Fettnäpfchenführer Schweden - Cornelia Lohs - E-Book

Fettnäpfchenführer Schweden E-Book

Cornelia Lohs

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Beschreibung

Als Kinder lesen wir »Pippi Langstrumpf«, als Jugendliche schmettern wir »Dancing Queen«, als Erwachsene bauen wir die Regale einer blau-gelben Möbelhauskette zusammen – wir lieben Schweden. Auch Katharina freut sich auf ihr Forschungssemester in Stockholm. Aber schneller als gedacht spürt sie die ersten Fettnäpfchen auf. Zum Glück findet sie bald Freundinnen, die ihr mit Tipps und Hintergrundwissen helfen, sich richtig angekommen zu fühlen.

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Seitenzahl: 227

Veröffentlichungsjahr: 2025

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FETT NÄPFCHEN FÜHRERSCHWEDEN

CORNELIA LOHS

DER UNTERHALTSAME REISEKNIGGE

Impressum

© 2025 Bruckmann Verlag

Infanteriestraße 11a

80797 München

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7343-3253-1

eISBN: 978-3-7343-3343-9

Autorin: Cornelia Lohs

Produktmanagement: Susanne Kaufmann

Lektorat und Korrektorat: Charlotte von Schelling

Umschlaggestaltung: derUHLIG Büro für Gestaltung unter Verwendung von Motiven Adobe Stock/WDnet Studio (Knäckebrot), Bruckmann Verlag (Abba)

Satz: Röser MEDIA, Karlsruhe

Druck und Verarbeitung: Printed in Poland by CGS Printing

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Alle Angaben dieses Werkes wurden von der Autorin sorgfältig recherchiert und auf den neuesten Stand gebracht sowie vom Verlag geprüft. Für die Richtigkeit der Angaben kann jedoch keine Haftung erfolgen. Sollte dieses Werk Links auf Webseiten Dritter enthalten, so machen wir uns diese Inhalte nicht zu eigen und übernehmen für die Inhalte keine Haftung.

INHALT

DIE PROTAGONISTEN

1KATHARINA BETRITT NEULAND

Ihre Ansichten über Schweden sind beschränkt

2KATHARINA LANDET AUF DER FALSCHEN TOILETTE

Vom Siegeszug der Unisex-Klos – und dem Wörtchen hen

3KATHARINA KOMMT AN – IRRT ABER ÜBER SKANDINAVIEN

Warum Dänen und Schweden nicht zu verwechseln sind

4KATHARINA BLEIBT AUF IHREN KRONEN SITZEN

Willkommen in der bargeldlosen Gesellschaft!

5KATHARINA WILL ZU ABEND ESSEN

Komisch, dass sie überall nur middag bekommt

6KATHARINA MÖCHTE EINE FLASCHE STILLES WASSER

Leitungswasser hat sie aber nicht bestellt

7KATHARINA SCHNEIDET EINEN KUCHEN AN

Meins, deins: Bei der Torte hört die Gleichheit auf

8KATHARINA TRÄGT ZU HEFTIG AUF

»Jantelagen!« Schweden ist kein Land für Angeber

9KATHARINA, VILL DU FIKA?

Von »falschen Freunden« und den Freuden schwedischer Kaffeekultur

10KATHARINA TRITT ANS BUFFET

Vom smörkniv und der Kunst, ein Butterbrot zu streichen

11KATHARINA BETREIBT SMALLTALK

Wer zu viel redet (vor allem über Schweden-Krimis), bleibt allein

12KATHARINA SUCHT NACH EINER FLASCHE WEIN

Doch vin & sprit gibt’s nicht im Supermarkt

13KATHARINA DRÄNGELT SICH VOR

Warum nur schaut sie jeder so feindselig an?

14KATHARINA SCHNÄUZT IN IHR TASCHENTUCH …

… und fällt im Restaurant unangenehm auf

15KATHARINA UND IHRE FREUNDE DREHEN AUF

Laut sind in Schweden nur Touristen

16KATHARINA GEHT AUF EINEN GEBURTSTAG

Vom zwanglosen Dresscode und Schuhen vor der Haustür

17KATHARINA VERSPÄTET SICH

Doch Unpünktlichkeit ist den Schweden ein Graus

18KATHARINA BEDIENT SICH IM GARTEN DER WILDNIS

Was das Allemansrätten erlaubt – und was nicht

19KATHARINA WARTET AUF EINEN ELCH

Aber der steht auch in Småland nicht an jeder Ecke

20KATHARINA KENNT DAS WORT DANKE NICHT

Schade, denn tack ist das halbe Leben

21KATHARINA HAT KEINEN GÜLTIGEN FAHRSCHEIN

Vorsicht, da kennen die Schweden kein Pardon

22KATHARINA LÄSTERT ÜBER DAS KÖNIGSHAUS

Doch bei Kritik an den Bernadottes hört die Freundschaft auf

23KATHARINA RÜCKT IHRER NACHBARIN AUF DEN PELZ

Hej då. Warum den Schweden ihre Privatsphäre so wichtig ist

24KATHARINA PARFÜMIERT SICH

Pech nur, dass mancherorts ein Duftstoffverbot besteht

25KATHARINA GEHT AUF TUCHFÜHLUNG

Warum bloß rückt jeder von ihr ab?

