Fesselndes Geheimnis - Antje Ippensen - E-Book

Fesselndes Geheimnis E-Book

Antje Ippensen

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Beschreibung

Auf den Spuren ihres verschwundenen Vaters stößt die junge Christine auf den schillernden Club "La Belle Folie", der sinnliche Lustspiele veranstaltet. Sich sicher, dass die fremden und erregenden Spiele mit seinem Verschwinden zu tun haben, beschließt sie dem geheimen Doppelleben ihres Vaters auf den Grund zu gehen. Mit Hilfe des undurchsichtigen Vincent, der bereit ist, Christine alles über die Sinnlichkeit von Dominanz und Unterwerfung zu lehren, findet sie Aufnahme in den Club. Schon bald gerät sie in den Sog einer Lust, die ebenso fesselnd wie gefährlich ist. Aber kann sie Vincent wirklich trauen? Ein romantischer BDSM Thriller

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Antje Ippensen

Fesselndes Geheimnis

Die Autorin:

Antje Ippensen ist eine Mannheimer Autorin. Sie publiziert seit 1989 und ihre Texte wurden bereits vielfach prämiert (u.a. beim Kurd-Laßwitz-Preis und beim FDA Preis für phantastische Kurzgeschichten).

Neben dem Schreiben von phantastischen oder S/M-erotischen Kurzgeschichten (die z. B. im Charon Verlag in den Magazinen »Böse Geschichten« und »Schlagzeilen« erschienen) verwirklicht sie mit einer Freundin verschiedene künstlerische Projekte.

Antje Ippensen

FesselndesGeheimnis

ELYSION-BOOKS E-BOOK

Auflage: Juni 2011

ORIGINALAUSGABE

© 2010 BY ELYSION BOOKS GMBH, GELSENKIRCHEN

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

http://adorna.bplaced.net/

FOTO: © Fotolia/ Raven

LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN 978-3-942602-96-9

Inhalt

Vorgeschichte 1985

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Vergangenheit, 1984

Kapitel 10

Vergangenheit, 1985

Kapitel 11

Vergangenheit, 1986

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Epilog

Mein Dank

geht einmal an Jennifer, für stets geistreiche, großartige fachliche Unterstützung und zum anderen an Josiane, für umfassende emotionale Unterstützung.

Danke Josiane: du stärkst mir den Rücken, begleitest mich liebevoll, mit konstruktiver Kritik und mit Humor.

Vorgeschichte 1985

Die abgehackten Schreie waren ohrenbetäubend, gingen durch Mark und Bein und waren auch noch drei Räume weiter in einer Lautstärke zu hören, die in den Ohren schmerzte. Die Töne trugen die Qualen der nackten Frau, die sich auf dem altarähnlichen Tisch gegen ihre Fesseln aufbäumte, mit sich. Sekunden später verlor die Frau den Kampf gegen ihr eigenes Verlangen, versuchte sich noch einen Moment aufzulehnen; doch schon lief eine unkontrollierbare Zuckung, ein ungehemmter Orgasmus durch ihren Körper. Ihre gequälten Lustschreie verwandelten sich unter den kundigen Händen ihres dominanten Meisters in ein gutturales Stöhnen. Er hielt die hellfarbige Altarkerze hoch in die Luft und wartete, bis die Frau auch diesen Höhepunkt verkraftet hatte. Bis jetzt hatte er ihre zartesten Stellen verschont. Jetzt jedoch wanderte er gemessenen Schrittes an das Kopfende des Tisches, blickte in die weit aufgerissenen Augen seines willigen Opfers und lächelte.

Dieses Lächeln ließ sie erschauern und abermals wild mit den Fesseln kämpfen.

»Ruhig.« Es kam ganz leise, und er sagte es fast ohne die Lippen zu bewegen.

Sie gehorchte, aber ihr Körper bebte, ihre Brüste wogten heftig. Dann, mit einem zärtlich-grausamen Lächeln, neigte der Meister die Kerze waagerecht über den Oberkörper der Frau, goss das flüssige Wachs genau auf die Höfe und die Spitzen ihrer Brüste. Sie schrie bereits, noch bevor die heißen Tropfen ihre Haut berührten und sengenden Lustschmerz durch ihren Körper jagten … stöhnte dann durchdringender denn je.

