Falsche Hawara und krumme Touren - Joachim Koller - E-Book

Falsche Hawara und krumme Touren E-Book

Joachim Koller

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Beschreibung

Ein neuer Bezirksinspektor ermittelt in Wien Bezirksinspektor Thomas J. Kratochwil, entspricht ziemlich genau dem alten Klischee des Wiener Kriminalbeamten. Er trinkt zu viel Alkohol, ist Kettenraucher, er flucht und hat eine Affäre mit seiner Kollegin. Aber er nimmt seinen Job ernst. Auch als er zufällig Zeuge eines Banküberfalls in der Wiener Innenstadt wird. Schnell ist klar, dem Geiselnehmer geht es nicht um Geld. Nebenbei häufen sich die Zufälle und machen die Ermittlungen zu einer undurchsichtigen Angelegenheit. Nicht nur, dass der Bezirksinspektor persönlich involviert und mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird, mischt sich auch noch der amtierende Innenminister ein. Doch dann nimmt der Fall eine Wendung und alle Beteiligten stehen einer größeren Bedrohung gegenüber. Die Suche nach der Wahrheit führt den Bezirksinspektor dabei von hohen Politkreisen bis in den vergessenen Untergrund von Wien.

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Alle Personen (mit einer Ausnahme) und Handlungen sind frei erfunden. Die erwähnten Schauplätze kann man in Wien tatsächlich finden, wobei die erwähnte Bank nicht existiert.

Was in diesem Buch über den Untergrund von Wien – inklusive der Gruppe „Vergessenes Wien“ – geschrieben wird, entspricht ebenfalls ziemlich genau der Realität. Aus Sicherheitsgründen wurde der Zugang zu dem unterirdischen Luftschutznetz aber an einen fiktiven Ort verlegt.

Für mehr reale Informationen über Wiens Untergrund, empfehle ich die Seite von „Vergessenes Wien“. Einfach auf Instagram und anderen Kanälen nach „jerryously“ suchen.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

25. September, 8.00 Uhr

8:45 Uhr

9 Uhr

10 Uhr

10:45 Uhr

11:15 Uhr

11:45 Uhr

12:00 Uhr

12:15 Uhr

12:35 Uhr

12:50 Uhr

13:05 Uhr

13:30 Uhr

13:40 Uhr

14:00 Uhr

14:20 Uhr

14:35 Uhr

15:00 Uhr

15:20 Uhr

16:00 Uhr

16:40 Uhr

17:00 Uhr

17:15 Uhr

17:35 Uhr

18:00 Uhr

18:45 Uhr

19:15 Uhr

19:30 Uhr

20 Uhr

20:15 Uhr

21:10 Uhr

21:45 Uhr

22 Uhr

23 Uhr

23:45 Uhr

00:15 Uhr

2 Uhr

6:30 Uhr

7 Uhr

7:35 Uhr

8 Uhr

8:15 Uhr

10:20 Uhr

10:40 Uhr

13 Uhr

14 Uhr

Prolog

3. September,

Wien, Innere Stadt

Zwanzig Meter unter der Staatsoper

Mit lautem Knarren und Quietschen, wurde die Metalltür am Ende des Kellergewölbes aufgestoßen.

»Die wird noch ordentlich geschmiert«, erklärte der Mann, der als erster den Raum betrat, gefolgt von zwei weiteren Männern und einer Frau.

»Wir sind zwar tief unter der Innenstadt, aber dennoch müssen wir darauf achten, kein Aufsehen zu erregen«, fuhr er fort.

Sie betraten einen langgezogenen Raum mit gewölbtem Dach. Vor Jahrzenten waren die Wände glatt und mit weißer Farbe gestrichen worden. Nun blätterte die Farbe an vielen Stellen hab und gab den Blick auf graue Mauersteine frei. An mehreren runden Säulen waren Arbeitsscheinwerfer aufgehängt, die abschätzen ließen, wie groß der Raum war. Außerdem war es auffällig sauberer, als auf ihrem unterirdischen Weg hierher.

»Wie hast du diesen Raum gefunden, Lukas?«, fragte die Frau, als sie hinter den Männern den Raum betrat. »Unter Wien findet man ein ganzes Labyrinth an Gängen und Räumen wie diesem. Als Schutz vor Luftangriffen im Weltkrieg angelegt, wurde dieses unterirdische Netz nach dem Krieg vergessen. Es existieren keine brauchbaren Pläne, viele Gänge wurden zugemauert, einige sind einsturzgefährdet. Wir sind hier völlig ungestört«, versicherte Lukas den Anwesenden.

Er erklärte ihnen die weiteren Vorzüge dieses unterirdischen Verstecks. Die dicken Mauern sorgten dafür, dass Handys nutzlos wurden. Da geplant war, mehrere Computer aufzubauen, hatte er bereits Pläne mitgebracht, anhand deren sie eine Strom- und Internetversorgung sicherstellen konnten.