26KATHARINA SIEZT DEN PROFESSOR

Kalla mig Bror – in Schweden sagt man einfach Du

27KATHARINA MACHT EINEN UNANGEKÜNDIGTEN BESUCH

Willkommen, nimm doch schon mal am Katzentisch Platz!

28KATHARINA GEHT IN DIE SAUNA

Hilfe, warum ist hier keiner nackt?

29KATHARINA VERPUTZT DEN LETZTEN KEKS

Wer (zu viel) nimmt, riskiert seinen Ruf

30KATHARINA PLANT EIN MEETING UM 16 UHR

Doch im Karolinska hat plötzlich keiner Zeit

31KATHARINA GIBT EINEN AUS

Tack, sagen die Kollegen, aber in Zukunft bitte nicht!

32KATHARINA REDET MIT HÄNDEN UND FÜSSEN

Ihr Gegenüber wundert sich – und nimmt Reißaus

33KATHARINA WEISS ALLES BESSER

Doch Schweden ist kein Land für Neunmalkluge

34KATHARINA NIMMT EINEN COFFEE TO GO

Wohin mit dem leeren Pappbecher?

35KATHARINA HAT DEN WINTERBLUES

Wie halten die Schweden nur diese Dunkelheit aus?

Schweden ist Sehnsuchtsland für Naturliebhabende, Freiheitsliebende, Vorreiter bei Gleichberechtigung und eines der Länder mit den glücklichsten Menschen. Das Land hält allerdings auch viele Fettnäpfchen parat, in die Katharina unbewusst tritt. So versteht sie nicht, warum …

… beim Anschneiden einer Torte die Gleichheit aufhört

… sie nicht einmal ein kleines bisschen prahlen darf

… die Schweden so auf Abstand bedacht sind

… in der Sauna niemand nackt ist

»Dieses Buch mit vielen tollen Hintergrundinfos zu den schwedischen Gewohnheiten sollte bei jedem Schwedenfan im Bücherregal stehen – wenn ihr die Do’s und Don’ts beachtet, könnt ihr im nächsten Schwedenurlaub nichts mehr falsch machen!«

SCHWEDENSTUBE.DE

»Das Buch lohnt sich für alle, die mit größerem Selbstvertrauen zu unseren nördlichen Nachbarn verreisen möchten. Lesevergnügen stellt sich übrigens auch noch ein!«

DEUTSCHES REISERADIO.COM

10 DINGE,

MIT DENEN MAN SICH IN SCHWEDEN AUF JEDEN FALL BLAMIERT

1.Angeben und alles besser wissen

Keine gute Idee, wenn man mit den Landesbewohnerinnen und -bewohnern warm werden will.

2.Titelgehabe

Im Land der flachen Hierarchien darauf zu pochen, mit Doktor oder Professor angesprochen zu werden, gilt als arrogant.

3.Vordrängelei

Schweden sind diszipliniert und bleiben geduldig, wenn sie in der Schlange stehen.

4.Laut reden

Das in einem Restaurant zu tun, gilt als störend, unhöflich und rücksichtslos. Es signalisiert, dass sich da jemand überaus wichtig nimmt.

5.Abfälle liegen lassen

Das stößt den umweltbewussten Schweden und Recycling-Weltmeistern bitter auf. Einen Pappbecher einfach stehen lassen? No way!

6.Gemischt nackt saunieren

Sich vor wildfremden Menschen komplett entblößen? In Schweden ein No-Go.

7.Beschuhter Tritt durch die Tür

Mit Schuhen eine Wohnung betreten? Bloß nicht!

8.Keinen Abstand halten

Ein zwischenmenschlicher Meter muss sein – mindestens!

Und bloß niemandem auf die Schulter klopfen.

9.Im Restaurant ins Taschentuch schnäuzen

Das ist verpönt. Es wird als störend, grob und unhöflich empfunden.

10.Über das Königshaus lästern

Das steht nur den Schweden zu.

