Fichten, Tannen, Weihnachtspannen - Wolfgang Schierlitz - E-Book

Fichten, Tannen, Weihnachtspannen E-Book

Wolfgang Schierlitz

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Beschreibung

Auch in seinem siebten Buch beweist Wolfgang Schierlitz augenzwinkernd, dass die stade Zeit meistens gar nicht so stad ist. Ob die entschlossenen Guglmänner sich auf die Suche nach alten Mysterien machen, oder ein verloren gegangener Bayer seine Melancholie auf die Ostsee hinaus bläst, immer ist in der Weihnachtszeit etwas los. Und wenn dann Heiratsanträge oder nicht ganz legale Sprengkörper ins Spiel kommen, brennen nicht nur die Kerzen auf dem Adventskranz. Aller Weihnachtsstress fällt bei diesen Geschichten mit einem Lachen ab, und selbst in der größten Hektik bleibt die Erkenntnis: Es könnte noch viel schlimmer sein.

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LESEPROBE zu

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2018

© 2018 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelillustration und Illustrationen im Innenteil: Sebastian Schrank, München

Lektorat: Beate Decker, München

Worum geht es im Buch?

Wolfgang Schierlitz

Fichten, Tannen, Weihnachtspannen

Lustige Adventsgeschichten

Auch in seinem siebten Buch beweist Wolfgang Schierlitz augenzwinkernd, dass die stade Zeit meistens gar nicht so stad ist. Ob die entschlossenen Guglmänner sich auf die Suche nach alten Mysterien machen, oder ein verloren gegangener Bayer seine Melancholie auf die Ostsee hinaus bläst, immer ist in der Weihnachtszeit etwas los. Und wenn dann Heiratsanträge oder nicht ganz legale Sprengkörper ins Spiel kommen, brennen nicht nur die Kerzen auf dem Adventskranz.

Aller Weihnachtsstress fällt bei diesen Geschichten mit einem Lachen ab, und selbst in der größten Hektik bleibt die Erkenntnis: Es könnte noch viel schlimmer sein.

Inhalt

Vorwort

Umtriebige Einfälle

Geheime Pläne, Tod und Guglmänner

Gestrandet am Ostseestrand

Hohenschwangergau

Früh übt sich

Die Versuchung

Weihnachtlich-eigenartige Gefühle

Der Stammtisch

Ein seltener Mitbürger

Archäologische Weisheiten

In das Land der unbegrenzten Großtaten

Versonnen

Explosiv-Interview mit Siegfried Fischbacher in Las Vegas

Salutschüsse und Salatschüssel

Diplom-Betriebsnarr gesucht

Rettung des Homo inntaliensis

Schulgebäude schwer beschädigt

Hochbetagte Kinder

Nach vollbrachter Bezwingung

Sternstunden

Vegetarier aller Länder – vereinigt euch

Der Beinahe-Vegetarier

Glimpflich abgestürzt

Beerdigung zu Schnäppchenpreisen

Heiß oder kalt?

Weihnachtszeit am Mare Mediterraneum

Gefahr gebannt?

Schneefreie Weihnachten?

Ölsardinen

Mobile Weihnacht

Filmpremiere

Alpinismus

Sportarchäologie

Zahn um Zahn

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Beinahe-Lottogewinn

Der Autor

Vorwort

In Zeiten, in denen gelogen wird, dass sich die Balken biegen, verkündet mein temporärer Stammtischbruder Wolfgang Schierlitz in seinem neuen Buch »nichts als Wahrheiten«.

In einem Kaleidoskop von Einzelgeschichten weihnachtet es meistens. Ich schließe daraus, dass der Autor seine Leser mit einem gesteigerten Harmoniebedürfnis traktieren will. Alle seine Stories sind mehr oder weniger authentisch, selbst erlebt, ob auf Reisen oder im Alltag, ob in der Vergangenheit oder in der Gegenwart. Manchmal vermischt er die Ereignisse und Zeiten geschickt, damit er zu eigenartigen, philosophischen Schlussfolgerungen kommen kann. Seine akribischen Beschreibungen von Situationen und Gegebenheiten zeugen von der Liebe zur Natur ebenso wie von der Kenntnis geschichtlicher Zusammenhänge, wenn auch unter Einsatz von Kunstfiguren und im Duktus von Stammtischen. Der Mainstream ist ihm zuwider, daher kalauert er nicht wie Monika Gruber und rappt auch nicht wie der betagte Dieter Hildebrand.

