Fehlende Finger - Ernst Hinterberger - E-Book

Fehlende Finger E-Book

Ernst Hinterberger

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Beschreibung

Trautmann erhält die Meldung, in einem Prater-Kirchlein sei ein Toter gefunden worden. Dieser war von Beruf Kunsthistoriker, und ihm wurde der Zeigefinger der rechten Hand abgetrennt. Später gibt es eine zweite Leiche - auch diesem Toten, Grafiker von Beruf, fehlt der gleiche Finger. Monate später ein drittes Mordopfer, das Kopien von Meisterwerken herstellte. Spielt die Wiener Kunstszene verrückt? Trotz emsiger Ermittlungen hat Trautmann nichts in der Hand. Bei seinen Zen-Meditationen gerät er in die Nähe der Lösung des Falls. Die Beweise liefert aber Kommissar Zufall, der als Göttin Nemesis Gewalt gegen Frauen streng bestraft.

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Seitenzahl: 249

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Glossar

FEHLENDE FINGER

Ein Fall für Trautmann

Ernst Hinterberger

Impressum:

eISBN: 978-3-902672-65-0

E-Book-Ausgabe: 2012

2009 echomedia buchverlag

A-1070 Wien, Schottenfeldgasse 24

Alle Rechte vorbehalten

Produktion: Ilse Helmreich, Helmut Schneider

Produktionsassistenz: Brigitte Lang

Gestaltung: Rosi Blecha

Layout: Elisabeth Waidhofer

Lektorat: Erich Demmer, Regina Moshammer

Herstellungsort: Wien

Besuchen Sie uns im Internet:

www.echomedia-buch.at

Handlung und Personal sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung mit der Wirklichkeit wäre rein zufällig.

Wiener Dialektausdrücke, Begriffe aus dem Polizeijargon, spezielle Redewendungen und Wörter sind im Text bei der ersten Erwähnung kursiv gesetzt und werden am Ende des Buches in einem Glossar erläutert.

Das Glossar wurde von Erich Demmer erstellt.

1

Das Jahr 2007 neigte sich dem Ende zu. Es war Anfang Dezember und früh am Morgen, als der Trinitarier-Pater Felix über die vor Nässe fast einem kleinen See gleichende Hafenzufahrtstraße, die sich neben der Donau vom Handelskai bis zur Freudenau hinzieht, mit seinem fast schon zu den Oldtimern gehörenden alten Fiat dahinfuhr, der wahrscheinlich nur mehr durch eine Fügung Gottes eine Sicherheitsvignette erhalten hatte.

Bisher war der Winter abgesehen von einigen kalten Novembertagen ziemlich mild gewesen – wie manche Meteorologen meinten infolge des Klimawandels – und es hatte bisher auch kaum geregnet. Aber jetzt regnete es seit Tagen und der Regen würde laut Bericht der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auch in den nächsten Tagen nicht aufhören, sondern eher heftiger werden; über England bauten sich immer wieder dichte Wolkenbänke auf und zogen heran, um sich im weiteren Verlauf auch über Österreich zu entladen.

Es wurden sogar orkanartige Sturmböen angekündigt, was besonders die Menschen in Niederösterreich, Wien und im Burgenland verunsicherte. Denn in diesen Bundesländern hatten im Herbst immer wieder Stürme Teile der Landwirtschaft und des Baumbestands vernichtet und großen Schaden angerichtet. Besonders arg hatte es die Weinbauern getroffen, von denen einige eine finanzielle Katastrophe befürchteten. Die Zerstörungen waren sehr hoch und bewegten sich nach Meinung der Geschädigten in Millionenhöhe. Die Leute aus diesen Bundesländern meinten schon, dass der anhaltende starke Regen eine ähnliche Wirkung wie ein Tsunami in manchen überseeischen Ländern habe und alles zu überschwemmen drohe. Es waren den Unwettern zwar glücklicherweise nur wenige Menschen zum Opfer gefallen, aber der finanzielle Schaden war groß und für manche sogar existenzvernichtend.

