PannenNadeln - Wolfgang Schierlitz - E-Book

PannenNadeln E-Book

Wolfgang Schierlitz

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Beschreibung

Bereits zum vierten Mal blickt Wolfgang Schierlitz mit seinem ganz eigenen Humor auf das Weihnachtsfest. Schon bei der Vorbereitung des hohen Festes gibt es einiges zu beachten. Um den Familienfrieden zu wahren, muss zum Beispiel der perfekte Christbaum beschafft werden. Doch das ist in der ganzen Hektik nicht immer so einfach, und so kann es schon mal vorkommen, dass man nur noch einen nicht ganz so perfekten Baum ergattert. Hier ist der Ärger natürlich vorprogrammiert. Mit lustigen und pannenreichen Geschichten ist dieses Buch ein Muss für alle, die dem Weihnachtsstress entfliehen wollen.

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LESEPROBE zu

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2017

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelillustration und Illustrationen im Innenteil: Sebastian Schrank, München

Lektorat: Christine Weber, Dresden

Worum geht es im Buch?

Wolfgang Schierlitz

PannenNadeln

Lustige Weihnachtsgeschichten

Bereits zum vierten Mal blickt Wolfgang Schierlitz mit seinem ganz eigenen Humor auf das Weihnachtsfest. Schon bei der Vorbereitung des hohen Festes gibt es einiges zu beachten. Um den Familienfrieden zu wahren, muss zum Beispiel der perfekte Christbaum beschafft werden. Doch das ist in der ganzen Hektik nicht immer so einfach, und so kann es schon mal vorkommen, dass man nur noch einen nicht ganz so perfekten Baum ergattert. Hier ist der Ärger natürlich vorprogrammiert.

Mit lustigen und pannenreichen Geschichten ist dieses Buch ein Muss für alle, die dem Weihnachtsstress entfliehen wollen.

Inhalt

Vorwort (Gerhard Prokop)

Frohe Tortenweihnacht

Tierisch berühmt

Von Wachsziehern, fleißigen Bienen und Brandschäden

Lauscha-Angriff mit Christbaumkugeln, anno domini

Der sonderbare Christbaumschmuck

Glücklich im Schneesturm gefangen

Waidmannsheil und vielen Dank im Advent

Vom heiligen Stiefvater Josef

Vorsorgliche Flucht

Pannennadeln

Nikolaus, du bist hier fehl am Platz!

Gefangen im Auto am Heiligen Abend

Der Ursprung des Anklöpfelns

Wohltuende Brände

Der Weihnachtsdieb

Wie im Märchen

Finger weg!

Ein neues Hüftgelenk zum Feste

Der Antizykler

Anna Hosi und die friedliche Weihnacht

Der unverwüstliche Kalender

Weihnachtssymphonien

Erwartungsfroh

Der Autor

Vorwort

Wer Wolfgang Schierlitz schon sehr lange kennt, dem sind wohl seine ernsten, vom Existentialismus geprägten frühen Texte in Erinnerung. Bekannt wurde er aber als Autor und Kabarettist für ein stetig wachsendes Publikum mit seinen humoristischen Satiren.

Seine Schlitzohrigkeit ist mitunter subversiv und bayerisch hinterfotzig, sein Humor wirkt oft wie eine pazifistische Verteidigungswaffe.

In seinen Schelmengeschichten entdecken wir mit großem Vergnügen die Grotesken und Abgründe unseres Alltags.

Gerhard Prokop

Frohe Tortenweihnacht

Alle Jahre wieder schwebt nicht nur das Christuskind herein, sondern mit ihm auch die unausweichliche Problematik der dann fälligen Präsente. Noch dazu erscheint es meistens viel zu schnell, das gute Kind. Die drängende, diesbezügliche Frage spitzt sich unausweichlich kurz vor Weihnachten deprimierend sowie unumwunden zu: »Was soll ich denn bloß wieder schenken? Die haben ja schon alles! Was mach ich denn, um nicht mit leeren Händen und vor Scham roten Ohren dazustehen?«

Und so gleitet die sogenannte Geschenkekultur immer mehr ab. Und zwar leider ins Banale. Milliardenschwer werden Geschenkgutscheine als Verlegenheitspräsente im letzten Moment, also bereits kurz nach Torschluss der Geschäfte am 24. Dezember, als Ausweg erkoren. Der verzweifelte Sucher nach etwas Brauchbarem und Vernünftigem für die ins Auge gefassten zu Beschenkenden hat wieder einmal kapituliert.