Oder lügt er doch, wenn er von Ungarn aus, vorbei an einer abgebrannten Berghütte, im Pulverschnee ins Tal wedelt?

Hanns Thäle

Umtriebige Einfälle

Verklungen sind die trauten Lieder, die Kerzen am Christbaum schon stark heruntergebrannt. Ausgepackt (sowie hoffentlich weitgehend bald umgetauscht) hat man die tollen Geschenke. Heiligabend war wieder erhabener Höhepunkt des Jahres. Mit leuchtenden Augen ergeht rundum der feierliche Gruß: »Frohe Weihnachten!« Das bestellte Festtagsmenü im Kreis der lieben Verwandten und im Landgasthof ist wieder gespickt mit Erinnerungen und herzlicher Bewunderung der kleinen, putzigen Enkelkinder mit ihrem rührenden, unschuldigen Gebrabbel. Dann wird zwischendurch und kindlich etwas geschrien, gestritten und geweint.

Auch die obere Generation agiert bissiger. Es muss angestautes Insiderwissen unangenehm ausgebreitet werden. Und schon sind auch noch diametral entgegengesetzte politische Ansichten aufgeflammt. Aber höchstens eine halbe Stunde lang, dann schweigt man kurz, erbittert, schon ziemlich ausgehungert sowie noch erschöpft vom adventlichen Stress. Die Halbwüchsigen, befehlsmäßig besser gekleideten Sprösslinge werden etwas ungeduldig, weil die Speisen auf sich warten lassen. Das Personal hat alle Hände voll zu tun. »Nota bene iste man an diese Feiertagung total ausgebuchte und übergefordert«, so der mediterrane Wirt später herzlich im vertraulichen Gespräch, total verschwitzt und mit Grappaspende. »Auf die Haus!«

Zum Glück versiegt der Gesprächsstoff nebst etwas Zoff auch nach zwei Stunden nicht und überspielt dezent das Magenknurren. Doch dann treffen sporadisch wenigstens einige Kleinigkeiten wie Salat und ein paar altbackene Brötchen ein. Selbst etliche Suppen, wenn auch so weit abgekühlt, dass jedes Gebläse überflüssig wird, werden aufgetischt.

Zum Spätnachmittag hin ebbt die Hektik etwas ab, das noch vorhandene Essen wurde serviert. Zufriedenheit und Gelassenheit greifen endlich um sich, angestauter Dampf hat sich verflüchtigt. Man ist abgespeist. Die Kleinen quengeln nur noch schwach und übermüdet, einige sind tief eingeschlafen und werden von Muttern leicht hin- und hergewiegt. Glücklicherweise partizipiert wenigstens der gesetztere, frohe Bürger noch an den seligen Strahlen der Heiligen Nacht, dem allmählichen Ausklang der Weihnachtstage mit seinen ergreifenden Oratorien. Die festliche Christmette mit Sängern und Instrumentarium wird theoretisch, aber leidenschaftlich zerlegt. Dann genießt man mithilfe von Alkoholika eine meditativ aufkommende Ruhigstellung, ja Gleichgültigkeit, gegenüber den kleineren und größeren Unbillen des Lebens. Die Stimmung hebt sich sanft in größere Höhen. Es ist Frieden eingekehrt in die mediterranen Stuben.

Die ältere Generation ergötzt sich an der Familien-App. Fernwehsüchtige, fast erwachsene Kinder haben irgendwo auf der weiten Welt ein Bier getrunken und übermitteln eifrig, was sie da vor sich auf dem Teller haben: irgendwelche Shrimps aus Aquazuchtanlagen, vielleicht aus Bangladesch oder dem morastigen Mekongdelta, sowie Erdbeernachtisch aus chinesischen Großgewächshäusern mit erdloser Substratzüchtung auf Schaumstoffbasis oder Blähtontechnik. Die Magenverstimmung sei abgeklungen, der Darm arbeite wieder zuverlässig. Auch dass der Aeroplan gerade in Neuseeland oder Südafrika erst morgen wieder weiterfliege, weil das Bodenpersonal unzufrieden und zum Streiken aufgelegt ist, wird den Eltern live übermittelt. Das überrascht die Altvorderen doch erheblich. Schließlich haben sie ihren spärlichen Urlaub noch mit Ausflügen in Reichweite und Brotzeit im Rucksack sowie ohne weitere Kommunikationsmöglichkeiten schadlos überlebt.