Pater Felix war ein vorsichtiger Mann. Er fuhr daher nicht einmal die erlaubten fünfzig Stundenkilometer, sondern kaum über vierzig, weil er wegen des vielen Wassers auf der Hafenzufahrtstraße bei höherer Geschwindigkeit Aquaplaning befürchtete. Er wurde daher immer wieder von schwachsinnigen Autorasern überholt oder angeblinkt.

Pater Felix bog in die zum Lusthaus im grünen Prater führende Aspernallee ab, fuhr diese etwa bis zur Hälfte entlang, parkte dann seinen Wagen und stieg aus. Er stülpte sich die Kapuze seiner Kutte über den Kopf und ging die wenigen Schritte bis zum mitten im Wald stehenden Kirchlein der Lieben Mutter in der grünen Au, um nachzusehen, ob dort alles in Ordnung war.

Dieses Kirchlein, in dessen unmittelbarer Nähe sich auch eine kleine Andachtsgrotte mit einer Muttergottes befindet, wird von den Wienern einfach nur Maria Grün genannt. Es geht in seinen Ursprüngen auf eine Behelfskirche der Ende des 19. Jahrhunderts in der Aspernallee befindlichen einklassigen Volksschule zurück. Kirchlein und Grotte werden von den Patres des im Jahr 1198 von Johannes von Matha und Felix von Valois ins Leben gerufenen Trinitarierordens betreut, die auch für die große Franz-von-Assisi-Kirche am Mexikoplatz zuständig sind und ihr Mutterhaus am Rande Wiens, im bereits zu Niederösterreich gehörenden Mödling, haben.

Sowohl Kirchlein wie Andachtsstätte sind Zeugen einer naiven und heute kitschig wirkenden Frömmigkeit früherer Zeiten, werden aber noch immer gerne besucht; und das Kirchlein ist trotz seiner Kleinheit eine der beliebtesten Trauungskirchen, weil viele Wiener auch im 21. Jahrhundert Kitsch und eine sentimental verklärte Historie lieben und eine „besondere“ Hochzeit feiern wollen. Das ändert aber nichts daran, dass bei uns immer mehr Ehen geschieden werden, weil eine „besondere“ Hochzeit und späteres Miteinanderleben zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Geschworen, wie etwa Treue bis zum Tod, wird bald etwas, aber gehalten nur selten. Das wusste keiner besser als Pater Felix und er fragte sich bei jeder von ihm im Angesicht Gottes vorgenommenen Trauung, wie lange diese Ehe der Wirklichkeit standhalten würde.

Nicht weit entfernt von Kirchlein und Andachtsstätte gibt es am Ende der Hauptallee das Lusthaus mit seinem Café-Restaurant, zwei Gasthäuser, das kleine Krebsenwasser und die weitläufige Anlage der Galopprennbahn Freudenau sowie einen Golfplatz. Bei schönem Wetter tummeln sich dort massenhaft Leute, aber an diesem Regentag begegnete Pater Felix nur der tropfnasse, schwachsinnige und ständig vor sich hin redende unterstandslose Gusti, ein harmloser Mann, der glaubte, von Gott zur Aufsicht über den Prater auserwählt worden zu sein.

Er grüßte Pater Felix mit einem „Gelobt sei Jesus Christus, Hochwürden. Und möge Gott uns armen Sündern, dem Pater und dem Prater helfen. Denn sein ist die Kraft und die Herrlichkeit.“

„In Ewigkeit Amen, lieber Gusti“, erwiderte Pater Felix. Ging weiter und traf, schon vor dem Kirchlein, einen älteren, schwer keuchenden Jogger, der mehr dahinhumpelte als lief und grüßend nickte.

Als der Pater die nur mit einem einfachen Schloss versehene Holztür des Kirchleins aufsperren wollte, merkte er, dass diese unversperrt war. Er war sich aber sicher, dass er sie bei seinem letzten Besuch gewissenhaft zweimal versperrt und sich außerdem durch Niederdrücken der Klinke und mehrmaliges Rütteln an der Tür davon überzeugt hatte, dass sie tatsächlich gut verschlossen war.

