Fantasy am Limit - Lutz Lohnstein - E-Book

Fantasy am Limit E-Book

Lutz Lohnstein

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Beschreibung

Humorvolle Fantasy trifft auf absurde Alltagsabenteuer – willkommen in den "Wortspielwelten"! Was haben ein beleidigter Vulkan, ein schräger Geier mit Stricknadeln, Halunkenmuscheln mit Raubzugplänen und ein homöopathisch verdünnter Hai gemeinsam? Sie alle treiben ihr Unwesen in dieser Sammlung fantastischer Kurzgeschichten – voller Wortwitz, Magie und Überraschungen. Diese satirische Fantasy ist nichts für Genre-Puristen, aber genau das Richtige für alle, die über schräge Charaktere lachen, gern mal in skurrile Welten abtauchen und absurde Geschichten mit Tiefgang lieben. Lustige Kurzgeschichten mit Fantasie, Sprachspiel und Herz – ideal für Fans von Douglas Adams, Walter Moers und Terry Pratchett. Ein Muss für alle, die humorvolle Fantasy mögen – und eine große Portion Wortspiele vertragen können.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Lutz Lohnstein

Wortspielwelten

Fantasy am

Limit

Inhalt

Die Murmelinsel

Die Halunkenmuschel

Der Verdünnungshai

Der Sockengeier

Das Spagatfass

Die Hirtengarnele

Der Infernokonvoi

Die Gebüschgravitation

Der Aromablinker

Das Barbarenmoped

Das Nibelungenbonbon

Das Lamettajournal

Der Abflusspeiniger

Die Matratzenkufe

Der Gurgelturm

Das Infernozäpfchen

Die Murmelinsel

Hier werden nur die ruhigsten Kugeln geschoben.

Die Murmelinsel badet heute in der Sonne – doch das war nicht immer so.

Einst war sie nur ein schüchterner Hügel in den Tiefen des Ozeans, so abgelegen, dass sich dort nicht einmal Fuchs und Hase Gute Nacht hätten sagen können. Es sei denn, sie hätten Tauchen gelernt.

Hier, in dieser abgeschiedenen Wasserwelt, tauchte hin und wieder ein junger Wandervulkan auf und rauchte verlegen in der Gegend herum.

Irgendwann kamen die beiden ins Gespräch, und er gestand ihr kleinlaut, dass er eigentlich noch gar nicht rauchen durfte – zu jung und so.

Dann erzählte er von einer anderen Welt, hoch oben, wo es immer so geheimnisvoll glitzerte.

„Mein großer Bruder erzählt die aufregendsten Geschichten von seinem Job auf Island“, sagte er, halb stolz, halb neidisch. „Die Leute drehen vor Freude völlig durch, wenn er bei der Arbeit ist – sagt er zumindest.“

„Was ist eigentlich ein Island?“, fragte sie. Der kleine Vulkan zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung! Aber ich frage ihn mal.“

Dann lugte er vorsichtig zwischen zwei Felsen hindurch, ob das Wasser rein war, und schlich sich wieder davon. Seine Familie war nämlich extrem misstrauisch.

„Glitzerte es vielleicht auf Island?“, überlegte sie. Jeder Berg mochte Edelsteine. Hügel aber auch. Nur wussten das die Edelsteine nicht. Nun gut.

Aber wie kam man dorthin? Schwimmen? Mit einer endlos langen Leiter? Und was, wenn es dort oben enttäuschend war? Wie kam man dann zurück?

Diese Fragen bohrten sich tief in ihren Untergrund und hinterließen viele Löcher.

Es verging einige Zeit, bis der kleine Vulkan wieder vorbeikam. „Sieht ja echt wütend aus, der Kleine“, dachte sie, als er brodelnd um die Ecke kam.

„Ich bin heute zum zweiten Mal in Lavamatik und Vulkanologie durchgefallen!“, schnaufte er und stampfte so heftig auf, dass ihre Seesterne verrutschten. „Oh, das tut mir leid“, murmelte sie verlegen.