Was sie noch nicht wissen: Der Führerschein ist, zumindest beim Girgl senior, später in Gefahr, weil ein paar frustrierte Polizisten ausgerechnet an jenem schönen Feiertag in dieser Gegend zur Kontrolle aufgestellt wurden.

Besonders der jüngere, gesunde, tatkräftige Mensch im Weihnachtsferien-Indoormodus muss jetzt sehr aufpassen, dass er nicht in das Loch der Stille und des Gleichmuts der nachfolgenden unspektakulären Werktage hineinfällt. Das Niemandsland »zwischen den Jahren« ist angebrochen. Einige Tage noch ausschlafen, Facebook checken, eifrig mit Freunden, die um die Ecke wohnen, per Handy coole Sprüche und Selfies austauschen, das macht Spaß und verkürzt die sich dehnende Zeit.

Erfolgreichere Taten werden nun angepeilt. Da sinnt nämlich der Testosteronüberschuss in hoffnungsvollen Jungmannen darauf, das Ende des schwindenden Jahres würdevoll krachend und Funken sprühend ausklingen zu lassen. Zum Beispiel hat sich der Heinerl – den Familiennamen will er gegenüber der Zeitung, die sein Schicksal später warnend aufgegriffen hat, seit dem unvorhersehbaren Desaster nicht nennen – bereits über das Internet mit ein paar Freunden rechtzeitig abgesprochen. Sie wollen es diesmal besonders wunderbar krachen lassen. Und das bereits rechtzeitig. Tage bevor die Masse mit den weniger attraktiven einheimischen Raketen und Froschknallern antritt, soll ordentlich Zauber gemacht werden. Chemikalien wie Magnesium, Aluminiumpulver und Chlorat haben sie bereits vorsorglich gebunkert. »Das gibt wesentlich mehr Dampf als das langweilige Schwarzpulver«, sagt der Heinerl, und die Freunde nicken wissend in Vorfreude auf das Spektakel.

»So ein selbst gebauter Sprengkörper ist nämlich um Klassen besser als das übliche harmlose Zeug«, meint der Xare entschieden, obwohl er damit im vorigen Jahr bereits einige mittlere Verbrennungen erleben durfte.

Böllergedonner, Rumpeln, dass die Hauswände wackeln und den Alten der Hut abhebt, damit soll das alte Jahr vernichtet werden. Aber noch ist es nicht ganz so weit. Die Flasche geht reihum. Es wird vorgeglüht. Hochprozentig. In einer elterlichen Garage werden dann die Zutaten für die Superböller entsprechend verfeinert, gemixt und abgefüllt– um dann für eine vorzeitige Überraschung zu sorgen.

Die erste Explosion lädiert vor allem dem Heinerl für länger sein gesamtes Gestell. Breitbeinig und prüfend beugt er sich über das Gemisch. Dadurch werden seine oberen Schenkel und sein Zeugungsgerät stärker beeinträchtigt. Aber auch die guten Freunde sind zu nahe am Ort des verblüffenden, auf der logischen Reaktion chemischen Geschehens beruhenden Vorganges. Einige wichtige Teile ihrer sportlich gestählten Körper verändern sich dummerweise zum Ungesunden hin.

Die zweite Explosion legt die stabile Doppelgarage beinahe in Trümmer. Glücklicherweise können die Düpierten, denen es nun aber pressiert, eifrig humpelnd das nähere Weite suchen. So hält sich der Schaden in unangenehmen Grenzen, und schon nach wenigen Wochen dürfen die Freunde das Krankenhaus, teils auf Krücken, teils mit schmucken Verbänden versehen, wieder verlassen. Das Meisterstück der drei Hobby-Pyrotechniker wird zum unübersehbaren Fanal. »Noch einmal davongekommen«, meinen die besorgten Eltern mit ernsten Gesichtern. Besonders dem Heinerl seine Angehörigen danken dem lieben Gott für seine nachsichtigen Fügungen und dafür, dass der Junge einigermaßen überlebt hat.

