Feuer und Eis - Udo Keil - E-Book

Feuer und Eis E-Book

Udo Keil

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Beschreibung

Es ist Anfang des 19. Jahrhunderts, zur „Franzosenzeit“. Napoleons Armee hat sich einen großen Teil Europas untertan gemacht. Feldmarschall Blücher versucht die Übermacht vergeblich aufzuhalten, muss sich aber nahe Lübeck geschlagen geben. Im Schweriner Schloss wachen die „Feuerböter“ über die Feuerstellen im verwinkelten Schlossgebäude. Ihre jungen Helfer sorgen dafür, dass die Kamine nicht ausgehen. Bis plötzlich die Ankunft eines französischen Kunstexperten angekündigt wird. Galerieaufseher und Oberkastellan Thiel will die Schätze der alten Galeriesammlung vor den französischen Besatzern retten und hat einen Plan. Eine Aufgabe für unsere Feuerböterjungs. Wie schon im Vorgänger „Der Geheimgang am Burgsee“ hat sich der Autor Udo Keil intensiv mit der Schweriner Geschichte befasst. Das Wissen um die Gepflogenheiten seiner Zeit verarbeitet er auch hier zu einer spannenden, lehrreichen Kindergeschichte.

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Für meine Schwester Mechthild

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Erlass

Zum Schluss

1

„Mach die Tür zu!“, ruft Henrike. Imke, die zweite Magd, steht bibbernd in der Tür. Ein Schwall eiskalter Luft weht in die warme Küche. Schnell drückt sie die Tür zu und legte den Riegel vor. Nun kann der eisige Novemberwind nicht eindringen.

Wo vor kurzem noch auf dem Sommerflieder die Schmetterlinge von Blüte zu Blüte torkelten und Bienen ihren Honig zum Haus des Bauern brachten, ist das Leben erstarrt. Dafür brausen Wind und Wolken unbarmherzig heran. Der See hinter dem Hof tobt im Schilf.

Eben war Imke noch in der Scheune gewesen, hatte Decken gebracht, etwas Schinken und Brot zu einer provisorischen Lagerstatt getragen.

Der Bauer hatte noch einige Pferdedecken dazu gegeben; mehrere Ziegelsteine lagen in der Backröhre des Küchenherds. Frierend lief Imke zum Herd, um sich zu wärmen. Trotz ihres Umhangs fror sie wie ein Schneider. „Jetzt können die Franzmänner kommen“, rief sie hustend und lachte derb dabei.

Aber so richtig wohl war ihr dabei nicht. Hatten nicht die Fuhrleute, die am Püsserkrug rasteten, erzählt wie die Franzosen mit den Frauen und Mädchen in Crivitz umgesprungen waren. Dort hatten sich alle Weiber und Mädchen in die unmöglichsten Verstecke geflüchtet aber es half alles nichts. Jeden Winkel hatten sie durchsucht, jeden Schuppen, Stall und Dachboden. Nicht nur das sie mit Mädchen und Frauen ihr Unwesen trieben, was schon schlimm genug war, aber sie stahlen auch alles, was noch irgendwie verwertbar war und randalierten, diese verfluchten Franzosen. Als sie auch noch erfuhren, dass Crivitz einen Weinberg hat, wurde jeder Keller und jedes Gewölbe durchsucht um an den Wein zu gelangen. Und sie suchten so lange, bis sie fündig wurden.

Doch der Wein rann nicht durch die durstigen Kehlen der Soldaten. Als ungenießbar hatten die Franzosen den Wein in die Gassen der Stadt geschüttet. Franzosen kannten sich aus mit Wein und dieser schmeckte ihnen einfach nicht. Es wurde sich sogar erzählt, dass das der Grund gewesen sei, sich so schnell, wie möglich auf den Weg nach Schwerin zu machen. Dort gäbe es ganz sicher einen herzoglichen Weinkeller und der Herzog selbst würde sich niemals mit so einem Gesöff, wie dem aus Crivitz zufrieden geben, bei ihm kämen bestimmt nur edlere Tropfen auf den Tisch. Nach dem Abzug der Franzosen waren die Crivitzer demnach richtig stolz auf ihren Wein, hatte er doch geholfen, sie zu vertreiben.

