Exit Goa - Michael Leon - E-Book

Exit Goa E-Book

Michael Leon

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Beschreibung

Der Drehbuchautor Mitchell entwickelt Seifenopern in einer Traumfabrik der Filmindustrie. Doch seine eigenen Träume drehen sich zusehends um ein unbeschwertes Lotterleben. Schließlich kappt er alle Seile zu seinem bisherigen Dasein und zieht nach Indien. In Goa findet er, was er gesucht hat. Doch schneller als gedacht, ist der Traum ausgeträumt. Mitchell mietet eine portugiesische Kolonialvilla und wird selbst Teil dieses Biotops voller Hippies, Drogen und gekonntem Nichtstun. In einem mitreißenden Ton und voller Selbstironie schreibt Michael Leon über seine Erlebnisse in Indien: ein unglaublich komischer, schonungslos ehrlicher Blick auf die Höhen und Tiefen des Aussteigens.

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Seitenzahl: 242

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Michael Leon

EXIT GOA

Michael Leon

EXIT GOA

Czernin Verlag, Wien

Leon, Michael: Exit Goa / Michael Leon Wien: Czernin Verlag 2012 ISBN: 978-3-7076-0381-1

© 2012 Czernin Verlags GmbH, Wien Umschlaggestaltung: sensomatic Lektorat: Thomas Unger Produktion: www.nakadake.at ISBN Epub: 978-3-7076-0381-1 ISBN PDF: 978-3-7076-0382-8 ISBN Print: 978-3-7076-0380-4

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien

Für Gerd Beerbohm und Gopi Parab

For Shiri Argov and Henry Hiller

SERIOUS MINDFUCK

»Geil! Erzähl noch mal von den Raves da! Das läuft da direkt am Beach ab, oder? Und die dauern manchmal zwei oder drei Tage, stimmt’s?«

»Aber wie! Nächste Wocheist Fullmoonparty in Anjouna, was meinst du, was da abgeht?«

Mir ging auch fast einer ab, aber ich musste den Haken finden, wenn ich nicht verrückt werden wollte.

»Glaub’ ich dir. Aber mal was anderes, wie ist die Gegend da eigentlich so? Ich meine, naturmäßig. Oder ist das auch so eine Trümmerhalde wie in Tunesien?«

»Willst du mich verarschen?! Komm endlich her, Mensch, und guck’s dir an! Hier rennen doch genügend Spinner rum, die wollen gar nicht raven oder high sein. Die sind naturbreit. Die gucken den Delfinen zu oder versuchen, Affen anzufüttern oder ’ne Schlange zu fotografieren. Das is’ ’n fucking Naturparadies hier, Mann!«

»Leck mich!«, sagte ich.

»Ich lieb’ dich auch«, sagte er.

Wir legten auf.

Mein Büro befand sich in einem barackenartigen, geduckten Gebäude auf dem Gelände der Bavaria Filmstadt in München-Geiselgasteig. Der Stall nannte sich Development Office. Entwickelt wurde hier eine Daily Soap, die gleich nebenan gedreht wurde. Hier schrieben sich zwölf Autoren die Finger wund, damit der Sender den Vorabend-Timeslot mit fünf Folgen pro Woche füllen konnte. ’ne ganz schöne Herausforderung. Aber ich persönlich schrieb mir nicht die Finger wund, denn ich war der, der sich in groben Zügen ausdachte, was die armen Schreiberlinge dann zu Papier bringen mussten.

Meine eigenen Ambitionen, Drehbücher zu verfassen, hatte ich nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen zurückgeschraubt. Diese ewige Produzentensuche war nervenaufreibend und wenig einträglich, sodass ich die Jahre davor mein Geld hauptsächlich als Freelancer in der Werbung rangeschafft hatte. Aber mir stand der Sinn nach Fiction, und der Werbezirkus war auch nicht so mein Ding. Obendrein war ein regelmäßiges Einkommen auch recht bequem. Und da ich so der Typ bin, der es gern bequem mag, schien das hier das Richtige für mich zu sein. Bis ich dann recht schnell spitzkriegte, dass ich in puncto morgens antanzen, Tagessoll erfüllen und Teamworkdenken nicht wirklich die erste Besetzung war. Aber ich versuchte, mir das nicht anmerken zu lassen.