Jetzt heißt es aber bald wieder: »G’sund bleib’n und auf ein Neues!« Denn nicht nur die traute Weihnacht mit glücksbringender Tradition und feinem Naschwerk, sondern auch das Jahresende naht bekanntlich regelmäßig weit schneller, als man glaubt. Man kann gar nicht rechtzeitig genug vorsorgen. Denn dann muss es erneut rumpeln und böllern, was das Zeug hält, um die bösen Geister zu vertreiben. Schneidig, fröhlich sowie unbekümmert tapfer darf man wieder in die ungewisse Zukunft hineinwandern. Forever young, für kurz oder lang, überhaupt nicht bang. Das Privileg der testosterösen maskulinen Freunde und ihre Erfindungsgabe wandert fröhlich weiter. Das ist die Jugend; impulsiv eilt sie unbekümmert in das Neue hinein.

Geheime Pläne, Tod und Guglmänner

Das war die Sensation: Ein Guglmann lüftete kurz vor Weihnachten sein Inkognito. In einem Interview packte Korbinian Wurmbauer unumwunden aus: »Eigentlich bin ich seit meiner Jugend ein leidenschaftlicher Gebirgsschütz aus dem Isarwinkel. Aber einige Zeit vor dem 170. Geburtstags-Jubiläum unseres Kini Ludwig II. wurde mir die Ehre zuteil, ein Guglmann zu werden.«

Laut Statuten kann man den Guglmännern nicht einfach beitreten. Man wird erwählt. Die Einhaltung der Arkandisziplin (arcanum, Geheimnis) sowie das Bewahren der urbajuwarischen Gemeinschaft sind besonders wichtig. Auch muss der Guglmann dabei helfen, die Wahrheit um den Tod unseres Märchenkönigs aufzudecken. Das sind unter anderem die wichtigsten Kriterien. Die Auswahl geschieht äußerst akribisch. Der geeignete Kandidat wird unauffällig und lange beobachtet, ob er das alles erfüllen kann, bevor man ihn zwecks Beitritt kontaktiert.

Korbinian Wurmbauer glücklich: »Zwei Guglfreunde als Zeugen beschworen dann in traditioneller Weise meine Tugenden: Treue, Zucht, bayerischen Frohsinn, ritterliche Ideale, hohe Minne und christliche Barmherzigkeit. Das alles sind die Voraussetzungen zur Mitgliedschaft. Erst nach einer längeren Probezeit durfte ich die Gugl, die schwarze Kapuze, bei der hundertsiebzigsten Geburtstagsfeier unseres Kini in Berg am Starnberger See und sogar das Banner mit den zwei gekreuzten Fackeln tragen.«

Aber dann traten unverhofft Differenzen auf. Ein vermummter Spion hatte sich unter den Königstreuen eingenistet und machte die schöne Feier lächerlich. Er zeigte sich als Zulieferer eines journalistischen Schmierblattes. Es war leider sogar ein Gebirgsschützenkamerad von Korbinian Wurmbauer. Er konnte ab sofort weder Königstreuer noch Guglmann mehr sein, hatte er doch sogar einen Meineid bei der Vernehmung durch das obere geheime Femegericht geschworen. Sein unentschuldbarer Kommentar: »Das haben andere, wichtigere Leute aus Politik und Wirtschaft auch schon gemacht.«

Schon seit Langem schritten diese dunklen Geheimbündler bei allen Beisetzungsfeuerlichkeiten der bayerischen Monarchen stets dem Sarg voraus. Manche bildeten auch die Nachhut zur Absicherung. Angetan mit schwarzen Mönchskutten sowie Haupt und Antlitz bedeckt von einer umfangreichen Kapuze, begleiteten sie unter Trommelwirbel stets den letzten hohen Gang.

Geheimnisumweht ist und bleibt das erste Auftauchen dieser sogenannten Guglmänner. Wann genau, weiß keiner. Wahrscheinlich das erste Mal zum Leichenzug des Kaisers Friedrich Barbarossa. Ertrunken im Flusse Saleph, wurde er von aufrechten Kreuzrittern unter Führung des berühmten Wittelsbachers Otto I. von Bayern in Essig eingelegt und stückweise heimgetragen. Wegen der großen Hitze waren die geharnischten Freunde gezwungen, in Antiochia umgehend sein Fleisch zu begraben. Nur das Skelett gelangte eventuell in die Heimat zurück. Ob das wirklich geklappt hat, ist ungewiss. Um große Persönlichkeiten und ihre Taten ranken sich ja immer Legenden durch die Geschichte.