Die Zuschauer, von der geschickt inszenierten Beleuchtung verborgen, seufzten hingerissen. Einigen schien es sichtlich schwer zu fallen, dem abendlichen Ritus entsprechend, am Rande des kreisförmigen, roten Saales stehenzubleiben und sich zurückzuhalten.

Der Meister gab nun seinen beiden »Gesellen« einen Wink, und sie banden die Beine der zitternden Frau los, aber nur, um sie ihr zu spreizen und zurückzubiegen, so dass ihre sauber rasierte, rosenfarbige Scham offen präsentiert wurde – als dann streichelte und peinigte der Meister ihre Schamlippen durch sanfte Peitschenschläge mit einer weichen, vielriemigen Wildlederpeitsche, bis sie keuchte. Dann nahm er wieder die Kerze, um sie nun über die gerötete Haut ihres empfindsamsten Körperteiles zu halten. Die Zuschauer atmeten tief ein, kollektiv.

Endlich gelang es E. – als Einzigem – seinen Blick von der verzückten Schönheit, die sich in immer neuer Pein wand und in immer intensivere Wonnen stürzte, abzuwenden. Trotzdem ließ auch ihn das Gesehene nicht kalt. Seine Libido klopfte in Synkopen durch seine Adern und das Verlangen ließ seine Knie weich werden, als er durch den Flur ging. Der Korridorboden war mit lapislazulifarbenen Teppichen belegt, in die schwache Goldmuster hineingewebt waren; Seidentapeten in gebrochenem Weiß schmückten die Wände, an denen in regelmäßigen Abständen schlanke Podeste standen. Darauf befanden sich – in Augenhöhe platziert – abwechselnd Bronze- und Steinfiguren, sämtlich in erotischen Posen.

E. blieb kurz vor einer Figur stehen, die Aphrodite und Ares zeigte, während des Liebesaktes aneinander gefesselt durch die Seile des eifersüchtigen Hephaistos. Er betrachtete das gefesselte Bronzepaar gedankenverloren. Unmittelbar neben diesem Podest verhüllte ein halb transparenter Vorhang eine geschlossene Tür.

Ein schriller Lustschrei drang wieder aus dem kreisrunden Zeremonienraum zu ihm, als er sich mit zitternden Händen versicherte, dass der Gegenstand noch immer in seiner Aktentasche war. Im Inneren der Tasche ertastete er außerdem eine Seidenbinde.

Er schob den Vorhang zur Seite, so dass die goldenen Vorhangringe leise klingelten und der Stoff raschelte. Dann erst öffnete er die Tür, die durch ihre verzierte Goldumrahmung und das künstlerische 3-D-Bild des Dahinters wie ein Bilderrahmen wirkte – und betrat eine neue Welt.

Der zurückgeschobene Vorhang bedeutete nun, dass die Menschen in der Räumlichkeit dahinter ungestört bleiben würden.

Hatten sich eben Lust und Verlangen in jedem Partikel der Luft befunden, so war die Atmosphäre dieses Raumes mit knisternder Erwartung gefüllt.

Das weitläufige, luxuriöse Zimmer war fast sparsam, aber mit umso wertvolleren Einzelstücken möbliert: Ein Glastisch auf geschwungenen Eisenfüßen, darauf eine schneeweiße Porzellanvase mit einer einzelnen Straußenfeder, ein korallroter Samtsessel, antik, kurzer dichter Teppichboden in der Farbe stumpfen Silbers. Diskrete Decken- und Wandlampen spendeten nur indirektes Licht, und ein schwacher Rosenduft drang in alle Winkel. Die Mitte des Raumes schmückte eine mächtige, mit allerlei kostbaren Schnitzereien versehene Holzsäule, die das Paar besonders liebte. Das Holz der Säule besaß eine Wärme, die beinahe lebendig wirkte. Hier hatten sie ihre ersten intensiven Spiele ausprobiert.