DIE PROTAGONISTEN

Katharina

Während ihres Forschungssemesters am Karolinska Institut in Stockholm begleiten wir die junge Molekularbiologin aus Südwestdeutschland durch ihren Alltag. Sie ist zum ersten Mal in Schweden und mit den Gepflogenheiten des Landes nicht vertraut. Aber was soll da schon schiefgehen? So viel anders als in ihrer Heimat werden Land und Leute schon nicht sein. Oder doch?

Emma

Zum Glück hat Katharina ihre Vermieterin Emma, eine Stockholmer Fotografin, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht und ihr erklärt, welchem Missverständnis sie unterlegen war, wenn sie mal wieder in ein Fettnäpfchen getreten ist.

1

KATHARINA BETRITT NEULAND

Ihre Ansichten über Schweden sind beschränkt

Flughafen Frankfurt, LH 802, 11:20 Uhr

So, das Abenteuer kann beginnen!, denkt Katharina, als das Flugzeug Richtung Stockholm zur Startbahn rollt. Sie fragt sich, ob ihre Entscheidung, ein Forschungssemester am Karolinska-Institut zu verbringen, richtig war. Sie hatte Angebote verschiedener Universitäten zur Auswahl: University of Arizona, Case Western Reserve University in Ohio und das MRC Lab im englischen Cambridge. In Arizona, wussten Freunde zu berichten, ist es höllisch heiß, Ohio im Mittleren Westen – wer will da schon hin? Und England? Da war sie schon zu oft. Schweden ist mal was anderes. Das Karolinska betreibt Forschung auf höchstem Niveau, ernennt jährlich die Nobelpreisträger in Medizin oder Physiologie, und das CMB, das Institut für Cell- och Molekylärbiologi, gehört zu den besten der Welt, sagt sich die junge Molekularbiologin.

Katharina war zwar noch nie in Schweden, glaubt aber, es schon einigermaßen gut zu kennen. Schließlich weiß man in Deutschland doch allerhand über das Land im hohen Norden. Man ist ja quasi mit Dingen aus Schweden aufgewachsen, oder etwa nicht? ABBA, H&M, Ikea und Knäckebrot kennt schließlich jeder. Ganz zu schweigen von Pippi Langstrumpf. Katharinas Mutter war in ihrer Kindheit Fan von Pippi, »Michel aus Lönneberga«, »Ferien auf Saltkrokan« und »Wir Kinder aus Bullerbü«. Und da sie die Geschichten von Astrid Lindgren so liebte, kaufte sie die Verfilmungen auf DVD für ihre Tochter. Im Alter von zehn Jahren kannte Katharina die Filme auswendig und hat deshalb eine Ahnung davon, wie es in Südschweden und in den Schären aussieht, sie weiß, dass die Schweden ihren Sommerurlaub am liebsten in roten Holzhäuschen am Meer oder an einem See verbringen und dass sie verrückt nach Erdbeeren sind. Zumindest waren die Kinder in den Fernsehserien immer am Erdbeerpflücken, und auf dem Kaffeetisch stand meistens eine Erdbeertorte.

Später lernte sie die südschwedische Landschaft Schonen durch die Lektüre von Mankells Wallander-Krimis kennen.

Freunde, die letzten Sommer ihren Urlaub in Südschweden verbrachten, haben der Nachwuchswissenschaftlerin erzählt, dass am frühen Morgen am Gartenzaun des Ferienhäuschens ab und zu mal ein Elch stand, der zutraulich war und nicht einmal weglief, als sie sich näherten. Na, das ist doch eine ganze Menge, was ich über die Schweden weiß, denkt Katharina zufrieden. Und Stockholm kenne ich durch die Kriminalromane von Arne Dahl, Lars Kepler und Stieg Larsson doch schon recht gut. Sie freut sich darauf, in ihrer Freizeit die Tatorte und Schauplätze der Verfolgungsjagden aus den Büchern zu erkunden.

Zugegeben, sie hat keine Ahnung, wer das Land gerade regiert oder wie die Mentalität der Schweden ist. Was sie weiß, ist, dass die Ermittler in den Schweden-Krimis etwas schwermütig und meistens schlecht gelaunt sind, aber davon einmal abgesehen, werden die Menschen im hohen Norden so viel anders als in Deutschland schon nicht sein. Oder etwa doch?

