vollmond und traumhaftem Sternenhimmel. Ein echter Sommernachtstraum! Viel zu schön für ein verdorbenes Menschenkind wie dich!“

Die Frau schlug mit letzter Kraft um sich und ihr Schreien wurde immer schwächer. Irgendjemand musste ihr doch zu Hilfe eilen, um sie aus dieser völlig absurden, sinnlosen und irrealen Situation zu befreien!

„ Hör auf zu jammern“, hörte sie ihn sagen. „ Du wirst sehen, gleich geht es dir besser! Oder kennst du einen einzigen Menschen, der aus dem Jenseits zurückgekommen ist, um sich zu beschweren“, wobei er ja nicht ganz unrecht hatte!

Dann sah sie ihn die Axt erheben und zum tödlichen Schlag ausholen. Das war es dann wohl, so half ihr heute Abend doch niemand aus dieser absurden, sinnlosen und irrealen Situation! Gott sei mir gnädig! Sie schloss die Augen und wartete auf den Aufprall der scharfen Klinge und den schrecklichen Schmerz … aber der Schmerz blieb aus.

Als sie nach einigen Sekunden vorsichtig die Augen öffnete, war sie nicht sicher, ob die Todesangst ihr einen Scherz spielte … oder ob Gott ihr wirklich gnädig gewesen war? Die mit der Axt bewaffnete Hand des Mörders war immer noch erhoben, bereit zum tödlichen Schlag, aber sie lag fest in der Hand eines anderen Mannes, eines sehr seltsamen Mannes. Wie Gott sah er eigentlich nicht aus ... na ja, eher göttlich …! Der Retter war zirka zwei Meter groß, hatte einen ausgesprochen athletischen Körper mit breiten Schultern und schmaler Taille. Das mittellange tiefschwarze Haar, dem das einfallende Mondlicht einen fast bläulichen Schimmer verlieh, umspielte die akzentuierten Backenknochen. Seine großen tiefblauen Augen waren von schwarzen Schatten umgeben, die die traurig wirkenden Augen noch melancholischer erscheinen ließen. Der volle Mund und die gerade wohlgeformte Nase rundeten die äußere Erscheinung des Helfers ab und machten ihn zweifellos zu einem schönen, attraktiven Wesen. Wirklich göttlich! Er trug ein anliegendes dunkles Hemd über der engen schwarzen Hose, wodurch die Linien seines muskulösen, jedoch gleichzeitig eleganten Körpers noch mehr zum Vorschein kamen. Die breiten Schultern wurden von einem Umhang bedeckt, der den Oberkörper in lockeren Falten umspielte, wobei die langen athletischen Beine mitsamt der Hose in flachen Stiefeletten endeten, die scheinbar die Form seiner Füße angenommen hatten, so weich und anschmiegsam wirkte ihr Leder.

Überwältigend! schoss es der Dame trotz ihrer nicht gerade angenehmen Lage durch den Kopf. Einen attraktiveren Retter hätte sich nicht wünschen können! Aber warum war er so seltsam gekleidet? Er erinnerte sie an einen … einen? …. ja, jetzt fiel es ihr ein … an einen Balletttänzer, der noch vor wenigen Minuten die Zuschauer mit einem hinreißenden Solo auf der Bühne begeistert hatte. Aber es gab doch gar kein Theater in der Nähe!?!

Als gäbe es nicht wichtigere Dinge, auf die sie sich momentan konzentrieren sollte! Und so kehrte sie, wenn auch ungern, in die weiterhin irreal wirkende Realität zurück.

„ Kann man denn abends nicht mehr in Ruhe im Park spazieren gehen, ohne gleich auf einen Verrückten zu stoßen?“ ertönte die ruhige Bariton Stimme des Hünen. “ Einen Verrückten, der nichts Besseres zu tun hat, als junge Pärchen niederzumetzeln … und dann auch noch als Landstreicher verkleidet! Lieber Himmel, welche Geschmacklosigkeit!“ fügte der Retter mit trockenem Humor hinzu. Dann lockerte er seinen Griff und stieß den Mörder unsanft von sich. Dieser strauchelte und schnappte gierig nach Luft, um seine leeren Lungen erneut mit Sauerstoff zu füllen. Kaum war er zu Atem gekommen, drehte er sich seinem Angreifer zu und erwiderte spöttisch:

„ Unglaublich! Du wagst es, mein Aussehen zu kritisieren? Hast du dich einmal im Spiegel betrachtet?“ krächzte der Mann und tastete mit der Hand nach seinem malträtierten Kehlkopf. „ Was willst du denn verkörpern, mit diesen schwarzen Strumpfhosen und dem hübschen Mäntelchen, etwa den Helden einer tragischen Oper? Wie kann jemand wie du es wagen, von Geschmacklosigkeit zu reden?“