„Und von der bescheuerten Schule geflogen bin ich auch … verdammt!“, donnerte er weiter.

„Jeden Tag diese blöden Formeln! Innendruck, Außendruck, Wasserdruck, Dichtungsdruck – DRUCK, DRUCK, DRUCK, GLUUUUUUTDRUUUUUUCK!“

Er brüllte so laut, dass der Boden bebte und Blasen aufstiegen. Dann bekam er einen gewaltigen Glutausbruch und riss die zukünftige Murmelinsel aus der Erde.

Starr vor Schreck klammerte sie sich fest an ihn. „Ist der jetzt komplett irre?“, dachte sie. Doch bevor sie ihn anmotzen konnte, ging es auch schon donnernd, mit aufgerissenen Augen nach oben.

Immer schneller.

Sie wurde fast ohnmächtig. Es war wie der Ritt auf einer verrückten Rakete ohne Lenkrad. Alles vibrierte.

Überall sammelten sich Gasblasen in ihren Höhlen, während glutflüssige Lava durch ihre Gänge strömte.

Dann: Plötzlich Stille.

Dem kleinen Vulkan ging die Puste aus. Er erstarrte auf halbem Weg und kassierte einen gewaltigen Anschiss von seinem großen Bruder, der mit wackligen Beinen auf ihn herabsah.

Das war der Murmelinsel dann doch zu viel. Also ließ sie den kleinen Vulkan los. Durch das viele Gas in ihren Höhlen war sie aufgepumpt wie ein Luftballon. Kugelrund trieb sie nach oben. Nach kurzer Zeit war der Vulkan in der Dunkelheit verschwunden.

Langsam wurde es immer heller, und die glitzernde Oberfläche kam näher. Ungeduldig zappelte sie, doch es fehlte noch ein gutes Stück. Vor lauter Aufregung zitterte sie wie ein Pudding auf einem Trampolin.

Und schließlich – plopp!

Wie ein Sektkorken an Silvester schoss sie mit einem Ruck aus dem Wasser, schwebte einen Moment schwerelos, riss überrascht die Augen auf, blickte uns direkt an – erwischt! – und krachte, begleitet von einer gewaltigen Welle, zurück ins Meer.

Das Wasser spritzte fast bis an diese Buchseite hoch, sodass man von Glück reden konnte, keine triefend nasse Geschichte in den Händen zu halten.

Überraschung und Erleichterung durchströmten sie. Der ganze Stress fiel von ihr ab – wie der Deckel eines Salzstreuers, den ein Kind für einen kleinen Streich manipuliert hat.

„Werde ich ihn jemals wiedersehen?“, überlegte sie leise. Doch der beißende Schwefelgeruch in der Luft vertrieb ihre Gedanken. Dichter Rauch trieb wie Nebel über das Wasser und nahm ihr die Sicht.

„Egal. Erst mal kurz verschnaufen … und treiben lassen“, dachte sie und genoss die ersten Sonnenstrahlen ihres Lebens. Monatelang ließ sie sich durchs Meer treiben, bis sie schließlich eine flachere Gegend erreichte. Dort gelang es ihr, sich am Meeresboden festzuhalten.

Durch ihre vielen kleinen Kanäle strömte das Wasser in ihre Höhlen, und bald kamen die ersten Fische vorbei. Zum Glück war sie nicht kitzelig.

Den Vögeln erlaubte sie, in ihren Gängen Nester zu bauen. Mit der Zeit wurde ihr Garten immer bunter, denn jeder Vogel brachte etwas von seinen Reisen mit.

Dann, eines Tages, fegte ein Sturm über das Meer – kein gewöhnlicher, gedankenlos vorbeifegender Sturm. Nein! Es war ein Sturm, der sich von Wettervorhersagen nicht bevormunden ließ – einer, der erschien, weil irgendwo jemand oder etwas fand, dass es Zeit für Veränderungen sei.