In namenloser Trauer, so heißt es glaubhaft, hüllten sich die edlen Ritter in schwarze Mäntel und bedeckten Haupt und Antlitz vollständig mit großen schwarzen Kapuzen. Das Verhüllungsverbot kam eigentlich erst wesentlich später auf. Es sollte aber der Beginn der bayerischen Guglmännerbruderschaft werden. Nun halten diese Ehrenmänner vor allem das Andenken und die Bedeutung des größten Romantikers unter den Monarchen aller Zeiten, König Ludwig II., dem Märchenkönig, aufrecht und versuchen nachdrücklich sowie akribisch, den offensichtlich höchstmöglichen Mord aufzuklären. War es wirklich wie bei dem populären bayerischen Volkshelden und Wildschützen Jennerwein ein heimtückischer Schuss von hint?

Korbinian Wurmbauer, der Guglmann mit Leib und Seele, ist auch Heimatpfleger von Schwartling. Im geheimen Lesesaal des Bayerischen Hauptstaatsarchivs zu München absolvierte er einen Interpretationskurs zum Verständnis und zum Entziffern alter bayerischer Dokumente. Von legendären Schriftzeichen einer karolingischen Minuskel bis zur zierlichen Schwabacher Kanzleischrift erreichte er bald eine größere Kompetenz in Sachen Deutung und Verständnis historischer Botschaften. Vor allem der einmalige Märchenkönig Ludwig II. und seine Zeit waren aber hauptsächlich Ziel seiner Nachforschungen. Allmählich verwischte sich jedoch durchaus sein historischer Forschungsdrang mit realitätsfernen Einbildungen, und die überlieferten Tatsachen schwanden, ja verwoben sich sogar immer mehr in seinem eifrig fantasierenden und kombinierenden Hirnkastl. Eines blieb aber klar: Er merkte bald, dass unsere bayerischen Regenten immer schon den schönen Künsten zugeneigt waren. Sogar mit dem hellenischen Volk und seinen Baudenkmälern verbindet ja ein besonderes Band die großen bayerischen Monarchen.

Ludwig I. hat bis zum heutigen Tag München zur Kunstmetropole, zum Isar-Athen Bayerns, gekürt. Und sein Sohn Otto I. Friedrich Ludwig wurde sogar milder Herrscher über die Griechen. Sein später in Ehren pensionierter Hofbaumeister Leo von Klenze konnte bis heute der Hauptstadt Athen einen original klassizistisch-bayerischen Stempel aufdrücken. Nachdem die Hellenen aber nach einiger Zeit von einem zwar gutmütigen, aber auch eigenwilligen, manchmal etwas gestörten König nicht so begeistert waren, schickten sie den guten Otto wieder heim und zur Beobachtung vorübergehend in eine königlich-bayerische Irrenanstalt. Doch die klassischen Künste schliefen nie ein. Denn einer blieb sofort und nachdrücklich am Ball. Es war der besondere Kini Ludwig II.

Und nun kommt Korbinian Wurmbauer wieder ins Spiel. Bei einem gut besuchten Vortrag im Saal und im ersten Stock der Dorfwirtschaft von Schwartling berichtete er erstmals fundiert von seinen Recherchen im Hauptstaatsarchiv zu München über den begabten und kunstarchitektonisch einmalig ambitionierten Monarchen. Er führte aufgrund seiner Nachforschungen und Kombinationen aus: »Der später von bösen Kräften abgesetzte und verfolgte König hatte weitere bahnbrechende, ja sogar genügend bis heute geheim gehaltene Ideen zur Verwirklichung vorbereitet. Unter anderem wollte er zum Beispiel den berühmten Ausgräber Heinrich Schliemann schon frühzeitig beauftragen, mit Troja noch etwas zu warten, aber dafür umgehend das Löwentor von Mykene auszugraben. Er hätte dieses tolle Eingangstor dringend benötigt. Schon damals und weit vorausschauend wollte er in Hellabrunn einen Tierpark, hauptsächlich für auswärtige und wilde Tiere, eröffnen. Der erste Geozoo der Welt hätte somit schon wesentlich früher seinen Siegeszug antreten können. Bereits in seiner Amtszeit schon wollte er 19.000 Tiere aus über 750 Arten ausstellen. Da wäre doch dieses Löwentor ein einmaliger Eingang gewesen. Auch seinem Freunde und notenbestsellerschreibenden Intimus Richard Wagner war seine besondere kompositorische Aufgabe im Voraus wohlwollend zugeteilt. »Richard Wagner«, soll der König weise gesprochen haben, »komponiere du mir zur baldigen Eröffnung unseres Tierasyls eine gewaltige aktvolle Oper. Der Titel muss ›Löwengrimm‹ lauten. Ich stelle mir ein bayerisch-germanisch orientiertes Trauerspiel vor.«