»WILDE ERDBEEREN« UND SCHWEDISCHE SVÅRMOD

Die Schweden neigen zur Melancholie, svårmod genannt. Man sagt, das läge an den langen, dunklen Wintern und den gigantisch hohen Steuern. Keinem anderen ist es so gut gelungen, die Psyche seiner Landsleute darzustellen, wie Ingmar Bergman in seinen Filmen. Mit »Wilde Erdbeeren« schrieb er 1957 Filmgeschichte. In dem Drama geht es um die Frage nach dem geglückten Leben. Der alte Arzt und Wissenschaftler Isak Borg ist mit seiner Schwiegertochter im Auto nach Lund unterwegs, wo er als doctor jubilaris öffentlich geehrt werden soll. Er hat sein Leben der Wissenschaft gewidmet, hat zum großen Teil auf ein soziales Umfeld verzichtet und ist so zum »lebenden Toten« geworden. Seine Schwiegertochter wirft ihm emotionale Gleichgültigkeit und Gefühlskälte vor. Auf dem Weg halten sie an einem verlassenen Sommerhaus an, in dem der junge Isak mit seinen Eltern, Geschwistern und anderen Verwandten die Sommerferien verbrachte. Er sucht jene Stelle, wo wilde Erdbeeren wachsen, setzt sich auf die Erde und driftet in Gedanken an längst vergangene Tage zurück. In einer Traumszene sieht er seine Verlobte Sara beim Erdbeerpflücken. Sein Bruder Sigfrid kommt hinzu, flirtet mit Sara und küsst sie. Sara hat sich auch im wirklichen Leben für den lebenslustigeren Sigfrid entschieden und diesen geheiratet. Isak hingegen hat Kathrin geheiratet, die später an seiner Gefühlskälte zerbricht. Unterwegs nach Lund passiert so allerhand. Anhalter werden mitgenommen, der alte Arzt döst immer wieder vor sich hin und sieht Szenen aus seiner Vergangenheit, und am Ende …. Tja, das wird hier nicht verraten! Auf Schwedisch heißt der Film »Smultronstället«. Smultron ist das schwedische Wort für »wilde Erdbeeren«, ställe bezeichnet den Ort, an dem man sie pflücken kann. Wild wachsende Erdbeeren tauchen in vielen Bergman-Filmen auf. Der Regisseur schien die kleinen, roten Früchte zu lieben. Wie alle Schweden, die sich im Sommer rings um ihr Ferienhäuschen auf Beerenjagd begeben. Wer Glück hat, findet sogar mehr als eine smultronställe.

»Der beste Filmregisseur aller Zeiten«

Mit diesem Titel wurde Ingmar Bergman (1918–2007) 1997 auf dem Filmfestival in Cannes geeehrt. Der in Uppsala geborene Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur drehte über 60 Kino- und Fernsehfilme, inszenierte mehr als 140 Theaterstücke und erhielt 58 Filmpreise, darunter dreimal den Oscar.

»Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken, noch für Gefühle. Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt«, sagte der Mann, den die Angst, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen, Zeit seines Lebens plagte. In seiner Filmarbeit gab es für Schwedens berühmtesten Regisseur, der mit »Wilde Erdbeeren«, »Das Schweigen« und »Das Siebente Siegel« Filmgeschichte schrieb, tatsächlich keine Grenzen.

Nach einem abgebrochenen Literaturstudium, kurzer Zeit als Regie-Assistent an der Stockholmer Oper und Theaterchef des Stadttheaters Helsingborg, erhielt Bergman 1945 die Gelegenheit, erstmals Regie bei einem Film zu führen. Danach folgten mehrere Kinostreifen, sein unverkennbarer Stil zeigte sich aber erst 1950 in dem Drama »Einen Sommer lang«. Sein internationaler Durchbruch gelang mit dem Film »Das Lächeln einer Sommernacht«, für den er bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1956 ausgezeichnet wurde. In den Filmen Bergmans werden immer wieder die Abgründe der menschlichen Seele und das Unberechenbare der menschlichen Beziehungen thematisiert. Meist reflektierte er sich selbst. Glaube und Zweifel waren ein weiteres Thema des Regisseurs, der als Sohn eines Pastors in einem strengen protestantischen Pfarrhaus aufwuchs. Die christlich geprägten Moralvorstellungen seiner Eltern teilte er nicht, wofür er immer wieder bestraft wurde. »Mutters Ohrfeigentechnik war nicht zu überbieten«, schrieb er in seiner Autobiografie »Laterna Magica«.

Seine Glaubenszweifel ließ er in »Das siebente Siegel« (1957) mit einfließen, wo es in der Person eines Ritters, der mit dem Tod Schach spielt, um die Frage nach der Existenz Gottes und den Sinn der menschlichen Existenz geht. Mit einem Liebesakt in dem Filmdrama »Das Schweigen« und einer Masturbationsszene löste Bergman 1963 einen Skandal in Schweden aus. In deutschen Kinos lief der Film unzensiert. 1982 verabschiedete sich der Schwede mit »Fanny und Alexander« aus der Kinogeschichte. Von 1985–1996 war er Intendant am Nationaltheater Dramaten in Stockholm, verfasste weiterhin Drehbücher und drehte Fernseh- und Dokumentarfilme. Bergman starb kurz nach seinem 89. Geburtstag in seinem Haus auf der Ostseeinsel Fårö.