Total niedergeschlagen wird dann stets gejammert: »Obwohl ich mir bereits seit der letzten Hitzewelle im August immer wieder meinen eigenen Kopf zerbrochen habe, steh ich nun als armer Tropf und trauriger Schenker vor dem Fest der Feste wieder einmal verzweifelt da.« Hastig ausgestellte Gutscheine, Bargeld und sonstige zweifelhafte Ersatzpräsente, die keine großen Überlegungen mehr erfordern, erringen immer öfter die Oberhand. Sie sind zwar auch nicht unerwünscht, hinterlassen aber eine gewisse Leere, eine Verfremdung, sogar unter den allernächsten Verwandten. Heimlich ins Fäustchen lacht sich aber der glückliche Warenhandel aller Art, weil zehn bis fünfzehn Prozent aller gut gemeinten Gutscheine niemals eingelöst werden. So hat auch der Geschenkenotstand seine angenehmen Seiten der wunderbaren Vermehrung.

Trotz einer intensiven Nachdenklichkeit, und wenn satte, dennoch unzufriedene Kinder schon mit allen digitalen, technischen, handwerklichen, kulinarischen und sonstigen anspruchsvollen Sachen gesegnet sind, wird es eng. Äpfel, Birnen, Orangen, Zwetschgen und Nüsse, die man früher unterm Baum fand, verderben doch nach und nach, sodass in der heutigen Zeit kein Mensch mehr gierig nach diesen essbaren Geschenken ist. Bereits an Lichtmess fliegen dann viele gute natürliche Objekte voller Vitamine und wichtiger Spurenelemente einfach in die grüne Biotonne. Man hat ja doch genügend Schokosachen, Gebäck, Torten, Kuchen, einen Nusszopf mit reichlich Schlagrahm und Puderzuckerüberzug sowie anderes süßliches Zeug herumliegen. Diese Zuckerbomben erzeugen leider oft schlechte Stimmungen in den Eingeweiden, vor allem aber voluminöse Körperumfänge. Besonders Kinder trifft dies, die dann schon im Kindergarten sowie in der Schule gehänselt werden, solange die restlichen schlank gebliebenen Jugendlichen dazu noch in der Lage sind. Und niemand zieht leider die Eltern, die es vermeintlich ja nur gut meinen, zur Verantwortung. Irgendwann ist es unausweichlich nicht nur kurz vor zwölf mit diesem Trauerspiel, dann sind lange, enttäuschte Gesichter vorprogrammiert.

Vom sprichwörtlichen Glück der Jugend kann selbst der größte Optimist anschließend weit und breit kaum mehr etwas finden. Auch wenn Weihnachten bereits vorüber ist, zieht sich die kontinuierliche Misere umgehend in das neueste Jahr hinein, ja sogar durch das ganze, herannahende, schwer gezeichnete Leben. Dadurch sind die Folgen nicht besonders erfrischend. Noch dazu, weil jeder vom eigenen Kopf her weiß, dass Speckpfunde weit schneller drauf als wieder runter sind. Und die Pillenverkäufer für schnelles Schrumpfen freuen sich wieder einmal über Hochkonjunktur.

Eine besonders wichtige Überlegung beim Geschenkeerwerb stellt sich nicht zuletzt auch durch den Platzbedarf. Die Wohnflächen schrumpfen aus Preisgründen, die Kinderzimmer werden kleiner, die Ruheräume der Autos umso größer. Sehr häufig muss auch ein glücklicher Häuslebauer die Doppelgarage weit großzügiger planen, wo doch die Limousinen immer mehr Prestigevolumen erreicht haben. Was tut das schon, wenn dadurch pro Protzkarre jedes Mal zwei Parkplätze belegt werden müssen? Vom Plastikspielzeug für die Kleinen über alle möglichen und unmöglichen elektronisch-maschinellen Geräte bis hin zu den im ganzen Haus verteilten Legosteinen ist nun kaum mehr Platz für all die tausend Sachen und Geschenke, geschweige denn für neues Präsent-Gut. Für gewöhnlich gleitet der verzweifelte Blick dann ins Internet, und es wird gegoogelt, dass die Glasfaserkabel heiß laufen. Und was rät diese moderne Fundgrube: Beispielsweise vielleicht einen Zauberkasten mit Gebrauchsanweisung für Nachwuchsillusionisten in allen Größen und Preislagen? Das wäre doch was, so nimmt man mit Bestimmtheit an. David Copperfield sowie Siegi und Roy haben ja bestimmt auch einmal so oder so ähnlich klein angefangen. Aber solche Zauberkästen mit Zauberrezepten aller Schwierigkeitsgrade liegen doch noch vom Geburtstag oder vom vorjährigen Christfest herum …

