"...Fläche hängt..." - Thomas Noll - E-Book

"...Fläche hängt..." E-Book

Thomas Noll

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Beschreibung

Eine "hängende Fläche" ist ein Ausdruck aus der Luftfahrt. Er bezeichnet den Flugzustand, wenn die Tragflächen nicht genau parallel zum Horizont gehalten werden. Dieser Zustand ist nicht übermäßig gefährlich, das Flugzeug bleibt dabei völlig stabil in der Luft. Allerdings vollzieht es eine leichte Kurve, es läuft aus dem ursprünglichen Kurs, manchmal ganz unmerklich für den Piloten. Flugschüler werden darauf angesprochen "Achtung, Deine Fläche hängt!" Dieser Short-Stories-Band enthält einige satirische Alltags-Geschichten, bei denen manches aus dem Ruder läuft… Lesen Sie, wie der Autor aus dem Leben gerissen und fast zum ersten Klimaopfer wurde, von unzerstörbaren Gurken, tristen Familienfeiern und deutschen Auswanderern in Frankreich, engen Campingwagen und apokalyptischem Hundespielzeug. "Es sind alltägliche, kleine Geschichten, die mit dem gewohnten nollschen Witz erzählt werden. Ich kann sie jedem empfehlen, der Bücher von Autoren wie Jan Weiler (Maria ihm schmeckt`s nicht) oder Tommy Jaud (Resturlaub) mag. Ich habe jedenfalls schon bei der ersten Geschichte Tränen gelacht!"

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Seitenzahl: 73

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Thomas Noll

"...Fläche hängt..."

Short Stories

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhalt

INTRO „…Fläche hängt“

Die Hölle sind wir

Familienfeier

Hausgemachte Frikadellen

Campingausstellung

Die Gurke

Heidi

Der Mann im Salz

Impressum neobooks

Inhalt

Thomas Noll

„…Fläche hängt“

Short Stories

Zum Autor:

Thomas Noll, Jahrgang 1968, Abiturient, Bundeswehrsoldat, Student, 13 Jahre Banker im Prozess- und Qualitätsmanagement, Aus- und Weiterbildung neuer Mitarbeiter.

Aussteiger, Sevaka (Angehöriger) in einem Yoga- und Meditationskloster, heute Texter und Autor.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

INTRO „…Fläche hängt“

Die Lead-Geschichte dieses Bandes stammt aus dem Jahr 2003. Stilistisch ist sie voll an Charles Bukowski angelehnt, und wer mich bereits kennt wird sehen, dass ich einiges heute anders betrachte als kurz nach der Jahrtausendwende.

Der Leser wird aber auch einige Parallelen finden zwischen meinem neueren Buch „Propellerheim“ von 2014…

Die Stories sind nach ihrer Entstehung geordnet, entstanden also zwischen 2003 und 2013 (Der Mann im Salz und Heidi.)

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

Heusweiler, im Frühjahr 2015

Überarbeitete 3. Auflage im Frühjahr 2017

Die Hölle sind wir

Jörg gewidmet, meinem Krankenpfleger, dem einzigen Menschen, dem ich im Krankenhaus vertrauen konnte.

Vorwort

Ich danke Charles Bukowski posthum, dass er mir die Kraft gab, diese Geschichte aufzuschreiben. Er hat mich nach der Lektüre der Kurzgeschichte „Alle Arschlöcher auf der Welt und meines“ dazu inspiriert, ja, nahezu gezwungen, es zu tun.

Kritiker mögen sagen, ich habe bei Bukowski abgeschrieben.

Ich wollte, das wäre so.

Wenn sich unsere Geschichten in vieler Hinsicht gleichen, dann deshalb, weil wir dasselbe erlebt haben. Dies ist allerdings umso erstaunlicher, da die Geschichte Bukowski´s bereits 1966 erschien, und meine 2003, also 37 Jahre später. Man spricht immer von den großen Fortschritten in der Medizin.

Davon konnte ich leider nichts spüren...

Welches Motto stellt Charles Bukowski an den Anfang seiner Geschichte?