»Es hat schon eine gewisse Ironie«, beendete Lukas seine Ausführung, »Wir sind an einem Ort, den fast niemand kennt und planen einen Diebstahl von etwas, von dem ebenfalls fast niemand Bescheid weiß.«

»Wie lange haben wir Zeit, um alles vorzubereiten?«, fragte einer der Männer.

»Drei Wochen. Ich werde euch rechtzeitig informieren, damit am Tag X alles perfekt abläuft«, versicherte ihm Lukas.

»Und dieser Bezirksinspektor Kratochwil? Ist es eine gute Idee, einen Kieberer in deinen Plan miteinzubeziehen?«

Lukas antwortete mit verschwörerischem Grinsen. »Sogar eine sehr gute Idee, glaub mir. Er wird uns tatkräftig unterstützen, dafür ist gesorgt.«

25. September, 8.00 Uhr

Die Sonne war bereits über dem vor dem Fenster liegenden Stadtpark aufgegangen und strahlte in das Hotelzimmer und auf das übergroße Doppelbett. Thomas Kratochwil, Bezirksinspektor im ersten Wiener Gemeindebezirk, blinzelte und drehte sich zur Seite, wo ihn große blaugraue Augen ansahen.

»Morgen mein Süßer, gut geschlafen?«, fragte seine Kollegin Denise Graf. Sie strich ihre schulterlangen schwarzen Haare zur Seite und gab den Blick auf ihr üppiges Dekolleté und noch mehr frei. Die Decke reichte ihr nur bis zur Hüfte, sodass Thomas‘ Blick unweigerlich zu ihren Brüsten wanderte. Er lag genauso wie sie nackt im Bett.

»Nach dem, was du in der Nacht mit mir angestellt hast, habe ich geschlafen wie ein Stein«, antwortete er, gab ihr einen Kuss und rollte sich aus dem Bett. Auf dem Boden lag noch eine der beiden Piccolo-Flaschen, deren Inhalt sie gestern Nacht geleert hatten. Thomas erinnerte sich, dass er nach ihrem ausgiebigen Liebesspiel und der Flasche schnell und tief eingeschlafen war.

»Auch wenn ich dich gerne so sehe, lass uns anziehen und frühstücken gehen. Das Zimmer hier im Marriott hat genug gekostet, da sollten wir das Frühstücksbuffet noch ordentlich ausnutzen.«

Ein Blick in den Spiegel verriet dem 46-jährigen Mann, dass der wenige Schlaf kaum Spuren hinterlassen hatte. Seine kurzgeschorenen, braunen Haare konnten nicht durcheinandergebracht werden und sein Gesicht war bislang vor vielen Falten verschont geblieben. Denise kam hinter ihn und knabberte an seinem Ohrläppchen, die auffällig abstanden.

»Wir haben zum Glück heute frei. Nur ein kurzer Besuch auf der Dienststelle und dann...«

»Du weißt, dass ich nach Hause muss«, unterbrach er sie, worauf sie sich sofort von ihm löste und nach ihrer Kleidung griff.

»Es war nur ein Gedanke, sorry«, meinte sie mit verärgerter Stimme.

Die Affäre der beiden Bezirksinspektoren und Kollegen der Kriminalpolizei lief inzwischen seit über einem Jahr. Was als einmaliger Ausrutscher begann, wurde mit der Zeit zu einem regelmäßigen Abenteuer. Während die zwei Jahre jüngere Denise ungebunden war, wurde Thomas von seiner Frau und seiner Tochter erwartet. Obwohl die Ehe schon länger nicht mehr harmonisch verlief, war er nicht bereit, diese aufzugeben. Auch wenn Denise immer wieder klar-stellte, dass sie es akzeptierte, kam ihre Eifersucht öfters zum Vorschein.

In schwarzer Unterwäsche, die ihren hellen Teint noch mehr hervorhob, drehte Denise Thomas zu sich und strich ihm über seine schmale Hakennase.

»Es tut mir leid«, sagte sie versöhnlich, »Aber nach so einer Nacht, gleich wieder zurück in die Realität, das ist manchmal nicht so leicht.«

Thomas setzte ein breites Grinsen auf, welches seine Zähne entblößte.

»Wir werden es sicherlich bald wiederholen. Es muss ja nicht immer das Marriott sein.«

Er sah ihr zu, wie sie ihr elegantes Abendkleid vom Vortag in ihrem Rucksack verstaute. Stattdessen schlüpfte sie in eine Jeans und eine dunkle Bluse, beides eng anliegend und sehr figurbetont. Anstatt der eleganten, hochhakigen Schuhe vom Vorabend, trug sie nun schwarze Stiefel mit dicker Sohle.

»Hast du heute noch eine Wanderung vor?«, fragte er und deutete auf die Schuhe.

