Extrawurst - Dietmar Jacobs - E-Book

Extrawurst E-Book

Dietmar Jacobs

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Beschreibung

Eigentlich ist es nur eine Formsache: Die Mitgliederversammlung eines Tennisclubs in der deutschen Provinz soll über die Anschaffung eines neuen Grills für die Vereinsfeiern abstimmen. Normalerweise kein Problem - gäbe es nicht den Vorschlag, auch einen eigenen Grill für das einzige türkische Mitglied des Clubs zu finanzieren. Denn gläubige Muslime dürfen ihre Grillwürste bekanntlich nicht auf einen Rost mit Schweinefleisch legen. Eine gut gemeinte Idee, die aber immense Diskussionen auslöst und den eigentlich friedlichen Verein vor eine Zerreißprobe stellt. Wie viele Rechte muss eine Mehrheit einer Minderheit einräumen? Muss man Religionen tolerieren, auch wenn man sie ablehnt? Gibt es auch am Grill eine deutsche Leitkultur? Und sind eigentlich auch Vegetarier eine Glaubensgemeinschaft? Immer tiefer schraubt sich der kleine Konflikt um den Grill in die Beziehungen der Mitglieder. Ebenso respektlos wie komisch stoßen Atheisten und Gläubige, Deutsche und Türken, "Gutmenschen" und Hardliner frontal aufeinander. Und allen wird klar: Es geht um mehr als einen Grill... Es geht darum, wie wir zusammenleben. Zumal die Grenzen zwischen "rechts und links", "tolerant und intolerant", "religiös und ungläubig" viel fließender sind als man denkt. Die Zuschauer sind als Vereinsmitglieder direkter Teil des Geschehens und erleben mit, wie sich eine Gesellschaft komplett zerlegen kann. Und das in einer schnellen, hochpointierten und sehr aktuellen Komödie.

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Seitenzahl: 71

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Theatertexte finden Sie auf unserer Websitewww.kiepenheuer-medien.de

© 2019 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u. a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

PERSONEN

Dr. Heribert Bräsemann, 66, Rentner, Vorsitzender

Matthias Scholz, 34, Logistiker, zweiter Vorsitzender

Erol Oturan, 35, Anwalt

Melanie Pfaff, 36, Übersetzerin

Torsten Pfaff, 34, Event-Manager

1.AKT

Das Clubhaus eines Tennisclubs. Ein Tisch und zwei Stühle. auf einem sitzt Matthias Scholz, vor ihm ein Laptop, der mit Beamer und Vidiwall verbunden ist. neben dem Tisch ein Buffet mit Häppchen und Getränken, u.a. zwei Kisten Bier. Matthias sitzt schon da, während das Publikum die Plätze einnimmt. er ist mit seinem Laptop beschäftigt. ab und zu wendet er sich an die Zuschauer.

MATTHIAS Es geht gleich weiter … Heribert ist sofort wieder da … Nehmt schon mal Platz … Heribert kommt gleich wieder … etc.

Erol Ooturan, Melanie Pfaff und Torsten Pfaff setzen sich kurz vor beginn mit ins Ppublikum. Erol und Melanie in informeller Sport-Kleidung. Heribert Bräsemann tritt, sich den rücken haltend, ein.

HERIBERT Leute, es tut mir Leid für die unvorhergesehene Unterbrechung. Dass Gott den Menschen geschaffen hat, war prima. Aber keine Ahnung, warum er auch den verdammten Ischias gemacht hat. Das war eben wieder ein Schmerz! Aber unser Vereinsarzt, der Ralf, hat mir wieder mit seinen Zauberhänden geholfen. zu einem Zuschauer Danke Ralf, du bist der Beste. Applaus für den Ralf! So, dann aber weiter in der Mitgliederversammlung. Fürs Protokoll: Ich bin eben mit einem Ergebnis von 100% der Stimmen als Präsident des Tennisclubs TC Lengenheide wiedergewählt worden …

TORSTENruft rein … und dann hat dir die Last des Amtes den Ischias eingequetscht.