Der Bauer hatte ihnen gesagt, sie sollten sich im Stroh in der Scheune ein Versteck herrichten und Knecht Jan solle die Bretter der Scheunenwand lösen. Sollten die französischen Soldaten, den Unterschlupf finden, ließen sich die Bretter lösen und so war im Notfall ein Ausweg gefunden. Sie, die Mägde, kannten sich aus, auf der wilden Halbinsel der Krößnitz, um sich für einige Zeit unsichtbar zu machen. Sie kannten auch die Stelle, an dem der Fischer immer seinen Kahn festband und in der allergrößten Not könnten sie damit zum anderen Ufer übersetzen oder sich auf der Insel verstecken.

„Ich nicht, ich nicht“ hatte Imke zitternd gerufen, als sie über diese Möglichkeit sprachen. „Das ist eine Toteninsel“, stotterte sie. Die Alten auf der Krößnitz erzählten immer diese grusligen Geistergeschichten, in denen die Seelen der Toten auf der Insel ihr Unwesen trieben. Sie sprachen mit leiser, geheimnisvoller Stimme und schmückten die Geschichten mit unheimlichen Details aus. Es war zwar lange her, aber ihr war trotzdem unwohl bei dem Gedanken. Sie dachte, es würde schon gut gehen, wäre da nur nicht der kalte, dunkle November.

Wie es nun auch immer wirklich war, Marschall Bernadotte, der Befehlshaber der französischen Truppen, hatte befohlen, so schnell wie möglich die Residenzstadt zu erobern.

Doch an dem kleinen Flüsschen Stör wurden sie gestoppt.

Marschall Blücher, der die preußische Armee befehligte, stellte sich ihnen an der Fähre, die den Übergang über den Fluss ermöglichte, entgegen und zwang sie zu einem Gefecht.

Und so hörten die Mägde die lauten Kanonenschüsse und das dumpfe Knallen der Gewehre.

Doch so sehr sie sich auch den Franzosen mit aller Kraft entgegenstellten, gelang es Blücher und seinen Soldaten nicht sie an der Überquerung des Flüsschens zu hindern. Und so zogen Blücher und seine Leute sich geschlagen nach Schwerin zurück und hatten die Franzosen im Rücken.

Marschall Blücher

Doch zu ihrem Erstaunen verfolgte die mächtige Armee des französischen Kaisers sie nicht lange. Sie bezogen zwischen dem See und den Hügeln des Dreesches, so nannten die Einheimischen ein hügliges Gelände, das kein Bauer haben wollte, weil es dort keinen guten Boden gab, Stellung und errichteten ein Biwak, um die Nacht dort zu verbringen. Hier am Haselholz, wie das Gelände offiziell hieß, hatten bisweilen des Herzogs Soldaten ihr kriegerisches Handwerk geübt.

Jan, der Knecht hatte das Versteck so eingerichtet, dass kein Franzose das Versteck, dass sich im Stroh in der Scheune befand, entdecken würde. „Ich bin fertig“, hörten sie ihn rufen. „Die Damen können einziehen.“

„Willst du nicht auch mitkommen?“, rief Imke zurück. Dabei blinzelte sie Henriette zu. Das ganze Haus wusste, das sie sich in den Knecht verliebt hatte.

Henni, wie sie auf dem Hof gerufen wurde, drohte Imke schamhaft. „Du brauchst nicht rot zu werden mein liebes Hennilein“, grinste Imke mehr. Dass sie bald ein Abenteuer erleben würden, dass sie nicht mehr vergessen würden, wussten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Von der vom Regen der letzten Tage durchweichten Dorfstraße hörte man Pferdegentrampel, Schmutz spritzte aus den herbstlichen Pfützen und in gestrecktem Galopp jagte ein hoher Offizier mit zwei Begleitern auf den Hof und warf dem Knecht seine Zügel zu. „Wo ist dein Herr?“, brüllte er den Knecht an, der vor lauter Schreck und Ehrfurcht ausrutschte und im Schlamm landete. Ohne eine Antwort abzuwarten, liefen die Offiziere zur Tür des Bauernhauses, traten sie mit einem Tritt ein und eilten an der Bäuerin vorbei, die mit offenem Mund dastand und sich nicht rührte.