Die nackte Frau, das fast Opfer, hatte die Szene zunächst freudig überrascht und dann mit wachsender Unruhe beobachtet und sah nun völlig verwirrt abwechselnd von einem zum anderen der beiden Männer. Sollte denn diese absurde Situation gar kein Ende finden? Für einen Augenblick hatte sie sich in Sicherheit gewiegt, hatte gehofft, dass der aus dem Nichts aufgetauchte Riese den Mörder bezwingen würde, um sie dann auf seinen kräftigen Armen an einen geschützten Ort zu bringen. Aber nach dem eben vernommenen Wortgefecht wollte sie nur noch fliehen, weg von diesen beiden Verrückten! Irgendwo auf dieser Erde musste doch trotz der späten Abendstunde noch ein normaler Mensch zu finden sein! Sie raffte sich auf und rannte einfach los, nackt und ohne sich noch einmal umzublicken.

„ Mach dich bitte nicht über meinen Umhang lustig!“ nahm der Riese den Wortwechsel auf, nachdem die Frau in der Dunkelheit verschwunden war. „Dieser Umhang unterscheidet uns Gute von den Bösen. Oder hast du jemals einen wahren Helden ohne Umhang gesehen? Und da du selbst, wie ich sehe, keinen Umhang trägst, musst du wohl zu den Bösen gehören, was deine grausame Tat auch bezeugt. Und weißt du, was ich in der Regel mit den Bösen mache? Ich breche ihnen das Genick und zwar im wahrsten Sinne des Wortes“, sprach er und ging langsam auf seinen Gegner zu.

„ Halt, halt!“ unterbrach ihn der am Boden Liegende und hob abwehrend die Hand. „ Sei doch nicht so gemein zu den Bösen. Wenn du es dir richtig überlegst, könntest du ohne uns Böse kein Guter sein und dürftest den Umhang der Guten nicht tragen. Um gut zu sein, brauchst du einen Bösen! Und daher ist die einzig mögliche Schlussfolgerung: ihr Gute könntet ohne uns Böse gar nicht existieren!“

„ Das hast du schön gesagt, Kompliment! Aber was erwartest du nun von mir?“ fragte der seltsame Retter. „ Doch etwa nicht, dass ich dich laufen lasse? Tut mir leid, das geht auf keinen Fall. Du weißt sicher, dass die Guten die Bösen niemals entkommen lassen!“

„ Tja, da muss ich dir leider Recht geben“, bestätigte sein Gegenüber, „ aber du hast bestimmt schon gesehen, dass Gute und Böse sich in den entscheidenden Szenen bis auf den letzten Atemzug bekämpfen“, erwiderte der Mörder und tastete mit einer Hand nach der Axt hinter seinem Rücken. Dann sprang er blitzschnell auf die Beine und begann, in leicht gebückter Angriffsstellung auf seinen Gegner zuzugehen.

„ Komm schon, mein Lieber, wehre dich nicht allzu lange, ich muss mich noch etwas abreagieren, da du mir den Spaß mit der Dame verdorben hast. Lass dir doch ein Bein abhacken, ich verspreche dir auch, dass es bei einem einzigen bleiben wird“, sagte er und holte zum Schlag aus.

„ Ein Bein willst du? Wenn das alles ist … das kannst du gerne haben!“ erwiderte der vermeintliche Balletttänzer und setzte zum Sprung an. Explosiv, aber gleichzeitig mit unglaublicher Eleganz hob er nach einer Pirouette vom Boden ab und traf den bewaffneten Arm des Angreifers mit dem gestreckten Bein. Die im Ansatz geschmeidig und spielerisch wirkende Bewegung machte im nächsten Moment absoluter Präzision und geballter Kraft Platz. Der Mann strauchelte, getroffen von der Gewalt des Aufpralls, verlor die Waffe, überschlug sich auf dem Boden und lag einige Sekunden später bäuchlings unter dem Riesen, der ihn mit dem Gewicht seines Körpers gefangen hielt.

„Weißt du, mein Lieber, vielleicht bin ich doch nicht so gut, wie ich aussehe!“ murmelte der Sieger des Zweikampfes mit einem traurigen Lächeln.

„ … und dein Umhang?“ fügte der am Boden Liegende mit einem letzten Rest an Galgenhumor hinzu.

„ Manchmal trügt der Schein! Vielleicht hatte ich nur etwas Stoff übrig und dachte, dass ein Umhang mich gut kleiden würde“, erhielt der Mörder zur Antwort. „ Aber nun genug geplaudert, nun muss ich als Guter meine Pflicht erfüllen. Niemand soll mir nachsagen, dass ich meine Versprechen nicht einhalte. Du erinnerst dich doch, was ich vorhin über dein Genick gesagt habe?“ fuhr der seltsam gekleidete Mann fort. „ Bevor ich dich, wie du sagtest, von dieser Welt voller Schmutz und Gewalt erlöse, erlaube mir, dass ich mich vorstelle: mein Name ist Exel!“

Dann nahm er den Kopf des unter ihm liegenden Mannes in beide Hände und löste sein Versprechen ein! Gerne tat er dies nicht, aber es war die einzige Möglichkeit, um diese Wesen definitiv unschädlich zu machen.