Die zierliche Frau mit den kastanienfarbenen Locken hatte ihn noch nicht bemerkt, und so nutzte E. die Chance, sie ausgiebig zu betrachten. Sie hatte den Raum durch den zweiten Eingang betreten und diesen ohne Zweifel sorgsam hinter sich verschlossen. Die zarte Schöne stand vor einer niedrigen Chaiselongue, ohne offenbar den Wunsch zu haben, sich zu setzen. Ihre fransig geschnittenen Haare umspielten ein herzförmiges Gesicht mit ebenmäßigen Zügen. Und nur die Aufregung ließ ihre ansonsten marmorfarbene Haut nun ein wenig zu bleich wirken, ihre Augen ein wenig zu groß. Das zarte Seidengewand, welches ihre schlanke Gestalt umspielte und ihre Kurven betonte, unterstrich diesen Kontrast zu ihrer Eleganz nur noch weiter. Die hochhackigen Pumps machten ihre Beine noch schöner und betonten ihre Weiblichkeit. Wirkte sie normalerweise selbstsicher und dominant, so war es nun ihre sanfte, zerbrechliche Seite, die hervorgehoben wurde. Diese Verwandlung erregte ihn beinahe so sehr wie die Vorfreude auf das Spiel an sich.

»Geht es dir gut?«, fragte er sie besorgt. Wie lange war es her, dass sie ihm gestattet hatte, ihre verletzliche Seite zu sehen? Die Seite, die außer ihm noch nie jemand hatte genießen dürfen?

»Ja«, flüsterte sie und ihre Stimme strafte sie Lügen. »Ich bin nur – aufgeregt.«

Er lächelte über ihre Wortwahl. »Aufgeregt« war ein herrlich schwammiger Begriff – und viel zu neutral. Fast so, als nenne man den Petersdom »nur eine Kirche«. Trotzdem nickte er, um ihr dabei zu helfen, ihre Spannung abzubauen. »Kein Wunder. Mir geht es ähnlich.«

Inzwischen hatte er soviel über seine Neuerrungenschaft gehört, dass er förmlich darauf brannte, den Gegenstand auszuprobieren. Über die Jahre, seitdem E. zum ersten Mal Wind davon bekommen hatte, waren Erzählungen zu Legenden, Geschichten zu Mythen geworden. Irgendwie hatten sich Aberglaube und Vorurteile in seiner Szene verbreitet, mehr und mehr verdichtet und selbst seine Fantasie angefacht. Und offenbar waren auch die Vorstellungen seiner hübschen Gefährtin davon nicht unbeeinflusst geblieben.

Mit einem beruhigenden Lächeln führte er sie zu der wundervollen Holzsäule und lehnte sie mit dem Rücken dagegen.

Ein leiser Bronzegong erklang aus dem Saal. Er war das offizielle Zeichen. Endlich durften alle – auch die im kreisrunden Raum Versammelten, mit dem Energiekreis und mit der anschließenden, schmerzlustigen Feier beginnen.

»Bist du bereit?«, murmelte er.

Sie nickte, zu nervös um zu sprechen.

»Ich habe dich auserwählt und du mich. Gemeinsam erschaffen wir den Zauber dieser ganz besonderen Nacht …«

Er strich kurz mit einer schwarzen Seidenbinde über ihre Wangen, und sie keuchte auf: »Aber … du wirst ES mich sehen lassen, oder? Du wirst mir doch nicht die Augen verbinden …?«

Seine Stimme nahm eine strenge Färbung an, die sie erschauern ließ.

»Ich werde dir die Augenbinde anlegen, Liebling. Nachdem du einen kurzen Blick riskieren durftest«, fügte er, nun in einem neckenden Tonfall, hinzu.