Er trat ein, tauchte einen Finger in das fast leere kleine Weihwasserbecken neben der Tür, machte ein paar Schritte in Richtung Altar, beugte das Knie, bekreuzigte sich und betete still ein „Vater unser“ und ein „Gegrüßet seist du, Maria“; nahm danach seine Brille ab und reinigte deren angeregnete und angelaufene Gläser. Als er die Brille wieder aufsetzte, sah er, dass in einer der vorderen Reihen ein Mann saß, der offensichtlich schlief, aber überhaupt nicht wie ein Unterstandsloser aussah, der hier Zuflucht gesucht hatte.

Der Mann saß vornübergebeugt, sein Kopf lag auf der Bankreihe vor ihm und seine Arme hingen schlaff herunter. Er war gut gekleidet, trug einen Mantel mit schmalem Pelzkragen und auf dem Kopf eine Pelzmütze, die allerdings so weit in die Stirn gerutscht war, dass sein fast kahler, nur mit einem grauen Flaum bedeckter Hinterkopf zu sehen war.

Pater Felix ging zu dem Mann hin, rüttelte ihn leicht an der Schulter und sagte: „Sie dürfen hier, bitte, nicht schlafen, lieber Herr. Das ist ein Gotteshaus und keine Schlafstätte.“

Der Mann reagierte nicht. Der Pater versuchte dessen Kopf zu heben, was ihm nur mit einiger Anstrengung gelang. Dann merkte er, dass der Mann nicht schlief, sondern anscheinend tot war. Er fühlte den Puls des Mannes, spürte nichts außer der Kälte der Haut und war sich sicher, dass diesen Mann das Leben verlassen hatte.

Pater Felix sprach die üblichen Gebete und erteilte dem Verstorbenen, um dessen unsterbliche Seele zu retten, a posteriori die Absolution; dann griff er nach seinem Handy, wählte die Nummer 133 und verständigte die Polizei. Danach rief er auch seinen Vorgesetzten im Mutterhaus des Ordens in Mödling an und berichtete ihm von dem Fund einer Leiche im Kirchlein.

Er bedauerte den Tod des unbekannten Mannes, war aber zugleich bekümmert, weil ja in Kürze Polizisten und Rettungsleute erscheinen und das Gotteshaus in profaner Weise bevölkern würden. Polizisten und Rettungsleute waren, gleichgültig ob gläubig oder Gottesleugner, Leute, die ihren Dienst machten und sich dabei kaum darum scherten, ob sie das auf der Straße, in einem Lokal, einer Wohnung oder in einem Gotteshaus taten. Denen war es wurscht, dass es hinter dem Altar einen Gekreuzigten gab, der sein Leben für alle Sünder dieser Welt hingegeben hatte.

2

Während Pater Felix den Toten entdeckte und die Polizei alarmierte, befassten sich im Kriminalkommissariat Zentrum Ost in der Leopoldsgasse die Angehörigen der Gewaltgruppe mit zwei jungen Leuten, deren vier Monate altes Mädchen namens Roswitha vor einigen Tagen angeblich an plötzlichem Kindstod verstorben war.

Dieser plötzlich und unvermutet eintretende Tod kommt selten, aber doch manchmal bei Säuglingen, vor allem zwischen dem zweiten und sechsten Monat, vor und kann verschiedene Ursachen haben.

Im vorliegenden Fall war jedoch von der Gerichtsmedizin eindeutig festgestellt worden, dass die kleine Roswitha keineswegs am Kindstod, sondern infolge eines Gehirntraumas, einer Rippenserienfraktur und eines Risses des linken Leberlappens verstorben war. Ihr Körper wies außerdem diverse Hämatome auf dem Rücken und den Armen sowie einen Bruch des rechtsseitigen Jochbeins auf.