Ohne zu fragen, riss einer der Offiziere die Tür zur guten Stube auf und brüllt dem zitternden Bauern an, der um sein Leben bangt. „Beeil er sich oder soll ich nachhelfen?“

Kaum hatte sich der Schrecken gelegt, rief auch schon der Bauer: „Bewegt euch ihr faules Pack, bereitet dem Herrn General die gute Stube, bezieht die Betten, beeilt Euch, der Herr von Blücher hat keine Zeit zu warten, bis ihr lahme Bande aus der Wäsche kommt“.

Sofort rannten sie los, erstaunt über den ungewohnten Ton ihres Bauern, sie kannten ihn eigentlich als umgänglichen Herrn, der immer gut mit seinem Personal umging. Aber es ging um keinen geringeren, als um den hohen Offizier Blücher. Der Blücher, von dem alle Welt sprach und der durch seine vielen erfolgreichen Schlachten berühmt geworden war.

Ein Haudegen, der sich jetzt, nach verlorener Schlacht im fernen Thüringen auf dem Rückzug befand, der. so hatten sie heute gehört, die große Armee der Marschälle bei der bei der Fähre einem Flussübergang, nur eine Stunde Fußweg von hier entfernt, aufgehalten hatte. Das war er also, der Berühmte Blücher.

Das Quartier Blüchers auf der Krößnitz in Schwerin

Jetzt war einigermaßen Ruhe eingetreten. Eben war noch eine Gruppe hoher Offiziere eingetroffen die jetzt diskutierend vor dem Haus warteten. Blücher hatte alle seine Offiziere zu sich befohlen. Sie versammelten sich in der guten Stube standen um den Tisch herum und hörten ihrem obersten General zu.

Die Mägde, wie immer neugierig, versuchten etwas mitzubekommen, von dem, was im Raum gesprochen wurde. „Wir sind zu wenig um sie aufzuhalten“, hörten sie durch die Tür. „Aussichtslos sich ihnen entgegenzustellen“, rief ein anderer.

„Und wenn wir unseren letzten Bluttropfen geben müssen, selbst sterbend, sollten wir uns ihnen entgegenstellen. Für unseren König!“ rief eine leidenschaftliche Stimme dazwischen.

„Dem König nutzen wir wenig, wenn wir auf dem Acker liegen und unser Blut die Felder düngt. Wo soll er denn neue Soldaten hernehmen, wenn sich alle freiwillig in den Tod begeben? Nein! Ich werde meine Armee oder das was noch davon übrig geblieben ist, nicht dem unersättliche Franzosenkaiser zum Fraße vorwerfen.“ Jetzt drang Gemurmel durch die Holztür, an der sich die Mädchen die Ohren platt drückten. „Ruhe!“ rief Blücher in die Runde. Augenblicklich verstummten alle. „Wir drehen ab und ziehen in Richtung Lübeck. Diese gut befestigte Stadt bietet eher Möglichkeiten sich zu verteidigen.

Wenn uns das nicht gelingt, dann, so Gott es will, geben wir uns gefangen, vorbereitet, jederzeit bereit zu sein, die französischen Tyrannenherrschaft abzuschütteln und wieder unter dem Banner unseres Königs zu kämpfen, den Franzosen eins auf ihre Mützen zu geben und siegreich in kaiserlichen Betten zu schlafen.“ Gelächter und Zustimmung kam aus den Reihen der Befehlshaber.

„Sammelt also eure Truppen, lasst sie biwakieren. Was steht ihr noch rum? Auf geht’s!“

Die lauschenden Mägde wollten sich gerade noch rechtzeitig von der Tür entfernen, als sie eine Stimme dahinter hörten.

„Sprecht mit euren Männern, ruhig soll der Abend sein. Ich will kein Geschrei von den Männern und keine Geheule und Gezänk der Weiber aus dem Tross. Möglichst wenig sollen die Herren Bernadotte und Soult von unserem Abzug mitbekommen. Es ist sowieso schon wunderlich, dass ihr Heer so dicht hinter uns plötzlich anhält und uns in Ruhe lässt.

So dicht meine Herren, lagen sich noch nie zwei gegnerische Hauptquartiere gegenüber. Nur einen Kanonenschuss entfernt, schätze ich. Wer weiß was die Franzmänner in Schilde führen.“

Zustimmendes Nicken, Säbelrasseln und das Häuflein der hohen Offiziere verschwand hinter den grauen Büschen, vorbei an kahlen Bäumen die ihre traurigen Äste gegen den grauen Novemberhimmel reckten, als wüssten sie welch Unheil sie erwarten würde.