Die miteinander verbundenen Glieder des Gegenstandes klirrten; ein sphärisches Geräusch, das der Frau abermals einen wohligen Schauer über das Rückgrat jagte. Er gönnte ihr den Anblick wirklich nur ganz kurz. Sie schaute. Sie staunte. Funkelnde, glitzernde Farben, die ihresgleichen suchten, die mehr als erlesen waren. Einmal glaubte sie einen grünen Edelstein zu sehen, dann wieder einen roten, sehr auffällig nebst anderen kleineren, die zwischen schmalen Goldreifen weiß blitzten wie winzige Sterne. Im nächsten Moment sah sie gar nichts mehr, denn ihr Partner schnürte ihr seidene Nacht um den Blick.

Ihr enttäuschtes Seufzen verwandelte sich umgehend in ein wollüstiges Stöhnen, als er sie in Ketten legte. Sie spürte die schmalen Goldreifen sich fest um ihre Handgelenke schließen, und dann den Halsreif, fühlte sich intensiv gefangen genommen und ausgeliefert, und beide genossen diese Handlung, er als Zufügender, sie als Erduldende, in vollen Zügen … IHRE Spannung verstärkte sich mehr und mehr, wurde quälend, sie wandte sich nahezu ohne sein Zutun, schien beinahe vor Verlangen zu vergehen – während ER ihre Reaktionen mit größter Lust beobachtete. Und dann entfernte er sich von der heftig atmenden Frau, deren Locken ihr zum Teil bereits jetzt schweißnass an den Wangen und der Stirn klebten. Er ging zu dem roten Sessel und ließ sich mit mühsam gebändigten Bewegungen in ihm nieder. Nahm die Straußenfeder aus der Vase. Seine Gespielin rief mit bebender Stimme seinen Namen.

»Ruhig«, sagte er nach einem Moment. »Oder ich gebe dir einen Knebel, damit du still bist.«

Sie keuchte. Seitdem er ihr den Gegenstand, der so sehr von Mythen umrankt war, angelegt hatte, reagierte sie in phantastischer, nie dagewesener Weise auf ihn.

Katzenhaft leise erhob er sich und kam wieder auf die Frau zu, die in goldenen Ketten an der Säule stand. Ein Griff, und ihr Seidengewand glitt raschelnd an ihrem wunderbar geformten Körper herab und bauschte sich um ihre Füße. E. näherte sich mit der Feder ihrer Haut …

Nach wenigen Sekunden seufzte sie seinen Namen. Innig, lustvoll, wie entrückt.

Kapitel 1

Der hochgewachsene, aschblonde Mann mit dem durchdringenden Blick lehnte am dunkelbraunen Tresen der Hotelbar. Gewohnheitsmäßig sah er sich immer wieder nach allen Seiten um, blickte über seine Schulter, einmal links, einmal rechts. Kellner glitten fast lautlos vorüber; die dicken Teppiche schluckten nahezu jedes Laufgeräusch. Unwillkürlich neigte man hier dazu, sich nur mit gedämpfter Stimme zu unterhalten oder besserdirekt zu schweigen. Manchmal fühlte sich der blonde Mann hier fast wie in einem befremdlichen Traum. Gleichzeitig war dieses Hotel wie eine Art Höhle, in der er sich seltsam geschützt fühlte. Eine Aura gespenstischer Gemütlichkeit nistete hier in sämtlichen Winkeln, schwebte über den Tischen und unter den von goldfarbigen Fransen strotzenden Lampenschirmen.

Er wartete auf einen Telefonanruf. In Zeiten von SMS, Emails und Co., in einer Welt, in der man twitterte, bloggte, chattete und mit Emoticons gespickte Kurznachrichten austauschte, hatte es schon Seltenheitswert, einen ganz normalen, altmodischen Anruf über Festnetztelefon zu bekommen. Noch dazu handelte es sich hier im Hotel um uralte, klobige Apparate. Sie waren schwarz-gold, hatten sogar noch eine altmodische Gabel, eine Wählscheibe und einen Hörer mit Schnur. Wie aus einem Film – oder als sei die Zeit in den späten Siebzigern stehen geblieben.

Bizarr und witzig, aber irgendwie gefiel es Mark. Es hatte einen gewissen Charme. Bevor er in diesem Hotel angekommen war, hatte er gar nicht gewusst, dass es solche Telefone in der westlichen Welt überhaupt noch gab und dass sie wirklich und wahrhaftig in einem normalen Hotel in Betrieb waren.