Mithin war das Kind nicht an plötzlichem Kindstod, sondern an den Folgen massiver Misshandlungen verstorben. Seine Eltern waren wegen des Verdachts der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 Strafgesetz festgenommen und ins Kommissariat eingeliefert worden.

Abteilungsinspektor Trautmann und sein Chef, Oberst Sporrer, verhörten den dreiundzwanzigjährigen, beschäftigungslosen Vater Edwin Sommerbauer, während sich Bezirksinspektor Burschi Dolezal und seine viel jüngere Kollegin, Bezirksinspektorin Manuela Reisinger, die gleichfalls beschäftigungslose Mutter, Angela Führlinger, vornahmen.

Trautmann war Mitte fünfzig, stark übergewichtig und, weil Kettenraucher – von selbstgerollten Zigaretten –, schon ziemlich kurzatmig. Er lebte seit langem allein in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Kommissariats, die genauso vernachlässigt wie er selbst war, und bot, wie ihm anlässlich einer Ehrung sein Präsident gesagt hatte, nicht direkt das ideale Bild eines Kriminalbeamten – was Trautmann aber wurscht wie nur was war. Er hatte ja schon lange aufgegeben, auf seine Kleidung und sein Äußeres zu achten. War eben wie er war, und wem das nicht passte, der konnte ihn kreuzweise am Arsch lecken.

Wie Dolezal vor Tagen angemerkt hatte, gab es zwischen Trautmann und einer alten Bulldogge eine frappierende Ähnlichkeit. Der Unterschied zwischen beiden bestand, wie Dolezal sagte, nur darin, dass die Bulldogge ein nichtrauchender Hund war und Trautmann angeblich ein Mensch – der ununterbrochen rauchte.

Diese Bemerkung Dolezals ließ Trautmann aber ebenso kalt wie die Missbilligung des Polizeipräsidenten. Denn er wusste, dass Burschi Dolezal eine böse, vorlaute Goschen hatte und nicht ernst zu nehmen war. Und der Polizeipräsident hatte zwar goldene Kragenspiegel und jede Menge Gold an der Schirmkappe, aber auch nur ein Loch im Arsch und keine zwei.

Trautmann regte überhaupt kaum mehr was auf, weil er seit Jahren nicht nur praktizierender Zen-Buddhist war, sondern auch nach fünfunddreißig Dienstjahren alles gesehen und erlebt hatte, was Menschen einander antun können.

Als Buddhist war er überzeugt, dass es so was wie eine eigenständige Person nicht gab und dass alles, was auf dieser Welt zu sehen war, nur auf Sinnestäuschung und falschem Denken beruhte. Das ganze Leben war, wie ein Meister gesagt hatte, nur eine Abfolge von Träumen und Träumen von Träumen, die im Grunde nichts bedeuteten.

Aber diese buddhistische Weisheit vermochte er nicht immer hochzuhalten und seiner Meinung nach gehörte diesem Sommerbauer anstatt sanften Fragens eine Portion Kalt undWarm, dass dem die Haut rauchte. Deshalb war Trautmann kurz davor, dem plump leugnenden und sich herauszureden versuchenden Typen, einem polizeibekannten Trinker und Heroinsüchtigen, ein paar Watschen, und wegen des Gleichgewichts sowohl rechts wie links, herunterzuhauen, und er hätte das auch getan, wenn er mit dem Sommerbauer allein gewesen wäre; er ließ das aber im Beisein seines Obersts, der „brachiale Ermahnungen“ gegenüber Festgenommenen, besonders bei deren Verhör, ablehnte, lieber bleiben. Er hob aber die Stimme und starrte Sommerbauer mit seinem von der Galerie gefürchteten stumpfen Blick an, der nichts Gutes verhieß und auf den selbst die härtesten Steher reagierten und niederlegten.