Kurze Zeit später beobachtete Exel, versteckt im Gipfel eines nahestehenden Baumes, den Schauplatz, auf dem er kurz zuvor selbst die Hauptrolle gespielt hatte. Die Scheinwerfer mehrerer Streifenwagen erleuchteten den Tatort, an dem die beiden leblosen Körper in geringem Abstand voneinander auf dem Boden lagen. Der Pathologe war bereits vor Ort und der Polizeifotograph hatte begonnen, Routine gemäß seine Aufnahmen zu machen. Um der Spurensicherung die Arbeit zu erleichtern, war das gesamte Gelände abgesperrt worden, damit die trotz der späten Stunde eintreffenden Schaulustigen nicht eventuelle Spuren oder Fingerabdrücke verwischen konnten. Der Tod schien auf gewisse Menschen eine Art Faszination auszuüben, besonders wenn er in gewaltsamer Form hervorgerufen wurde, vorausgesetzt, dass die Neugierigen nicht als Akteure, sondern nur als Zuschauer beteiligt waren!

Die nackte Frau stand eingehüllt in einer Decke zwischen den Streifenwagen und sprach mit einem Officer.

„ Ja, das ist der Verbrecher, der uns angegriffen hat“, sagte sie schluchzend und zeigte auf einen der beiden Toten. „ Dann ist ein zweiter seltsam gekleideter Mann aufgetaucht, der mich gerettet hat. Aber für Tommy, ach mein armer Tommy … “, und erneut wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. Der Officer stellte noch einige Fragen, protokollierte die Aussagen der Zeugin und wandte sich dann seinen Kollegen zu.

„ Das ist nun schon der sechste in diesem Monat!“ sagte der Pathologe etwas später zum Officer „ Da wird sich dein Chef freuen!“

Es war die sechste Leiche, die er in den letzten Wochen am Tatort untersucht hatte und dessen Genick ohne weitere Gewalteinwirkung gebrochen war. Wären die sechs Opfer nicht jedes Mal während der Ausübung einer Gewalttat getötet worden, nämlich als sie im Begriff waren, junge Pärchen niederzumetzeln, hätte er von einem Serienmörder gesprochen. Aber da dies nicht der Fall war, konnte er nur eine vage Vermutung äußern.

„ Vielleicht handelt es sich um den Kampf zweier verfeindeter Banden!“

„ Du hast es fast erfasst, aber nur fast ….“ dachte Exel versteckt im dichten Blätterwerk des nahestehenden Baumes.

2

„ Das ist nun die sechste Leiche, die wir nach dem Angriff auf ein Liebespärchen mit gebrochenem Genick gefunden haben, und ihr wagt es, mir zu sagen, dass ihr kein einziges Indiz gefunden habt, kein einziges!“ schrie Inspector Jeff Lucas aufgebracht.

Nach dem heutigen oder besser gesagt dem Mordfall des gestrigen Abends hatte Lucas die gesamte Mannschaft mitten in der Nacht ins Polizeipräsidium gerufen. Alle Anwesenden bis auf die Kollegen der Nachtschicht und den Inspector selbst waren aus dem Tiefschlaf gerissen worden, um die Philippika ihres Vorgesetzten über sich ergehen zu lassen. Mit geröteten Augen verfolgten sie zwar müde, jedoch schuldbewusst die Vorwürfe ihres Chefs. Seit Wochen beschäftigte dieser Fall die Polizei von Garden City, aber es gelang keinem von ihnen, auch nur die geringste Spur zur Überführung der Kriminellen zu finden.

„ So ist es leider, Inspector“, musste der Chief Officer mit geneigtem Haupt zugeben. „Das einzige Indiz ist und bleibt wie bei den vorherigen Fällen dieser seltsam gekleidete Mann mit Umhang.“

Gerne hätte er dem Inspector etwas Brauchbareres geliefert, eine Spur, einen Beweis, irgendetwas, was sie bei den Ermittlungen weiterbrachte, aber auch diesmal hatten sie keinen präzisen Anhaltspunkt.

„ Und das Opfer … na ja … ich meine den Mörder, den mit dem Genickbruch? Konntet ihr wenigstens den Sechsten dieser Serie identifizieren und ihm einen Namen geben?“ fragte Lucas gereizt.