HERIBERT Ja, unser Torsten, immer für einen heiteren Spruch gut. Also: Ich nehme die Wahl an und danke euch für das Vertrauen. Und ich muss gestehen, ich bin … ja, ein bisschen gerührt, dass unser Tennisclub auch in diesem Jahr eine derartige Geschlossenheit demonstriert. Ich werde alles dafür tun, dass unser Club auch weiterhin … äh … also, dass alles so weiter läuft wie bisher. So, ich denke, es hat auch niemand etwas dagegen, dass der Matthias zweiter Vorsitzender bleibt, oder…? Sehr schön. Einstimmig angenommen.

MATTHIAS Ja. Ich möchte euch auch ein paar Worte des Danks ...

HERIBERT Gut, kommen wir dann zu Punkt 5 der Tagesordnung: Die offizielle Spielkleidung. Matthias?

Matthias tippt auf seinem Laptop. Auf der Vidiwall erscheint weisse Tennisbekleidung.

MATTHIAS Ich hab hier mal was vorbereitet ...

HERIBERT Ja, lass mich das abkürzen, Matthias. Wir spielen als Verein auch weiterhin ganz in weiß. Mir ist auch klar, dass die Mode mittlerweile andere Wege geht ... aber man muss ja auch nicht jeden modernen Unsinn mitmachen.

TORSTEN Das heißt, wir nehmen für Auswärts-Turniere auch weiterhin die Pferdekutsche?!

HERIBERT Haha, ja, Spaß muss sein ... Aber zurück zur Bekleidung: Die Lisa Ackermeier hat in ihrem Geschäft wieder alle gängigen Größen vorrätig und kann auf Wunsch auch jede andere Größe nachbestellen. Also kommt nicht auf die Idee und bestellt die Klamotten im Internet – die Lisa hat es so schon schwer genug. Fazit: Wir nehmen weiße Bekleidung und zwar aus der Grand-Slam-Linie der Firma Reckenberg, oder ist jemand anderer Meinung? Wunderbar. Einstimmig angenommen. So, bevor wir zum gemütlichen Teil übergehen, haben wir noch mal einen … naja … etwas größeren Punkt abzuhaken: Punkt 6: Das neue Vereinsheim.

MELANIE Wurde da nicht alles schon letztes Jahr beschlossen?

HERIBERT Im Prinzip ja. Aber ... 250.000 Euro, das ist ja kein Pappenstiel. Aber ich habe das jetzt endgültig mit dem Stadtrat geklärt, dem Günther. Den kenn ich ja persönlich. Da kriegen wir 50.000 an Zuschüssen aus dem Kulturetat; dann war der Matthias ja auf Sponsoren-Tour...

MATTHIAS Dazu kann ich was sagen... ich hab mal mit Powerpoint...

HERIBERT Ja, lass mich das abkürzen, Matthias. Da kommen noch mal knapp 50.000 zusammen. Dafür heißt unser Club-Café ab dem nächsten Jahr dann „Reckenberg-Lounge“, aber damit kann man leben, finde ich; und den Rest stemmen wir wie besprochen aus dem Kredit. Dann geht der Bauauftrag an den Peter Lohr, für den ich wirklich die Hand ins Feuer legen kann – und zwar nicht nur, weil er mein Schwager ist. Aber jetzt kommt der eigentliche Knaller: Matthias, zeig doch mal den aktuellen Entwurf, bitte.

MATTHIAS Den hab ich in verschiedenen Ansichten und...

Ein sehr öder Entwurf eines Clubheims ist zu sehen.

HERIBERT Lass mal einfach so. Das ist ja der neue Entwurf vom Peter. Und ... ich finde, das ist wirklich zum Zungeschnalzen. Das ist Funktionalität und Eleganz. Vom Café bis in die Sanitärräume. Und ich denke, das ist eine Wertigkeit, die in Lengenheide und der ganzen Utterforst-Region neue Maßstäbe setzt.

TORSTEN Ich hab gehört, es haben schon Leute ihren New-York-Urlaub abgesagt, um bei uns pinkeln zu kommen.

HERIBERT Wir sollten in der Tat stolz sein, so ein architektonisches Bonbon in unserer Stadt … äh … also, dass das gebaut wird. Wenn jemand ein Veto hat und ... gegen diese… ja, ich möchte sagen: einmalige Chance für unseren Club etwas einwenden will … der möge jetzt sprechen oder für immer schweigen, haha!

Er wartet höchstens zwei Sekunden.