Schließlich gab Sommerbauer zu, dass er die kleine Roswitha „hie und da ein bissl geschüttelt“ hatte, wenn sie nicht zu schreien aufgehört und dadurch jedes Fernsehen unmöglich gemacht hatte. Er gab auch zu, das Kind vor einigen Tagen wieder „vielleicht ein bissl stärker, aber eh nur ein bissl“ geschüttelt zu haben, damit es endlich zu schreien aufhörte, eine Ruhe gab und brav schlief, wie es sich für ein Baby gehörte, wenn dessen Eltern „ein bissl eine Ruhe haben wollten“. Dass „die Roswitha auf einmal irgendwie vielleicht tot war“, wollte Sommerbauer erst am nächsten Morgen bemerkt haben. Und außerdem wäre er mit dem Kind „sowieso eh gleich ins Spital der Barmherzigen Brüder gegangen“.

Woher die am Kind festgestellten Hämatome und anderen Verletzungen stammten, konnte er sich nicht erklären. Er räumte aber ein, dass die Kleine „vielleicht irgendwann wo heruntergefallen“ sein mochte. Aber bestimmt nur dann, wenn er nicht daheim und seine Lebensgefährtin mit dem Kind allein gewesen war. Denn „die haut sich gern einen Tropfen in die Venen“, trank oft mehr als für sie gut war und wusste dann nicht mehr, was sie tat.

Bezirksinspektor Burschi Dolezal, dessen Verhöre manchmal sehr lautstark und mit Drohungen angereichert waren, und seine Kollegin Reisinger, welche die Führlinger in einem anderen Raum befragten, kamen mit der alkoholisierten und zudem highen Achtzehnjährigen nicht weiter.

Die Frau war kaum vernehmungsfähig, reagierte auf Dolezals Drohungen und dessen Schreierei überhaupt nicht und auf Fragen der ruhigeren Reisinger kaum. Sie glotzte bloß vor sich hin, weinte hin und wieder Krokodilstränen, sagte aber nur, sie wisse nichts und könne sich nicht erklären, warum ihr „Herzbinkerl“ auf einmal tot gewesen sei. Von woher die Knochenbrüche, das Gehirntrauma und die Hämatome des Säuglings stammten, sei ihr „schleierhaft“. Sie habe zwar manchmal mit ihrem Lebensgefährten handgreifliche Auseinandersetzungen, würde aber doch „um alles in der Welt einem und schon gar nicht ihrem Baby nichts antun“.

Sie gab lediglich zu, dem Kind vielleicht ein oder zwei Mal, das aber liebevoll und keineswegs in der ihr vorgehaltenen Misshandlungsabsicht, „eine auf den Popsch“ gegeben zu haben; sie räumte aber ein, dass ihr Lebensgefährte, der „eine schwere Hand“ habe, die bei der Obduktion festgestellten Verletzungen, die zum Tod geführt hatten, herbeigeführt haben könnte, wenn sie nicht dabei gewesen war.

„Aber ich sag ausdrücklich könnte!“, wiederholte sie mehrmals. Und fügte jedes Mal hinzu, dass sie nicht glaube, dass dieser hundert Kilo schwere Mann – nicht einmal dann, wenn er „voll zu“, also betrunken, war – seine Hand gegen ein hilfloses Kind erheben würde, weil er im Grunde „die meiste Zeit“ ein seelenguter Mensch war.

Schließlich wurden die betreffenden Protokolle geschrieben.

Die Führlinger unterschrieb ihres, aber Sommerbauer weigerte sich, seines zu unterschreiben, weil, wie er sagte, „ihr Scheißbullen alles, was euch in den Kram passt und einen anständigen Menschen vor Gericht hineindrehen kann, auf ein Papierl schreiben tuts, auch wenn’s nicht wahr ist“. Was sie mit ihm aber nicht machen könnten, weil er erstens unschuldig sei und zweitens, wenn er die Kleine wirklich angegriffen habe, das im Vollrausch geschehen sei – was, wie er glaubte, nach dem Gesetz einen Schuldausschließungsgrund bedeutete.

Er verlangte nach einem „Typen von Amnesty“ und einem Rechtsanwalt, gab das dann aber auf, weil er plötzlich meinte, die von Amnesty seien lauter Arschlöcher und ein Anwalt wäre mit den Kriminalbeamten sowieso verhabert. Oder dieser wäre ein Trottel und würde, weil er als Fürsorgeempfänger keinen Anwalt bezahlen könne, ein von Amts wegen beigestellter sein, der ihm wahrscheinlich mehr schaden als nützen würde.