»Die sind weitaus bequemer als die hochhackigen High Heels von gestern. Die hatte ich nur wegen dir an, und wenn ich mich recht erinnere ...«

»Ja, die Schuhe waren ziemlich heiß«, gestand Thomas und schnappte sich seine Lederjacke.

»Lass uns frühstücken gehen, als Abschluss einer wunderbaren Nacht.«

8:45 Uhr

Der kühle Herbstwind blies ihnen entgegen, als sie das Hotel verließen. Thomas griff in seine Jackentasche und holte seine Zigaretten hervor. Neben dem Eingang zum Nobelhotel saß ein offensichtlich Obdachloser, der zu ihm aufblickte.

»Morgen, heast, bist a guter Hawara und schnorrst mir nen Tschik?« Der deutlich hörbare Zungenschlag des Obdachlosen verriet, dass er alles andere als nüchtern war.

Thomas öffnete seine Packung, nahm sich eine heraus und reichte ihm die Packung mit den restlichen Zigaretten.

»Ein Kieberer ist selten ein guter Hawara, aber ich habe einen guten Tag heute.«

Er schloss seine Lederjacke und musste erneut gähnen, was Denise mit einem verschmitzten Lächeln kommentierte.

»Und da heißt es, wir haben ruhige Nachtdienste.«

»Dieser war wohl eher anstrengend und ausdauernd«, meinte Thomas und zündete sich seine Zigarette an.

»Willst du dich beschweren?«, fragte Denise mit gespielter Entrüstung.

»Garantiert nicht.«

»Und was sagst du daheim?«

»Sicher nicht, dass es ausdauernd war. Wobei ich bezweifle, dass ich überhaupt gefragt werde.«

Denise wusste, dass es bei Thomas und seiner Frau Kerstin schon seit längerem kriselte. Ihre Affäre war nur einer der Gründe dafür.

»Wir könnten auch noch später auf die Dienststelle«, schlug Thomas vor, »Noch einen Kaffee oder etwas Sightseeing?«

Sie hatten schon früher die freien Tage genutzt, um wie Touristen durch die Innenstadt Wiens zu schlendern.

Dabei hatten sie auch wie Touristen die verschiedenen Museen und Kirchen besucht.

»Heute nicht. Ich habe heute noch mein Kampfsport-Training. Davor würde ich mich gern noch etwas erholen«, meinte sie mit einem breiten Lächeln.

»Lass uns noch kurz zum Posten gehen. Die frische Luft tut uns sicher gut«, schlug sie vor, zückte gleichzeitig ihr Handy und tippte darauf.

»Meine Schwester. Sie hat wieder einmal Probleme mit ihrem Freund«, erklärte sie und entfernte sich einige Schritte von ihm. Thomas holte seinen Ehering aus der Jackentasche. Während er ihn auf den Finger schob, überkam ihn wieder einmal das schlechte Gewissen, welches er aber gleich wieder unterdrückte. Er zückte sein Handy und rief seine Frau an. Schon an ihrer ersten Frage, ob es eine mühevolle Nacht gewesen war, war ihre Eifersucht herauszuhören. Thomas erfand eine zähe Überwachung ohne besondere Vorkommnisse und versprach ihr, nach einem Kurzbesuch auf der Dienststelle heimzukommen.

»Ja, ja. Ich seh‘s dann eh, wann du heimkommst«, war ihre Reaktion.

Da sie den Tag frei hatte, konnte sich Thomas wieder einmal auf Diskussionen über seinen Job und seine Kollegin einstellen. Nachdem er aufgelegt hatte, schnappte er Denise an der Taille und gemeinsam spazierten sie auf dem Weg zwischen der vierspurigen Ringstraße und der Nebenfahrbahn. Diesen teilten sich sowohl Fußgänger als auch Radfahrer, im Moment gehörte er ihnen aber alleine. So genoss er die Ruhe und versuchte, nicht daran zu denken, was ihn daheim erwartete. Thomas sog die kühle Luft ein, die um diese Uhrzeit noch mehr nach herbstlichen Bäumen und weniger nach Abgasen roch. Sie spazierten an einer modernen Litfaßsäule vorbei.

Hinter dem Glas machte ein Plakat Werbung für die »Dritte Mann Tour«, eine geführte Tour durch die Kanalisation des ersten Bezirks.

Thomas erinnerte sich, wie sie diese Tour alleine mit einem Führer gemacht hatten. Mit etwas Trinkgeld für ihren Guide hatte die Tour länger gedauert und sie noch tiefer in das labyrinthartige Netz unter der Stadt geführt.

»Das könnten wir wiederholen«, meinte er und deutete auf das Plakat.

»Sehr gerne, wenn wir wieder Zeit haben. Mir hat es dort unten gut gefallen«, antwortete Denise mit einem Anflug eines Lächelns.

»Wegen vorhin im Zimmer ...«, versuchte Thomas, wenigstens die Sache mit Denise nicht übermäßig zu verkomplizieren.