Oder man folgt dem Trend aus den immer stärker sowie überraschend kunterbunt prosperierenden, voll kitschig verbrämten USA. Dort weihnachtet es ja besonders stark. Neuerdings sind es »leerreiche«, beispielhafte neue Spiele, die eine verzweifelte Geschenkekultur erobern und bereichern. Auch wenn sich der verstandesgesunde Mensch manchmal zweifelnd, wenn auch verstohlen, an die Stirn greift, so ist der Siegeszug eigenartiger Zeitvertreiber als Überraschungen aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht mehr aufzuhalten. Denn die ganze Illuminationskultur in unendlichem Ausmaß, die wesentlich mehr Farben als der gute Regenbogen aufweist, ist anscheinend noch lange nicht ausgeschöpft. Die Betreiber der Elektrizitätswerke nehmen es gelassen, wollen doch auch sie am weihnachtlich-prosperierenden Geschäft teilhaben.

Spiele sind eigentlich vor allem dazu erfunden worden, nicht nur die Zeit zu vertreiben, sondern auch nachdenkliche, aggressive bis spaßige Emotionen zu wecken und zu erleben. Sie sollten sogar überwiegend und nachdrücklich lehrreich für das gesamte Leben sein. Vor allem der aufwachsende Mensch, als Kind ausgewiesen, und seinesgleichen Spezies wie kindische Erwachsene ergeben die hauptsächlichen Ansprechpartner. Es soll ein tieferer Sinn durchs Spielen entstehen. Die einen sind die Verlierer, dürfen aber ihre Enttäuschung nur gebremst zum Ausdruck bringen. Die anderen lassen jedoch ihrer herzlichen, tiefen Schadenfreude freien Lauf. Beim sozial noch nicht so stark herangereiften Nachwuchs sind deshalb sozusagen kleine Katastrophen nicht ganz auszuschließen.

Spielerische Beherrschung der Wut lernen, das ist sowohl für den kleinen als auch für den größer gewachsenen Menschen so eine Sache. Gerade in der beschaulichen Weihnachtszeit, wenn der Stress zwar weichen sollte, aber umso ausstrahlender, verbrämter, noch dazu ungehemmter um sich greift, wird es immer besonders wichtig, die sonst unter der Oberfläche grummelnden Probleme überlegt in den Griff zu bekommen. Das geht oft schief, und als beschämendes Resultat lauert der Familienzwist unter der fröhlich-heiteren Decke der festlichen Tage. Er dehnt und schleicht sich öfter bis weit in das frische, neue Jahr hinein. Das beschwingt den unguten Kreislauf der Gefühle fast wie bei einem Perpetuum mobile. Ich kann mich noch recht gut erinnern, wie sich selbst ein altersblonder Teilnehmer und Senior an einem ganz gemütlichen, bayerischen Schafkopfspiel im Familienkreise als Wutbürger outete. Weil er über einen längeren Zeitraum mit schlechten Karten gesegnet war, platzte er sozusagen wie ein alter Dampfkessel in Überdruckmanier. Er zerriss sein erneut eingetroffenes, grottenschlechtes Blatt und sprang auf und davon.

Es bleibt ebenfalls in starker Erinnerung, wie bei einem Besuch zwecks weihnachtlich-neujahrsbezogener Glückwünsche im befreundeten, benachbarten Familienhause der kleine Zornbinkel Kevin nach einem verlorenen »Mensch-ärgere-dich-nicht« die Spielfläche abräumte. Würfel und Männchen feuerte er mir nichts, dir nichts an die Wand, dass es knallte. Er tobte und strampelte sodann am Boden liegend aus voller Manier, bis die Kräfte nachließen.