2

KATHARINA LANDET AUF DER FALSCHEN TOILETTE

Vom Siegeszug der Unisex-Klos – und dem Wörtchen hen

Flughafen Arlanda, Stockholm, früher Nachmittag

Gemächlich bummelt Katharina nach der Ankunft in Stockholm-Arlanda über den Flughafen. Sie ist begeistert von dem schönen Ambiente, den hübschen Läden und der Abwesenheit von Hektik, die sie von vielen anderen Flughäfen kennt. Katharina hat ein digitales Ticket für den Arlanda-Express, der den Flughafen mit dem Stockholmer Hauptbahnhof (Centralstation) verbindet. Die Nonstop-Fahrt dauert nur 20 Minuten. Bevor sie sich aber Richtung Expresszug aufmacht, möchte sie erst noch die Toilette aufsuchen.

Sie hält Ausschau und folgt den entsprechenden Pfeilen zu den toaletter. Alle vier Kabinen sind besetzt. Zeit genug, um sich vor dem Spiegel den Lippenstift nachzuziehen. Sie hört die Toilettenspülung in einer der Kabinen, die Tür geht auf, und im Spiegel sieht sie plötzlich einen Mann, der hinter ihr am Waschbecken steht und darauf wartet, sich die Hände zu waschen. Sie erschrickt und fragt sich, wie sie auf der falschen Toilette landen konnte. »Oh, sorry! Ich habe die Toiletten verwechselt«, stottert sie, steckt ihren Lippenstift hastig in die Tasche und eilt aus der Tür. Ein Stück weiter sieht sie Hinweisschilder für weitere Toiletten und geht darauf zu.

Jetzt bloß nicht wieder denselben Fehler machen, denkt sie. Sie sieht zwei Frauen hineingehen und verzichtet deshalb darauf, aufs Schild zu schauen, denn die beiden werden ja wohl auf die richtige Toilette gehen. Eine Kabine ist frei. Als Katharina herauskommt, um sich die Hände zu waschen, steht ein Mann am Waschbecken. Dieses Mal erschrickt Katharina nicht, denn sie weiß ja, dass sie hier richtig ist. Schließlich sind vor ihr Frauen hineingegangen. »Das hier ist die Damentoilette«, sagt sie auf Englisch zu dem Mann, wobei sie sich einen leicht schnippischen Unterton nicht verkneifen kann. Dass sich ein Nichteuropäer auf die falsche Toilette verirrt, kann ja mal vorkommen, denkt sie, das ist mir in Asien schließlich auch schon mal passiert. Aber der sieht wie ein typischer Schwede aus und müsste die Schilder richtig deuten können. Der Mann jedoch macht keine Anstalten zu gehen, schaut sie nur kopfschüttelnd an und wäscht sich in aller Seelenruhe seine Hände.

Als Katharina sich noch fragt, ob er vielleicht kein Englisch versteht, kommt eine Frau herein; sie wundert sich nicht weiter über den Mann, sagt nur »Hej« und verschwindet in einer der Kabinen. Na ja, vielleicht muss man solche Typen einfach ignorieren, denkt Katharina. Als der Mann das Waschbecken schließlich freigibt und die »Damentoilette« verlässt, wäscht auch sie sich die Hände und macht sich kopfschüttelnd auf den Weg zum Arlanda-Express.

Was ist schiefgelaufen?

Katharina war zu keiner Zeit auf der falschen Toilette. Da in Schweden aber das Gleichheitsprinzip gilt, akzeptiert das Land seit 2015 offiziell das dritte Geschlecht und hat getrennte Toiletten abgeschafft. Jede/r kann jede nutzen.

Im Rahmen der Gender-Debatte hat Schweden das geschlechtsneutrale Pronomen »hen« eingeführt, das am 15. April 2015 in das dem Duden entsprechende Wörterbuch der Schwedischen Akademie (Svenska Akademiens ordlista) aufgenommen wurde und seitdem für Diskussionen sorgt. Vor hen gab es nur die beiden Personalpronomen han (er) und hon (sie). Hen, keinesfalls zu verwechseln mit dem deutschen »es«, bezieht sich auf ein Individuum, ohne dabei das Geschlecht zu benennen. Das Pronomen wird nicht nur für Transsexuelle benutzt, sondern auch, wenn das Geschlecht unbekannt ist oder keine Rolle spielt. Die Debatte um den Gebrauch von »hen« ist gar nicht so neu. Schwedische Sprachwissenschaftler empfahlen bereits in den 1960er-Jahren zur Vereinfachung der Formulierung »er« oder »sie« das geschlechtsneutrale Pronomen hen. In jener Zeit stießen sie damit auf taube Ohren.