Auch ein weiteres Projekt soll dem Souverän zeitweise nicht mehr aus dem Kopf herausgegangen sein. Wo heutzutage die Daglfinger Trabrennbahn ausdehnend sich erstreckt, hatte der König damals schon seine galoppierenden Visionen: »Genau an dieser Stelle will ich eine antike Wagenrennbahn verwirklichen.« Was man heute in dem monumentalen Hollywoodfilm »Ben Hur« eifrig und gerne bewundert, hätte bereits früher verfilmt werden können, wenn es nach König Ludwig II. gegangen wäre und sich die ersten Filmpioniere mit der nötigen Beeilung an die Arbeit gemacht hätten.

Korbinian Wurmbauer präsentierte dann angeblich weitere besondere Funde aus dem Staatsarchiv, Standort München: »Bis zum jetzigen Moment völlig geheim gehalten werden zum Beispiel die Pläne unseres Kini, am weniger bekannten Simssee das Lustschloss ›Neu-Entenstein‹ für die Schwester seiner kurzzeitigen Braut namens Sophie zu errichten.«

Sissi, diese wunderschöne, taffe Frau und spätere Kaiserin von Österreich, liebte er, wie man heute weiß, rein platonisch, jedoch heftig. Vorausdenkend befürchtete er aber höchstwahrscheinlich diplomatische Verwicklungen, sodass er sich von der verwirrend schönen Frau lieber fernhielt und zur tröstenden Entspannung mit seinem Stallburschen des Nachts tolle Schlittenfahrten unternahm. Trotzdem ist ihr Ausspruch angeblich überliefert: »Er hatte mir zum Abschied die Hand so viel geküsst, dass die Tante anschließend fragte, ob sie noch dran sei.« Den Plan für »Neu-Entenstein« hielt er dennoch hartnäckig aufrecht.

Einschränkend traf schnell darauf sozusagen ein Wermutstropfen ein. Die Mehrzahl der damaligen Gemeinderäte durchkreuzte aus rein moralistisch-ethischen Gründen den wunderbaren Plan. Denn die lockere Sissi wurde dummerweise mehrmals in flagranti ertappt. Sie badete in den bayerisch-christlichen Seefluten sogar oben ohne. Und zwar nicht nur ohne die vorgeschriebene Badehaube.

So verblieben als einzige Andenken zu diesem Vorhaben nur: die Nachkommen der Schwäne und Enten, die der König damals aus Neuschwanstein extra herbeiholen ließ. Diese kann man sogar heute noch bewundern. Offensichtlich wurden sie damals mit dem Privileg der Exkrementierungsfreiheit an den Badestränden ausgestattet.

Korbinian Wurmbauer war fast am Ende seines fundierten Vortrages im ersten Stock, Dorfwirtshaus Schwartling, angekommen. Niedergeschlagen flüsterte er: »Leider, leider wurde so mancher herrliche Plan unseres Ausnahmemonarchen durch Intrigen erst verhindert und dann durchkreuzt.«

Der Applaus war mäßig. Einige Stimmen forderten sogar erregt eine Untersuchung von Korbinian Wurmbauer. Vor allem der sachverständige Hausmeister, der extra aus dem geheimen Staatsarchiv München angereist war, zeigte sich enttäuscht. Traurig meinte er: »Ich habe mir fundiertere historische Neuheiten von diesem Vortrag versprochen.« Doch wie man aus Erfahrung weiß, entsprechender Stoff für mögliche Legendenbildung und Gemunkel bleibt allemal.