„Kein Mensch braucht mehr zu leiden, als die Natur für ihn vorgesehen hat.“

Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Vielleicht gehe ich bei meiner nächsten Krankheit nicht zum Arzt, sondern in den Wald, und warte wie die alten Indianer auf den Tod...

Es handelt sich nicht um einen Bericht in chronologischer Reihenfolge, sondern um lose zusammengestellte Szenen, Überlegungen und Empfindungen eines Menschen, der von heute auf morgen aus seinem normalen künstlerischen und arbeitsamen Leben gerissen wurde, und sich als Arrestant in einer Klinik wiederfand.

Homburg, im April 2003

Aus dem Leben gerissen

So geht die Welt unter, dachte ich;

nicht mit einer Atombombe,

sondern mit Scheiße, Scheiße, Scheiße.

C. B.

Es ist Samstag. Seit Mittwochabend liege ich hier. Und habe Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen. Egal, was sie in mich reinpumpen. Es ist ein Abszess im Arsch.

Ich wusste gar nicht, dass man die Gesäßmuskeln zum Stehen, zum Sitzen und zum Liegen benötigt. Das alles kann ich nämlich nicht mehr.

„Haben sie Stuhlgang gehabt, Herr Noll?“ „Nein, wie denn? Ich habe ja schon 3 Tage nichts mehr gegessen, außerdem kann ich bei den Schmerzen kaum Wasser lassen, geschweige denn Stuhlgang!“

Da ist es: das Blitzen in den Augen der Schwester! - Kein Wasserlassen? Blasenkatheder!!! Aber ich hab´s gesehen, und schieße sofort nach: „Naja, einigermaßen geht´s Wasserlassen ja!“ Und komme davon.

Aber mir geht´s dennoch verdammt beschissen. Ich gucke „Wetten Dass“, kann mich aber wegen der Schmerzen kaum konzentrieren. Während der gesamten Sendung schreit ein Mensch in einem anderen Stockwerk wie von Sinnen seine Schmerzen heraus.

Sagte ich „Mensch“? Bin ich nicht schon lange genug hier, um zu wissen, dass es hier keine Menschen gibt, sondern nur noch rechtlose, ent-individualisierte Fleischstücke, sobald man als Patient diesen Ort der Hölle betritt? Worte wie „Schmerz“ und „Ekel“ verlieren hier ihre Bedeutung. Man ist Gefangener einer anderen Welt, mit völlig anderen Regeln als denen da draußen. Wo sonst läuft man denn unter völlig fremden Leuten im Schlafanzug rum? Im Albtraum vielleicht, in dem man sich ohne Hosen oder Schuhe in der Stadt wiederfindet, und voller Scham versucht, der Situation zu entfliehen.

Man kennt niemanden, fragt sich, wem man vertrauen kann. Ständig kommen neue Figuren, und jeder erzählt einem etwas anders. Einmal wäre ich aus Versehen fast entlassen worden, wenn ich nicht interveniert hätte. Beinahe hätten sie alle Untersuchungen doppelt durchgeführt, bis ich sagte, dass das alles schon geschehen sei, sie sollen sich doch auf der Station XY die Ergebnisse holen. Termine wurden nicht eingehalten. Es gab Informationsfluss-Probleme ohne Ende.

Man sagte mir, das hat daran gelegen, dass ich als Notfall reingekommen bin. Termin-Patienten haben ihren Arzt, ihren OP-Termin, und ihre lange vorher durchgeführten Voruntersuchungen. Notfälle werden immer irgendwo zwischengeschoben, Verantwortliche müssen gesucht werden, die Akten der rasch durchgeführten Voruntersuchungen in den verschiedenen Kliniken müssen gesucht und zusammengeheftet werden. Das sei bei regulären Patienten alles schon getan.

Zum Schluss haben sie das alles auch bei mir geschafft. Zum Schluss wusste ich auch, wer das Sagen hatte, mit wem ich über was sprechen konnte, wer etwas schusselig war, wessen Anordnungen wichtig waren, und wen man quasseln lassen konnte.