„ Nein, Chef, leider nicht! Wieder einer, der aus dem Nichts aufgetaucht zu sein scheint. Wieder ein Toter ohne Papiere, der auf keine der uns vorliegenden Vermisstenanzeigen passt. Wir konnten nicht den geringsten Hinweis auf seine Identität finden.“

„Phantastisch!“ stieß Lucas entnervt aus.

Was ging nur in dieser Stadt vor? Seiner Stadt, oder besser gesagt, der Stadt, für dessen Sicherheit er verantwortlich war. Sie schien die neuste Attraktion für Verbrecher jeglicher Art geworden zu sein. Bald würde man in allen Zeitungen lesen:

Willst du junge Frauen vergewaltigen oder alte Damen um die Ecke bringen? Komm einfach nach Garden City. Du bist herzlich willkommen!

Das sechste Genickopfer in einem Monat! So konnte es nicht weitergehen! Opfer, die entweder bereits getötet hatten oder im Begriff waren zu töten. Diese Kriminellen wurden ihrerseits - leider oder Gott sei Dank - von einem mysteriösen, scheinbar dem klassischen Ballett entsprungenen Tänzer überwältigt, der nach jedem seiner nächtlichen Auftritte entschwand und bis zum nächsten Erscheinen unauffindbar blieb. Es war wie verhext! Keines der Genickopfer konnte identifiziert werden, alle waren ohne Papiere, keiner wurde vermisst, keiner war entlaufen, keiner besaß Fingerabdrücke, die im Archiv gelistet waren. Wo sollten sie bei den Untersuchungen ansetzen? Aber sie mussten eine Spur finden, und zwar schnell, denn die Presse saß ihnen seit Tagen im Nacken.

„ Wenn ihr mir bis morgen Abend nicht irgendein Indiz bringt, irgendeinen guten Anhaltspunkt, dann werde ich euch allen Liebespärchenmördern, die sich in der Gegend herumtreiben, als Lockvögel zum Fraß vorwerfen“, hallte seine laute Stimme durch den Raum, „ …. vielleicht als Trans verkleidet, das wäre doch mal was anderes“, fügte er hinzu und endlich konnte man den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht erkennen, wenn auch den eines ironischen. „Was haltet ihr davon? Ist das nicht eine phantastische Idee? Und nun verschwindet und macht euch an die Arbeit!“

Seine Männer schlichen niedergeschlagen und todmüde von dannen, während Lucas allein im Büro zurück blieb und unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen begann. Die letzten Wochen waren wirklich aufreibend gewesen! Zunächst waren einige Landstreicher verschwunden, was jedoch niemanden sonderlich berührt hatte. Wer machte sich in der heutigen Gesellschaft schon Sorgen um ein paar mittellose Menschen ohne Familie? Wahrscheinlich hatten sie sich eine andere Stadt zum Überleben … oder Sterben ausgesucht.

Dann war das nächste Problem aufgetaucht: Sexualverbrecher, die seit Wochen die Gegend um Garden City unsicher machten, indem sie nachts junge Pärchen in geparkten Wagen aufstöberten, um sie bei ihren Liebesspielen unsanft zu unterbrechen. Na ja, unsanft war vielleicht nicht der richtige Ausdruck für den meist gewaltsamen Ausgang dieser Unterbrechungen!

Aber auch das sollte nicht genügen! Nun kam auch noch ein als Balletttänzer verkleideter Riese hinzu, der bis auf zwei Fälle zwar rechtzeitig bei den Überfällen eingreifen und den Tod der jungen Leute vereiteln konnte, jedoch nur durch das Begehen einer neuen Gewalttat und zwar durch den bewusst hervorgerufenen Genickbruch der Kriminellen. Die Polizei hatte nichts in der Hand außer einigen Zeugenaussagen, in denen immer wieder der rätselhafte, scheinbar mit viel Witz und Ironie ausgestattete Retter auftauchte. Zu Beginn hatte Lucas die Möglichkeit erwogen, dass es sich bei den Sexualverbrechern um die verschwundenen Obdachlosen handeln könnte. Die zeitliche Übereinstimmung zwischen dem Verschwinden dieser Menschen und dem Auftreten der ersten Überfälle war verblüffend. Er hatte persönlich mit allen Mitarbeitern der Obdachlosenhilfe gesprochen. Bei der Beschreibung der Verschwundenen handelte es sich jedoch stets um vom Unglück verfolgte, resignierte, verzweifelte Männer, nicht um gewalttätige, blutrünstige Ungeheuer, so dass er die ihm sinnlos erscheinende Theorie schnell verworfen hatte.