Und während er so tobte, glaubte die Murmelinsel, nicht weit entfernt den Klang einer kleinen Glocke zu hören. Ein nervöses, hektisches Ding-ding-ding, wie von jemandem, der zwar nicht schwimmen kann, aber sehr wohl weiß, dass er es gleich sehr schnell lernen müsste.

Diejenigen unter euch, die zufällig die Glockensprache beherrschen, wüssten natürlich: Sie rief die Geschichte vom bevorstehenden Untergang ihres Schiffes in die Welt hinaus – wohl wissend, dass die Welt vermutlich keinen Notizblock zücken würde, um ihr schweres Schicksal zu notieren.

Dann verwandelte der tosende Wind das Geschehen über ihnen in ein langgezogenes, splitterndes Geräusch.

Und wie nach einem gelungenen Auftritt beim Theater verbeugte sich der Mast des Schiffes höflich vor dem weiterziehenden Sturm, bevor er sich in die Fluten stürzte.

In aller Ruhe sortierte das Meer Planken, Fässer, Krims, Krams, einige Schiffbrüchige und verteilte alles sorgfältig am Strand. Gold und alles andere von Wert behielt es für sich. Wie immer.

Als die Matrosen sich auf der Insel umsahen, staunten sie nicht schlecht über die bizarren Formen und Farben, die die Murmelinsel zu bieten hatte.

Es vergingen einige Wochen, bis sie sich ein Boot gebaut hatten, mit dem sie die Insel in Richtung Heimat wieder verlassen konnten.

Nach einer langen Durststrecke auf See fanden sie tatsächlich ihren Heimathafen wieder – und legten an. Kaum waren sie aus dem Boot geklettert, stürmten sie vor Freude direkt in die Schwankenden Planke. Das war die mieseste Kaschemme der Stadt. Sie wurde sogar von den Kakerlaken gemieden, denn All you can eat wurde dort schon oft falsch verstanden.

Drinnen, wo der Staub längst unter Denkmalschutz stand, setzten sie sich an den einzigen Tisch. Allen Anwesenden – also dem Wirt und dem Kellner – erzählten sie ihre Geschichte, während sie sich abwechselnd Rum und Bier hinter die Binde kippten.

An der Theke wischte Kullerick, der rundeste Kellner der Stadt, Gläser trocken und spitzte die Ohren. Als Kegelbahnbesitzer war er unrühmlich gescheitert. Die Bowlinggilde hatte ihn erwischt, als er die Kugeln mit Zielwasser manipulierte.

Jetzt suchte er dringend nach einem neuen Geschäftsfeld. Und als die Schiffbrüchigen lallend von einer geheimnisvollen, runden Insel mit spiegelglatten Gängen und unterirdischen Bahnen erzählten, traf ihn der Gedanke wie ein Blitz: Das war seine Chance! Er setzte sich entschlossen mit zwei Flaschen Rum an ihren Tisch und rief: „Männers, ich geb’ einen aus!“

So begann sein Murmelinsel-Infoabend.

Gegen drei Uhr sah die Kneipe aus, als hätte die Getränkekarte den Laden übernommen …

Am nächsten Morgen – oder was davon übrig war – wachte Kullerick unter einem Barhocker auf, der ihm die ganze Nacht über als Decke gedient hatte. In seinem Kopf dröhnte es wie im Proberaum einer Piratenkapelle.

Der Bierdeckel mit seiner Rechnung klebte an der Stirn, die leere Rumflasche an der Hand. Trotzdem musste er los. Ein paar alte Bekannte warteten bereits auf ihn. Sie wussten es nur noch nicht.

Da war sein alter Freund, der Dachdecker, der behauptete, schwindelfrei zu sein, aber bisher nur Schildkröten neu verkleidet hatte.

Dann sein Cousin: Er war ein Erfinder mit Patenten auf Karaokenhelme und lautlose Wecker.

Und schließlich der Taschenspieler, der allen einen dicken Gewinn an der unendlichen Schraube versprach – und den Kullerick einst auf der Wache kennengelernt hatte.