Die bodenlose, tiefgründige Tragik an dieser einmaligen, hochbegabten Königsfigur ist aber eine furchtbar andere. Da dieser König niemals ruhte, uns Nachkommen mit den schönsten Künsten und Schlössern dieser Welt zu versorgen, hatte er in zwei lebensbedrohenden Punkten nicht an sich selbst gedacht. Erstens schien er vergessen zu haben, am Starnberger See eine Wasserwachtstation zu gründen. Zweitens war ihm aufgrund seiner Bautätigkeit nie genug Zeit geblieben, sowohl das perfekte Untertauchen als auch das Auf-und-davon-Schwimmen zu erlernen. Das war im wahrsten Sinne des Wortes sein Untergang.

Sehr deprimiert und nachdenklich schritten damals nicht nur die treuen Guglmänner zum Trauergottesdienst vor und hinter dem Sarkophag mit. Es wurde ein echtes Fanal der Treuebekundung. Und bis zum heutigen Tage sind die Königsergebenen dabei, Spuren des mysteriösen Todes zu sichern und alljährlich das tiefe Andenken mit einer umfassenden Feier zu bewahren. Alle folgenden Generationen sind aufgefordert, den ursprünglichen Sinn von Tradition und Würde auch in die Zukunft zu transponieren. Nicht nur die eifrigen Gebirgsschützen und Guglmänner, sondern das gesamte Volk ist hiermit aufgerufen, sich zu sammeln, nachzuspüren und zu helfen.

Gestrandet am Ostseestrand

Heftig hatte das Schicksal wie so oft auch hier gewaltet. Und zwar an der Ostsee, wo die ehemalige Hansestadt Stralsund ihre Türme und alten Speicher traditionell erhebt. Ist Liebe stärker als das weiß-blaue Band zum oberbayerischen Samergebirge, der Blaskapelle und dem heimatlichen Gebirgstrachtenverein? Sogar wenn sie in Mecklenburg-Vorpommern zuschlägt?

Der Schwertl-Heini stand ganz vorne auf dem künstlichen Wellenbrechersteinwall. Immer wenn ihn die Nostalgie überkam und sozusagen der Heimatblues übermannte, zog es ihn hierher. Er hatte wieder seine Trompete mitgebracht. Traurig blies er dann in den starken Gegenwind und den leicht nebeligen Sommertag hinein. Es war eigentlich eine Zitherkomposition, die romantisch und ergreifend klang: »Der Weg zum Herzen« von Georg Freundorfer, schon vor Jahren für Blaskapelle arrangiert, vom Leiter der Samerberger Trachtenkapelle.

Drüben am Segeljachthafen plantschten ein paar abgehärtete Nudistenanhänger im 16 Grad kühlen Wasser. Sie grüßten freundlich zum einsamen Mann herüber. Versunken winkte er zurück. Er war nie so recht glücklich geworden in den Ausläufern der Norddeutschen Tiefebene, dort, wo die Ostseewellen schlagen an den Strand. Zufrieden, ja, das war er meistens schon. Denn eine starke Kraft namens Verliebtheit hatte ihn hierher in diesen entlegenen Winkel verschlagen. Diese süße Art Krankheit war der Auslöser für seine Odyssee in das Mecklenburger Vorpommern-Land, fast ohne Rückkehr. Eine schwache Sonne strahlte von Dunstschleiern verhüllt über die raue See.

Es begann alles damit, dass er bei der Fütterung im berühmten Ozeaneum und Meeresmuseum von Stralsund fasziniert in die kalten Augen der wendigen Haifische blickte. Sie schnappten gierig nach den Bissen, und ein leichter Schauder überkam den scharf Beobachtenden. Ein fröhlicher Ausflug der Trachtenblaskapelle Samerberg zur berühmten Hansestadt sollte es werden. Aber – das wusste er vorher noch nicht – diese Vergnügungsfahrt würde das Schicksal schwer herausfordern. Seine Freunde saßen bereits beim Brunch mit Aalsuppe und Kieler Sprotten in der Uferwirtschaft gemütlich beisammen. Als leidenschaftlicher Fischer und Schnorchler absolvierte er noch schnell einen Abstecher in die Unterwasserwelt. Da stand er nun fasziniert in seiner Trachtenausrüstung mit dem kessen Gamsbarthut, und heimlich bewundernde Blicke der Einheimischen streiften den südbayerischen Exoten fern der Heimat.

