Exquisit - Marie-Jeanne Reichling - E-Book

Exquisit E-Book

Marie-Jeanne Reichling

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Beschreibung

Es wären nicht meine Stories, wenn sie nicht viel persönliches Erleben enthalten würden. So sind einige autobiographisch, einige biographisch, andere erfunden. So geht es vom Schulerlebnis über erste zarte Gefühle, durchsetzt mit einigen Gedichten, bis hin zu heftigeren Liebesgefühlen. Der Text "Gedanken, Gefühle, Fantasien" wurde im Theater aufgeführt. Der Auswanderer ist meiner Ahnengalerie entstiegen. Den Kurzkrimi "Mord in den Kaiserthermen" schrieb ich anlässlich der Heilig Rock Wallfahrt. In Sally und Bruno verbergen sich heikle Themen wie Sterbehilfe und Hyperaktivität. Ihr findet noch einiges an Erfundenem, Erdachtem, Erlebtem. Selbst Katzenfreunde kommen nicht zu kurz. Nun hoffe ich, ihr seid gespannt und wünsche viel Spaß beim Lesen.

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EINFÜHRUNG

Liebe Leser!

Es wären nicht meine exquisiten Stories, wenn sie nicht viel persönliches Erleben enthalten würden. So sind einige autobiographisch, einige biographisch, andere erfunden.

So geht es vom Schulerlebnis über erste zarte Gefühle, durchsetzt mit einigen Gedichten, bis hin zu heftigeren Liebesgefühlen.

Der Text ‚Gedanken, Gefühle, Fantasien‘ wurde im Theater aufgeführt.

Der Auswanderer ist meiner Ahnengalerie entstiegen.

Den Kurzkrimi ‚Mord in den Kaiserthermen‘ schrieb ich anlässlich der Heilig Rock Wallfahrt.

In Sally und Bruno verbergen sich heikle Themen wie Sterbehilfe und ADHS.

Ihr findet noch einiges an Erfundenem, Erdachtem, Erlebtem. Selbst Katzenfreunde kommen nicht zu kurz.

Nun hoffe ich, ihr seid gespannt und wünsche viel Spaß beim Lesen.

Marie-Jeanne

Zu beziehen bei BoD.de, im Online-Buchhandel oder bei Marie-Jeanne Reichling durch Überweisung von 10 Euro auf das Konto:

BCEELULL IBAN LU63 0019 8403 6532 3000

Offizielle Homepage: www.marie-jeanne-reichling.eu

INHALT

Schulerlebnis

Stefan und Marina

Ananda

Gedichte

Gedanken, Gefühle, Fantasien

Gedichte

Überraschungsflug

Der Auswanderer

Bruno-verheerende Diagnose

Maxims Kindheit

Klaus Lippert

Sally, das Ende

Mord in den Kaiserthermen

Harn und Amanda

Tiger Ji und Power Winnie

Lola

SCHULERLEBNIS

Unsere Turnstunde war gerade beendet. Vor fünfundfünfzig Jahren, als ich die erste Klasse besuchte, hatten wir natürlich noch keine Turnhallen wie heutzutage, unser Turnsaal war klein, es gab kaum Geräte, bloß einige Turnmatten, ein paar Bänke und die schweren Medizinbälle. Wir Schülerinnen befanden uns im Umkleideraum und warteten auf unsere Lehrerin, um mit ihr zusammen in den Klassenraum zurück zu gehen. Frau Kohn, unsere Lehrerin, war zwar noch jung, doch für uns war sie eine Respektperson. Zu ihren Schülerinnen blieb sie auf Distanz. Sie war schlank, mit feinen Gesichtszügen und trug ihr hellbraunes, glattes Haar immer hochgesteckt. In meiner Erinnerung trug sie ein hellbeiges Kostüm mit einem schmal geschnittenen, knielangen Rock, dazu Schuhe mit niedrigen Absätzen. Ich fand sie hübsch.

Wir Mädchen trugen über den Kleidern eine Schürze, meine hatte mir meine Mutter selbst genäht. Auch zu Hause zum Spielen musste ich sie immer anziehen.