Als der Autor Jesper Lundqvist 2012 in seinem Kinderbuch »Kivi und der Monsterhund« die Hauptfigur mit »Hen« betitelte, war die Aufregung groß. Man warnte vor jugendgefährdender Gender-Hysterie und befürchtete die Abschaffung der Geschlechterunterscheidung. Und weil die Aufregung damals so groß war, besteht heute für niemanden die Verpflichtung, das Wort hen zu verwenden. In Stockholm hingegen wurde das Pronomen schon fünf Jahre vor der offiziellen Anerkennung benutzt. Die Vorschule Egalia hat »er« und »sie« 2010 abgeschafft. Dort gibt es statt »Jungen« und »Mädchen« nur »Freunde«. Die Hauptstädter lieben die geschlechtsneutrale Erziehung der Egalia – die Warteliste auf einen freien Platz ist lang!

Englisch geht immer

Ob han, hon oder hen, Schweden aller Altersgruppen und aller sozialen Schichten sprechen Englisch. Das liegt zum einen am Fremdsprachenunterricht in den Schulen und zum anderen daran, dass ausländische Filme und Fernsehserien nicht synchronisiert, sondern ausschließlich in der Originalsprache mit Untertiteln gezeigt werden. Da Schweden mit zehn Millionen Einwohnern ein relativ kleines Land ist, lohnt sich die Synchronisation für ausländische Produzenten nicht. So kommen schon kleine Kinder mit Fremdsprachen und vor allem dem Englischen in Berührung. Laut Eurostat, dem Statistisches Amt der Europäischen Union, verfügen die Schweden über die besten Fremdsprachenkenntnisse in der EU. 97 Prozent der Bürger sprechen mindestens eine Fremdsprache. Zum Vergleich: Deutschland rangiert auf dem 18. Platz, hier sprechen über 21 Prozent überhaupt keine Fremdsprache.

Katharina kann’s besser

Jetzt, da sie weiß, dass es in Schweden keine nach Geschlechtern getrennten Toiletten gibt, wird Katharina dieser Fehler kein zweites Mal passieren. Wenn sie allerdings keine Unisex-Toilette benutzen möchte, weil sie das nicht gewohnt ist oder ihr der Gedanke nicht behagt, dass ihr ein fremder Mann vor dem Waschbecken dabei zusieht, wie sie ihren Lippenstift nachzieht oder sich die Haare kämmt, kann sie die barrierefreie Toilette benutzen. In Schweden wird sie kein Mensch dafür rügen, dass sie als Mensch ohne Behinderung diese Toilette nutzt, da die Schweden sich generell nicht in die Angelegenheiten und Beweggründe anderer einmischen. Ganz abgeschafft sind die nach Damen und Herren getrennten Toiletten übrigens noch nicht – in Luxushotels und in der gehobenen Gastronomie sind sie durchaus noch verbreitet.

3

KATHARINA KOMMT AN – IRRT ABER ÜBER SKANDINAVIEN

Warum Dänen und Schweden nicht zu verwechseln sind

Nachmittag, Ankunft im neuen Zuhause

Endlich angekommen, denkt Katharina, als der Taxifahrer unterhalb des alten Observatoriums in der Drottninggatan hält. Bis vor das Haus, in dem sie die nächsten sechs Monate wohnen wird, kann er nicht fahren, da dieses in der Fußgängerzone liegt. Der Fahrer hievt ihr Gepäck aus dem Kofferraum und stellt es vor ihr auf den Gehweg. Dass sie die beiden schweren Koffer nun schleppen muss, passt ihr gar nicht. Wer weiß, wie weit es ist. Ratlos schaut sie die Drottninggatan hinunter. Ob der nette Taxifahrer ihr eventuell helfen kann? Als sie ihn fragen will, steigt gerade ein neuer Fahrgast ein. »Pech gehabt!«, flucht Katharina leise und rollt ihre Koffer den Gehweg entlang.