Über das Leben nach Feierabend konnte ich ebenfalls nicht klagen. Ich hatte eine superhübsche, ziemlich junge Freundin, die Walli hieß und Darstellerin in unserer Soap war. Wir lebten zusammen in einer schönen Wohnung in München-Grünwald, waren kerngesund, hatten eine Menge Geld und keinerlei Sorgen, außer unseren Träumen. Sie träumte davon, allein mich zu heiraten, und ich träumte davon, Abenteuer mit möglichst vielen Frauen zu haben. Sie träumte von einer glücklichen Familie und ich von unbeschwertem Drogenkonsum. Sie träumte von einem Haus, einem Garten und Kindern, die später mal Klavierunterricht nehmen sollten, während ich meine Zukunft eher im Kreise bedröhnter Partycracks sah. Aber ich versuchte, mir auch das nicht anmerken zu lassen.

Das war so in knappen Zügen die Sachlage. Ich war ein Stück über 30, Drehbuchautor, Serienentwickler, ausgezeichnet bezahlt, gesellschaftlich anerkannt, mit Sex versorgt, alimentefrei, unabhängig und sehr unzufrieden. Dabei wusste ich genau, was ich eigentlich wollte. Und wenn ich dann den Stoff für meine Seifenopern absonderte, stach mir dieser Götterfunke in den Sinn: Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll. Yes! Das war es immer, was ich wollte. Und nichts anderes. Und was tat ich? Schon das – aber minimalinvasiv und immer nur dann, wenn der gottverdammte Zeitdruck es zuließ. Und der Job ließ fast gar nichts mehr zu. Was war das für ein Leben? Richtig, es war das Leben eines Amateurs. Allein die Hoffnung, dereinst in der Profiliga spielen zu können, erzeugte ein warmes Kribbeln in meiner Bauchregion. Eine pauschale Sehnsucht, die mit jedem Tag anschwoll. Und immer, wenn mich die Sehnsucht nach dem wahren Leben packte, griff ich zum Telefon. Mit etwas Glück erwischte ich Zipp. Mit noch mehr Glück war er sogar in der Lage, in ganzen Sätzen zu reden. Ich ließ es mir dann immer und immer wieder vorbeten. Und während die Elektronen so zwischen Anjouna Beach und München-Geiselgasteig hin und her switchten, schnappte ich nach Luft wie ein Fisch an Land.

Zipp, das war mein von Kopf bis Fuß unbehaarter Mentor aus Berliner WG-Zeiten, der seinen Spitznamen einer gewissen Ähnlichkeit mit dem verdrehten Eierkopf aus dem U-Comix verdankte. Einen Großteil seines Lebens hatte er in hippieverseuchten Regionen verbracht: in Trancoso am Arraial d’Ajuda in Brasilien, in Essaouria in Marokko und dem Valle Gran Rey auf Gomera. Aber egal wo, das Entscheidende im Leben bleibt doch, so lautete der Kernsatz seiner Philosophie, die richtigen Drogen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu nehmen. Jawoll! Ansichten eines Mannes, zu dem ich aufsah. Hätte er dereinst für das höchste Staatsamt kandidieren wollen, meine Stimme wäre ihm sicher gewesen. Er war Mitte 40, lebte nun seit über zehn Jahren bei den Wilden in Indien und jettete alle drei Monate mit British Airways nach good old Germany, um das Arbeitsamt zu verarschen. Er beherrschte alle Tricks, um der Werktat aus dem Weg zu gehen. Der Houdini des Müßiggangs, der Schwarzenegger der Faulheit. Er reckte dann das Kinn: »Ich habe noch nie in meinem Leben nicht ausgeschlafen!« Und das muss man erst mal von sich sagen können.

Maximum respect!

Zipp hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mich zum authentischen Dasein zu bekehren, was ihn zu meinem besten Kumpel machte. Wir hatten schon einige brachiale Trips miteinander unternommen und verstanden uns in der Fremde immer noch einen Tick besser als in unserer WG in Berlin. Er tat exakt das, was ich immer tun wollte. Nur besaß er, schätze ich mal, das Paar dickere Eier. Aber ich arbeitete an mir. Und er half tatkräftig und ausdauernd mit, indem er mir immer von Indien vorschwärmte. Aber Indien war echt nicht so mein Ding. Schon seit der ersten Schulklasse schleppte ich das Vorurteil mit mir rum, dass Kinderarbeit bei denen an der Tagesordnung war. Und so was ist für Kids, gleich neben der Taschengeldbesteuerung, natürlich der Super-GAU. Ganz besonders für mich. Hätte Zipp mir also nicht eindringlich und immer wieder versichert, dass Indien oder, genauer gesagt, Goa, das Indien ungefähr so repräsentiert wie Kreuzberg 36 Deutschland, nämlich gar nicht, der Himmel auf Erden sei, hätte ich mir überhaupt nie Gedanken darüber gemacht. Doch er zog die Schraube sukzessive an, bis ich irgendwann doch ins Grübeln geriet.