»Was meinst du?« Sie schien in Gedanken noch bei dem Telefonat zu sein.

»Du weißt, dass du nicht nur ein Gspusi für mich bist.«

»Mir geht es genauso, also mach dir keine Gedanken«, versicherte sie ihm und schmiegte sich an ihn.

Sie standen bei der Fußgängerampel, die gerade auf Grün wechselte, als aus der Bank, welche sich an der Ecke des Hauses vor ihnen befand, ein Mann herausstürmte.

»Überfall!«, rief der graumelierte, ältere Mann hektisch.

Thomas und Denise erstarrten und sahen sich an.

»Ernsthaft jetzt?«, fragte Thomas.

Denise deutete dem Mann, auf dessen Jacke das Logo einer Securityfirma prangte.

»Wir sind von der Polizei, was ist los?«

Der Mann lief zu ihnen. Er keuchte und zitterte am ganzen Leib.

»Überfall! Da ist einer reingestürmt und hat geschrien und hat mich mit einer Waffe bedroht und rausgeschickt.«

Sie blickten zur Eingangstür der Bank, die in diesem Moment verschlossen wurde, gleichzeitig senkten sich die Rollos hinter den milchigen Fenstern auf der Straßenseite.

»Das war's dann mit dem freien Tag«, meinte Denise mit einem Seufzer.

9 Uhr

Thomas musterte den Sicherheitsmann. Er schätzte ihn auf knapp sechzig Jahre. Seine korpulente Figur und sein Alter sprachen dafür, dass er den Job als Security nur als Nebenjob ansah, um den Anschein zu wahren, dass die Bank bewacht wurde.

»Und jetzt ganz in Ruhe. Bezirksinspektor Thomas Kratochwil und das ist meine Kollegin, Denise Graf.«

»Alois Schönwender. Ich arbeite hier als Security. Noch nie hat es irgendwelche Probleme gegeben. Sie müssen wissen, diese Bank ist ... nicht so wie jede andere Bank.«

»Nicht wie jede andere Bank?«, fragte Thomas.

Unterdessen blickte er zu Denise, die bereits am Handy nach Verstärkung rief.

»Die PvR-Bank hat nicht viel Laufkundschaft. Die da drinnen arbeiten weniger mit Bargeld.«

Thomas stutzte.

»Was soll das heißen? Wenn jemand eine Bank überfällt, wird er wohl auf Geld aus sein, oder?«

»Ich habe mal gehört, dass die nur fünf, sechstausend Euro in der Kassa haben, mehr nicht. Soweit ich mich mit diesen Dingen auskenne, machen die viel über Computer, also online. So mit diesen neuartigen Internetwährungen, Bitkroins oder so ähnlich. Ich glaube, Aktien kann man nicht einfach so stehlen und zu Geld machen.«

Thomas hob kurz die Schulter, als Zeichen, dass er davon auch wenig Ahnung hatte.

»Okay, wenig Geld zu holen. Wie viele Personen sind in der Bank?«

Alois Schönwender überlegte angestrengt.

»Die Einsatzgruppe kommt in fünf Minuten!«, rief Denise, die abseits stand und das Haus beobachtete.

Thomas nickte ihr zu und wandte sich wieder Alois Schönwender zu.

»Wie viele Personen?«, wiederholte er seine Frage.

Der Sicherheitsbeamte, immer noch aufgebracht und geschockt, zählte im Geiste.

»Es arbeiten zwei Frauen am Schalter, der Filialeiter ist auch schon da. Und dann noch... drei, nein vier Kunden. Zwei Frauen und ein Paar in besonders eleganter Aufmachung. Ach ja, die Putzfrau, eine oder zwei müssten auch noch drinnen sein. Ich weiß nicht, die sind im Tresorraum gewesen, als ich angefangen habe.«

»Ich meinte, wie viele Personen sind an dem Überfall beteiligt?«

»Einer. Ein Mann, er ist reingestürmt, hat mich mit einer Pistole bedroht und gesagt, ich soll hinauslaufen.«

»Erzählen Sie mir mehr vom Tresorraum, gibt es dort...«

»Geld? Nein. Also, vielleicht, ich glaube schon, genau weiß ich es nicht. In dem Raum gibt es jede Menge Schließfächer. In unterschiedlichen Größen, also da passt alles Mögliche rein. Die haben Platz für kleine Schachteln bis zu großen Wertgegenständen oder was die Leute sicher verwahren wollen. Was da drinnen ist, das wissen nur die Mieter.«

»Wie sind die Schließfächer gesichert?«

»Jeder Mieter hat einen Schlüssel, jedes Fach ein zusätzliches Nummernschloss. Fragen Sie mich aber nicht, wie sicher die Fächer sind, aufbrechen wird man sie sicherlich können.«

Thomas strich über sein frisch rasiertes Kinn und überlegte.