Er brauchte nicht lange, um sie zu überreden, denn leere Taschen hatten sie alle. Gemeinsam bestiegen sie ein klappriges Boot und machten sich auf den Weg.

Zwischen der Murmelinsel und Kullerick funkte es sofort – endlich jemand, der genauso rund war wie sie!

Während die anderen damit beschäftigt waren, einen Kokosnuss-Bumerang zu erfinden, kraxelte Kullerick umständlich auf einen Felsen in der Nähe und fragte:

„Sag mal, ist dir nicht langweilig, seit dein Kumpel, der Vulkan, weg ist?“

Die Murmelinsel seufzte leise.

„Schon ein bisschen. Seitdem ist es echt ruhig geworden, und meine Rutschen sind voller Sand. Ich meine … er hat so aufregende Sachen erzählt. Was hier oben alles los sein soll und so …“

Kullerick grinste – breit und verschwörerisch. „Dann pass mal auf … ich hab da eine Idee!“

Und so begann das vielleicht verrückteste Bauprojekt der Murmelgeschichte – so gewaltig, dass selbst die Murmeltier-Weltmeisterschaften dagegen verblassten.

Der amtierende Murmeltier-Champion verkaufte sofort seine Schaufel und verschwand weinend im Sonnenuntergang, als er davon erfuhr.

In wenigen Wochen entstand ein wahres Murmelparadies: glänzende Lava-Hotelzimmer, eine gläserne Kuppel über dem ersten Unterwasser-Kugeltheater und kilometerlange, spiegelglatte Lava-Rutschbahnen für die Kinder. Sie endeten alle am Strand, wo die Eltern den ganzen Vormittag in einer Bar herumlungerten und auf sie warteten.

Das absolute Highlight? Eine wahnwitzige Achterbahn. Die Fahrgäste saßen in riesigen Kokosnuss-Bumerangs – eine Spezialanfertigung von Kullericks Erfinder, der hier endlich sein erstes, funktionierendes Projekt vollendete. Ein großes Schild hing über ihrem Eingang. Es trug die Aufschrift Boomerama.

Sie war … echt krass. Ja! Kann man nicht anders sagen.

An manchen Stellen schossen die Fahrgäste auf ihren Bumerangs im hohen Bogen aus der Insel hinaus und wirbelten in präzisen Loopings über den Strand. Anschließend flogen sie mit Höchstgeschwindigkeit durch versteckte Höhleneingänge, begleitet von wilden Schreien, wieder hinein.

Manche von ihnen brauchten nach der Fahrt eine Umkleidekabine, manche sogar eine Dusche – zum Glück gab es im Sanitärbereich der Ankunftshalle genug davon.

Auf den Fotos vom Zieleinlauf konnte man sich oft in einer Mischung aus Panik, Schnappatmung und unfreiwilligem Flüssigkeitsverlust wiederfinden.

Doch Kullerick wollte mehr. Viel mehr.

„Weißt du, worüber ich schon eine Weile nachdenke? Eine so schöne Insel wie du – ganz ohne einen König? Das ist doch eine echte Verschwendung!

Wenn die Leute wüssten, dass … sagen wir mal: ich, König Kullerick der Runde, dieses Inselparadies zum Wohle ihrer Inseligkeit regiere … was hältst du davon?“, fragte er grinsend.

„Nun ja, einen König könnte ich mir gerade noch leisten“, lachte sie. „Aber wehe, du verlangst Steuern!“

„Abgemacht! Ich drucke die Plakate, und wir bauen eine große Statue auf dem Marktplatz.

Wenn alles klappt, brauchen wir keine Steuern. Aber jeder Gast muss mir eine Murmel mitbringen – für meine Sammlung. Oder das Museum!“, rief er und lachte. Es sprudelte nur so aus König Kullerick, dem Runden, heraus.