Nun sind aber diese Nachbarn ein fortschrittliches, aufgeschlossenes und sogar akademisch gebildetes Ehepaar vom Feinsten. Sie ernähren sich gesund, biomäßig und weitgehend vegetarisch. Schon immer halten sie eine gewisse Gläubigkeit an das Höhere, vor allem aber an die Heilige Weihnacht, bewusst aufrecht. Eigentlich wäre doch anzunehmen, dass sie erziehungspsychologisch besonders up to date sein müssten.

Der sonst so verständnisvolle Vater: »Es kommt schon fast einer persönlichen Niederlage gleich, wenn einem so ein impulsives, unbeherrschtes Kind in die Wiege gelegt wird.« Und die aufgeschlossene, karitativ engagierte, hilfsbereite Mutter mit dem klangvollen Doppelnamen Maiermoser-Wurmeling ist offensichtlich auch nicht gerade sehr erbaut von ihrem strampelnden Sprössling. »Das habe ich so nicht erwartet vom Wunder des Mutter-Kind-Seins!«

Ich wollte die aufgewühlten Wogen etwas glätten und sagte harmlos: »Lieber Kevin, du hast doch bestimmt zu deinem wunderschönen Weihnachtsfest viele liebe und lehrreiche Sachen bekommen.«

Da kam ihm aber der kreative, mit hohem Intelligenzquotienten gesegnete Vater zuvor: »Wir haben dem Buben lauter geistanregende und tolle Sachen geschenkt. Beispielsweise ein herrliches Spiel mit Lerneffekt, entwickelt in den Vereinigten Staaten von Nordamerika.« Er holt eine größere Verpackung samt Inhalt hervor. »Das hat der Bubi bisher wegen der vielen Geschenke noch gar nicht ausgepackt.«

Da stürzt sich aber der Bubi sofort darüber her. Zum Vorschein kommt ein lustiges Plastikteil als Tischgerät mit ausgespartem Gesicht, das übergroße Ohren aufweist, kreiert als rotbackiger Clown. Durch die Gesichtsöffnung soll der jeweilige Spieler sein Antlitz stecken. Davor ragt ein Hebel mit einem Plastikteller heraus. Es handelt sich um das innovative, lehrreiche Unterhaltungsspiel »Pie Face«.

Der begeisterte Vater in diebischer Vorfreude zum Bubi: »Lieber Kevin, jetzt steckst du dein Gesicht durch die Öffnung, und schon bist du von vorne gesehen ein lustiger Clown.« Das macht der Bubi überrascht und eifrig, vom vorhergehenden Zorn noch stark abgelenkt, ja sogar geschwächt. Von Hinterlist hat er bisher so gut wie keinerlei Ahnung. Er ist beinahe noch völlig arglos. Der Hausherr gibt dann noch Anweisung an die ältere Tochter, die seit geraumer Zeit – sind es Tage, sind es Wochen, sind es Monate, wer weiß das noch? – das iPhone nicht mehr aus den Händen gelegt hat: »Halte dich bereit für ein besonders lustiges Foto.«

Die gleichfalls im Voraus schon begeisterte Mutter darf aus der Sprühdose eine Portion Rasierschaum auf den Teller geben. Eigentlich müsste da eine Sahnetorte liegen, aber die gibt es schon zum Nachtisch, und einer groben Verschwendung soll keineswegs Vorschub geleistet werden.

Der Bubi schaut verwirrt durch das Loch auf den Teller. Der Vater: »So, jetzt musst du nur noch an dem Handgriff vor dir drehen.«

Das macht der Bubi brav – der Teller springt hoch, und schon hat der Bubi die Bescherung im Gesicht.

Er erschrickt total. Das ist natürlich für uns Zuschauer äußerst lustig. Wir brechen in eine längere Lachsalve aus. Die Tochter knipst umgehend und ununterbrochen. Der gute Vater klopft sich auf die Schenkel und kann sich vor Lachen kaum mehr einkriegen. Auch die Mutter Maiermoser-Wurmeling zeigt ein äußerst amüsiertes, ansteckendes Vergnügen zur Schau. Nur der Bubi ist zunächst etwas gelähmt. Dann schmeißt er das ganze Kaspertheater um, wälzt sich erneut strampelnd auf dem Boden umher und schreit sämtliche Flüche, die er bisher in seinem jungen Leben gelernt hat. Das geschieht aus voller Kehle äußerst lautstark in die weihnachtlich-feierliche Gegend hinein. Eigentlich ist das ja sein gutes Recht, denn er fühlt sich nur noch hereingelegt. Er muss seine Gutgläubigkeit an die Menschheit und an das raue Leben erst nach und nach verlieren. Das geht nicht auf einmal. Mancher sensible Mensch naht da gefährlich früh schon einer Verzweiflung. So ein Leben ist nämlich hart und wird auch kaum weicher, je älter man wird.