Nur ein Mann, eine Bank mit geringen Bareinlagen, die Schließfächer würden einige Zeit in Anspruch nehmen, um geöffnet zu werden.

»Denise, wir haben es mit ...«

»Ein Banküberfall mit Geiselnahme. So habe ich es gemeldet«, ergänzte sie seinen Satz.

Thomas kramte aus seiner Lederjacke eine neue Packung Zigaretten hervor.

»Neues Spiel?«, fragte Denise und meinte damit ihre übliche Wette zu Beginn einer Ermittlung. Dabei wettete Thomas, dass er bis zur Klärung des Falls mit einer Packung auskommen würde.

Er schüttelte den Kopf.

»Das wird kein Fall für uns. Wir warten, bis die Kollegen und der Verhandler kommen, mehr nicht.«

Aus der Ferne waren Sirenen zu hören, die sich schnell näherten. Nur Sekunden später sahen sie die Fahrzeuge, zwei Einsatzfahrzeuge und ein Zivilfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht. Die Wagen rasten auf sie zu, wechselten in die Nebenfahrbahn und bremsten neben ihnen ab.

Neben fünf Uniformierten stieg eine Person in Zivilkleidung aus, die Thomas augenblicklich als den zuständigen Polizeipsychologen für Geiselnahmen identifizierte.

Der stämmige Mann trug blaue, abgewetzte Jeans und einen schwarzen Kapuzenpullover. Ein Ausweis, der an einer Kette um seinen Hals hing, war das einzige Anzeichen, dass es sich um einen Polizeibeamten handelte. Er steuerte direkt auf Denise und Thomas zu.

»Guten Morgen, es scheint ein schöner Tag zu werden.«

»Schöner Tag?«, wunderte sich Denise.

»Ich habe gerade den Wetterbericht gehört«, antwortete der Mann, »Es soll ein sonniger, warmer Herbsttag werden.«

»Sie wissen schon, warum wir hier sind?«, fragte Thomas verwundert. Er erntete ein breites Grinsen.

»Ja, ein Delikt, das vom Aussterben bedroht ist. Letztes Jahr gab es in Wien genau fünf Banküberfälle. Fünf!

Davon war kein einziger erfolgreich. Beim letzten Bankraub hat der Täter nach nicht einmal zehn Minuten das Handtuch geschmissen und sich widerstandslos festnehmen lassen.«

Er blickte von Thomas zu Denise.

»Entschuldigung, ich vergaß«, sagte er und streckte seine Hand aus, »Werner Ritter, der Polizeipsychologe«, stellte er sich vor. Dabei entblößte sein freundliches Lächeln strahlend weiße Zähne, die durch seinen dunkelbraunen Vollbart leuchteten.

»Scheinbar gehen wir zum selben Friseur«, scherzte er, während er Thomas die Hand schüttelte, da beide Männer kurzgeschorene Haare hatten. Werner Ritter besaß noch dichtes Haar, auf Thomas‘ Kopf zeichneten sich schon deutliche Geheimratsecken ab. Thomas schätze ihn auf rund fünfzig Jahre.

Nachdem Thomas sich eine Zigarette angezündet hatte, gab er Werner eine Zusammenfassung ihrer bislang dürftigen Informationen.

»Interessant. Ein Einzeltäter und dazu diese Bank, das klingt nach zwei verschiedenen Szenarien. Entweder eine Kurzschlusshandlung, ohne zu wissen, dass er sich eine Bank ohne großes Geldvorkommen ausgesucht hat.

Oder, und das sollte uns mehr Sorgen machen, unser Mann hat einen Plan, um an ein oder mehrere Schließfächer zu gelangen. Dann wird er auf eine Geiselnahme und dementsprechend einen längeren Aufenthalt in der Bank vorbereitet sein. Alleine ist das aber eine Herausforderung.«

Hinter ihnen kam ein silberner Kleintransporter, ein Mercedes Sprinter mit den typischen blauen und roten Streifen der Polizei, zu stehen. Obwohl er keine Beschriftung trug, wussten Denise und Thomas, um welches Fahrzeug es sich handelte.

»Mein Büro ist eingetroffen«, bestätigte Werner ihre Vermutung und winkte dem Fahrer zu. Der Wagen beherbergte einen gut ausgestatteten Technikraum, der es ihnen unter anderem ermöglichen sollte, mit dem Geiselnehmer zu telefonieren und mittels Kollegen aus anderen Abteilungen auf Überwachungskameras und diverse Netzwerke zuzugreifen.

»Ich werde mehr wissen, wenn ich telefoniert habe. Ihr beide seid zufällig hier?«

Thomas nickte.

»Wir wollten nur kurz auf unsere Dienststelle, danach wäre es ein freier Tag gewesen«, sagte Denise.