Plötzlich wurde er angesprochen: »Lieber Folkloremann, können Sie mir Ihr Handy kurz ausleihen? Ich hätte ein besonders wichtiges Telefonat zu führen. Die Batterie ist leider leer.« Noch leicht abwesend blickte er in wärmere, strahlend blaue Augen. Blond, etwas größer als er, der gedrungene, wohlgenährte Mann aus dem Isarwinkel, stand sie wie aus einem Märchen da. Prinzessinnenhaft. Und weil sie besonders hübsch anzusehen war, entgegnete er in warmer Südhochdeutschsprache: »Ja freili, wenn i helfa konn.« Und so entspann sich augenblicklich etwas Tiefgreifendes mit ernsten Folgen. Das nahte unausweichlich immer schneller, wenn auch zunächst paradiesisch.

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Der Autor

Wolfgang Schierlitz ist damals geboren und allmählich aufgewachsen. Es folgten Schriftsetzerlehre und Ausbildung zum »Schweizerdegen«. Danach Tätigkeit als Fahrkartendrucker bei der Deutschen Bundesbahn, Verlagshersteller, Typograf, Grafiker und Texter für internationale Firmen. Die Gründung einer eigenen Offizin folgte. Kürzlich erhielt er von der Handwerkskammer Ulm die Auszeichnung »Deutscher Meister«. Mehrere Seh-Mester und Studien auf Allgemeinplätzen und in Bierzelten. Nebenwirkungen: bisher zehn satirische Bücher, Kabarettist mit »H2-O2« und »Die mit den Wölfen heult« sowie Soloauftritte. Er ist Preisträger bei Radio Regenbogen mit dem Verband deutscher Schriftsteller (VS Bayern) – mit einer Sommergeschichte.

Im Rosenheimer Verlagshaus sind von ihm bereits Wenn überhaupt, dann höchstens kaum erschienen, eine Sammlung von skurrilen Geschichten, Wie frau mit einem Bayern überleben kann, ein herrlich unernstes und dabei praxisnahes Buch über Beziehungsprobleme von Bajuwaren, ebenso die etwas anderen Weihnachtsbücher Pleiten, Pech und Tannen,O Pannenbaum!,TannenPannen sowie PannenNadeln.

Von Wolfgang Schierlitz bereits erschienen

PannenNadeln

eISBN 978-3-475-54709-6 (epub)

Bereits zum vierten Mal blickt Wolfgang Schierlitz mit seinem ganz eigenen Humor auf das Weihnachtsfest. Schon bei der Vorbereitung des hohen Festes gibt es einiges zu beachten. Um den Familienfrieden zu wahren, muss zum Beispiel der perfekte Christbaum beschafft werden. Doch das ist in der ganzen Hektik nicht immer so einfach und so kann es schon mal vorkommen, dass man nur noch einen nicht ganz so perfekten Baum ergattert. Hier ist der Ärger natürlich vorprogrammiert.

Mit lustigen und pannenreichen Geschichten ist dieses Buch ein Muss für alle, die dem Weihnachtsstress entfliehen wollen.

TannenPannen

eISBN 978-3-475-54604-4 (epub)

In diesem Buch führt uns Wolfgang Schierlitz ein weiteres Mal die Tücken des Weihnachtsfestes vor Augen. Auf amüsante Weise schildert er, wie man die richtige Geschenkauswahl für seine Lieben trifft. Schwierigkeiten ergeben sich dabei vor allem bei den Kleinsten, die in ihrer Neugier und Unbefangenheit den lieben Onkel als Nikolaus identifizieren. Ein Wettstreit über das schönste Krippenspiel endet in der friedlichen Zeit schon mal in lautem Chaos und Disharmonie.

Dieses Buch ist der ideale Begleiter für die stressige Weihnachtszeit, in der man auch gerne einmal herzhaft lacht.

O Pannenbaum!

eISBN 978-3-475-54513-9 (epub)

Der Nachfolger von »Pleiten, Pech und Tannen«: Wolfgang Schierlitz zeigt uns, wie es rund um Weihnachten so zugehen kann! Katastrophen und Pannen, urkomische Missgeschicke und amüsante Zwischenfälle säumen den Weg zum Fest. In seinem unverwechselbaren Stil erzählt er von etwas sonderbaren Feuerwehreinsätzen, völlig verrücktem Christbaumschmuck und der obligatorischen Beziehungskrise während der Feiertage.

Mit einem gehörigen Augenzwinkern stimmt er uns erneut auf die schönste Zeit des Jahres ein und stellt fest, dass niemand perfekt ist.

Besuchen Sie uns im Internet:www.rosenheimer.com