Nach all den Wochen fehlte ihnen jeglicher Ansatzpunkt, um die Fälle in absehbarer Zeit aufzuklären und der Stadt wieder Sicherheit und Ruhe zurückzugeben. Die Bewohner von Garden City waren verängstigt. Die Presse berichtete jeden Morgen über die Straftaten und attackierte die ergebnislosen Recherchen der Polizei. Das Fernsehen strahlte Sendungen aus, in denen sowohl Talkmaster als auch eingeladene Gäste stundenlang über die örtlichen Sicherheitskräfte diskutierten. Und wer war für diese Situation verantwortlich, bei wem lag laut öffentlicher Meinung die gesamte Schuld? Natürlich bei ihm, bei ihm persönlich, Inspector Jeff Lucas, dem Chef der Polizeidienststelle von Garden City!

Seufzend zog Jeff seinen Mantel an und machte sich auf den Weg nachhause. Er musste wenigstens ein paar Stunden schlafen, um im Laufe des Tages einen brauchbaren Gedanken fassen zu können.

3

Die leuchtende Kugel des Vollmondes hätte an diesem Abend jeden Wettstreit mit den Millionen funkelnder Himmelskörper gewonnen. Ein lauer Abendwind strich durch die dichten schwarzen Haare des einsamen Beobachters, der hoch über Garden City die nächtlich erleuchtete Stadt betrachtete.

„ Zu viele Lichter für diesen kleinen Planeten!“ dachte Exel, während er ins Tal blickte. „Viel zu viele Lichter für viel zu viele Menschen!“

Lange war die Reise zur Erde gewesen, um seinen größten Widersacher zu finden, den Anführer der Satanen. Er stellte den Inbegriff des Bösen dar, war die Verkörperung all dessen, was sein Volk seit Millionen von Jahren im Weltall bekämpfte. Und so war Exel vor einigen Wochen auf diesem Planeten gelandet, um die Pläne seines Gegners aufzudecken und sein satanisches Spiel zu durchkreuzen. Obwohl es ihm in den letzten Tagen gelungen war, einige Geheimnisse aufzuklären, fehlten ihm weiterhin die wichtigsten Details, um das bevorstehende Unheil zu verhindern. Und dabei handelte es sich nicht um ein zwar schreckliches, aber dennoch alltägliches Verbrechen. Nein, es musste sich um etwas Teuflischeres, etwas Zerstörerisches handeln, etwas, das aufgrund der Intensität seiner negativen Schwingungen sogar auf seinem Heimatplaneten Sirius wahrgenommen worden war, Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Aus Vorsicht hatte man das gesamte Sonnensystem unter Quarantäne gestellt, bis Exel die Gefahr dieses vom Satanen infizierten Planeten definitiv beseitigt hatte. Wer waren die menschlichen Verbündeten seines Gegners, welchen Spielregeln folgten sie? Er musste weiter suchen, weiter beobachten, um die Drahtzieher zu finden und die bevorstehende Katastrophe zu verhindern.

Es war fast Mitternacht und sein Widersacher bereitete schon die nächsten Schachzüge vor. Er musste die Gehilfen des Satanen finden, um die Verstrickungen des teuflischen Netzwerkes zu erkennen. So setzte Exel zum ersten Sprung an und flog in eleganten weiten Sätzen den Hügel hinunter Richtung Stadt. Kraftvoll, unter Einsatz jedes einzelnen Muskels seines Körpers schwebte er spielerisch wie ein Baletttänzer, fast fliegend, über dem Boden und war ein paar Sekunden später in der Dunkelheit verschwunden.

4

Paul Stjepanovic hatte nur noch wenige Meter vor sich. Gleich war er zuhause. Bei diesem Gedanken verzog sich sein Mund zu einem traurigen Lächeln. Zuhause konnte man das Loch, in dem er seit ein paar Monaten hauste, wirklich nicht nennen, diesen kleinen feuchten Keller in einem verlassenen Gebäude am Stadtrand von Garden City, in dem sich mehr Ratten und Ungeziefer tummelten, als in den Filmen von Indiana Jones. Wie hatte er sich beim Anblick dieser Szenen immer geekelt, nie konnte er verstehen, wie die Darsteller es über sich brachten, zwischen tausenden von krabbelnden Monstern vor der Kamera zu stehen. Aber mittlerweile hatte er sich an seine kleinen Mitbewohner gewöhnt. Seit sie wussten, dass es bei ihrem neuen Zimmergenossen nichts Essbares zu stibitzen gab, ließen sie ihn in Ruhe, und nur ab und zu fand Paul eine krabbelnde Überraschung im Hosenbein oder der Jackentasche, wenn man das, was an seinem Oberkörper herunterhing, noch als Jacke bezeichnen konnte! Ein schmutziges, zerrissenes Stück grauen Stoffes, das ihn das gesamte letzte Jahr auf jedem Weg begleitet hatte, sogar bei den vereinzelten morgendlichen Bädern im nahen See, die nicht nur der Säuberung seines Körpers, sondern gleichzeitig der Reinigung der wenigen, zum Glück hochwertigen Kleidungsstücke dienten.