In der Schule war ich schüchtern, Zuhause dagegen weniger. Ich war die Älteste von drei Kindern. Mit meinen grün gesprenkelten Augen schaute ich neugierig in die Welt. Meine dunkelblonden Haare waren oft zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Pony sah etwas zu kurz aus und war schief geschnitten, mein Vater versuchte sich hin und wieder als Frisör bei uns Kindern. Ich fand es immer so peinlich, mit dem schiefgeschnittenen Pony zur Schule zu gehen. Was, wenn die andern Mädchen mich nun deswegen verspotten würden, dachte ich, und zupfte vergeblich an den zu kurzen Haaren herum.

Während wir in dem kleinen Raum warteten, zog ein Mädchen namens Rita zum Zeitvertreib eine Zündholzschachtel hervor und versuchte sie zu öffnen. Wir benutzten nämlich gerade Zündhölzer im Rechenunterricht. Da die Schachtel klemmte, zerrte sie etwas fester daran. Plötzlich flog das Kästchen mit einem Ruck heraus und sein ganzer Inhalt verstreute sich über dem Fußboden. Einige von uns bückten sich sofort, um Rita beim Einsammeln der Zündhölzer zu helfen.

Damals waren die Klassen noch sehr groß, es befanden sich bestimmt über dreißig Mädchen in dem kleinen Umkleideraum. Es war da drinnen sehr eng. Ich stand hinter der halboffenen Tür. Mit der einen Hand hielt ich mich am Türrahmen fest, die Finger zwischen Tür und Rahmen, mit der andern wollte ich die Zündhölzer aufheben, die dort am Boden lagen. Gerade als ich mich bückte, drückte jemand von der andern Seite die Tür zu. Ein dumpfer Schmerz fuhr mir durch den rechten Mittelfinger. Ich versuchte meinen eingequetschten Finger zurückzuziehen, ohne dabei zu schreien. Doch der saß fest.

Wie dumm, dass gerade mir das passieren musste. Ich wollte nicht auffallen, es war mir peinlich, so plötzlich im Mittelpunkt zu stehen. Währenddessen wurde noch immer gegen die Tür gedrückt. Da schrie ich doch. Einige Mädchen wurden aufmerksam und merkten, dass ich blutete. Plötzlich standen alle um mich herum und riefen durcheinander. Endlich ließ der Druck nach und ich konnte meinen Finger befreien. Entsetzt starrte ich auf die Kuppe, die bis unterhalb des Nagels abgequetscht herunterhing. Das Blut tropfte nur so zu Boden. Ich wunderte mich, dass die Wunde nicht einmal allzu sehr schmerzte. Dann war auf einmal die Lehrerin da. Sie sah ganz erschrocken aus, als sie mich am Arm nahm und beiseite zog. Sie sah sich meine blutige Hand an und wickelte provisorisch ein Taschentuch drum herum.

Die Klinik befand sich gleich gegenüber der Schule. Alles ging so schnell, ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Am Empfang saß eine weißgekleidete Nonne. Sie nahm mich mit in einen Behandlungsraum, wo mir die Fingerkuppe wieder angenäht wurde. Ich weinte und jammerte, während die Wunde zuerst gesäubert und anschließend genäht wurde. Ich erinnere mich noch an den brennenden, ziehenden Schmerz, als die Nadel durch mein Fleisch fuhr.

Nachdem ich versorgt war und mit geschientem Finger und dickem Verband wieder bei meiner Lehrerin im Wartesaal auftauchte, brachte sie mich nach Hause. Auf einmal realisierte ich, dass ich mit ihr allein im Auto saß. Ich war stolz und genoss dieses Privileg. Es freute mich, dass ihre ganze Aufmerksamkeit mir galt. Zuhause übergab sie mich meiner Mutter, die natürlich sehr erschrak, als sie die Haustür öffnete und mich mitten am Vormittag, während der Schulzeit, mit einem großen weißen Verband und in Begleitung meiner Lehrerin vor sich stehen sah. Frau Kohn erzählte ihr, was passiert war. Zum Abschied bekam ich noch eine Packung Smarties, als kleines Trostpflaster und weil ich während des Nähens so tapfer durchgehalten hatte. Als mein Vater abends von der Arbeit nach Hause kam, versteckte ich mich hinter dem Küchenschrank und streckte nur die verbundene Hand hervor. Es war ein gutes Gefühl im Mittelpunkt zu stehen.

Ich musste eine Woche zuhause bleiben, dann wurden die Fäden gezogen. Ich bin sehr froh, dass die Fingerkuppe wieder gut angewachsen ist. Bis heute kann man die Narbe an meinem Finger erkennen.