»Ich verstehe. Dem freien Tag sollte nichts im Weg stehen, wenn ihr vorher noch kurz alles Bisherige schriftlich festhaltet. Ihr wisst ja, Bürokratie.«

Keine zehn Minuten später waren sowohl Denise und Thomas, als auch Werner fertig. Der kurze Bericht war in den Computer getippt und die Leitung zu einem der Telefone in der Bank eingerichtet.

»Wollt ihr noch bleiben und zuhören?«, fragte Werner.

»Ja, unbedingt«, schoss Denise hervor, »Ich will wenigstens wissen, was der Kerl da drinnen vorhat.«

Werner ließ sich ein Handy reichen, welches mit dem Computer verbunden war, und schaltete den Lautsprecher ein. Nachdem er die Nummer vom Bildschirm eingetippt hatte, setzte er sich und wartete. Nach dem fünften Klingeln wurde abgehoben.

»Hallo?«, meldete sich eine tiefe männliche Stimme.

»Guten Morgen. Mit wem spreche ich denn?«, fragte Werner mit freundlicher Stimme.

»Morgen. Ich nehme an, Sie sind der zuständige Polizist.« Die Stimme klang ruhig und gefasst.

»Nennen Sie mich einfach Werner. Ich bin ihr Ansprechpartner für diese... Situation.«

»Okay, Werner. Diese Situation ist wahrscheinlich nicht ganz so, wie Sie glauben.«

»Ich bin ganz Ohr. Aber zuerst verraten Sie mir bitte Ihren Namen.«

Erst nach einigen Sekunden antwortete der Mann.

»Franz.«

»Okay Franz. Hier haben sich schon einige Polizisten versammelt und alle sind leicht nervös. Ich hoffe, wir können das alles schnell klären, ohne, dass jemand zu Schaden kommt.«

»Sehr gerne. Ich nehme an, Sie wollen wissen, wie viele Personen gerade anwesend sind?«

»Das wäre ein guter Anfang.«

»Wir sind zu zehnt. Niemand ist verletzt, allen geht es gut. Das soll auch so bleiben.«

»Das ist eine gute Idee«, meinte Werner.

»Jetzt möchten Sie wissen, wie ich vorhabe, hier unbeschadet wieder rauszukommen.«

»Tja, diese Überlegung werden wir beide gemeinsam durchgehen und ...«

»Es ist ganz einfach. Ich habe nur eine Forderung, danach ist das alles vorbei«, erklärte Franz.

»Und die wäre?«

»Ich will, dass Gerald Foitner hergebracht wird.«

Gleichzeitig rissen Denise und Thomas die Augen auf und starrten mit offenem Mund auf den Lautsprecher, instinktiv Denise griff nach Thomas‘ Hand.

Werner bemerkte ihre Regung, blieb aber unbeirrt ruhig.

»Und dann?«

»Dann werde ich ihn töten«, antwortete Franz entschlossen.

Werner stutzte kurz, blickte zu Denise und Thomas, die immer noch fassungslos auf den Lautsprecher starrten, und schüttelte den Kopf.

»Also da haben wir ein Problem.«

»Da es in Österreich keine Todesstrafe gibt, muss es so sein«, unterbrach ihn Franz.

Werner überlegte für einige Sekunden.

»Der Name sagt mir nichts. Wer genau ...?«

»Er soll hergebracht werden, ich werde ihn erschießen und mich dann freiwillig stellen. Das ist meine einzige und unverhandelbare Forderung. Erkundigen Sie sich nach den Möglichkeiten, ich melde mich in einer Stunde wieder. Ich bitte Sie, nehmen Sie mich ernst. Ich habe nichts zu verlieren und möchte niemanden verletzen.«

»Franz, Ihnen ist klar, dass ich das nicht einfach so entscheiden kann.«

Die Leitung wurde getrennt.

»Interessant«, war Werners erste Reaktion auf die soeben geführte Unterhaltung. Er drehte sich im Stuhl zu den beiden Polizeibeamten um.

»Was ist mit euch beiden los?«

»Gerald Foitner...«, Denise stockte.

»Das kann doch nicht wahr sein«, sagte Thomas und schüttelte den Kopf.

»Eine Erklärung täte der Situation jetzt sehr gut«, meinte Werner und deutete beiden, fortzufahren.

»Gerald Foitner sitzt in der Justizanstalt Stein.

Lebenslänglich, mit geringen Chancen jemals wieder rauszukommen«, sagte Thomas, während er sein Kinn massierte.

»Wisst ihr mehr?«, fragte Werner nach.

»Ja«, bestätigte Denise, »Immerhin haben wir ihn festgenommen.«

Plötzlich dämmerte es dem Polizeiverhandler.

»Foitner, das Monster von Wien!«

10 Uhr

Thomas und Denise nickten.

»Ich erinnere mich.«

Werner erhob sich und wechselte zu einem anderen Computer.

»Ihr habt ihn erwischt und damit ein Kind gerettet. Er hat davor ... ich glaube, es waren vier Kinder, bestialisch gefoltert und ermordet. Das Makabre war seine Aussage ...«

»Genau das ist er«, unterbrach ihn Denise.