Auch des Königs Taschenspieler wurde immer einfallsreicher. Mit der Zeit verwandelte er die engen Höhlengänge in ein gigantisches Netz aus Murmelbahnen – mit Hunderten von Ein- und Ausgängen für das Murmelroulette im Kasino. Die glänzenden Kugeln rollten durch ein Labyrinth aus vereinzelt auftretendem Glück und dauerhafter Verzweiflung.

Und beim Lila-Lava-Lotto drehte sich alles um eine riesige, brodelnde Lavakugel, die tief aus dem Inneren der Insel geborgen worden war. Doch glühte sie einfach nur rot oder orange? Nein! Ihre Lava leuchtete lila!

Warum? Niemand wusste es genau.

Manche munkelten, der kleine Vulkan von damals stecke immer noch in der Murmelinsel und puste heimlich Rauch in die Gänge. Andere behaupteten, ein uralter Funkenfresser habe sich hier niedergelassen, um regelmäßig seinen feurigen Speichel in die Lava zu spucken.

Die Regeln des Lila-Lava-Lotto waren simpel – doch der Ausgang unvorhersehbar.

Jeder Spieler erhielt eine magische Lava-Kokosnuss und warf sie in die Öffnung der Lavakugel. Diese drehte sich einige Male, dann spuckte sie die Nuss wieder aus.

War das Gesicht des Spielers darauf zu sehen, hatte man gewonnen. War es sogar ein Farbbild, landete man automatisch in der Weihnachtsziehung.

Doch Vorsicht: Begann das Bild plötzlich zu fluchen, musste man die Insel sofort verlassen – es sei denn, es sang den Fluch. In diesem Fall gab es eine Woche Inselurlaub für umme – allerdings nur, wenn der König und sein Gesangslehrer den Refrain mitsingen konnten.

Dank ihrer günstigen Lage an den Abenteuerrouten vieler urheberrechtlich geschützter Berühmtheiten bekam die Murmelinsel regelmäßig prominenten Besuch. Es gab Jahre, in denen der gesamte Märchenbuch-Jetset hier Urlaub machte.

Wenn es ihnen in ihren eigenen Geschichten zu stressig wurde, genossen sie es, einfach in der Sonne zu liegen, den Wellen zu lauschen und dabei die legendären Kokosnusspralinen mit Rum zu naschen.

Natürlich erfuhren sie – dank der täglichen Vorträge des Königs – die unglaubliche Geschichte der Murmelinsel. Die Erzählungen waren so intensiv, dass die Zuhörer irgendwann begannen, die Worte des Königs wie Souvenirs in ihre Taschen zu packen, um sich schnell in ihre Hotelzimmer zu verabschieden.

Zum Glück waren ihre eigenen Geschichten bereits fertig geschrieben – nicht auszudenken, was sonst aus ihnen geworden wäre.

Kullerick, der Runde, besaß mittlerweile die größte Autogrammsammlung der Welt.

Jeder, der berühmt war – oder sich zumindest dafür hielt – musste erst einmal ein Foto mit dem König machen und es eigenhändig autogrammisieren.

Mit stolzgeschwellter Brust, die man wegen seiner Kugeligkeit leider nicht sehen konnte, klebte Kullerick jedes Bild höchstpersönlich in sein Album.

Eines Tages, viele Jahre später, tauchte eine geheimnisvoll rauchende Wolke am Horizont auf.

Sie kam immer näher, bis sich plötzlich ein alter Bekannter aus dem Nebel schälte. Der kleine Vulkan war zurück!

Er war zwar immer noch ein wenig verqualmt, aber inzwischen viel größer und selbstbewusster.

„Heeeey, Murmelinsel! Ich hab’s echt nach Island geschafft, aber es war stinklangweilig dort! Die anderen Vulkane dort sind viel zu beschäftigt mit ihrer Arbeit. Keiner hatte Lust auf ein bisschen Spaß!“, rief er ihr entgegen.

Die Murmelinsel freute sich über das Wiedersehen wie ein Museum, wenn ausnahmsweise mal keine Schulklassen zu Besuch sind.