Nie hätte er geglaubt, dass sich das Leben eines Menschen so schnell verändern konnte, völlig verändern, oder besser gesagt, ins Gegenteil umschlagen. Und alles wegen der Schuld einiger unfähiger Manager in höchsten Positionen. Über dieses Thema hatte er vor nur einer Stunde mit seinem Leidensgefährten George beim Essen im Hospiz gesprochen. Auch dieser hatte vor drei Jahren seine Arbeit aufgrund falscher strategischer Entscheidungen der Geschäftsleitung verloren, Fehlentscheidungen mit verheerenden Folgen, verheerend jedoch nicht für die Autoren des Disasters, sondern für diejenigen, die keinerlei Schuld an den Ursachen traf. Dieses Schicksal war sowohl George als auch Paul Stjepanovic zuteil geworden.

Paul seufzte kurz auf. Eigentlich hatte sein Leben gut begonnen. In Serbien geboren und als Einzelkind aufgewachsen ermöglichten ihm seine mittellosen Eltern durch viel Arbeit und Aufopferung das Studium der Wirtschaftsinformatik. Intelligenz und Beharrlichkeit verschafften ihm schon bald ein Stipendium und somit die Möglichkeit, sein Studium am Stevens Institut for Technology in New Jersey fortzusetzen. Kurz nach dem Abschluss kamen seine Eltern in einem tragischen Unfall ums Leben und so fasste Paul den Entschluss, in Amerika zu bleiben. Aufgrund seines introvertierten Charakters fiel es ihm schwer, Freundschaften zu schließen, aber sein hervorragender Studienabschluss und die außerordentlich speziellen Kenntnisse im Bereich der Informatik verschafften ihm schon bald eine Anstellung im Bankwesen. Nur wenige Monaten später erhielt er das Angebot, für eine der bekanntesten Banken Amerikas tätig zu werden. Wie stolz, wie glücklich war er damals gewesen! Bei diesem Gedanken huschte erneut ein schmerzliches Lächeln über Pauls Gesicht. Wer konnte damals schon ahnen, dass die vor über hundert Jahren gegründete Investmentbank entgegen jeder Voraussicht im September des gleichen Jahres Insolvenz anmelden sollte.

Paul kannte niemanden, den er damals um Unterstützung bitten konnte, keinen Verwandten, keinen Freund, keinen Kollegen. Die letzteren hatten wie er selbst innerhalb weniger Stunden jegliche Existenzbasis verloren und sich mit einem Anzug, einer Aktentasche und ein paar Banknoten in der Brieftasche auf der Straße wiedergefunden. Während die meisten seiner Leidensgefährten auf eine Familie zählen konnten, besaß Paul niemanden, den er um Unterstützung bitten konnte. Er hatte jeden Cent zusammengekratzt, um den für sein Studium notwendigen Kredit zurückzuzahlen und keinerlei Geldrücklagen geschaffen. Nach dem Bankrott der Bank war ihm nur eins geblieben: seine Arbeitskraft. Aber aufgrund des schlechten Nachrufs seines vorherigen Arbeitgebers gelang es ihm nicht, eine neue Anstellung im Bankwesen zu finden. Irgendwann versuchte er es mit Aushilfsjobs, aber als Ausländer ohne die gewünschte robuste Körperstatur fand er nicht einmal als Handlanger eine kurzzeitige Anstellung. Schnell waren die wenigen finanziellen Rücklagen verbraucht. Er verlor zunächst seine Wohnung, dann die wenigen Wertgegenstände, die ihm geblieben waren, und zuletzt das, was er am wenigsten ertragen konnte, seine Würde. Er war auf Almosen angewiesen, ging tagsüber bettelnd durch die Stadt, wühlte in Mülltonnen nach essbaren Überresten und nahm abends im Treff der Obdachlosen seine einzige spärliche warme Mahlzeit ein. Dies hatte er auch heute Abend getan und wollte nun mit einigermaßen gefülltem Magen sein Lager auf dem Boden der feuchten Unterkunft aufzusuchen, um eine weitere Nacht seines Lebens hinter sich zu bringen.

„ Hallo Alter, hast du vielleicht 'ne Kippe für mich?“ unterbrach eine Stimme aus nächster Nähe seine trüben Gedanken.

Er hob den Kopf und sah in das unsympathische Gesicht eines jungen Mannes, der ihn spöttisch angrinste.

„ Sehe ich wirklich so aus, als ob ich dir etwas schenken könnte?“ antwortete Paul mit einem traurigen Lächeln.

Was sollte er schon zu verschenken haben? Aber dann spürte er einen dumpfen, harten Schlag auf seinem Hinterkopf und sein letzter Gedanke war: mein Leben!