HERIBERT Gut, ich halte offiziell fest: Das neue Vereinsheim wird wie geplant gebaut! Dann würde ich sagen: Alea iacta est. Das ist Latein und heißt: Das Buffet ist eröffnet...

MATTHIAS Moment, Heribert, da fehlt noch ein Punkt.

HERIBERT Was? Ja ... stimmt. Punkt 7: Sonstiges. Aber da ist ja nie was. Also guten Appetit – und vergesst nie das Motto unseres Vereins: „Im Frieden und im Krieg behält die Einigkeit den Sieg“.

MATTHIAS Aber ... ich wollte noch wegen dem Grill...

HERIBERT Ach so, ja, Entschuldigung, Matthias. Ja. Wir kaufen einen neuen Grill – der alte ist nämlich Schrott. Also dann, guten Appe …

MATTHIAS Ehrlich gesagt, hatte ich eine kleine Präsentation vorbereitet.

HERIBERT Muss das wirklich sein? Es ist doch nur ein Grill.

MATTHIAS Ne. Es ist der XQ 3010.

Matthias zeigt eine Powerpoint-Präsentation mit Bildern von Grills und Säulen-Diagrammen von Wurst-Verbrauch.

MATTHIAS Also ich hab mich da mal ein bisschen reingefuchst. In die Grill-Materie... Hat mich ne Menge Zeit gekostet ...

TORSTEN Da hättest du besser trainiert, dann wärst du jetzt Clubmeister und nicht der Erol...

EROL Auch dann nicht!

Allgemeines Lachen.

MATTHIAS Ja. Also wir hatten ja bislang immer den Holzkohle-Grill. Mit dem konnten wir beim Sommerfest und beim Clubturnier in Stoßzeiten maximal 20 Würstchen gleichzeitig grillen. Oder zehn Würstchen und fünf Koteletts. Ich hab das hier mal aufgearbeitet ... also ... jedenfalls ist der Grill jetzt in die Jahre gekommen. Da kommt inzwischen Rost an das Grillgut. Die Beine wackeln. Und außerdem ist ja Kohle auch wegen Krebs und so nicht gut. Und deshalb hab ich gedacht, wir schaffen einen Gasgrill an.

HERIBERT Prima. So machen wir das. Danke Matthias, das Buffet...

MATTHIAS Der beste vom Preis-Leistungsverhältnis ist der XQ 3010 von Seiler. Der kostet im Internet 860 Euro ... Aber der hat auch vier separat beheizbare Brenner mit zwei getrennten Grillebenen und drei stufenlos regulierbaren Temperaturbereichen. Dazu eine integrierte Rotationsfunktion und einen Pizza-Stein.

TORSTEN Toll. Beeinflusst das Ding auch Ebbe und Flut?

MATTHIAS Mit dem Grill kann man mit einem Mal bis zu 50 Würstchen grillen. Oder 30 Würstchen und 15 Koteletts. Ich hab das mal hier als Diagramm dargestellt ... Dazu wäre der im Unterhalt noch günstiger als der Kohle-Grill... die Kosten hab ich in einer Excel-Tabelle mal für fünf Jahre hochgerechnet ... Moment...

HERIBERT Ne, nu ist mal gut, Matthias. Das Ding sieht super aus. Das kaufen wir. Das Geld ist im Etat für Betriebsanschaffungen. Jemand dagegen...? Nein? Perfekt. Einstimmig angenommen. So, dann ...

Melanie zeigt auf.

HERIBERT Ja, Melanie?

MELANIE Also, ich will ja hier keine Diskussion anfangen, aber wenn wir über den neuen Grill reden... Neulich waren wir mal beim Erol eingeladen und da hat er extra einen zweiten Grill gehabt, damit seine deutschen Gäste auch Würste mit Schweinefleisch grillen können. Und ich dachte gerade: Wär‘s nicht eine nette Geste für unsere türkischen Mitglieder, wenn wir für die noch einen zweiten Grill dazu holen?

HERIBERT Ähm ... aber wir haben doch nur ein türkisches Mitglied. Und Erol ... hast du da ein Problem mit dem Grill...?

EROL Ne, Leute, für mich müsst Ihr keinen Extra-Grill anschaffen. Ich hab da kein Problem mit, ehrlich.

HERIBERT