14,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 14,99 €
Ein Drache hütet stets seinen Schatz – und sie ist der seine … Das erste Mal sieht Julian Malina tanzend auf einer Bühne. Das zweite Mal auf einem verwüsteten Schlachtfeld. Der Drache, der dem römischen Centurio innewohnt, ist sich sicher: Malina ist sein Juwel. Um sie vor der Brutalität seiner eigenen Soldaten zu retten, beansprucht Julian die Dakerin für sich und bringt sie als seine Sklavin nach Rom. Dort angekommen, lernt Malina, dass hinter dem brutalen General mehr steckt, als auf den ersten Blick zu erkennen war. Und so entfacht zwischen Geheimnissen und Intrigen ein Feuer aus Leidenschaft – so heiß, dass es sie ganz und gar zu verschlingen droht. In einer Welt, in der mächtige Drachenwandler regieren, sind es noch immer die Götter, die die Fäden des Schicksals ziehen. Eine feurige Dark-Romantasy-Trilogie, die Leser*innen in das antike Rom entführt und sie mit Drachen, Gestaltwandlern, göttlichen Gaben und heißer Leidenschaft erwartet. Ein Muss für alle Fantasy-Liebhaber*innen! - Enemies-to-Lovers-Romantasy im antiken Rom: knisternde Leidenschaft, verborgene Intrigen und eine Geschichte, die einen das Herz höher schlagen lässt - Historische Fantasy trifft auf epische Romance: mit dunklen Elementen, Gestaltwandlern und Themen des Medusamythos - Starke Protagonistin trifft auf einen Love Interest, der für seine Geliebte die Welt niederbrennen würde
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 557
Veröffentlichungsjahr: 2025
Liebe Leser*innen,
Flammensturm – Firebird ist für Personen ab 16 Jahren und enthält Inhalte, die triggern können. Diese Geschichte dient der Fantasieanregung und stellt keine realen Beziehungsmuster dar. Sie ist für Personen, die fiktive Inhalte von der Realität unterscheiden können. Bitte achtet auf eure mentale Gesundheit und lest das Buch nur, wenn ihr emotional mit diesen Themen umgehen könnt.
Wir möchten vor folgenden potenziellen Triggern warnen:
Explizite Darstellungen von roher und sexualisierter Gewalt (nicht zwischen den Hauptcharakteren) – Darstellung einer versuchten Vergewaltigung (nicht zwischen den Hauptcharakteren) – Sklavenhandel – Freiheitsentzug – Betäubungsmittel – Tod und Mord
Falls es euch mit den genannten oder anderen Themen nicht gut geht und ihr euch jemandem anvertrauen wollt, findet ihr unter der Nummer der Telefonseelsorge rund um die Uhr kostenlose und anonyme Hilfe. Eure mentale Gesundheit ist wichtig.
0800-1 110111/0800-1110222
www.telefonseelsorge.de
Wir wünschen euch das bestmögliche Leseerlebnis!
Euer dark Intense-Team
Für meinen geliebten Mann
Inhalt
Anmerkung der Autorin
Der Mythos von Medusa
Prolog
Kapitel 1Julian – Ich blickte von …
Kapitel 2Malina – Mein Schrei erstarb …
Kapitel 3Malina – Ich folgte dem …
Kapitel 4Malina – Ich erwachte mit …
Kapitel 5Julian – Das war nicht …
Kapitel 6Malina – Ich wischte Enid, …
Kapitel 7Malina – Mein Puls pochte …
Kapitel 8Julian – Ich sprang von …
Kapitel 9Malina – »Warum kann sie …
Kapitel 10Malina – Kara hatte gebratenen …
Kapitel 11Julian – Ich erwachte lange …
Kapitel 12Julian – »Valerius ist genauso …
Kapitel 13Malina – »Warte hier auf …
Kapitel 14Malina – Ich erwachte in …
Kapitel 15Julian – Als wir landeten, …
Kapitel 16Malina – Am Nachmittag war …
Kapitel 17Julian – Wir lagerten seit …
Kapitel 18Malina – »Julian«, keuchte ich …
Kapitel 19Malina – Ich faltete einige …
Kapitel 20Malina – Die römischen Soldaten, …
Kapitel 21Julian – Ich glaubte zuerst, …
Kapitel 22Julian – Nach unserer Ankunft …
Kapitel 23Malina – Seit der Nacht, …
Kapitel 24Julian – Der Klang von …
Kapitel 25Malina – Es war schon …
Kapitel 26Julian – Ciprian hatte eigentlich …
Kapitel 27Malina – Ich stand am …
Kapitel 28Julian – Donnerndes Gebrüll hallte …
Kapitel 29Malina – »Nein!«, brüllte Julian. …
Kapitel 30Malina – »Das musst du …
Kapitel 31Julian – Gaius’ Haus in …
Kapitel 32Malina – »Mina …« …
Kapitel 33Julian – Malina fiel mir …
Kapitel 34Malina – Bei unserer Rückkehr …
Kapitel 35Julian – Ich war den …
Kapitel 36Malina – Von irgendwoher nahm …
Kapitel 37Julian – Sie schlief schon …
Epilog
Glossar der Drachenhäuser Roms
Vorschau auf Bloodsinger
Danksagung
Anmerkung der Autorin
Die kultivierte und dennoch brutale Zivilisation des alten Roms hat mich zu dieser Fantasiewelt inspiriert, die jedoch eher als Neuinterpretation des Römischen Reiches und nicht als historisch akkurate Darstellung angesehen werden sollte. Ich habe mir im Sinne der Geschichte häufig kreative Freiheiten gestattet.
Ein Beispiel dafür ist, dass Malina Bihari und ihre Familie aus dem alten Gebiet Dakien stammen, das sich im heutigen Rumänien befindet. Im Buch sprechen sie allerdings Rumänisch und nicht Dakisch, was daran liegt, dass Dakisch eine ausgestorbene Sprache ist, von der keinerlei Aufzeichnungen mehr existieren. Aus diesem Grund entschied ich mich, die Sprache der Menschen zu verwenden, die heute dort leben.
Außerdem habe ich einige der Götter, Göttinnen und Mythologien Roms neu erfunden. In dieser Welt stammen die reinblütigen Römer genau wie die uralten Titanen – die Drachen – direkt von den Göttern ab und verfügen über göttliche Macht. Genau wie im historischen Rom setzen sie ihre Macht und ihre Stärke ein, um zu erobern, zu brandschatzen und zu versklaven. Wie die Geschichte gezeigt hat, wird es angesichts von Unterdrückung und Tyrannei stets auch Rebellion und Revolution geben.
Der Mythos von Medusa
Medusa wurde als weißer Drache geboren. Sie war ein liebreizendes Baby, das zu einem hübschen Mädchen heranwuchs, aus dem eine wunderschöne Frau wurde. Ihr einziger Lebenstraum bestand darin, den Göttern zu dienen und sie zu ehren.
Daher war sie überglücklich, als sie als Priesterin des Tempels der Minerva auserwählt wurde. Die Göttin des Krieges und der Weisheit galt als Inbegriff weiblicher Stärke und Intelligenz.
Medusa pries die Götter dafür, ihr ein ruhiges Leben in Dienstbarkeit gewährt zu haben, denn mehr hatte sie sich nie gewünscht. Es erfüllte sie, anderen zu helfen und sich ganz der Aufgabe zu widmen, den Tempel und Altar als heiligen Ort zu erhalten. Einem Ort, an dem die Römer die Göttin ehren und um ihre Gunst bitten konnten.