Er ließ einfach nicht locker.

»Denk doch mal nach, Alter: Drugs & Drugs & Drugs, wie klingt das für dich?«

Zugegeben, das klang vielversprechend. Doch dann dachte ich an die sexuelle Wüste bei unserem letzten Trip im Maghreb. »Aber wie steht’s mit den Ladies da? Die sind doch sicher genauso zugeknöpft wie die in Marokko.«

Zipp seufzte. »Vergiss die Hindimiezen! Ich mein’, die sind zwar nicht ganz so garstig wie die Schleiertanten, aber die vögeln prinzipiell auch nur ihren eigenen Genmüll.«

»Na ganz toll, und ich hänge dann da ab und wichse den ganzen Tag, oder was?!«

»Kannste machen. Kannst aber auch internationale Muschis lecken. Brauchst nur vor die Tür gehen, Alter. Wenn die Japs- oder die Ami- oder die australischen Miezen genug im Himalaya rumgekraxelt sind, dann kommen sie gern noch ein, zwei Wochen zum Plantschen und Raven nach Goa rüber, verstehste?! Die Judenschlampen auch, bloß geh’n die nicht erst kraxeln, die kommen gleich her. Weil wenn die ihren Militärdienst hinter sich haben, dann wollen die sich frei fühlen. Mamma Mia, das sind die schärfsten Bräute der Welt! Und auf Deutsche stehen die ganz besonders!«

»Ach so? Das überrascht mich irgendwie.«

»Ja? Na, das liegt daran, dass du dich in Psychologie eben nicht auskennst.«

»Verstehe. Man liebt, was man hasst, hm?«

»Nee, mein Kleiner, man liebt, was die Alten hassen! Weißte, wenn die mit ’nem Krautfresser ficken, dann befreien die sich auch irgendwie von ihrer eigenen Erziehungsscheiße.«

War ein interessanter Aspekt. »Klingt eigentlich vernünftig«, sagte ich.

»Hey, Goa ist Rave, okay?! Da geht’s nicht drum, wo du herkommst oder welche Kacke dein Opa veranstaltet hat oder wie viel Scheißpigmente du rumschleppst. Da geht einfach nur das ab, was jeder vernünftige Mensch vom Leben erwartet: Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll! Und das, Freundchen, das ist nicht Fernsehen: Das ist echt! Das ist die verdammte Spitze der Evolution.«

»Shit, da muss ich hin!«

»Sag’ ich doch!«

Ich rutschte nach solchen Gesprächen unruhig hin und her und sah aus meinem Barackenfester zu Halle 9 rüber, wo Gottschalk seine Show produzierte. Dauernd rannten Kabelträger rein und raus. Dauernd wurden Rentner und Halbversehrte mit Reisebussen angekarrt. Sie kauften dann in Plastik verpackten Schinkenspeck oder ein Teeservice mit dem bayrischen Staatswappen drauf, und dann sahen sie sich die Wetten, dass …?-Proben an. Ich schloss also lieber die Augen und erkannte paradiesische Strände vor mir, exotische Mädchen und Berge von Drogen. Herrgott, ich liebe Sex, ich liebe Drogen, und ich liebe es, das zu tun, was ich tun will. Nichts anderes nämlich, so sehe ich das zumindest, bedeutet Rock ’n’ Roll. Aber mitten in die schönsten Fantasiegemälde hinein öffnete sich dann die Tür, und einer der hohlwangigen Autoren kam reingeschneit und nuschelte aufgeregt, dass er endlich einen Dreh gefunden habe, wieso Rainer nicht mehr in seiner Bauernredaktion arbeitet, wieso Hanna ihre Menstruation vor Thomas verheimlicht und warum Lena nicht länger im Koma liegen soll.