War dieses hier auch wirklich in Betrieb? Leicht beunruhigt runzelte er die Stirn. Er machte eine fahrige Bewegung, als wolle er den Hörer abnehmen und hineinlauschen, um sich zu vergewissern, dass das Freizeichen erklang – tat es dann aber doch nicht.

Stattdessen umkrampfte seine Hand wieder das Glas mit Bitter Lemon, das vor ihm auf einem Bierdeckel stand. Er musterte mit mäßigem Interesse die Flaschenbatterien in den Wandregalen hinter der Bar, registrierte Staub auf einigen Flaschenhälsen; schließlich sah er wieder in den Raum hinein, auf einen Ellbogen aufgestützt. Er beobachtete eine dickliche Frau mit riesigem Hut, der eine rosa Flamingofeder trug, und deren schlaksigen, fast erwachsenen Sohn, der hinter ihr mürrisch von einem Fuß auf den anderen trat. Sie war im Gespräch mit dem stellvertretenden Empfangschef, einem Südfranzosen mit Halbglatze und scharfen braunen Augen. Sein wehleidiges weiches Wispern wehte zu Mark herüber. Auch seine mollige Gesprächspartnerin flüsterte, aber bei ihr klang es scharf und abgehackt.

Dann starrte Mark wieder auf das Telefon, als wollte er es hypnotisieren. Dieses verfluchte Warten … Jetzt prüfte er doch – heimlich, rasch und hastig – die Funktionsbereitschaft des Telefons: es gab nichts daran auszusetzen. Gleichmäßig, behäbig, ihn fast verhöhnend, tutete das Freizeichen aus dem altmodischen Hörer. Er legte wieder auf.

Trotzdem zuckte er wie elektrisiert zusammen, als der Apparat endlich schrill zu klingeln begann. Eine kribbelnde Vorahnung lief wie eine Gänsehaut über seinen Körper.

Er nahm ab, meldete sich mit seinem Namen und lauschte dann aufmerksam. Nur zu Anfang stellte er noch die eine oder andere Frage. Seine Augen wurden groß; seine etwas düsteren Züge hellten sich auf, als seine Vermutung bestätigt wurde. Der Zusammenhang zwischen dem verschwundenen Gegenstand und einer ganz bestimmten Person! Er hatte es doch geahnt …

Während er telefonierte, huschten Marks Blicke argwöhnisch umher. Zwar hatte er genau diesen Ort für sein Telefonat, weil er sich in seinem Zimmer nicht ganz sicher fühlte. Wenn dort Wanzen installiert waren oder sonstige Überwachungsanlagen, dann hatte er schlechte Karten, und so etwas wollte er prinzipiell ausschließen.

Und doch fühlte er sich auf einmal auch hier belauscht.

Er stutzte, als er eine rundliche, schwarz gekleidete Frau wahrnahm, Ende 40 vielleicht, Brillenträgerin, dunkelrot geschminkte Lippen, blondes Haar, kinnlang, das ihr teilweise in die Stirn fiel. Sie schob sich an das andere, in schummriges Dämmerlicht getauchte Ende des Tresens heran. Hatte er sie nicht schon einmal gesehen, und war sie ihm da nicht auch bereits verdächtig vorgekommen? Er blickte sie länger an, kam aber endlich zu dem Schluss, sich geirrt zu haben. Dennoch glich das wohltuende Gefühl, in diesem Teil des Hotels eine Schutzhöhle gefunden zu haben, jetzt auf einmal nur noch einem fadenscheinigen Mantel.

Außer dem Barmann gab es auch noch ein dralles Mädchen, die zweite Thekenbedienung, die sich die Theke säubernd nahe an Marks Platz heranarbeitete; dabei kam sie seinem Bitter Lemon Glas bedrohlich nah. Schnell hob er es wieder an die Lippen, trank aber nicht. Stattdessen sprach er ein paar Abschiedsfloskeln in den schweren schwarzen Telefonhörer.