STEFAN UND MARINA

Als sie auf die „Kreizheck“ zogen, war Marina etwa drei Jahre alt und ihr Bruder ein Jahr. Das Baby, ihre kleine Schwester, kam erst zur Welt, nachdem sie schon umgezogen waren. Die Familie lebte nun in einem alten Haus mit zwei Schlafzimmern, die ineinander übergingen. Die Eltern schliefen im hinteren Zimmer, wo der kleine Kohlenofen stand. Bei den Kindern im Zimmer blieb es jedoch, trotz der offenen Verbindungstür, im Winter sehr kalt. Marina erinnerte sich an die Eisblumen am Fenster und dass sie sie anhauchte, um sie zum Schmelzen zu bringen, damit sie hinausschauen konnte.

Marina freute sich immer, wenn der Bäcker kam, er fuhr einen schwarzen Citroen, so eine alte Gangsterlimousine. Wenn Mama das Baby gerade fütterte, bekam Marina einige Franken und durfte das Brot auch mal alleine kaufen gehen. Im Sommer hatte der Bäcker einen Eiskübel mit leckerem Vanilleeis dabei, und manchmal bekam sie eine Portion. Später, als Marina schon zur Schule ging, - damals war sie etwa sieben oder acht Jahre alt, - baute ihr Vater mit seinen Brüdern den Speicher aus. Nachdem das alte Dach abgerissen, und die Mauern hochgezogen worden waren, kam für einige Tage eine Plane darüber liegen. Raymonde Holzhacker, eines der beiden Mädchen, mit denen Marina den Schulweg ging, machte eine spöttische Bemerkung: „

Wenn es jetzt anfängt zu regnen, dann tropft euch der Regen in die Suppe.“

Marina ärgerte sich sehr über die Äußerung, denn es war ihr peinlich, dass sie kein Dach auf ihrem Haus hatten. „Ich werde nie mehr ihre Freundin sein“, schwor sie sich. Tatsächlich verzieh sie Raymonde den dummen Scherz nie ganz, und Sonja wurde danach ihre beste Freundin.

Marina und ihre Geschwister spielten aber auch viel mit den Nachbarskindern. Eine Zeitlang wohnte ein Junge mit seiner Mutter direkt nebenan bei seinen italienischen Großeltern. Stefan wurde Marinas allerbester Freund. Die beiden hingen immer zusammen. Als er später wegzog, vermisste sie ihn sehr. Stefans Nono war freundlich, die Nona dagegen sehr streng, Marina hatte immer ein bisschen Angst vor ihr. Entweder kam Stefan zu ihr zum Spielen, oder sie ging zu ihm. Seine Großeltern hatten ein riesiges Grundstück. Vor dem Haus befand sich eine Wiese mit Obstbäumen, einem Teich und einer Schaukel. Marina stieg über den Zaun und sie waren zusammen. Im hinteren Garten hielten sie sich nicht so oft auf, dort befanden sich die Hühner und der Gemüsegarten. Dann gab es noch das große Tor an der rechten Seite des Hauses. Wenn man durch das Tor ging, kam man auf den „Weg". Weil dort fast nie ein Auto fuhr, konnte man gut mit dem Fahrrad bis zum Waldrand hinauf fahren. Durch das Tor gingen sie auch raus, wenn sie mit den andern Nachbarskindern spielen wollten. Da wohnten Milène und ihr kleiner Bruder Patrick und die Kitzingers. Gingen sie zu Milène, wurde meistens unter dem großen alten Birnbaum gespielt. Unter dem Baum stand eine grobe selbstgezimmerte Bank, daneben war der Sandkasten, dahinter der Geräteschuppen, worin sich auch noch einige Spielsachen befanden. Während sie zusammen spielten, lehnte Fanny, Milènes Mutter sich aus dem Fenster, den riesigen Busen aufgestützt, alles im Blick, alles unter Kontrolle. Jeden Streit bekam sie mit. Sie rief den Kindern dann eine Ermahnung zu oder kam selbst raus zum Schlichten. Danach ging das übliche nachbarschaftliche Getratsche weiter. Marina und Stefan verbrachten wundervolle Nachmittage dort. Meistens spielten sie Mutter und Kind. Je mehr Kinder mitspielten, desto größer gestaltete sich die Familie. Da sie die Ältesten waren, spielte Stefan meistens den Vater und Marina die Mutter. Später wollten sie einander sowieso heiraten. Eine Lehrerin gab es auch, und einen Krämer, zu dem man zum Einkaufen ging. Spielten die Kitzingers mit, wurde es oft ein bisschen chaotisch.