Ihr Leben war gut. Sie war glücklich und gesegnet.
Bis der Gott Neptun Medusa eines Tages am Meeresufer entlangspazieren sah, wo sie jede Woche einen Nachmittag meditierte.
Neptun war augenblicklich verzaubert von ihren glänzenden blassblonden Locken und ihren sinnlichen Kurven. Als sie das Ufer verließ, folgte er ihr bis zum Tempel, den sie betrat, um den Altar zu reinigen.
Geleitet von seinem Verlangen, vergewaltigte er Medusa auf dem Altar und raubte ihr stöhnend und mit einem zufriedenstellenden Höhepunkt ihre Jungfräulichkeit. Danach ging er fort, ohne sich noch einmal umzudrehen, und ließ sie weinend, blutend und verzweifelt zurück.
Ihre beiden Schwestern fanden sie und weinten mit ihr um all das, was sie verloren hatte und was ihr geraubt worden war. Ohne ihre Jungfräulichkeit würde man sie aus dem Tempel hinauswerfen und ihr die Rolle der Priesterin entreißen. Für Medusa war das ein schlimmeres Schicksal, als es der Tod gewesen wäre.
Die Göttin Minerva hörte, wie Medusa und ihre Schwestern weinten und sie in leisen Gebeten um Hilfe baten. Sie stieg auf einer silbernen Wolke herab und spreizte ihre Drachenflügel.
»Weine nicht, mein Kind«, sagte sie zu Medusa.
»Aber ich bin befleckt und gebrochen. Ich kann Euch nicht länger dienen.«
»Doch, das kannst du, meine Liebe. Das wirst du. Und deine Schwestern werden es dir gleichtun.«
Die Göttin richtete sich zu voller Größe auf, wobei ihre geschwungenen Drachenhörner noch weiter aus dem Schädel herauszutreten schienen, und peitschte mit ihrem weißen Schwanz durch die Luft.
Medusa und ihre Schwestern starrten die mächtige Göttin mit den funkelnden lilafarbenen Augen staunend an.
»Wie?«, hauchte Medusa, der die Tränen über das wunderschöne Gesicht liefen.
Minerva legte Medusa eine Handfläche auf den Kopf. »Neptun hat dich gesehen und wurde von seinem Verlangen übermannt. Ich werde dir Macht über Männer verleihen, damit sie dir so etwas nie wieder antun. Und ich werde dir noch viel mehr geben.« Ihre Finger glühten weiß, während sie auf Medusas Schädel ruhten. »Ich schenke dir die Gabe einer Magierin. Wie eine Schlange an ihre Beute wirst du dich an jeden Mann heften, den du dafür auswählst, und sein Herz mit Bosheit erfüllen. Du wirst in der Lage sein, deine Feinde dazu zu zwingen, Verzweiflung, Schmerz und Verlust zu spüren. Du wirst sie mit deiner Magie kontrollieren können.«
Medusa keuchte auf, als sie spürte, wie diese neue Macht durch ihre Adern strömte.
Dann legte Minerva die Hand auf die Schwester zu ihrer Rechten.
»Dir gewähre ich die Gabe der Sirene. Jeder Mann, dessen Blut du kostest, wird dir zu Füßen sinken und deinem Willen gehorchen. Selbst wenn du ihm befiehlst, in den Tod zu gehen, wird er es tun.«
Ihre Schwester sackte in sich zusammen, als die Macht der Göttin ihren Körper und ihr Blut erfüllte.
Minerva umschloss den Kopf der dritten Schwester und in ihren Augen leuchtete ein göttliches Licht.
»Dir schenke ich die Macht von Charons Kuss. Deine Lippen werden den Tod in die Münder korrupter Männer hauchen, auf dass ihr Geist für all ihre Verfehlungen leide.«
Die dritte Schwester schrie auf, als sich die Magie der Göttin in ihrer Seele manifestierte.
Die Göttin stand aufrecht und erhaben vor ihnen und breitete die Flügel aus.
»Neptun hat dir Unrecht getan, mein Kind. Für sein Verbrechen werden die Männer büßen müssen. Aber niemand, der es nicht auch verdient hat. Du und deine Schwestern, ihr zieht nun von dannen und dient mir gut. Bestraft verdorbene Männer und verdammt sie.«
Medusa, die nun nicht länger von finsterer Verzweiflung gepeinigt war, hob den Kopf und sah die Göttin an. »Wann werden wir genug getan haben? Wann wird unsere Aufgabe erledigt sein?«
Minerva zeigte beim Lächeln ihre rasiermesserscharfen Zähne. »Wenn es auf dieser Welt keine verdorbenen Männer mehr gibt.«
So zogen die drei Schwestern in die Welt hinaus, um ihre göttliche Bestimmung zu erfüllen. Aber als sie alt waren und vor Plutos Tür standen, nahm er ihre süßen Seelen bei sich auf, jedoch nicht Minervas Gaben. Denn diese Kräfte hatten in der Unterwelt keinen Platz. Er schickte sie zurück ins Reich der Sterblichen, wo sie wieder und wieder an würdige Frauen weitergereicht wurden, ein Jahrhundert nach dem anderen.
Einige behaupten, Minervas geheimnisvolle Gaben wären auf der Suche nach den richtigen Schwestern – jenen, die die Fehler der Menschheit ein für alle Mal korrigieren können.
PROLOG
Malina
53 v. Chr. Dakien
»Malina«, zischte meine Schwester. »Vino aici.«
Ich ignorierte sie und spähte durch die Zeltklappe hinaus.
Die Menge in der Nähe der Bühne, auf der Hanzi den Kopf in den Nacken legte und eine Schwertklinge in seiner Kehle verschwinden ließ, wurde immer dichter. Unter den erstaunten Zuschauern brach Applaus aus.
»Malina.«
Endlich ließ ich die Zeltklappe zufallen. Lela nahm ihr Kopftuch ab und Wellen aus schwarzem Haar ergossen sich über ihre Schultern. Ich sank auf den Holzstuhl und betrachtete sie mit unverhohlenem Neid. Unsere Bunica, unsere Großmutter, hatte ihr den farbenfrohen Basma letzten Monat zur Verlobung geschenkt und ich war so eifersüchtig darauf, dass sich mir der Brustkorb zusammenzog.
»Was machst du für ein Gesicht, bebelus?«, fragte sie.
»Hör endlich auf, mich Baby zu nennen.«
Lela legte den Kopf schief und lächelte auf ihre mütterliche Weise, um dann nach dem Kajalstift zu greifen.
»Mach die Augen zu.«
Ich kam der Aufforderung nach und seufzte, als sich Lela zuerst meinem linken Lid widmete.
»Verrätst du mir, warum du so seufzt? Du hast doch schon immer gern vor Publikum getanzt.« Ich konnte das Lächeln in ihrer Stimme hören. »Und das Publikum liebt dich.«
»Daran liegt es auch gar nicht. Es ist nur … Ich vermisse Mama und Papa. Ich vermisse unser Zuhause.« Und ich wollte nicht, dass sich etwas änderte. Aber sobald sie mit Jardani verheiratet war, würde alles anders werden.