Sommerbauer und Führlinger wurden von zwei Uniformierten zunächst in eine Zelle gesperrt und dann von Justizbeamten abgeholt und in die Justizanstalt Josefstadt verbracht, um dem Untersuchungsrichter vorgeführt zu werden.

Für die Gewaltgruppe des Kommissariats Zentrum Ost war diese Geschichte damit so gut wie abgeschlossen.

Nachdem der Oberst in sein Zimmer gegangen war, schickte Trautmann Burschi Dolezal um eine Partie Pferdeleberkässemmeln zum nahen Karmelitermarkt und Manuela Reisinger bereitete alles für einen ordentlichen Kaffee vor. Dolezal kam zwar bald mit zwei Säcken Leberkässemmeln zurück, aber gerade als Trautmann in seine erste Semmel biss, läutete das Telefon und es kam die Meldung von dem Toten in der Kirche Maria Grün durch. Es waren, hieß es, bereits eine Streifenbesatzung und die Rettung vor Ort; deren Arzt war sich, wie er sagte, sicher, dass der Mann eines gewaltsamen Todes gestorben war. Er hatte auch festgestellt, dass dem Mann der Zeigefinger der rechten Hand, entweder mit einem Messer oder einer Zange, abgetrennt worden war, was aber mit der Todesursache nichts zu tun habe. Nach Annahme des Rettungsarztes musste der Mann, der bereits ausgeprägten Totenstarre nach, vor etwa acht bis zehn Stunden verstorben sein.

Jedenfalls war die Anwesenheit eines Mannes der Gewaltgruppe aus dem zuständigen Kriminalkommissariat umgehend erforderlich und auch der Polizeiarzt war bereits auf dem Weg zum Kirchlein.

Trautmann war wenig begeistert, weil es für ihn jetzt mit einem gemütlichen und, wie er dachte, wohlverdienten Frühstück vorbei war. Er schlüpfte also in seine längst schäbig gewordene Jacke, steckte – weil man nie wissen konnte, wofür es gut war – seine Pistole in den hinteren Hosenbund und nahm sich neben der angebissenen noch eine zweite Semmel für unterwegs mit.

„Schad für dich, Alter“, ätzte Dolezal, „dass du dir nicht auch einen Kaffee mitnehmen kannst. Aber als Uraltkiberer, der demnächst zum Chefinspektor befördert werden wird, brauchst eh keinen Kaffee, weilst sonst einen Herzkasperl kriegst und statt zum Polizeipräsidenten auf den Friedhof musst.“

Trautmann griff daraufhin nach Dolezals voller Schale, trank sie zur Hälfte aus, verbrannte sich dabei die Zunge und sagte: „Weißt was, Burschi, wennst magst, kannst mich, wenn ich wieder retour bin, ein bissl in den Arsch lecken, damitst zu deiner Semmel auch eine süße Nachspeis hast.“

Dann ging er aus dem Zimmer und auf die Straße, setzte sich in seinen Pkw, fuhr in Richtung Handelskai und steuerte das Kirchlein Maria Grün an.

Es regnete jetzt noch stärker und er musste die Scheibenwischer auf Schnellgang schalten, um wenigstens halbwegs durch die Windschutzscheibe sehen zu können.

3

Als Trautmann in der Kirche Maria Grün eintraf, erwarteten ihn der wieder einmal undeutlich sprechende, alkoholisierte Polizeiarzt Dr. Kammerer und die zwei uniformierten Streifenbeamten von der Polizeiinspektion Ausstellungsstraße sowie der sichtlich aufgeregte Pater Felix von den Trinitariern. Die Leute von der Rettung waren bereits weggefahren. Der Tote lag jetzt zwischen den Bankreihen, war aber von Kammerer noch nicht untersucht worden.

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