Die Kitzingers waren eine spezielle Familie, ziemlich verwahrlost, mit vielen Kindern, die alle einen andern Familiennamen hatten. Trotzdem spielten sie zusammen. Deren Kinder waren sowieso immer auf der Straße und Marina zog es auch nach draußen. In dem kleinen Haus wohnten sehr viele Leute und im Sommer spielte sich ein großer Teil ihres Familienlebens draußen in dem winzigen Hof ab. Dort war immer etwas los.

Annette Marola war in Marinas Alter. Oft fuhren sie zusammen Rad oder sie standen einfach mit ihren Fahrrädern da und quatschten. Marina war sehr neugierig auf die Familienverhältnisse und fragte Annette aus, wer wie hieß und welchen Vater das jeweilige Kind hatte oder wie der neue Freund einer der Mütter der Kinder hieß.

So unterhielten sie sich wieder einmal, einige der Kleineren standen auch dabei. Da spürte Marina plötzlich eine warme Flüssigkeit an ihrem Bein herunter rinnen. Sie blickte hin und merkte, dass Joel Kitzinger ihr gerade gegen das Bein pinkelte. Marina spürte noch, dass sie knallrot anlief und rannte los. Zwei Minuten später war sie zuhause in der Waschküche, stand mit dem Schlauch im Waschtrog und wusch sich. „Hoffentlich hat Stefan das nicht mitbekommen“, stöhnte sie. „Igitt, wie ekelig!“ Hastig zog sie die nassen verpissten Socken aus und warf sie zu der Schmutzwäsche.

„Der hat sie ja nicht mehr alle der Reihe nach!“, murmelte sie ärgerlich vor sich hin und ließ sich weiter das kalte Wasser über die Beine laufen.

Im Nachhinein war Marina schockiert über sich selbst. Sie hatte es als angenehm empfunden, als die warme Pisse an ihren Beinen entlang rann.

Eines Tages, als Marina an den Zaun trat und zum Nachbargarten hinübersah, bemerkte sie Stefan. Er stand mit dem Rücken an einen der Apfelbäume gelehnt und starrte mit bedrücktem Gesichtsausdruck vor sich hin.

„Hey, was ist denn mit dir los?“ rief sie hinüber. „

Komm rüber!“ forderte Stefan sie mit einer Handbewegung auf.

Marina stieg über den Zaun und trat neugierig näher.

„Was hast du angestellt, hat deine Nona mit dir geschimpft?“

„Ich muss weg“, sagte er traurig.

Marina erschrak. „Wieso, wohin denn?“

Er sah auf und sein Gesicht nahm einen wichtigen Ausdruck an.

„Nach Amerika“, sagte er und richtete sich gerade auf.

Sie war beeindruckt: „Du gehst wirklich nach Amerika?“

„Mamas Freund ist ja Amerikaner, er will mich mitnehmen. Und ich bekomme einen Bruder, Greg soll er heißen“, sagte Stefan düster.

Sie blickte ihm in die Augen. „Kommst du denn wieder?“ Plötzlich tat ihr der Magen weh. „Oder sehen wir uns dann nicht mehr?“

„Amerika ist weit weg, weißt du“, meinte er bedeutungsschwer.

Eine Weile sprach niemand, sie hingen beide ihren Gedanken nach.

‚Stefan wird fortgehen, weit weg, er wird englisch sprechen und mich vergessen‘, dachte Marina verzweifelt.

Seit Stefans Weggang nach Amerika, war es ruhig geworden im Garten der italienischen Nachbarn.

Inzwischen ist Marina 14, ihr Bruder 12, und die jüngste Schwester 10 Jahre alt.

Dann, eines Tages ist wieder Leben im Vorgarten.