„Hier! Schau mal, was ich dir mitgebracht habe! Es sind zwar keine Edelsteine, aber Eishöhlensplitter, die niemals schmelzen. Gibt’s auch nicht in jedem Laden – und sie glitzern noch schöner als Diamanten!“

„Wow! Danke!“, freute sie sich. Sie war allerdings auch dafür bekannt, alles zu mögen, was nicht explodierte.

Der König grinste, als hätte er einen Kleiderbügel im Mund. Der kleine Vulkan war da! Endlich konnte er ihn persönlich kennenlernen.

Er hatte schon viel von ihm gehört – und tief in sich trug er eine Idee. Eine, die er auf keinen Fall zu früh ausplaudern wollte.

„Also, äh, herzlich willkommen auf der Murmelinsel!“

Er klopfte dem Vulkan verlegen auf den staubigen Lavahügel. Dann plauderten sie über Island, die Reise und die glitzernden Eishöhlensplitter.

Doch der rußgeschwärzte Kullerick lenkte das Gespräch geschickt weiter. Er schlug die Richtung ein, die unaufhaltsam auf die nächste große Sensation zusteuern würde.

„Sag mal … was machst du eigentlich mit all dem Rauch?“, fragte der König schließlich scheinheilig in die Runde. Die beiden anderen sahen sich an und kamen ins Grübeln. Was konnte man bloß mit so viel überschüssigem Rauch anstellen? Der Vulkan grübelte so angestrengt, dass er unbewusst anfing zu rauchen. „Nicht schon wieder“, dachte die Murmelinsel leicht panisch und ließ mit einem hämischen Grinsen einen kleinen Geysir los. „Schon gut, schon gut, ich hab alles im Griff!“, prustete er.

Nach einigen Ideen und noch mehr Experimenten entstand schließlich eine neue Attraktion. Der mittlerweile nicht so kleine Vulkan hatte sich einige Tricks von seinen isländischen Vulkan-Kumpeln abgeschaut.

So kam es, dass er jeden Samstag einen gigantischen Rauch-Oktopus über dem Strand erscheinen ließ, der mit lauter Stimme zu einem Gewinnspiel mit körperlicher Betätigung aufrief.

Das Spiel war einfach: Man musste Kokosnüsse in Gewinnkörbe schießen, die an verschiedenen Stellen rund um das Spielfeld standen. Wer traf, gewann zum Beispiel Lavadrops, Vordrängel-Gutscheine, Kokosnüsse mit eingebauter Murmelbahn oder einen Ehrenplatz in der Kokosnuss-Achterbahn.

Doch der Rauch-Oktopus war ihnen oft einen Tentakel voraus. Sobald eine Kokosnuss durch die Luft flog, schnellte einer seiner Raucharme vor und schnappte sie sich im letzten Moment.

Mal warf er sie einfach zurück in den Sand, mal jonglierte er sie demonstrativ vor den erstaunten Spielern – und manchmal, wenn er besonders gut gelaunt war, stopfte er sich die Kokosnuss einfach in den Mund und kaute geräuschlos darauf herum. Dabei zog er seine Mundwinkel so weit nach oben, als würde er für Murmels Next Top Grinser trainieren.

Niemand wusste, wie das funktionierte, denn Rauch kann eigentlich nicht kauen. Doch der Oktopus tat es trotzdem.

Was denn? Wieso denn nicht? Ja, ihr habt ja recht. Es war nur ein billiger Trick.

Die Murmelinsel aber war überglücklich. Wer hätte gedacht, dass sie sich von einem unscheinbaren Hügel in den Tiefen des Meeres zu einem beliebten Urlaubsort für Glücksritter, gestrandete Händler und zwielichtige Abenteurer entwickeln würde – und sogar einen eigenen König bekam?

Für einige eher wohlerzogene Figuren aus der Märchenwelt hatte die Insel längst den Ruf eines geheimsvollen und gesetzlosen Paradieses.