Und sobald das Schnipsel Glücksgefühl wieder der Realität gewichen war, fühlte ich mich selber wie eine der Soap-Figuren, die ich auf die Menschheit losließ; deren Lebenslauf ich entwarf, deren Träume ich schuf, deren Zukunft ich steuerte. Aber die Figuren durften lediglich geringfügigste charakterliche Wendungen vollziehen, und sie durften vor allem eines nicht, ihr Lebensset wechseln. Ein jeder hockte an seinem Platz, trank Tee, verfluchte seinen Partner und grübelte darüber nach, was er mit seinem Leben oder seinen Liebesbedürfnissen anstellen sollte. Ein niemals endender Reigen der Gefühle. Nur ab und an, wenn ein Schauspieler aus der Serie ausstieg oder dazu genötigt wurde, hatte man die besondere Ehre, ihn rauszuschreiben. Das machte den allermeisten Spaß, weil es eben echt was veränderte. Zum Beispiel, indem die Figur sich das Hirn rausballerte oder bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben kam. Und der Action folgte dann oft das Reinschreiben der nächsten Figur. Das war auch noch einigermaßen funny, weil es halt auch einen Change mit sich brachte. Aber bald schon, sobald der Charakter mal etabliert war, ging es nur noch um Talk, Talk, Talk. Alles wurde besprochen, alles wurde gedacht, alles wurde erträumt – aber nichts wurde getan.

’ne echt bigotte Art des Hier und Jetzt.

Ich unterschied mich demnach nur unwesentlich von den Gestalten, die ich selber ins Leben rief. Nur, dass ich mich da aus freien Stücken reingeschrieben hatte. Um aber rauszukommen, musste ich mein eigenes Set, in dem ich mich so wohlig eingerichtet hatte, sprengen. Es bedurfte eines Tapetenwechsels mittels TNT. Dabei wollte ich mich gar nicht ganz und gar eliminieren, nur ein bisschen, wie man es oft bei schwangeren Darstellerinnen tun musste. Wo dann in der Serie erläutert wurde, sie werde sich um ihre kranke Tante in Belgien kümmern. Und wenn sie dann zurückkehrte und das Blag in der Bavaria-eigenen Kita gebunkert hatte, hieß es in der neuen Folge, ihre Tante in Belgien sei gestorben. Und deswegen wäre sie nach Hause zurückgekehrt. Also hockte ich weiter mittendrin. Ein fauler Apfel in einem Korb fleißiger Idioten. Oh, nicht, dass ich dachte, ich hätte mehr zu sagen als die, nee. Da machte ich mir nichts vor: Bei mir fand sich nichts, das vom wahren Leben handelte oder davon, wie man es führen sollte.

Aber ja, natürlich hegte ich heimlich den Wunsch, etwas beizutragen zu den Sorgen der Welt, etwas, das ich dann wieder geraderücken konnte. Ein Problem aufwerfen und es dann kunstvoll beseitigen. Eine Fehlentwicklung aufrollen und demonstrieren, wie man das managt und hinterher noch als Sieger daraus hervorgeht. Aber niente! Einer großen Entwicklungsgeschichte stand meine unausgesprochene Absicht, niemals etwas zu beenden, entgegen. Mein Leben fühlte sich nie an wie ein Roman. Mein Leben bestand immer aus Kurzgeschichten, die niemals happy endeten, sondern stets vor einem mal mehr, mal weniger behaarten Loch. Immer und immer wieder, bis sich daraus, wenn alles mal in eine Kiste gestopft würde, vielleicht doch noch so was wie ein Roman ergeben hätte. Aber hey, wie ich das jetzt sah, wäre ich letztlich auch zufrieden gewesen, wenn das Ganze am Ende nur ein Gedicht geworden wäre. Doch bis dahin musste ich mich noch fernmündlich über Wasser halten.

»Erzähl noch mal von den Miezen da! Die kommen von überall her, stimmt’s? Absolute Spitzengeschosse, oder?«

»Alles, was du dir vorstellen kannst, Alter. Alles! Ich persönlich steh’ ja auf welche mit kleinen Behinderungen und so, weißte ja. Aber bitte, mach du dein Ding: Modelchicks, Hippieschlampen, Esoschnecken. Behaart, unbehaart. Dumm, ganz dumm …«

»Klingt traumhaft! Und überall kannste Stoff kaufen, ja?!«

»Alles, wonach dir der Unsinn steht! Aber du kaufst es nicht überall, weil du ja nicht völlig verblödet bist. Ich weiß, wo man es kauft! Und du wirst es dann wohl auch bald wissen.«