Stefan ist wieder da und mit ihm zwei kleine Kinder, etwa 3 und 5 Jahre alt. Sie spielen draußen und sprechen sehr schlecht luxemburgisch, mit einem starken amerikanischen Akzent. Es sind die beiden Halbgeschwister von Stefan, Greg und Maddie. Er selbst wirkt jetzt schon sehr erwachsen, so ernst und irgendwie bedrückt. Er wohne jetzt mit seiner Mutter in der Stadt, erzählt er Marina. Er müsse ihr helfen und arbeiten gehen. Über den amerikanischen Freund seiner Mutter will er nichts erzählen.

Stefan ist nicht mehr oft zu sehen. Und wenn, ist es zwischen ihnen nicht mehr das Gleiche, wie früher.

Marina hat Stefan nicht vergessen, aber sie haben sich auseinandergelebt.

ANANDA

Ja, die Liebe

Wer in diesem Zustand

Sich noch selber belügt

Der ist nicht bei Verstand

Prickelnd und so berauschend

Erst Himmelhochjauchzend

Dann zu Tode betrübt

Schmerz und oh das Herz tut weh

Oder glücklich bis in den dicken Zeh

Prickelnd und so berauschend

Die immer gleich lautenden Worte des Gesangs „Baba Nam Kevalam“ und der stundenlang andauernde Kiirtan Tanz draußen in der lauen italienischen Sommernacht, erfüllten mein Herz und mein ganzes Wesen. Wie lange tanzten wir schon so, hintereinander, immer im Kreis, mit erhobenen Händen, in immer gleichem Rhythmus, begleitet von Gitarre, Tamburin, Schellen und Trommeln? Manche der Margiis tanzten inzwischen wie in Trance, ich selber konnte zwar bis zu einem gewissen Punkt mit fließen, behielt aber immer die Kontrolle und eine gewisse Distanz, um den Überblick nicht zu verlieren. Wir befanden uns auf einem internationalen Treffen von Margiis, so heißen die Anhänger von Ananda Marga.

Nun bemerkte ich schon seit geraumer Zeit, dass der junge Mann, der hinter mir tanzte, mich beobachtete. Als ich kurz darauf eine Pause einlegte und mich ein paar Schritte von der Gruppe entfernte, folgte er mir. Er sprach mich an und wir unterhielten uns. Er fragte nach meinem Namen, woher ich kam und ob das „retreat“ mir gefalle. Mein spiritueller Name, Lilavati, den ich erhielt, als ich Ananda Marga beitrat, bedeutete lustig, amüsant, spielerisch, charmant. Er hieß Robert und kam aus Berlin. An seinen Margii Namen kann ich mich nicht mehr erinnern. Er wollte wissen, was für ein Thema wir nachmittags in der Frauengruppe hatten, ob wir auch eine „lecture“ über Ehe und Sexualität hatten? Ich war ganz verwundert, dass ein so völlig ungeistliches Thema während dieser Tage überhaupt gelehrt wurde, dachte ich doch bisher, das wären eher Tabu-Themen bei Ananda Marga. Doch an dem Tag bekamen die Männer tatsächlich während ihrer „lecture“ spezielle Verhaltensmaßnahmen erklärt, was den Umgang mit Frauen vor und in der Ehe anbelangte. Wieso gab es diesen Vortrag nur für die Männer? Wir hatten irgendetwas über rituelle Waschungen erklärt bekommen, auf der Toilette zum Beispiel sollte man immer die linke Hand benutzen, weil man ja mit der rechten aß. Ich erinnere mich noch dass man beim Gähnen mit den Fingern schnippen sollte, damit die andern nicht von der Müdigkeit, die auf einem lastete, angesteckt wurden. Das war schon eine wichtige Sache, denn die Gefahr war groß, dass man während der langen Stunden der gemeinsamen Meditation einschlief. Wir bekamen immer nur sehr wenig Schlaf, denn die Tage waren ausgefüllt mit Singen, Kiirtan tanzen, Meditation, Vorträgen und arbeiten.

Robert und ich spazierten zusammen durch den warmen Abend, unterhielten uns über alles Mögliche, und gingen irgendwann wieder zu den andern zurück, um weiter Kiirtan zu tanzen. Unser Tanzen war jetzt viel weniger spirituell, Robert tanzte vor mir und rückte immer wieder näher zu mir heran. Nach einer Weile nahm er mich bei der Hand und zog mich aus dem Kreis der Tanzenden heraus. Wir setzten uns etwas abseits auf eine Mauer. Als er mich küsste, schien es das Selbstverständlichste von der Welt.