Werner benötigte nur einige Klicks, um die Fallakte zu öffnen.

»Muss ich das alles lesen oder bekomme ich eine Zusammenfassung von euch?«

Thomas nahm sich eine weitere Zigarette und trat ins Freie. Denise deutete Werner, ihnen zu folgen. An der frischen Luft nahm Thomas mehrere Züge, bevor er zu erzählen begann:

»Das Ganze ist nun fast zwei Jahre her. Denise und ich waren bereits ein Team. Schon das erste Opfer sorgte für Aufregung. Die siebenjährige Tochter des Innenministers wurde entführt. Es gab weder Forderungen noch verwertbare Hinweise. Noch am selben Tag wurde eine groß angelegte Suchaktion organisiert. Durch die Nähe zum Lainzer Tiergarten wurde ein Großangebot an Polizisten abgestellt, um die Parkanlage zu durchkämmen. Natürlich sind die Medien gleich darauf angesprungen. Schon am nächsten Tag war es die Titelstory, gleichzeitig machte der Innenminister enormen Druck, verständlicherweise.«

»Derselbe Innenminister, der auch jetzt das Amt innehat?«, warf Werner ein.

Thomas nickte.

»Denise und mir wurde die Leitung übertragen und alle Mittel zugesichert. Dennoch kamen wir nicht weiter.

Drei Tage später wurde die Leiche des Kindes in der hauseigenen Garage des Innenministers entdeckt, von ihm selbst. Details lasse ich aus, es reicht, wenn ich erwähne, dass sie brutal misshandelt und in der Garage aufgehängt wurde.«

»Ich erinnere mich, es gab eine heftige mediale Diskussion ...«, fiel Werner ein.

»Genau«, übernahm Denise, »Eine Tageszeitung war an den detaillierten Bericht gekommen und hat daraus zitiert. Noch schlimmer war der angebliche Fehler dieser Zeitung, im Internet ein Bild des Tatorts zu veröffentlichen, ohne die hängende Leiche zu verpixeln.

Das Bild war stundenlang online. Tags darauf beherrschten zwei Themen die Medien. Der Kindermord und die Berichterstattung der Zeitung.

Durch den Innenminister wurde es zu einer politischen Diskussion über Pressefreiheit und deren Grenzen.

Ich weiß noch, wir haben am Nachmittag die Diskussion im Parlament verfolgt, bis abends ein Anruf kam. Ein verschwundenes Kind, zehn Jahre. Dieses Mal waren die Eltern aus der sogenannten Mittelschicht, sie Sekretärin und er Taxifahrer. Es fehlte jegliche Übereinstimmung. Es war ein Bursch, ein anderer Bezirk, einfach keine Verbindungen. Wir haben vorerst beide Fälle gesondert untersucht, bis der Bub nach einem Tag in einem Wald gefunden wurde. Verunstaltet, geschändet, ...«

»Details sind im Moment nicht relevant, ich erinnere mich. Die gescholtene Tageszeitung hat beim zweiten Mord vom Monster von Wien geschrieben.«

»Ja und der Begriff wurde von allen übernommen. Aber sie haben den Mord gleichzeitig genutzt, um einen Rundumschlag zu veranstalten. Gegen die Polizei, die Ermittlungen und natürlich die Hetze gegen ihre Redakteure. Das Ganze beschäftigte den österreichischen Presserat, Selbstkontrollorgan der Medienbranche hierzu-lande. Nachdem es erneut zu Auszügen aus dem Protokoll kam ...«

»Einem Protokoll, welches als vertraulich eingestuft war«, unterbrach Thomas seine Kollegin.

»Genau. Danach wurde die Zeitung von höchster Ebene derart gerügt, dass sie die nächsten Tage nichts über den Fall berichteten. Es stand die Zwangsschließung im Raum, es gab Anzeigen, Journalisten wurden gefeuert, die Geschäftsführung ausgetauscht.

Aber zurück zum Fall. Wir waren uns sicher, es mit demselben Täter zu tun zu haben. Wieder gab es keine Beweise, keine verwertbaren Spuren. Eindeutig das Werk eines Profis, eines perversen, höchst gefährlichen Profis.«

»Dann kam auch noch die Sache mit dem Kinderarzt«, übernahm Thomas wieder, »Wir hatten keine Zusammen-hänge bei den Opfern, aber dann ergab es sich, dass beide Kinder schon einmal beim gleichen Arzt waren. Noch bevor wir gscheit handeln konnten, hat dieser Fetznschädl von Minister die Cobra geholt.«

»Er war psychisch mit der Situation überfordert«, warf Werner ein.

»Ja, er hätte sich dennoch nicht einmischen dürfen. Bei allem Verständnis, aber er hätte uns die Arbeit überlassen sollen.«

»Du bist kein Freund des Innenministers?«

»Nein, weder parteilich noch persönlich. Ich kann diesen Wappler einfach nicht leiden.«

Denise legte Thomas einen Arm um die Schulter, um ihn zu beruhigen.