Normalerweise hätten unsere Eltern uns begleitet. Der Großteil unseres Clans war bei unserer Karawane. Doch der Winter würde bald anbrechen. Es gab vor dem ersten Schneefall noch so viel zu tun und vorzubereiten. Aus diesem Grund waren unsere Eltern und einige der Ältesten jeder Clanfamilie bei unserer Karawane zurückgeblieben. Diese bildete im Tal unter dem südlichen Teil der Karpaten einen Wagenkreis. Die Münzen, die wir hier verdienten, würden uns während der Wintermonate sehr nützlich sein.
So, wie sie es schon viele Male getan hatte, verwischte Lela den Kajal, um die Schattierung rings um meine Augen zu verstärken. »Das ist das letzte Dorf. Wir brechen morgen früh auf und treten die Heimreise an.« Sie stieß ein kehliges Lachen aus. »Aber mir kannst du nichts vormachen – du wirst das hier vermissen.«
Lela legte den Kajal beiseite und bürstete mir das Haar so wie früher, bevor sie sich verliebt hatte und nur noch bei Jardani sein wollte.
Mein Blick fiel in meinen Schoß und ich fuhr das komplizierte Muster des Goldfadens auf meinem Fustă nach. Die goldenen und silbernen Medaillons, die in den bunten Stoff eingenäht waren, glitzerten im Licht der Laterne. Bunica hatte den reich verzierten Wollrock so angefertigt, dass er sich perfekt auffächerte, wenn ich mich auf der Bühne drehte.
Ich stand auf und glättete meine weiße Bluse mit der sternförmigen goldenen Stickerei, die in sanften Kurven bis zu meinem Fustă reichte und so ein ununterbrochenes Muster bildete, das meiner Figur schmeichelte.
»Wie meinst du das?«
»Du bist eine Abenteurerin, Mina. Und du bist viel neugieriger, als gut für dich ist.«
Ich zuckte mit den Achseln. »Die Welt ist nun mal ungemein interessant.«
»Und gefährlich. Insbesondere für ein wildes, siebzehnjähriges Mädchen.« Sie betrachtete meinen Körper mit ihren dunklen Augen und runzelte die Stirn. »Das noch dazu viel älter aussieht.«
Damit hatte sie recht, denn ich hatte, anders als Lela, die Kurven unserer Mutter geerbt. Wir waren so grundverschieden. Lela war durch und durch sanft und süß wie unser Vater, wohingegen ich die Kühnheit und das Temperament unserer Mutter besaß.
»Ich bin fast achtzehn«, entgegnete ich.
»Und unverheiratet und ungeschützt.«
Diese Erinnerung schmerzte. Sie würde bald heiraten und Mutter deutete bereits an, dass ich als Nächste an der Reihe sein würde. Dabei wollte ich doch nur, dass alles so blieb, wie es war, was jedoch nicht möglich zu sein schien.
Die Zeltflappe wurde lautstark aufgeklappt. Jardani trat in den Eingang und ich bemerkte sofort seine finstere Miene und seine angespannten breiten Schultern.
Lela richtete sich auf. »Was ist?«
»Römer.«
Meine Kehle wurde schlagartig trocken und mein Herz schlug vor Angst schneller. »Ist einer von ihnen …« Ich schluckte schwer und bekam die Frage nicht ganz heraus. Jardani wusste dennoch, was mir auf der Seele lag.
»Ja«, knurrte er. »Einer ist ein Centurio.«
Erneut wurde die Zeltklappe zur Seite gezogen. Kizzy und Kostanya traten hinter Jardanis beeindruckender Gestalt hervor.
»Die Römer sind hier«, flüsterte Kizzy.
»Sie wollen sich den Auftritt ansehen«, fügte Kostanya hinzu.
Unsere Zwillingsschwestern, die ein Jahr jünger waren als ich.
»Woher kommen sie?« Lela hatte ihre hübschen glänzenden Augen weit aufgerissen. »Ich habe nichts von einem Aufstand gehört.«
Nein. Diese Region war Caesar treu ergeben und ehrte Kaiser Igniculus mit Tributen, daher ließen die Römer uns in Ruhe. Wir waren keine Narren.
Jardani schüttelte den Kopf. »Auf der anderen Seite der Donau liegt etwa dreißig Leugen von hier entfernt eine römische Provinz. Möglicherweise ist es ein Spähtrupp von dort.«
»Wie viele?«, fragte ich.
»Nur vier«, antwortete Jardani. »Aber darunter ist dieser Centurio.« Er schüttelte den Kopf und senkte die Stimme, bis sie nur noch ein heiseres Flüstern war. »Wenn ihm danach ist, kann er uns alle umbringen.«
Ich zwängte mich an Jardani und den Zwillingen vorbei und spähte durch die schmale Zeltöffnung. Sofort sah ich die Römer. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge bis nach vorn zur Bühne. Die drei Soldaten lachten und schienen von Hanzis Jonglierkünsten gut unterhalten zu werden, aber der Centurio, der ihnen folgte, blieb ernst. Sein roter Umhang wies auf seine höhere Stellung hin. Er war größer als Jardani. An einem Ledergurt, der sich über seiner Brust kreuzte, steckte sein Gladius, ein Kurzschwert, dessen Griff höchste Handwerkskunst erkennen ließ.
Seine Bewegungen waren flüssig und glichen dem stetigen Anpirschen eines Jägers an seine auserkorene Beute. Sein Gesicht lag im Schatten, bis das Licht einer Fackel auf ihn fiel. Ich schnappte nach Luft.
Seine Züge waren zu hart, zu markant, zu faszinierend. Sein Schöpfer hatte ihn mit gnadenloser Klinge geformt, ihn zu einer Bestie voller unbestrittener Dominanz und schrecklicher Schönheit gemacht. Er blieb neben der vordersten Reihe stehen und ließ den Blick seiner dunklen Augen über die Menge schweifen. Die im Wind schwankende Flamme warf zuckendes Licht auf ihn und es schien, als würden die Schatten sein Gesicht regelrecht liebkosen. Dann geschah es. Das flackernde Licht verfing sich in den goldenen Tiefen seiner Iriden und berührte die übernatürlichen Türen zu seiner Seele – falls er denn eine besaß.
Ich stieß die Luft aus, die ich angehalten hatte, und wusste, dass sich eine Bestie aus den Legenden vor mir befand. Die Bestie, die in den feurigen Albträumen unseres Volkes auftauchte, die über die Welt stürmte und sich nahm, was und wen sie wollte.
»Drache«, flüsterte ich.
Kizzy kreischte hinter mir auf.
»Was sollen wir denn jetzt machen?«, wimmerte Kostanya.
Jardani zeigte gen Norden. »Verschwindet in das Lager, in dem wir die letzte Nacht verbracht haben, und wartet dort auf mich.«
»Nein.« Ich folgte meinen Instinkten und schätzte die Situation in einem Wimpernschlag ein. »Es ist allseits bekannt, dass die Bohari-Schwestern den Abschluss der Vorführung darstellen, und das wird auch so erwartet. Das geschieht ohne Ausnahme. Die Leute da draußen wollen uns sehen. Wenn wir weglaufen und uns verstecken, werden wir sie damit verärgern und die Römer werden merken, dass etwas nicht stimmt.«
»Aber, Malina …« Kizzys Kinn bebte. »Er ist ein … ein …«
»Ja, ich weiß. Und wie weit würden wir deiner Meinung nach kommen, wenn wir jetzt wie Diebe in der Nacht die Flucht ergreifen und uns im Wald verstecken? Wenn wir die Vorführung ohne den letzten Auftritt beenden, werden die Dorfbewohner ihr Geld zurückverlangen und protestieren.«
Ich sah Jardani in die Augen, der mich anstarrte und nachzudenken schien. Schlussendlich fluchte er leise, ließ den Kopf hängen und stemmte die Hände in die Hüften.