Nach zehn Minuten steht sie vor einem pastellgelben Jugendstilhaus und ist der Hausnummer nach am Ziel. Am Abend zuvor hatte Emma, die Stockholmer Vermieterin, ihr eine E-Mail geschickt mit Anleitungen für den Zugang zur Wohnung. Emma, die als freiberufliche Fotografin für diverse Agenturen arbeitet, würde bei ihrer Ankunft nicht zu Hause sein. Praktischerweise gibt es zum Haus keinen Schlüssel, sondern einen PIN-Code, den Katharina nun in das Display neben der Tür eingibt. Als die Tür sich öffnet, steht sie in einem gigantischen Treppenhaus. »Sorry«, hatte in der Mail von Emma gestanden, »aber wir haben keinen Fahrstuhl im Haus.« – »Nee, oder?«, stöhnt Katharina und schaut nach oben. Ihre neue Bleibe liegt im vierten Stock. »Es ist keiner da, der mir hilft?« Katharina trägt erst einen Koffer mit vielen kleinen Pausen hoch, dann den anderen.

Oben angekommen, ist sie völlig außer Atem. Doch schon wenige Augenblicke später macht sich beim Betreten der Wohnung Freude breit: Ganz schön großzügig geschnitten, denkt Katharina, und versucht erst einmal, sich auf der lichtdurchfluteten Etage zu orientieren. Laut Beschreibung liegt ihr Zimmer rechts am Ende des langen Korridors. Dahin rollt sie nun ihre Koffer. Die Zimmertür steht offen. »Wow!«, ruft sie, als sie ihr Zimmer betritt und das riesige Fenster sieht, das von der Decke bis zum Boden reicht. »Willkommen, Katharina, fühl dich hier wie zu Hause. Ich bin gegen 16 Uhr zurück. Emma«, steht auf einem Blatt Papier, das auf dem Bett liegt. Katharina wundert sich, dass keine Ikea-Möbel in ihrem Zimmer stehen, denn das hätte sie in Schweden doch erwartet. Sie inspiziert den Rest der großen Altbauwohnung und kehrt danach in ihr Zimmer zurück, um ihre Koffer auszupacken.

Kurze Zeit später hört sie, wie jemand durch die Wohnungstür tritt, und gleich darauf steht Emma in ihrem Zimmer. Katharina schätzt ihr Alter auf Ende 20. Sie ist groß, hat dunkelbraune Haare und ist ganz in Schwarz gekleidet. Katharina findet sie auf Anhieb sympathisch. »Willkommen in meinem Reich. Schön, dass alles so gut geklappt hat«, sagt Emma zu ihrer neuen Untermieterin, und fügt hinzu: »Komm mit in die Küche, ich habe Zimtschnecken mitgebracht, die essen wir jetzt zu einer Tasse Kaffee. Du hast doch sicher Hunger, oder?« Katharina folgt Emma in die Küche. Als sie am Tisch sitzen, fragt Emma: »Bist du das erste Mal in Stockholm?« »Ich bin überhaupt das erste Mal in Schweden«, antwortet Katharina. »Aha, dann kennst du unsere Sitten, Eigenheiten und Gebräuche noch gar nicht«, erwidert Emma lächelnd. »Nee, eigentlich nicht. Aber ich war schon oft in Dänemark, und ihr Schweden seid mit den Dänen ja quasi verwandt, oder? Ich meine, geografisch gesehen seid ihr Nachbarn und im Süden sogar nur durch eine Brücke voneinander getrennt. Und auch kulturell dürftet ihr als Skandinavier so einiges gemeinsam haben.« Emmas Augenbrauen schnellen in die Höhe, sie schaut Katharina entgeistert an.

Was ist schiefgelaufen?