»Wenn sich mein Kollege aufregt, vergisst er schon mal seine gute Kinderstube.«

»Der typische Wiener grantelt gerne und beherrscht ein umfassendes Repertoire an Schimpfwörtern«, meinte Werner, »Aber kein Problem, wir sind hier unter uns.«

Thomas überging Werners Kommentar und fuhr fort:

»Ohne sich mit uns abzusprechen, hat der Innenminister das Haus des Arztes gestürmt und auf den Kopf gestellt. Dabei wurden auf seinem Computer Pornos gefunden.«

»Kinder?«

»Auch. Das war ein gefundenes Fressen für den Innenminister, er selbst hat die Medien informiert und uns als unfähige Deppen dastehen lassen.«

»Wobei zu erwähnen wäre, dass besagter Arzt wasserdichte Alibis vorzuweisen hatte. Er war ein Zufallstreffer, aber nicht unser gesuchtes Monster«, ergänzte Denise.

»Das war aber einem oder mehreren Insassen in der U-Haft egal. Irgendwer hat den Mann in der Nacht erdrosselt, bis heute weiß man nicht, ob nicht ein Aufseher seine Hand mit im Spiel hatte.«

Denise deutete auf den Kühlschrank in der Ecke und wollte etwas sagen, doch Werner kam ihr zuvor.

»Cola, Energy Drinks und Mineralwasser. Nehmt euch was.«

»Danke. Innenminister Steinberger hat alles vorbereitet, um uns zu degradieren, inklusive Versetzung, da wurde die nächste Kinderleiche gefunden. Völlig pervers, ein elfjähriger Bub eines alleinstehenden Journalisten. In der Früh hat er ihn zur Schule gebracht, am Abend im Wohn-zimmer gefunden.«

Denise stockte, nahm einen großen Schluck Wasser und blickte ins Leere.

»So schlimm?«, fragte Werner vorsichtig und bekam ein bestätigendes Nicken von Thomas.

»Der Journalist war nicht in der Lage weiter zu arbeiten.

Und das, obwohl er für Gerichtsfälle im Bereich Gewalt und Drogendelikte zuständig war. Ich habe bei der Gerichtsverhandlung erfahren, dass er sich völlig zurück-gezogen hat.«

»Damit war klar, der Kinderarzt war nicht unser gesuchter Mann. Wir durften weitermachen, der Innenminister hat sich eine vorübergehende Auszeit genommen und endlich haben die Zeitungen mit uns gearbeitet anstatt gegen uns.«

Denise reichte den Männern ebenfalls eine Flasche.

»Wir wollten ihn unter Druck setzen«, sie schüttelte den Kopf, »Im Nachhinein, eine blöde Idee. Wir haben den Zeitungen erzählt, dass DNA-Spuren ausgewertet und Kamerabilder vorhanden wären. Die Antwort kam postwendend. Ein weiterer Mord, das Kind eines Polizisten. Als wollte er uns damit lächerlich machen, geschah es am helllichten Tag, schon am Abend wurde der getötete Bub gefunden.«

»Bei diesem Mord hat Foitner einen großen Fehler gemacht. Einen, der es uns sehr leicht machte, da das Haus mit Überwachungskameras ausgestattet war.«

»Eigentlich waren diese dafür gedacht, um seine Frau beim Fremdgehen zu erwischen.« Denise blickte zu Thomas, der bei der Erwähnung zu Boden blickte.

»Wir haben die Bänder gesehen«, fuhr sie fort, »und alles war darauf. Wie er sich als Postler Zutritt verschaffte, wie er den Bub folterte ...« Sie verstummte.

»Harter Tobak«, sagte Werner, der ihr ansah, wie die grauenhaften Bilder in ihrem Kopf herumschwirrten.

Denise nickte nur, Thomas übernahm wieder das Wort.

»Wir hatten ein deutliches Bild des Monsters und haben alle möglichen Kanäle abgesucht.«

»Nur die offiziellen?«

»Wenn ein Minister mithilft, braucht man diese Frage nicht stellen«, meinte Thomas.

»Das kommt aber bei einer Verhandlung nicht gut an.«

»Wir mussten nur herausfinden, wer dieser Typ ist, den Rest konnten wir dann auf offiziellem Weg erledigen.«

Denise hatte ihre Flasche geleert und ihre Stimme wieder erlangt.

»Er hat sich gut versteckt, Einzelgänger, im Internet nicht aufzufinden, keine Strafakte und ein Beruf als Leiter der Logistik bei einer Metallverarbeitungsfirma.

Völlig unscheinbar.«

»Zum Glück blieb es bei vier Opfern, der Zugriff geschah bei seinem letzten Versuch«, erinnerte sich Werner.