Lela trat mit angespannter Miene vor. »Was fühlst du?« Abgesehen von Bunica war sie die Einzige, die meine Gabe jemals direkt ansprach. Und keine der beiden erwähnte sie außerhalb der Familie. Einer Empathin wie mir drohten ganz andere Gefahren.
Ich drehte mich erneut zur Zeltöffnung um und schloss die Augen. Nachdem ich die Ruhe in meinem Inneren gefunden hatte, streckte ich meine Gabe in Richtung der ausgelassenen Menge aus und berührte das Lebenslicht jeder Person. Auf diese Weise war ich in der Lage, die einzigartige Essenz, die jemand ausströmte, wahrzunehmen.
Als ich zum Centurio kam, wusste ich es sofort, denn seine Lebenskraft war ungemein mächtig und mein empathischer Sinn erschauderte. Ich drang tiefer vor und fiebriger Schweiß benetzte meine Haut, als eine wabernde Macht unsere Verbindung zum Pulsieren brachte. Doch da war keine Wut, keine Animosität und keine Gewalt, die ich über den unsichtbaren Faden, der mich mit ihm verband, fühlen konnte. Es war schwer, das aus dieser Entfernung genau einzuschätzen, doch unsere Chancen standen gut.
Ich schlug die Augen wieder auf, wirbelte zu ihnen herum und schüttelte den Kopf. »Keine Aggression.«
Jardani nickte steif und trat näher an Lela heran. »Kürzt den Tanz ab, so gut es geht, und bleibt auf Distanz.« Er legte Lela ganz sanft die großen Hände an die Wangen und brachte sie dazu, zu ihm aufzusehen. »Sei vorsichtig, iubirea mea.« Meine Liebe.
Ich wandte mich von der intimen Geste ab. Jardani war ein guter Mann und er vergötterte meine Schwester. Irgendwann würde ich ihm vergeben, dass er sie mir weggenommen hatte. Im Augenblick konzentrierte ich mich allerdings auf die Menge vor dem Zelt, die lautstark applaudierte. Ich warf einen Blick nach draußen zu Hanzi, der seinen Auftritt abschloss, indem er mit brennenden Fackeln jonglierte.
»Es ist Zeit«, rief ich über die Schulter.
Die Zwillinge nickten und steckten sich die Metallzimbeln, die sie aus einem Korb genommen hatten, zwischen die Daumen und Zeigefinger. Ich tat es nicht, da ich für meinen Teil der Darbietung die Hände frei haben musste.
»So«, sagte Lela in ihrem mütterlichen Tonfall. »Dann mal los, Mädels.«
Wie aufs Stichwort hallten die ersten trällernden Klänge von Yoskas Laute von der Bühne herüber. Dann setzte Rukelis sanfter Rhythmus ein, der mit den Händen über das Tympanum strich und das Publikum verstummen ließ. Der hypnotische Trommelschlag und das magnetische Auf und Ab der Laute sorgten dafür, dass alle gebannt nach vorn starrten. Wir vier huschten ungesehen zur Bühne.
Hanzi wartete dort auf uns. Er war nach seinem Auftritt ganz schweißgebadet, strahlte uns jedoch wie immer breit an. Als sein Blick auf mich fiel, funkelten seine Augen sogar noch intensiver.
Die Zwillinge sprangen vor mir und Lela auf die Bühne und ließen ihre Fingerzimbeln im Einklang mit Yoskas und Rukelis Melodie erklingen.
»Baftă!«, rief Hanzi, zwinkerte mir zu, legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft.
»Ich brauche kein Glück«, erwiderte ich mit einem Lächeln, um dann an ihm vorbei- und die Stufen hinaufzueilen.
Mit erhobenem Kinn und geradem Rücken, aber einer gesenkten Schulter, huschte ich trotz der kalten Luft barfuß auf die Bühne. Lela wirbelte in einem rhythmischen Kreis um die Bühnenmitte herum und ihr mit Schmucksteinen besetzter blauer Rock schwang wie eine glitzernde Meereswelle um ihre Beine. Ihre bezaubernde Schönheit zog sämtliche Blicke auf sich, während Kizzy und Kostanya ihre Bewegungen nachahmten, was einen faszinierenden Anblick abgab.
Lächelnd hielt ich mich im Hintergrund, schwankte leicht mit und klatschte im Takt in die Hände. Während Lela ihren Teil tanzte und das Publikum mit jeder Drehung ihres Rocks und jedem Herumwirbeln der Haare in ihren Bann schlug, versuchte ich, so lange wie möglich unsichtbar zu bleiben.
Dann … spürte ich ihn. Sein Blick ruhte auf mir. Meine Haut kribbelte als Reaktion darauf. Ich war nicht dazu in der Lage, dem zu widerstehen oder es zu ignorieren. Als ich nach links schaute, stockte ich und kam aus dem Takt.
Es war etwas völlig anderes, ihn aus der Ferne zu sehen, als ihm derart nah zu sein. Er lehnte an einem Holzpfeiler, hatte lässig die Arme verschränkt und machte ein ausdrucksloses Gesicht. Aber seine feuergoldenen Augen erzählten mir eine ganz andere Geschichte. Eine von Hitze, Mysterien und zweifelsfreiem Interesse. Ich verfing mich in seinem Blick, wie ein Hase in den Krallen eines Wolfes, und hätte beinahe den Wechsel der Melodie verpasst, der meinen Einsatz einleitete.
Rukeli schlug das Tympanum mit einer Hand laut an, dann herrschte Schweigen. Ich drehte ruckartig den Kopf, löste meinen Blick vom Centurio und machte den ersten Schritt nach vorn.
Der Trotz, der mich schon so viele Male angetrieben hatte, verdrängte meine Furcht vor dem Drachen in unserer Mitte. Dennoch vermittelte mir die noch immer bestehende empathische Verbindung nichts von der Angst, die ein Drache angeblich heraufbeschwor. Seine Essenz war verlockend. Aufregend. Ein inneres Feuer loderte durch meine Gliedmaßen und ließ mich tanzen wie niemals zuvor.
Mit langsamen, präzisen Schritten näherte ich mich der Bühnenmitte, schwang meine Hüften im Takt und reckte die Arme dem Himmel entgegen. Rukeli schlug im Takt meines Fußes einen einzigen Trommelschlag an. Meine Schwestern ließen ihre Fingerzimbeln langsam klackern, während ich einen Fuß vorschob und den Körper geschmeidig bewegte.
Ich wirbelte zum hinteren Teil der Bühne und meinen Schwestern herum und ignorierte Lelas Kopfschütteln, die mich davor warnen wollte, es wirklich zu tun. Dies war eine wagemutige Bewegung, die ich ausschließlich für ein gewisses Publikum aufhob – und ganz gewiss keines, unter das sich ein wachsamer römischer Drache gemischt hatte.