Samstags abends bei „Wetten Dass“ war ich aber noch nicht so weit. Ich hatte ein Einzelzimmer, der Bettnachbar war entlassen worden, und ich fühlte mich, als sei ich in der Twilight Zone. Ich fragte mich, wer denn diese Regeln des Wahnsinns aufstellt? Die Alten? Wegen dem Mehrheitsrecht? Im Krankenhaus liegen ja fast nur Alte. Mit den Arbeitszeiten der Schwestern kann´s ja nichts zu tun haben, die sind ja eh immer rund um die Uhr da.

Um 19.00 Uhr heißt´s „Gute Nacht“. Die ganz Coolen, die Punker, die Aussteiger unter den Alten gucken dann noch die Tagesschau, aber das sind dann wirklich die Nachteulen.

BEI GOTT! Um 19.00 Uhr sitze ich normalerweise noch an meinem Schreibtisch! Da rotiere ich noch! Was ist das hier für ein Irrenhaus? Wie soll man sich hier denn erholen, wenn alles gegen einen läuft? Über die „Nachtruhe“ berichte ich in einem späteren Kapitel noch mehr...

Die Nacht im Krankenhaus ist der blanke Horror...

Die ehernen Regeln

Die Krankenhausregeln sind eigentlich ungeschriebene Gesetze, aber ich versuche trotzdem einmal, sie in Worte zu fassen:

Um 06.30 muss aufgestanden werden.

Dann muss man frühstücken, man muss dazu Kaffee trinken, und Marmeladenbrötchen essen. In Abwandlung ist auch Tee möglich. Aus Gewohnheit nicht zu frühstücken ist nicht möglich. Ein Kaltgetränk zu trinken ist beim Frühstück generell nicht möglich (z.B. aus Gewohnheit eine Multivitamin-Tablette zum Auflösen.)

Um 12.00 Uhr muss man Mittagessen. Es muss warm sein.

Um 18.00 Uhr muss man Abendessen. Es muss kalt sein. Es muss Brot mit Wurst sein, und es muss eine riesige Essiggurke dabei sein – ungeachtet, ob der Patient Magenprobleme hat oder nicht.

Es müssen im Krankenhaus grundsätzlich karierte Filzpantoffeln und Schlafanzüge getragen werden. T-Shirts und kurze Hosen werden nicht gerne gesehen.

Alle Fenster müssen geschlossen sein, weil man sonst friert. Diese Regel gilt ungeachtet aktueller Innen- oder auch Außentemperaturen.

Die Heizung muss voll aufgedreht sein, weil man sonst friert. Diese Regel gilt ungeachtet aktueller Innen- oder auch Außentemperaturen.

Wenn man schlafen geht, muss man sich mit einer dicken, alten, tonnenschweren Decke zudecken, weil man sonst friert. Diese Regel gilt ungeachtet aktueller Innen- oder auch Außentemperaturen. Ungeachtet auch der Tatsache, dass man vorher beim rumlaufen im Pyjama ohne Decke ja auch nicht gefroren hat.

Man muss ganz allgemein immer frieren. Das ist die Pflicht eines jeden Patienten. Es ist im Zimmer nie warm genug, auch dann nicht, wenn orkanartige, feuersturm-ähnliche, ganze Servierwagen mit-sich-reißende Sturmspitzen auf den Flur schießen, sobald man die Zimmertür öffnet.

Ein Fernseher darf generell nur dann eingeschaltet werden, wenn man aktiv eine Sendung schaut. Das Nebenherlaufenlassen im Hintergrund zum Verdrängen der Einsamkeit und der Langeweile ist nicht möglich.

Es darf entweder nur ferngeschaut, oder gelesen werden. Beides zusammen ist nicht möglich.

Das Einschlafen ist ein Akt des aktiven Willens, spätestens um 20.15 Uhr. Man kündigt an – dies darf auch leise geschehen – „so, ich schlafe jetzt“. Dabei darf nach dem Satz kein Licht mehr brennen, kein Radio oder TV mehr laufen. Man muss innerhalb von 5 Minuten eingeschlafen sein. Rücksichtnahme gegenüber Personen, die NICHT nach diesem Schema leben können, ist grundsätzlich nicht vonnöten. Solche Subjekte sollen sich im dunklen Raum ohne Lese- oder Fernseh-Möglichkeit 8 Stunden lang geistig zerfleischen, in ihrem Unvermögen, so früh schon Schlafen zu können.