„ Los, macht schon! Auch wenn die Polizisten ihr Schmiergeld bekommen haben, irgendjemand könnte uns dennoch sehen! Nun beeilt euch! Vorsicht! Jetzt passt doch auf! Ihr wisst doch, dass wir ihn unverletzt abliefern sollen“, rief der Fahrer, der den Wagen neben seinen beiden Komplizen zum Stehen gebracht hatte.

„ Oh Mann, was für ein langweiliger Job! Nicht mal ein bisschen Blut! So macht das echt keinen Spaß!“ murmelte derjenige, der von hinten mit dem Knüppel zugeschlagen hatte.

Dann hoben sie Pauls leblosen Körper in den Kofferraum des Wagens und stiegen ein.

„ Denny, halt einfach die Klappe!“ unterbrach ihn sein Kumpel. „ Die zahlen wirklich gut! Den Spaß heben wir uns für morgen auf. Dann ist wieder so eine Demonstration gegen … ach, ich weiß nicht mehr gegen was. Ist ja auch egal, Hauptsache wir können uns austoben. Und am Sonntag beim Fußballderby werden wir auch unsere Freude haben!“ Dann wandte er sich an den Fahrer. „ Nun fahr schon los, damit wir das hier zu Ende bringen!“

Von hoch oben, versteckt auf dem Dach eines anliegenden Hauses hatte Exel die gesamte Szene beobachtet. Endlich hatte er sie auf frischer Tat ertappt, endlich konnte er einer Spur nachgehen! Nun hieß es, den Wagen nicht aus den Augen zu verlieren und ihn bis zum Abgabeort zu verfolgen. Vielleicht konnte er dort neue Hinweise finden, die ihn bei der Suche seines Erzfeindes weiterbrachten. Leichtfüßig flog Exel in weiten Sprüngen über die Dächer der Stadt. Phantastisch! Welch angenehmes Gefühl, das er dank der Menschen, oder besser gesagt, dank dieses Tanzes, den sie erfunden hatten, wahrnehmen durfte. Er sprang in voller Hingabe und mit etlichen Pirouetten von einem Dach zum anderen. Welch ein Genuss! Die Faszination, die das klassische Ballett auf Exel ausübte, hatte ihn dazu gebracht, eine Anzahl von Schrittfolgen und Sprüngen zu erlernen, die sich in Situationen wie der momentanen als nützlich erwiesen und ihm zugleich große Freude bereiteten. Diese tänzerischen Einlagen waren viel unterhaltsamer als die altbekannten, langweiligen Fortbewegungsarten und eigneten sich darüber hinaus für eine schlagfertige, effiziente Verteidigung, was er gestern Abend im Park ein weiteres Mal erproben durfte. Darüber hinaus standen sie im Einklang mit seinem ruhigen Wesen, welches geschmeidige Eleganz und Harmonie stets roher Kraft und brachialer Gewalt vorgezogen hatte. Und daher stellte diese Art der Verteidigung, die sich der Außerirdische während seiner Reise zur Erde angeeignet hatte, für Exel ein perfektes Zusammenspiel von Körper und Seele dar.

Der Wagen, den Exel verfolgte, blieb neben einem großen Bürogebäude stehen, so dass er vor dem nächsten Sprung unvermittelt abbremsen musste. Schluss jetzt mit den angenehmen Empfindungen und zurück zur Arbeit!

Der Fahrer, scheinbar der Anführer der Gruppe, gab seinen beiden Kumpanen weitere Befehle, während sie damit beschäftigt waren, Pauls leblosen Körper aus dem Kofferraum zu heben.

„ Schnell schnell, sonst werden wir noch entdeckt! Und lasst ihn ja nicht fallen! Ihr wisst doch: unversehrt, habe ich gesagt!“

Welch fürsorgliche Menschen! Sobald die drei Männer ihm den Rücken zugewandt hatten, ließ Exel sich von dem gegenüberliegenden Dach in die Tiefe gleiten. Sie trugen ihr Opfer ins Innere des Gebäudes, wo sich die Praxis eines Tierarztes befand. Dr. Martin Bertram, Arzt für Veterinärmedizin stand in großen Buchstaben auf einem Schild neben dem Haupteingang geschrieben. Der Anführer der Dreiergruppe schritt voran und öffnete seinen beiden Komplizen, die den Toten mühsam an Händen und Füßen schleppten, die Tür. Exel huschte ungesehen als letzter durch den offenen Eingang in die Praxisräume, wo die Kriminellen bereits von einem Mann in weißem Arztmantel erwartet wurden.

„ Neue Ware!“, sagte der Anführer. „ Aber es wird immer schwieriger, gutes Material zu finden“, fuhr er fort, während die beiden anderen den Toten ins Behandlungszimmer trugen.