In der Gegenwart von Römern durfte man nicht zu sehr glänzen. Sie mochten Schätze. Aber die Hexe in mir wagte es, den Eindringling in unserer Mitte herauszufordern. Ich ignorierte die lautlosen Proteste meiner Schwester, als die Musik verführerisch anschwoll.
Dann wiederholte ich sehr langsam die rollende Bewegung meines Körpers. Mit jeder Welle drückte ich den Rücken weiter durch, beugte mich nach hinten, streckte die Arme aus und wedelte suggestiv damit vor dem Publikum, das vor meinen Augen auf dem Kopf stand.
Als mein langes Haar fast den Boden der Bühne berührte, richtete ich mich zum Klang der Trommel ruckartig auf. Anstatt mich einfach wegzudrehen, nutzte ich den Schwung, streckte die Arme aus und machte aus dem Stand einen Salto nach hinten. Das Publikum keuchte auf und applaudierte.
Der Saum meines Unterrocks und meines Fustăs verfing sich an meiner Hüfte, sodass ein bronzefarbenes Bein entblößt wurde. Der Blick des Centurios wanderte weiter nach unten, seine phantomhafte Berührung brachte mein Herz zum Rasen. Ich packte meine Röcke mit einer Hand und drehte mich, wobei ich rasch mit den Füßen aufstampfte, bevor ich dreist an das Ende der Bühne sprang, an dem er stand. Die Musik war inzwischen zu einem wirren Rausch aus Klängen geworden und das Publikum klatschte begeistert im Takt der Trommel mit.
Ich bewegte das Kinn über meine nackte Schulter und sah dem Centurio in die Augen, während ich meine schwarzen Locken zur Melodie hin und her schwang. Seine Drachenaugen loderten in einem schon überirdischen Goldton und spiegelten das Feuer darin wider. Als er den Mund zu einem schiefen, verführerischen Lächeln verzog, drehte ich mich um und vollführte so schnell eine Reihe von Vorwärtssalti, dass meine Röcke nur so um mich herumwirbelten.
Yoska und Rukeli spielten wild und schnell und meine Schwestern drehten sich ebenso wie ich in einem Gewirr aus Röcken und schwunghaften Bewegungen. Die Musik wurde immer schriller und rasanter, bis sie auf einmal auf dramatische Weise verstummte und jede von uns in einer göttinnengleichen Pose erstarrte, die Arme und Beine ineinander verwunden, die Körper verdreht, die Hälse gereckt und die strahlenden Augen weit aufgerissen.
Die Dorfbewohner sprangen von ihren Plätzen auf und jubelten. Kleine Münzen fielen klappernd auf die Bühne und rollten herum. Wie es Tradition war, wurde unser letzter Tanz mit einem Münzenregen belohnt. Hanzi kam auf die Bühne gerannt, um das Geld einzusammeln, während wir uns strahlend verbeugten und der Menge zuwinkten.
Ich versuchte, nicht hinzusehen, doch mein Blick wanderte dennoch unwillkürlich zum Centurio. Er lächelte. Einen Moment lang fesselte mich seine freundliche, aufmerksame Miene. Er griff in eine Gürteltasche und hielt eine Münze so hoch, dass ich sie sehen konnte. Die Münze sah größer aus als die anderen, die auf die Bühne geworfen wurden. Ich streckte die gehöhlten Hände aus und er warf sie mir zu. Nachdem ich sie lachend aufgefangen hatte, stieß Lela mich grob in Richtung Treppe.
»Malina«, zischte sie, als wir hinter die Bühne stolperten. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Ich habe dem Publikum das gegeben, was es sehen wollte.«
»Du weißt genau, was ich meine. Das war zu … zu …«
»Das war gar nichts.«
»Es war leichtsinnig und so verhältst du dich ständig.«
»Hör auf, dir Sorgen zu machen, Lela. Geh lieber packen. Jardani will bestimmt noch heute Abend aufbrechen.«
Ich zitterte nach dem Auftritt am ganzen Leib und stürmte davon, bevor Lela noch länger mit mir schimpfen konnte. Die Menge tobte weiterhin vor Begeisterung. Yoska und Rukeli hatten nicht aufgehört zu spielen. Jardani forderte die Dorfbewohner auf, sich noch ein Bier oder einen verwässerten Wein zu gönnen und etwas mehr Geld auszugeben, bevor sie nach Hause gingen.
Lela hatte recht. Ich hatte mich noch nie derart provokativ auf einer Bühne zur Schau gestellt. Wieso tat ich das ausgerechnet für ihn? Ich konnte die Römer nicht leiden. Ihre Überlegenheit war mir zuwider, ebenso dass sie die ganze Welt eroberten und niederbrannten, nur weil sie es konnten. Denn niemand war in der Lage, die Drachen zu besiegen.
Möglicherweise war das der Grund dafür gewesen. Ich hatte ihm meine Furchtlosigkeit demonstrieren müssen, ihm zeigen wollen, dass ich keine Angst vor ihm hatte, ungeachtet der Bestie, die mich anstarrte. Doch meine innere Hexe flüsterte: Nein, daran lag es nicht.
Als ich zwischen zwei Wagen und hinter der Pferdekoppel entlangrannte, schnaubte der übellaunige Wallach und wieherte mich leise an. Ich lief hinter einen anderen Wagen und spähte zu Jardanis provisorischer Taverne hinüber, die eigentlich nur aus einer verwitterten Plane und zwei auf Stühlen postierten Fässern bestand. Das Publikum wurde dennoch davon angelockt. Yoska und Rukeli spielten ein munteres Lied, während Hanzi Getränke ausschenkte und mehr Münzen einsammelte.
Mit der Münze des Centurios in der Hand huschte ich daran vorbei, schnappte mir eine Fackel und lief den Weg entlang, der in den Wald und zu unserem Lager führte. Aber anstatt direkt in unser Zelt zu gehen, bog ich auf die kleine Wiese ab, auf der wir tagsüber die Pferde grasen ließen. Dort wollte ich mir die Münze genauer ansehen, ohne dass meine Schwestern einen Aufstand machten oder mich mit Fragen bestürmten.
Ich trat ins Freie, hob unter dem hellen Mondlicht die Handfläche an die Fackel und betrachtete die Münze.
»Bei Bendis«, flüsterte ich.
Es war Gold. Jedenfalls sah es wie Gold aus. Ich hatte das kostbare Metall tatsächlich noch nie in den Händen gehalten. Auf einer Seite der Münze war ein Tempel abgebildet und der Rand sah flach und abgenutzt aus. Auf der anderen Seite prangte eine Frau, eine Göttin auf einem Thron, über deren Kopf sich ein umgekehrter Halbmond befand. Sie hielt ein Füllhorn in beiden Händen.
»Das ist Fortuna.«
Ich erstarrte. Die Stimme war tief, melodisch und glich dem Grollen von Donner über den Bergen. Wie eine Gefahr in der Ferne, die langsam näher kam.
Mögen die Sterne mir beistehen! Diese Stimme konnte nur einem einzigen Mann gehören.
Ich wirbelte herum und starrte in marmorne Züge, die vom Mondlicht nur ansatzweise erleuchtet wurden. Nur wenige Meter von mir entfernt stand er. Der Centurio. Und der Drache.
Ich warf einen Blick nach rechts und wappnete mich für die Flucht, wobei ich mich fragte, ob ich ihm wirklich davonlaufen konnte. Panik erfasste mich. Jetzt war ich alles andere als furchtlos.