Die Eltern sind aber ob solcher impulsiver Ausbrüche schon wieder total konsterniert. Das hat niemand erwartet. Die Mutter Maiermoser-Wurmeling spricht ernst und ziemlich verzweifelt: »Was soll man da bloß tun? Selbst der harmloseste, aber lehrreiche Spaß bringt den Bubi außer Rand und Band! Kevin, das Ganze ist doch nur ein riesengroßer Spaß, ein Spiel. Du musst lernen, wie man auch mit überraschenden, negativen Situationen im Leben fertig wird, ohne sich gleich zu ärgern oder gar zu toben. Zumindest darfst du das niemals zeigen! Beherrschung ist alles im Leben!«

Der frustrierte Kevin hat sich nach und nach wieder etwas gefangen. Weil er aber allmählich schon ganz schön clever geworden ist, trompetet er nun lautstark: »Noch mal, aber jetzt ihr!« Und so kommen alle der Reihe nach dran, einschließlich mir. Leider kennt der Bubi aber kein Erbarmen, geschweige denn ein Ende des »leerreichen« Spieles. Er rächt sich gewaltig, und alle machen mehr oder weniger glücklich mit, um zu zeigen, wie wichtig und beispielgebend so eine Sache sein soll. Niemand zeigt den langsam aufsteigenden Ärger oder spricht gar von Schwachsinn.

Auch als ich nach drei Stunden das Haus verlassen habe und erleichtert, Rasierschaum im Gesicht, noch einmal durch das Fenster zurückschaue, ist das wunderbare Spiel noch keineswegs zu Ende. Es freut sich aber nur noch recht lautstark der Bubi Kevin. Außer ihm strahlt lediglich noch der Christbaum mit seinem künstlichen Kerzenschein froh vor sich hin. Alle, nicht zuletzt auch die gute Mutter Maiermoser-Wurmeling, haben ebenfalls Rasierschaum im Gesicht und tun so, als ob sie sich gewaltig freuen und amüsieren würden. Ein »leerreicher« Spaß ist in die weihnachtlich verbrämte Wohnzimmerstube eingekehrt. Der Bubi Kevin ist ja noch so jung und hat noch viel zu lernen im harten Überlebenskampf des Daseins. Man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Wenn der Rasierschaum knapp wird, muss eventuell doch die dekorative, schmackhafte Weihnachtstorte zweckentfremdet werden.

Und die wohlmeinenden Eltern sind schon wieder heftig betrübt, weil der Bubi Kevin frischweg schreit: »Jetzt alle Rasierschaum als Nachspeise fressen!«

Tierisch berühmt

Alle Jahre wieder erscheinen sie aus der Versenkung, das heißt aus dem Fundus der weihnachtlichen Vorräte: Christbaumkugeln, Kerzen, Trompetenblasengel, Kripperlfiguren, Marzipansterne und biomäßiger Strohschmuck. Alle möglichen Sorten von Gegenständen werden aus den Kisten hervorgekramt, einschließlich berühmt gewordener Kreaturen wie Ochs und Esel aus echtem Lindenholz oder Gips, meist aber aus preiswertem Plastik geformt. Etwas seltener wird da neuerdings schon Lametta hervorgezogen, weil es wegen seiner Bleibasis giftig sein soll. All das packt man feierlich aus.

Eine festliche, zauberhafte Zeremonie greift um sich. Zunächst geht es aber unter Verwendung von frischem Moos, Tannenzweigen, Fichtenzapfen, Immergrün – alles aus dem nächsten Forst entwendet – und einem Bonsaistall an die Errichtung einer würdigen Nachbildung der wichtigsten Szene aus der biblischen Geschichte. Der Prophet Lukas wird wieder zum profunden Vermittler aus dem Buch der Bücher und gibt die Handlung vor. Aber als Vorbild dient im bayerischen Oberland zumeist eine baufällige, heruntergekommene Almhütte mit undichtem Dach. Es soll ja keineswegs zu komfortabel sein.