„ Das ist nicht mein Problem“, sagte der Tierarzt unbeeindruckt. „Wenn ihr Geld verdienen wollt, lasst euch etwas einfallen!“

Welch unangenehmer Menschenschlag! Jedes Mal, wenn sie ihm einen neuen Körper brachten, empfand er tiefe Abscheu für seine Helfer. Aber sie machten ihre Arbeit gut und würden bis zum Ende des Projektes noch sehr nützlich für ihn sein! Jedoch nur bis zum Ende des Projektes … und dieses stand kurz bevor! Der Gedanke tröstete ihn ein wenig. Danach würden auch sie auf seinem Operationstisch landen … als letzte der Probanden.

„ Das Geld liegt in der Schublade, wie immer!“ sagte der Tierarzt. „Bis zum nächsten Mal!“

Dann wandte er sich, die Anwesenden völlig ignorierend, dem toten Landstreicher zu.

„ Auf Wiedersehen, Herr Doktor!“ verabschiedete sich der Anführer und rief zu seinen Kollegen. „Los, verschwinden wir!“

Und weg waren sie! Endlich konnte er sich seiner Arbeit zuwenden. Zunächst musste er die Leiche entkleiden. Die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass die einfachste Methode das Auftrennen der Kleidungsstücke mit einem Skalpell war. Sauber und mühelos. Er beugte sich über den Toten, nahm die abgetragene Jacke in die Hand und setzte zum ersten Schnitt an. Nach einer halben Stunde hatte der den gesamten Körper entkleidet und gesäubert. Morgen früh würde er seine Auftraggeber informieren, dass er eine neue Leiche liefern konnte, und diesmal handelte es sich um ein wahres Prachtexemplar. Nicht um den gewohnten schmutzigen, aus der Gosse gezogenen Körper eines Landstreichers, sondern um jemanden, dessen feine Hände und zarte nicht von der Sonne gegerbte Haut davon zeugten, dass der Tote in seinem Leben niemals einer körperlichen Arbeit nachgegangen war. Zwar hatten die Monate auf der Straße erste äußere Zeichen auf Gesicht und Körper hinterlassen, aber dieser Mann entsprach nicht dem Standard der Obdachlosen, die er in den letzten Wochen weitergeleitet hatte. Vielleicht konnte er diesmal ein höheres Honorar verlangen, überlegte Dr. Bertram mit zufriedenem Lächeln. Aber das hatte Zeit bis morgen! Er sah auf die Uhr. Es war spät am Abend und er wollte nachhause, um nach dem langen Arbeitstag wenigstens einige Stunden Schlaf zu finden. Er bedeckte den nackten Körper mit einem weißen Tuch und verließ die Praxis.

Exel hatte, verborgen hinter dem Medikamentenschrank, zunächst die Übergabe der Leiche und dann deren gründliche Reinigung mitverfolgt. Als die Tür hinter dem Arzt zuschlug, verließ er sein Versteck und blickte suchend um sich. Irgendein Hinweis über den Auftraggeber des Tierarztes musste doch hier zu finden sein! Einen Computer konnte er nicht entdecken. Vor ihm stand ein Regal mit verschiedenen Aktenordnern. Er blätterte einen nach dem anderen durch, stieß auf Behandlungsberichte, Bestellungen von Medikamenten und Belege für die Steuererklärungen. Nichts! Sein Blick wanderte erneut forschend durchs Zimmer. Was hatte der Arzt vorhin zu den Killern gesagt? Das Geld liegt in der Schublade! Er ging auf einen Schreibtisch mit zwei Schubladen zu. In der ersten fand er Büromaterial jeglicher Art und ein paar Zettel mit Notizen, in der zweiten eine gebündelte Akte. Exel nahm sie heraus und begann zu blättern. Endlich!

„ Interessant! Rechnungen ausgestellt an die Klinik Salus“, murmelte er, „zunächst für die Weiterleitung einiger Tierorgane ...“, und blätterte weiter, „ … und dann … für die Lieferung mehrerer Tierkadaver für medizinische Tests!“

Trotz der vielen tausend Jahre, die seit dem letzten Zusammentreffen verstrichen waren, hatte Exels Gegner seine schlechten Gewohnheiten nicht abgelegt! Leider!

Aber welches Ziel verfolgte der Bewohner seines Nachbarplaneten? Zu welchem Zweck wurden Landstreicher getötet und ihre Leichen an die Klinik Salus verkauft? Traurig betrachtete Exel den Leichnam von Paul Stjepanovic. Heute war er bei seiner Suche zwar einen Schritt weitergekommen, aber bedauerlicherweise unter Verlust eines weiteren Menschenlebens.

„ Tut mir leid, mein Freund! Ich hätte dich retten können, aber du warst die einzige Möglichkeit, mich schnell an diesen Ort zu führen. Nun habe ich endlich eine sichere Spur gefunden! Dein Tod wird viele andere Menschenleben retten! Vielleicht kannst du mich noch hören, wer weiß?“

Dann war er verschwunden.

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