»Nein, warte.« Er hob auf entwaffnende Weise beide Hände und trat einen Schritt zurück. »Ich werde dir nichts tun.«
Aber es war für einen Mann dieser Größe, Statur und Herkunft schlichtweg unmöglich, harmlos zu erscheinen.
Er war ein adliger Römer, in dessen Adern uralte Magie – und das Blut eines Drachen – floss.
Mein Herz raste und mir wurde deutlich bewusst, dass wir allein waren. Wenn er mir wehtun wollte, konnte er das problemlos tun, bevor irgendjemand in der Lage wäre, mich zu hören und mir zu Hilfe zu eilen. Falls man mir dann überhaupt noch helfen konnte.
Während er die Handflächen weiterhin beschwichtigend hob, deutete er mit dem Kopf auf meine Hand, in der ich noch immer die Münze hielt. »Dieser Aureus ist etwas Besonderes.«
Es war also in der Tat Gold. Mein Arm, mit dem ich die Fackel hochhielt, bebte und die Flamme zuckte, als ich zitternd die Luft ausstieß.
Ich hatte schreckliche Angst. Reckte jedoch das Kinn mit all dem Selbstbewusstsein, das ich aufbringen konnte, in die Höhe. Mir wurde bewusst, dass er mir die Münze aus ruchlosen Gründen gegeben haben musste.
»Warum schenkt Ihr mir eine Goldmünze?«, fauchte ich mit bebender Stimme.
Alles an ihm schien mich anzuschreien, dass ich weglaufen sollte. Nur mein empathischer Sinn blieb weiterhin so unglaublich gelassen wie die ruhige See. Die Hexe in mir riet mir hierzubleiben, daher hörte ich auf sie.
»Du bist eine begabte Tänzerin«, merkte er ruhig und gelassen an, ließ die Arme sinken und verschränkte die Hände in dem sichtlichen Versuch, harmlos zu wirken, hinter dem Rücken. Zwar konnte er meine Panik dadurch etwas verringern, doch mein Körper blieb weiterhin bereit zu fliehen.
»Ich bin besser als meine Schwestern«, erwiderte ich nach einer Weile und versuchte, meine Angst hinter Prahlerei zu verbergen.
Er lächelte. Unwillkürlich wanderte mein Blick zu seinem Mund. Erst da wurde mir bewusst, dass ihm seine Lippen etwas Sanftes verliehen. Wo sein Kiefer, sein Kinn, seine Nase und seine Stirn allein aus harten Winkeln zu bestehen schienen, wirkt sein breiter Mund weich.
»Das bist du«, stimmte er mir zu. »Ich konnte mich eben mit eigenen Augen davon überzeugen.«
»Wieso gebt Ihr mir für einen Tanz eine Goldmünze?«, fragte ich abermals erbost, da meine Furcht langsam in Zorn umschlug. »Denn mehr als einen Tanz werdet Ihr dafür nicht bekommen.«
Er wirkte weiterhin gelassen, trotz meiner Anschuldigung, die sich auch für ihn als Beleidigung auffassen ließ und zu vermitteln schien, er wolle noch etwas anderes von mir, als ich zu geben bereit war. »Ich verlange auch nichts weiter«, erklärte er ruhig.
Eine Wolke schob sich am Himmel vor den Mond und die Schatten verbargen sein Gesicht. Dennoch glühten seine Drachenaugen in der Dunkelheit. Sie erinnerten mich an die Wölfe zu Hause in den Karpaten, die in strengen Wintern in der Nähe unseres Dorfes auf leichte Beute lauerten. Seltsamerweise fürchtete ich mich jedoch nicht vor den lodernden Drachenaugen dieses Römers.
Ich trat vor und hob meine Fackel, damit ich sein Gesicht genauer in Augenschein nehmen konnte. Er stand unnatürlich still da. Mir war klar, dass er mir nur die Angst nehmen wollte. Denn wenn ihm der Sinn danach stünde, konnte er mir jederzeit mühelos schaden – dessen waren wir uns beide bewusst. Nur adlige Römer, in deren Adern Drachenblut floss, konnten Centurios werden.
Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen abwenden. Sie wirkten so hell wie brennende Sterne. »Diese Münze ist etwas Besonderes«, wiederholte er. »Sie ist mehr wert als das Gold, aus dem sie geschaffen wurde.«
»Warum?«
»Fortuna ist die Göttin, die uns auf dem Weg durchs Leben leitet. Sie bringt jenen Glück, die ihr Tribut zollen, zu ihr beten und auf sie hören.«
»Ich glaube nicht an Eure Götter«, entgegnete ich tollkühn.
»Das ist unwichtig.« Er trat einen kleinen Schritt vor.
Ich machte einen Schritt zurück und wollte schon weglaufen, doch er blieb sofort wieder stehen und schien mich auch nur besser begutachten zu wollen.
»Wir haben alle unsere eigenen Götter«, fügte er hinzu und verschränkte die Hände nun vor sich, die wie der Rest seines gewaltigen Körpers ebenfalls sehr groß waren. Er war sehr viel größer als jeder andere Mann, den ich je gesehen hatte. Natürlich kannte ich die Geschichten über die Drachen und dass sie größer als menschliche Männer waren, dennoch war es erstaunlich, jenes nun mit eigenen Augen zu sehen. »Aber Fortuna liebt alle in allen Provinzen und Regionen.«
Seine Worte verwirrten mich. Wir hatten unsere eigenen Götter, zu denen wir beteten und denen wir Opfer brachten. Warum sollte sich eine Göttin, die ich nicht verehrte, um mich scheren?
»Fortuna ist für mich nicht nur eine besondere Göttin«, fuhr er fort, »dieser Aureus wurde mir zudem von meiner Mutter geschenkt und die Münze von meinem Vater bei ihrer Hochzeit geprägt. Sie war ein Hochzeitsgeschenk. Ich trage diesen Aureus schon seit vielen Jahren bei mir.«
»Was es umso rätselhafter macht, dass Ihr einer Fremden etwas derart Kostbares schenkt.«
Furcht breitete sich erneut in mir aus, bis er sagte: »Zuweilen spricht Fortuna zu mir.« Er hielt inne. »Glaubst du mir das?«
Selbstverständlich glaubte ich daran, dass die Götter und auch unbekannte Mächte zu uns sprachen. Ich gehörte einer langen Reihe mystischer Frauen mit Gaben an, die nicht von dieser Welt stammten. Mein innerer Geist redete oft mit mir. Nun nickte ich bloß.
Er schenkte mir ein weiteres Lächeln. »Sie hat heute Abend zu mir gesprochen und ich wusste, dass du die Münze eines Tages brauchen wirst, damit sie dir Glück bringt.«
Ich blickte auf das Abbild der Fortuna in meiner Hand herab und das Fackellicht funkelte auf dem Goldstück. Danach sah ich den Centurio an.
»Wir können die Gunst der Götter alle gut gebrauchen. Ich werde ein solches Geschenk nicht ablehnen, wenn Fortuna entschieden hat, es mir zu gewähren.«
»In der Tat.« Er neigte den Kopf. »Du bist ebenso weise wie wunderschön, kleiner Feuervogel.«
Bei dieser Vertrautheit und dem Kosenamen runzelte ich die Stirn. Ich hatte keine Ahnung, was ein Feuervogel war. Doch bevor ich fragen konnte, machte er einen Schritt nach hinten und tat etwas, das mich zutiefst erschütterte. Er verbeugte sich – dabei war diese Geste doch allein dem Adel vorbehalten.