Noch einige Zeit hörte man den Nachhall ihrer Schritte, als sie sich durch den schlammigen Morast entfernten um die Befehle ihres Herren auszuführen. Der Rauch des Feuers verzog sich langsam und es war nur noch vereinzelt Pferdegewieher zu hören. Ab und zu schwebte ein leiser Kommandoruf über die trostlose Halbinsel Krößnitz.

Nachdem Ruhe eingekehrt war auf dem Bauernhof, standen die Mädchen kichernd vor dem großen Waschzuber im Anbau des Stalls wo, so sie anfiel, die große Wäsche gewaschen wurde, oder, wenn die Zeit zum Schlachten gekommen war, der große Kessel ausgebürstet und für das Brühen der Wurst angeheizt wurde. Das ganze Haus roch dann nach der herrlichen Wurstsuppe.

Jede Magd hatte Wäsche auf dem Arm, verschmutzte Laken, Kissen und Decken. Kichernd erzählten sie sich, was sie so amüsierte:

„Der General hat sich mit seinen Schlammstiefeln auf das saubere Bett geschmissen, dass die Lehmklütern das ganze Laken versaut haben. Und dann hat er seinen Tschako, also seinen Hut oder Helm oder wie das heißt, an den Kronleuchter gehängt, die Tabakspfeife in die Blumenvase gesteckt.“, sie konnten sich gar nicht halten vor Lachen.

„Und den Säbel auf die Kommode geworfen auf die Bäuerin so stolz ist. Ja, ja wir Mägde werden lange daran zu tun haben, die Kratzer wieder weg zu schrubben“.

Dann holte sie die Gegenwart ein.

Ja jetzt da Blücher nicht mehr da war, wer schützt sie dann? Die Mädchen machten sich an ihre Arbeit, hoffend, das ihr abgelegener Hof verschont bliebe von der Besatzung der napoleonischen Truppen.

2.

Als er aus der Haustür trat und mit forschem Schritt in Richtung Markt marschierte, war es noch dunkel, aber der Tag kündigte sich bereits an. Je näher er dem Markt kam, um so mehr roch es nach Rauch. Auf dem Markt brannten Wachfeuer. Ihre Flammen warfen einen flackernden Schein auf die Mauern des riesigen Doms. Es schien als würden die Backsteinwände im dem noch nachtdunklen Himmel verschwinden. Schon seit dem Einzug der französischen Truppen brannten überall in der Stadt auf Plätzen und Kreuzungen die Feuer der Besatzungstruppen. Nirgendwo in der Stadt gab es noch hölzerne Zäune oder andere brennbare Gegenstände um die vielen Wachfeuer zu nähren. Oft kam es dazu, dass auch einmal ein Bett oder ein Tisch unter die Beile der Soldaten kamen. Die Soldaten saßen davor, rauchten und redeten über dieses und jenes. Wie es ihren Familien in der fernen Heimat wohl ginge, ob die Kinder schon gewachsen, die Ernte gut ausgefallen und noch genug Geld zum Leben vorhanden sei.

Freiwillig waren die wenigsten in dieser Stadt. Alle waren hier, weil der Kaiser sie hier her geschickt hatte. Einstmals hatten sie in der Armee ihres Heimatlandes gedient, nun waren sie in Napoleons Armee und hatten seinen Befehlen Folge zu leisten.

Nicht nur Franzosen dienten unter dem Kaiser der Franzosen. Nein, aus allen Ländern Europas waren sie zum Kriegsdienst gezwungen worden.

Für die Stadt und die umliegenden Dörfer waren sie eine ungeheure Belastung. Einquartiert in den Häusern der Stadt, die eigentlich schon zu klein waren für die kinderreichen Familien, die dort lebten. Und auch das Essen musste geteilt werden. Aber gerecht ging es dabei nicht zu. Sollten die Hausbewohner sehen wo sie blieben und die Münder satt bekamen, zuerst kamen die Soldaten. Und wehe einer von ihnen klagte über das Essen. Dann lernten die Familien das Grauen der Besatzer kennen.

3.

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