Er kicherte. Und ich musste mal wieder ganz tief Luft holen. Irgendeinen Haken musste die Sache doch haben! Ich suchte diesen Haken, weil ich langsam richtig Schiss bekam, dass ich in der Lage sein könnte, mir das alles anzutun. Denn eines war mir immer klar: Ich würde da nicht eine oder zwei Wochen hinfahren, ich würde mindestens ein paar Monate hinwollen. Aber ich würde sowieso keinen Urlaub das nächste halbe Jahr kriegen, das stand überhaupt nicht zur Debatte bei den Quoten, die wir fuhren, und dem Druck, den der Sender veranstaltete. Und mir war auch klar, dass ich auf den Irrsinn so abfahren würde, dass ich möglicherweise ganz die Bodenhaftung verlor. Es war also besser, gute Gründe zu finden, um auf dem Teppich zu bleiben. Einen der Gründe hatte ich mit Zipp schon durchgekaut: mein Englisch! Ich radebrechte wie ein Hornochse, und dabei war es doch gerade die Finesse meiner Sprachbegabung, die mir weit mehr Pussies in die Kiste spülte als etwa mein Aussehen, für das ich noch selten Lob eingeheimst hatte. Dafür hatte ich eben so meine unfehlbaren Sprüche drauf, die ich unmöglich auf Englisch hätte hinzaubern können. Denn jeder ernsthafte One-Night-Stand begann schließlich mit einem guten Spruch. Wenn man zum Beispiel im richtigen Moment sagte, Lady, du siehst aus wie eine Göttin in Not, dann war das meist schon die Fahrkarte ins Paradies.

Doch Zipp behauptete, dass man da unten einerseits viel besser aussah, weil man immer braun gebrannt war, und andererseits Radebrechen die zweite Amtssprache sei. Ich musste also richtig tief in mich gehen, um das Haar in der Suppe zu finden. Denn wenn ein Vogel wie ich mal ganz frei von allen Zwängen wäre, konnte das ganz schön ins Auge gehen. Eine Sorge, die mich in Wahrheit so geil machte, dass ich mir am liebsten sofort einen runtergeholt hätte. Was ich dann auch tat. Dabei war ich bei so was schon zweimal überrascht worden. Einmal von meiner ziemlich jungen und ziemlich scharf aussehenden Scriptkoordinatorin, die Besseres als mich haben konnte und en passant darüber hinwegsah. Das war eben der Vorteil, wenn man von einer gehobenen Position aus onanierte. Und einmal von meiner nicht mehr ganz so jungen und nicht ganz so scharfen Dialogdramaturgin, die bereitwillig Hand anlegte. Das war der Lohn, wenn man seine gehobene Position nicht ausnutzte.

Die Tage krochen in Zeitlupe dahin. Am Morgen schleppte ich mich zum Büro, und am Abend rannte ich nach Hause. Und zwischendrin griff ich immer häufiger und gieriger zum Hörer. Aber meine Bedenken wuchsen mit.

»Ey, Zipp, aber weißt du, was mir ein bisschen Sorgen macht? Ich meine, wird man da nicht mit der Zeit rammdösig, so mit all dem Spaß, den man in einer Tour hat?«

Zipp lachte. »Wird man mit der Zeit nicht sowieso rammdösig? Pass auf, Junge, ich sag’s dir noch mal, und ich will, dass es in deine Birne reingeht: Das hier is’ für ’ne Schreibnutte wie dich genau das Richtige! Denn hier gibt es Leute, die was auf dem Kasten haben. Die Beatles waren früher da! Jetzt kommen Sven Väth und Paul Oakenfold und Konsorten. Unheimlich viele Künstler und so, du findest massenhaft Leute, mit denen du dich auseinandersetzen kannst. Ich sag’s dir, das sind keine Idioten hier, das sind nur Wahnsinnige! Aber das sind genau die, die du brauchst! Das sind die, die dir nicht jeden Tag vorschreiben, wie du dich zu benehmen hast oder wie du aussehen sollst oder wie deine Stories eigentlich funktionieren. Nee, die Leute hier sind die, die dich lieben werden.«

»Scheiße, du Penner, du machst mich langsam weich!«

»Na das will ich doch schwer hoffen! Hey, und noch was: Wenn du mal was investieren willst, Hotte, dann biste hier auch genau richtig …«

GUTE VORSÄTZE

Wissen Sie, ich verfüge über etwas ganz besonders Wertvolles, etwas, das der Liebe Gott vielen anderen nicht geschenkt hat: keine Moral! Ganz im Ernst. Wer auch immer dachte, ich sei ein Mensch mit guten Vorsätzen und ernsthafter Reuefähigkeit, sah sich in mir getäuscht. Ich besitze weder das eine noch das andere. Denn wenn man zwischen einem zufriedenen Zuhause hübsche Freundin, guter Job, anständiges Gehalt und blauem Dunst in Form von Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll zu entscheiden hat, was wählt man? Ist doch klar! Ich meine, irgendwann ist es klar. Aber es braucht schon seine Zeit, in der man sich ziert und grübelt und rechnet.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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