»Leb wohl«, sagte er leise. »Möge Fortuna dir den Weg leiten.«
Dann drehte er sich auf dem Absatz um, wobei sein roter Umhang aufwallte, und verschwand im Schatten.
Ich drückte mir den Aureus an die Brust und floh in das Zelt meiner Familie. Dabei war mir jedoch deutlich bewusst, dass ich meinen kleinen Schatz geheim halten musste. Schließlich hatte mich Fortuna als ihrer Gunst würdig erachtet. Ich beschloss, die Münze des Centurios zu ehren, auch wenn sie mir vom Feind, einem Drachen, überreicht worden war.
1
Julian
Vier Jahre später An der Ostgrenze von Gallien
Ich blickte von der Hügelkuppe auf das blutgetränkte Feld und die verkohlten Leiber hinab, von denen nach der Schlacht noch immer Rauch aufstieg. Von der keltischen Horde war nicht mehr viel übrig geblieben, was nach dem Kampf gegen eine römische Legion nicht weiter verwunderte. Dieser besondere Keltenclan hatte sich allerdings zuvor schon mehrmals einer Niederlage widersetzt. Ich war froh darüber, dass ihr König auf dem Schlachtfeld gefallen war. Wenn nicht, wäre ich gezwungen gewesen, ihn zur Beschwichtigung meines Onkels mitzunehmen, der eine öffentliche blutige Exekution bevorzugt hätte. Allein bei dieser Vorstellung drehte sich mir der Magen um.
Die Legion aus Todesreitern kreiste über uns am Nachthimmel – riesige geflügelte Schatten, die vom Mond erleuchtet wurden. Ihr Feuer brannte noch immer rings um das Feld und schnitt den Kelten jeglichen Fluchtweg ab. Rauchsäulen stiegen gen Himmel und waberten im Wind. Die Todesreiter würden wachsam bleiben, bis ich einen Boten zu ihnen hinaufschickte, um sie wissen zu lassen, dass sie in unser Lager zurückkehren durften.
Rufe hallten aus dem Keltenlager im Wald herüber, in dem meine Männer momentan nach Überlebenden für den Sklavenmarkt suchten.
Mein vertrauenswürdigster Tribun Trajan marschierte noch in Drakengestalt den Hügel hinauf und trug nichts als den Lederriemen für seinen Gladius über der Brust, wie es für unsere Offiziere – die Adligen – im Kampfe Tradition war.
In Drakengestalt dreimal so groß wie als Mensch, wirkte Trajans dunkelblau geschuppte Haut im Schutze der Nacht nahezu schwarz. Seine Arme waren überaus muskulös, seine Hände mit fingerlangen schwarzen Klauen versehen. Ledrige mitternachtsfarbene Flügel entsprangen seinem Rücken. Er sah mich mit seinen blassblauen Reptilienaugen an. Ich betrachtete seine Schnauze, die viel zu weit vorstand, um menschlich zu sein, die zackigen Zähne in seinem breiten Drachenmaul und den dicken umherpeitschenden Schwanz.
»Alles gesichert, Legatus.«
Er sprach in dieser Drakengestalt deutlicher als viele andere. Einige konnten überhaupt keine Worte bilden, da ihr Drache zu eigensinnig und dominant war. Mächtige Drachen vermochten in Drakengestalt sogar deutlich zu reden, allerdings klangen ihre Stimmen dann stets heiser und kehlig.
Nachdem er neben mich getreten war, blickte er nach unten.
Als Kommandant dieser Invasion hatte ich meine menschliche Gestalt beibehalten und trug die meinem Status gemäße Aufmachung. Generäle mussten nicht länger die Drakengestalt annehmen und auf dem Schlachtfeld Blut vergießen. Wir hatten uns das Recht verdient, saubere Hände und Uniformen zu behalten. Es war ein Zeichen von Macht, wenn man im Kampf Befehle erteilen konnte, ohne seinen Drachen je rauszulassen.
Aber jeder Soldat wusste, dass ich mich im Nu verwandeln und ihm den Kopf abreißen konnte, sobald er aus der Reihe tanzte. Unsere Bestien verliehen uns auf jedem Schlachtfeld die Dominanz, aber wenn sie einmal freigelassen worden waren, glichen sie räuberischen Monstern mit nur einem einzigen Ziel. Solange die Offiziere nicht zweifelsfrei davon überzeugt waren, dass ihr General die dominanteste Bestie unter ihnen darstellte, unterwarfen sich ihre Drachen auch nicht seinem Befehl.
Ich hatte mir das Recht verdient, auf diesem Hügel zu stehen und aus der Ferne Befehle zu erteilen – ungeachtet der Tatsache, wer mein Onkel war –, und das wusste jeder Soldat in meinen Legionen.
»Wurden noch Kelten jenseits der Feuerlinie aufgegriffen?«, fragte ich.
»Nein.«
Die Kelten waren bösartig und gerissen. Häufig blieb eine Gruppe aus Kriegern zurück, um den Römern in den Rücken zu fallen und ihnen mit ihren vergifteten Pfeil- und Speerspitzen den Garaus zu machen. In dieser Region hatten die Kelten meinen Vorgänger Legatus Bastius dreimal bezwungen. Angeblich befand sich unter ihnen eine Art Magierin, die sie unterstützte, doch bislang hatten wir sie nicht finden können.
Nach der dritten Niederlage lud mein Onkel, der Kaiser, Legatus Bastius schließlich in seinen Palast in Rom ein. Obwohl sie zusammen aufgewachsen waren, war Bastius nervös gewesen. Meine gesteigerten Drachensinne spürten den Schweiß, der aus seinen Poren strömte, und seinen beschleunigten Herzschlag, als Bastius mir gegenüber auf einem gepolsterten Stuhl Platz nahm, um mit uns zu speisen.
Man hatte ihm mitgeteilt, dass der Kaiser über die Strategie der nächsten Invasion zu sprechen wünsche. Stattdessen ließ mein Onkel ihm ein gewaltiges Festmahl servieren, ihn während der Mahlzeit eine seiner Sklavinnen besteigen und lachte mit ihm über ihre einstigen Eroberungen in Germanien. Als Bastius uns mit einer Geschichte über einen seiner blutigeren Kämpfe unterhalten wollte, rammte mein Onkel ihm seinen eigenen Gladius durch die Kehle, weidete ihn danach aus und köpfte ihn schlussendlich.
Als er damit fertig war, lag Bastius’ geköpfte Leiche blutend auf dem Marmorfußboden und Onkel Igniculus marschierte durch den noch immer mit seinen Gästen gefüllten Raum, über den Totenstille herabgesunken war. In Drakengestalt und mit dem Blut seines früheren Freundes bedeckt, blieb er vor mir stehen.
»Herzlichen Glückwunsch, Neffe.« Er presste mir die blutbefleckte Handfläche flach auf die Brust und sah mich mit seinen gelben Augen an, die seinen Drachen erkennen ließen. »Oder sollte ich besser sagen: Legatus Julianus Ignis Dakkia?« Er hatte die Namen, die wir teilten, schon immer gern besonders betont.
Auf diese Weise wurde ich befördert. Nur deshalb stand ich nun hier und sorgte dafür, dass dieser Keltenstamm kein weiteres Mal entkommen würde.