Der schöne Brauch, unter dem Christbaum ein naturgetreues Kripperl, einen Stall, zu installieren, ist längst in die Annalen der christlichen Liturgie eingegangen. Die absoluten Stars sind da nach wie vor das winzige, strahlende Jesulein, die junge, rüstige Marienmutter sowie der gute Vater und Zimmermann Josef, mit Axt und Säge ausgerüstet, die er immer mit sich führt. Vielleicht kann er damit auch das wurmstichige Gebälk im Geburtsstadel ausbessern, bevor etwas herabbricht. Und sowohl der Ochs als auch der Esel haben außer der Heiligen Familie einen unglaublichen Ruf in der Heilsgeschichte erlangt. Ohne diese beiden kann es nie und nimmermehr Heilige Nacht werden. Kein Kripperl, keine echte Weihnacht in Deutschland kommt ohne die beiden mehr aus. Ja, sogar weltweit haben sie in entsprechend gläubigen Kreisen beinahe auch schon einen Starkultstatus erlangt. In Afrika zum Beispiel, wo auch einige Christen beheimatet sind, kennt man die beiden Tiere sehr wohl und ersetzt sie keineswegs durch Zebra oder Wasserbüffel. Niemand wird sich mehr darüber wundern, wenn sie bald wenigstens seliggesprochen werden, vielleicht sogar heilig. Da müssen sich die guten Hirten und vor allem die zahlreichen Schafe leider mit einer etwas unpersönlicher und anonymer ausgefallenen Rolle begnügen, obwohl sie natürlich als Zeitzeugen auch nicht fehlen dürfen. Die zwei tierischen Kumpane aber gehören mitsamt dem spartanischen Stall seit Urzeiten zur Krippe von Bethlehem wie das Salz in die Suppe. Ohne Ochs und Esel wird es einfach nicht richtig Weihnachten, ob es schneit oder nicht. Selbst die alten Malermeister, der Herr Rubens, der Herr Tizian, der Herr Breughel und wie sie alle heißen mögen, bezeugen das zumeist gekonnt in ihren Bildern. Aus dem dämmrigen Hintergrund des Stalles lugen die Tiere wichtig und vorwitzig in das bedeutende Zeitgeschehen hinein. Sie sind als Blickfang unersetzlich.

Doch wer hat sie in den Stall gelassen und was sagen sie uns? Kommen sie überhaupt vor in den weihnachtlichen Berichten der christlichen Vorväter? Und wie! Da heißt es nämlich unumstößlich: »Ein Rind kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn.« Das proklamiert uns der Prophet Jesaja schon frühzeitig im Buch der Bücher, Jesaja 1, Vers 3. Was will er uns damit verklickern? Vielleicht nicht mehr und nicht weniger als die Unabkömmlichkeit dieser wichtigen, neutralen Zeitzeugen zum Tatbestand einer wunderbaren Menschwerdung.

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Der Autor

Wolfgang Schierlitz ist damals geboren und allmählich aufgewachsen. Es folgten Schriftsetzerlehre und Ausbildung zum »Schweizerdegen«. Danach Tätigkeit als Fahrkartendrucker bei der Deutschen Bundesbahn, Verlagshersteller, Typograf, Grafiker und Texter für internationale Firmen. Die Gründung einer eigenen Offizin folgte. Kürzlich erhielt er von der Handwerkskammer Ulm die Auszeichnung »Deutscher Meister«. Mehrere Seh-Mester und Studien auf Allgemeinplätzen und in Bierzelten. Nebenwirkungen: bisher 14 satirische Bücher, Kabarettist mit »H2-O2« und »Die mit den Wölfen heult« sowie Soloauftritte. Er ist Preisträger bei Radio Regenbogen mit dem Verband deutscher Schriftsteller (VS Bayern) – mit einer Sommergeschichte.

Im Rosenheimer Verlagshaus sind von ihm bereits Wenn überhaupt, dann höchstens kaum erschienen, eine Sammlung von skurrilen Geschichten, Wie frau mit einem Bayern überleben kann, ein herrlich unernstes und dabei praxisnahes Buch über Beziehungsprobleme von Bajuwaren, ebenso die etwas anderen Weihnachtsbücher Pleiten, Pech und Tannen, O Pannenbaum! sowie TannenPannen.

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