Was für eine erstaunliche, ja verblüffende Information – das war phantastisch! Und bedeutete höchstwahrscheinlich den Durchbruch. Seine Auftraggeberin wartete schon ungeduldig und sehnsüchtig darauf. Er musste sich sofort mit ihr in Verbindung setzten! In Verbindung setzen, das hieß für Mark in der Regel: per Brief oder persönlich. Face-to-Face-Treffen fand er am besten. Und in diesem Falle war es sogar die einzig richtige Möglichkeit. Schockierende Nachrichten konnten zwar dafür sorgen, dass der Überbringer Schelte bezog, aber immerhin war er da, um zu erklären, zu trösten oder Ratschläge zu geben.

Mark Weiß atmete tief ein und sofort verflogen die paranoiden Gedanken und nachvollziehbare Gutmensch-Gedanken. Er hatte Recht gehabt! Seine Intuition hatte ihn nicht getäuscht.

Er gab der Thekenbedienung ein sattes Trinkgeld und verließ unter ihrem neidischen und zugleich stumpfsinnigen Blick pfeifend und mit dem guten Gefühl, wieder einmal richtig gelegen zu haben, das Hotel. Inzwischen hatte sich der Himmel schon leicht verfärbt und die Schwere des abendlichen Blaues kristallisierte die Farben der Umgebung deutlicher heraus. Mark liebte diese kurzen Momente, wenn der Tag in die Nacht überging. Besonders, wenn die Luft vom Meer wehte, leicht salzig und ein wenig nach Fisch roch und Assoziationen von Ferien und Ewigkeit mit sich trug.

Auf dem Weg zur nächsten Tram-Haltestelle hatte er den vagen Eindruck, verfolgt zu werden. Schon wieder.

Doch so sehr er sich anstrengte, er konnte den oder die Verfolger nicht wahrnehmen. Niemand war da, nur dieses dumpfe, bohrende Gefühl, dass man ihn beschattete. Schon mehrmals hatte er an diesem Tag das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Kein gutes Gefühl. Eher, als schliche sich eine unbekannte Bedrohung an ihn heran, ohne dass er sie lokalisieren konnte.

Es fuhren nicht sehr viele Autos. Der spätnachmittägliche Berufsverkehr war bereits verebbt; stattdessen bemerkte Mark einige Urlauber, die auf den Bürgersteigen flanierten, wenn auch nicht allzu viele … Presslufthämmer dröhnten fast an jeder Ecke in seinen Ohren, die Stadt machte sich fein für den kommenden Ansturm der Feriengäste – jetzt waren nur ein paar da, die ersten Vorboten sozusagen – und daher gab es einige Baustellen, an denen selbst in den Abendstunden geschuftet wurde.

Ein Straßenmusikant kämpfte mit seinem kleinen Akkordeon gegen den Baustellenlärm an. Für einen Moment verspürte Mark eine Regung von Mitgefühl und er hätte dem Mann beinahe eine Münze in den schäbigen, ausgebeulten Hut geworfen.

Lässig wechselte er die Straßenseiten, das tat er mehrmals, ohne selbst zu bemerken, dass er dabei allmählich hektischer vorging; er begann zu hetzen und betrat einen piekfeinen Delikatessen-Supermarkt. Hier kaufte er so gut wie nie etwas; alles war viel zu teuer hier. Befremdet betrachtete er Kaviar und Gänseleberpastete in Dosen und musterte in Honig eingelegte Chicoreeplätzchen in Gläsern. Der Laden hatte mehrere Spiegel mit von Straßsteinen glitzernden Rahmen. Sehr schön. Das gab ihm ausreichend Gelegenheit, die Leute verstohlen zu mustern. War ein Verfolger dabei? Wieso stand nah am Ausgang ein Mann mit großer dunkler Sonnenbrille, ohne Tasche, ohne etwas zu kaufen?

Verdächtig. Mark spürte, wie ihm Schweißperlen auf die Stirn traten. Dabei war es angenehm hier drin, sehr schön temperiert, die Klimaanlage war weder zu hoch noch zu niedrig eingestellt.