Katharina hat sich vor ihrer Abreise nach Stockholm weder über Land noch Leute kundig gemacht. Zu Skandinavien zählen für sie alle nordischen Länder, und ihrer Meinung nach können die Schweden sich doch nicht so sehr von ihren südlichen Nachbarn, den Dänen, unterscheiden. Weit gefehlt! Geografisch gesehen gehört Dänemark nicht einmal zur Skandinavischen Halbinsel. Schweden und Dänen lagen jahrhundertelang im Zwist miteinander. Nachdem das kleine Nachbarland 1370 die Vorherrschaft der deutschen Hanse im Ostseeraum hatte anerkennen müssen, schielte es nach Schweden und Norwegen. Die dänische Königin Margarete I. vereinte die Länder in der Kalmarer Union und ernannte sich zur Unionskönigin. Schweden verlor damit seine Unabhängigkeit. Freiwillig hatten sich die Schweden nicht in das Bündnis gefügt. Margarete, Tochter des verstorbenen Waldemar IV., war nie zur Königin von Dänemark gekrönt worden. Mangels eines erwachsenen männlichen Erben übernahm sie nach dem Tod ihres Vaters 1375 die Regierungsgeschäfte. Offiziell wurde ihr damals fünfjähriger Sohn, Olav Håkonson, König von Dänemark. Margarete (1353–1412) war aus politischem Kalkül als Zehnjährige mit dem zwölf Jahre älteren Håkon VI. Magnusson, Sohn des Schwedenkönigs und König von Norwegen, verheiratet worden. Als Håkon 1380 starb, übernahm Margarete die Regentschaft für ihren Sohn, der allerdings jung starb und niemals König wurde. Nun war sie Königin von Dänemark und Norwegen. Und da ihr verstorbener Mann aus dem schwedischen Königshaus stammte, machte sie ihr Anrecht auf den Schwedens Thron geltend. Auf diesem saß aber Albrecht III, Herzog von Mecklenburg, dessen Mutter eine Schwester von König Magnus II. Ericsson war. Als sich eine günstige Gelegenheit bot, ließ Margarete ihr Heer in Südschweden einmarschieren, das den Mecklenburger 1389 in der Schlacht bei Åsle besiegte. Dieser kehrte in sein mecklenburgisches Herzogtum zurück und Margarete wurde Herrscherin über Schweden. Ihre Macht über Dänemark, Norwegen und Schweden festigte sie 1397 mit der Gründung der Kalmarer Union, die bis 1523 bestand. In der Zeit der Union kam es immer wieder zu Aufständen gegen die dänische Herrschaft, bis Gustav Wasa der Regentschaft der Dänenkönige über die Schweden ein Ende setzte. Die Länder sind zwar längst nicht mehr verfeindet, spotten aber gern übereinander. Die eher risikobereiten und spontanen Dänen nennen die Schweden rigide und halten sie für gefangen in ihrer politischen Korrektheit. Ein dänischer Witz etwa lautet: »Wussten Sie schon, dass alles, was in Schweden nicht verboten ist, Pflicht ist?«, während die Schweden ihrerseits kontern: »In Dänemark kann man die Menschen im Namen der Meinungsfreiheit verletzen!«

DER SCHWEDISCHE BEFREIUNGSKRIEG

Seit dem Tod von Margarete I. kam es öfter zum Zerfall des Unionskönigtums. Nur unter den Königen Erich von Pommern (Margaretes Großneffe), Christoph von Bayern, Christian I. und Johann I. hatte die Kalmarer Union realen Bestand. In den Zeiten einer Thronvakanz regierten der schwedische Reichsrat und die von ihm gewählten Reichsverweser das Land. Letzterer war der Ritter Sten Sture der Jüngere, der 1520 gegen den dänischen Unionskönig Christian II. zu Felde zog und unterlag. Christian zwang Schweden wieder unter dänische Herrschaft und ließ sich am 4. November desselben Jahres in der Stockholmer Storkyrka zum König der Schweden krönen. Seinen Gegnern aus Adel und Klerus hatte er Amnestie versprochen. Drei Tage später widerrief er sein Versprechen und ließ auf dem Stortorget, dem Marktplatz, die Köpfe rollen. 92 politische Gegner wurden als Ketzer hingerichtet. Das Massaker ging als Stockholmer Blutbad in die Geschichte ein. Unter den Getöteten befand sich der Vater von Ritter Gustav Eriksson. Dieser organisierte nun den Aufstand gegen Christian II., dessen Tage als König gezählt waren. Der Widerstand gegen ihn wurde so stark, dass er nach weniger als drei Jahren Regentschaft in die Niederlande flüchtete, da auch seine Heimat Dänemark ihn nicht länger als Regenten wollte. Die Schweden krönten Gustav Eriksson zum König, der später als Gustav I. Wasa in die Geschichte einging. Dafür, dass er den Dänenkönig vertrieb, wird er in Schweden am 6. Juni mit einem Nationalfeiertag geehrt – dem Tag seiner Krönung.

Katharina kann’s besser

Ein Blick auf die Landkarte hat Katharina gezeigt, dass Dänemark nicht auf der Skandinavischen Halbinsel liegt und auf dieser nur Schweden, Norwegen und der nordwestliche Teil Finnlands beheimatet sind. Auch mit einer Kurzfassung der Geschichte Schwedens hat sie sich inzwischen vertraut gemacht und weiß nun um den jahrhundertelangen Zwist mit den Dänen. Es wird ihr kein zweites Mal passieren, dass sie die Schweden mit den dänischen Nachbarn, die durch die beiden Meeresgebiete Kattegat und Skagerrak voneinander getrennt sind, miteinander vergleicht. Am Ende ihres Aufenthalts wird sie ohnehin merken, dass die beiden Länder unterschiedlicher nicht sein könnten.

STOCKHOLM