Ah. Der Mann mit der Sonnenbrille hatte auf seine Freundin gewartet. Er küsste sie, nahm ihr die Einkaufstüte ab und ging Arm in Arm mit ihr davon.

Mark durchstreifte mehrmals alle Gänge. Nichts. Niemand verfolgte ihn. Aber war das auch absolut sicher? Besser, er machte noch einmal Station in einem größeren Geschäft.

Er betrat ein mehrstöckiges Modekaufhaus und fuhr Rolltreppen hoch und runter, immer wieder. Und noch einmal. Diesmal fuhr er eine Etage hoch, ging um die Ecke und fuhr ohne Verzug wieder hinab. Er nahm eine Rolltreppe, ging im 2. Stock in Richtung Treppenhaus und lief rasch eine Treppe hinunter. DA! Über ihm ging die Tür. Er wartete. Doch offenbar folgte ihm niemand … die Schritte der Person, die hinter ihm die Tür zum Treppenhaus geöffnet hatte, entfernten sich. Sie oder er ging also nach oben, nicht nach unten. Er fuhr noch einmal bis ganz nach oben. Dann wieder runter.

Nein. Es gab keine Hinweise auf Verfolger. Um vollends sicher zu gehen, ließ er sich endlich in einem belebten Café nieder. Die Gäste streifte er mit scheinbar beiläufigen Blicken: eine dunkelhaarige junge Frau mit ihrem sehr viel älteren Liebhaber im trauten Tête-à-tête, eine Frau, die ihm den Rücken zuwandte und deren schönes rotblondes Haar in Wellen über ihre Schultern floss, ein dicker alter Herr, der selbstvergessen seinen Zahnstocher benutzte, ein schwules Pärchen in einer heftigen Diskussion. Alles unverdächtig.

Mark bewunderte flüchtig die herrliche, ungewöhnliche Haarfarbe der jungen Frau – er sah mehrmals hin und bemerkte, wie ihre Hände ihren dichten Schopf fassten und ihn zu einem Pferdeschwanz zurechtmachten. Die beiden Homosexuellen stritten immer heftiger. Genervt lutschte der korpulente Alte an seinem Zahnstocher.

Nach seiner Bestellung, die er sofort bezahlte, ging Mark auf die Toilette. Dabei bog er in die andere Richtung und wählte den Hinterausgang, der ihn erst in eine Sackgasse, dann über eine leicht zu überkletternde Mauer in eine weitere Gasse führte.

Überzeugt davon, seine Verfolger losgeworden zu sein, nahm er die nächste Tram Richtung Bredene. Ja, alles war in Ordnung. Noch vor kurzem hätte er schwören können, dass jemand von seinem Ziel Wind bekommen hatte, doch nun glaubte er daran, das Opfer seiner eigenen übergroßen Vorsicht geworden zu sein.

Er freute sich schon auf das Treffen mit seiner Auftraggeberin.

Kapitel 2

Ich tat so, als sei ich in Urlaub. Etwas, was mir im idyllischen Bredene nicht unbedingt schwerfiel. Sehnsüchtig kreischten die Möwen über mir, segelten gelassen durch das zarte Blau des Himmels und trugen meine Träume auf ihren Flügelspitzen zur weiten Nordsee hin. Ich kniff meine Augen zu Schlitzen zusammen, um trotz der Sonneneinstrahlung den eleganten Vögeln nachsehen zu können. Der warme Sand des Strandes bot meinem Körper eine bequeme Liegefläche, und der Wind strich über mich, weder kühl noch heiß – eine ungewöhnlich sanfte Meeresbrise. Sie schien mir Zärtlichkeiten ins Ohr zu flüstern, ruhte niemals, stets und ständig erhob sie ihre wispernde Stimme. Bei Sturm konnte sie zu einem tosenden Gebrüll anschwellen, nicht selten zischte sie scharf, als würde die Atmosphäre selbst staunende Laute ausstoßen, oder sie heulte verträumt wie ein lebendiges Wesen, das Salz mit sich trug und feuchten Glanz auf das Dünengras zauberte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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