»Bring mir den Kopf ihres Königs. Onkel wird ihn sich gewiss an seine Siegeswand hängen wollen.«
»Wird erledigt«, versprach Trajan.
Der Schrei einer Frau, gefolgt von Knurren und Gelächter, hallte aus der Ferne wider und erregte meine Aufmerksamkeit.
Zwar durfte ich es niemandem außer Trajan gegenüber zugeben, doch ich wollte nicht, dass unter meinem Befehl sinnlos gemordet wurde. Bastius war ein nachlässiger General gewesen und hatte seine Soldaten aufgrund seiner mangelhaften Führungsqualitäten disziplinlos werden lassen. Aber ich würde nicht zulassen, dass meine Männer aus Spaß Frauen und Kinder umbrachten, wenn die Schlacht längst vorüber war. Mir war durchaus zu Ohren gekommen, dass sie in Thrakien ein ganzes Dorf vergewaltigt, geplündert und zerstört hatten, um es dann niederzubrennen.
Seitdem ich diesen nichtsnutzigen Haufen geerbt hatte, war ich gezwungen gewesen, mehr als nur ein paar Soldaten zu disziplinieren. Einige waren nach der Bestrafung beinahe gestorben. Doch Stärke war Macht und sie ließen sich nur durch brutale Gewalt unter meine Kontrolle bringen.
Abermals hallte der Schrei einer Frau durch die Luft.
»Sie bringen die Gefangenen doch nicht um, oder? Ich habe vor, eine große Gruppe auf dem Markt anzubieten.«
»Keine Sorge, sie töten sie nicht, Legatus«, erwiderte Trajan. »Sie haben die keltische Hexe gefunden und wollen sich nur ein bisschen mit ihr amüsieren.«
Ich warf ihm einen durchdringenden Blick zu und er begriff, ohne dass ich nachhaken musste, dass ich eine ausführliche Erklärung erwartete. Wir waren schon Freunde gewesen, bevor ich zu seinem Vorgesetzten geworden war, und er kannte mich besser als jeder andere.
»Die Magierin, die den Kelten schon so oft geholfen hat, uns zu besiegen. Sie haben sie in die Ecke gedrängt und werden sich abwechselnd mit ihr vergnügen, bevor sie sie dem Mangones überlassen.«
»In Drakengestalt?«, verlangte ich zu erfahren.
»Nur Silvanus.«
Zorn flammte in mir auf, als ich daran denken musste, welche Grausamkeiten diese Männer schon zu vielen angetan hatten. Unter meinem Kommando würde so etwas nicht geschehen.
»Wenn er mit ihr fertig ist, wird für den Sklavenhändler nichts mehr übrig sein.« Ich marschierte los und befahl: »Folge mir.«
Mein Drache tobte in meiner Brust und brannte darauf, losgelassen zu werden und Silvanus und seinen Lakaien zu zeigen, wie sich wahrer Schrecken anfühlte – die Art von Entsetzen, die diese Hexe ihretwegen empfinden musste. Mich interessierte nicht, ob sie den Kelten auf geheimnisvolle Weise geholfen hatte. Den Männern ging es allein um Rache an einer Frau, die sie in ihrem Stolz gekränkt hatte.
Ich wusste, wie brutal Silvanus ohne jeden Anlass sein konnte. Es wäre ihr sicherer Tod, wenn er sie in Drakengestalt schändete. Außerdem widersetzte er sich damit meinen Befehlen und das konnte ich auf keinen Fall hinnehmen.
Offiziere in Drakengestalt, die mich deutlich überragten, sowie menschliche Soldaten – Römer gewöhnlicher Herkunft – drehten sich um, als ich das Schlachtfeld überquerte. Sie traten zurück, blickten stur geradeaus, ballten die rechte Faust und schlugen sie sich ebenso als Salut wie als Unterwerfung vor das Herz, als ich an ihnen vorbeiging. Der Gestank verbrennender Toter erfüllte die Luft – der Geruch des Sieges.
Trajan folgte mir dicht auf dem Fuße, einen Schritt hinter mir und zu meiner Linken, wie es sich für den Stellvertreter eines Generals gebührte. Das heisere Lachen eines Mannes war zu hören, als ich den Wald betrat. Der Mangones verstaute sein eben erst erworbenes Eigentum in Tragenetze – Frauen, Kinder und die wenigen Männer, die die Schlacht überlebt hatten und an den Sklavenhändler verkauft worden waren. Allerdings gab es unter den Kelten auch einige Kriegerinnen, die auf dem Markt einen guten Preis erzielen würden.
Zwischen den Bäumen hallte erneut der Schrei einer Frau zu mir herüber.
»Verdammte Hure!«, knurrte Silvanus, dessen Stimme in Drakengestalt stark verzerrt war.
Weiteres Gelächter.
»Diesmal hat sie dich erwischt«, sagte einer seiner Kameraden. Ich tippte auf Zeno.
Als ich auf die kleine Lichtung trat, brannten zu meiner Linken drei kleine Zelte und erhellten das Geschehen. Silvanus überragte alle anderen in seiner von grauen Schuppen bedeckten massiven und muskulösen Gestalt. Vielleicht lag es an seinem Schicksal als Angehöriger der Griseo-Linie, dass er so grausam war. Als müsste er seine Unzufriedenheit über die Zugehörigkeit zur untersten Drachenkaste auf diese Weise ausleben. Als könnte er sich schlagend und kämpfend in der Hierarchie nach oben arbeiten. Dieser Anblick bestätigte mir wieder einmal, dass die Götter richtig entschieden hatten. Er stand weit unter uns und das nicht aufgrund seiner Geburt, sondern wegen seiner Brutalität.
Während er seine Erektion streichelte, näherte er sich der aufgelösten Frau, die mit einem Dolch in der Hand vor einem breiten Baum kauerte, der ihr Rückendeckung bot.
Zeno und zwei andere sahen voller fieberhafter Freude zu. Sie hatten wieder ihre menschliche Gestalt angenommen und standen nackt und erregt da. Nach der Schlacht toste das Adrenalin noch immer wild durch ihre Adern. Wenn sie eine hilflose Frau mit ihren großen, eindrucksvollen Körpern schändeten, würden sie ihr bei Weitem nicht so viel Schaden zufügen, wie es Silvanus beabsichtigte. Die Männer konnte sie vielleicht überleben, den Drachen in Drakengestalt jedoch keinesfalls.
Silvanus näherte sich ihr. »So einen wie mich hattest du noch nie, Hexe.«
Die Frau verspannte sich und schien bereit zu sein, sich zu verteidigen. Die Schnittwunde an Silvanus’ Oberschenkel bewies, dass sie eine Kriegerin war. Oder zumindest eine Frau, die eher kämpfend sterben würde, als sich dem Monster zu unterwerfen, das auf sie zukam.
Ich konnte sein Blut riechen. Möglicherweise war es auch das ihre. Ihr dunkles Haar war völlig zerzaust und verdeckte den Großteil ihres Gesichts. Ihre handgewebte Tunika wies Flecken und einen Riss am Ausschnitt auf. Sie hatte mich noch nicht gesehen, weil sie auf das Raubtier fokussiert war, das auf sie zukam.
Genauer gesagt hatte mich keiner von ihnen bemerkt, da ich noch im Schatten weilte. Erst als Trajan weiterging und halb ins Licht trat, um seinen Platz an meiner Seite einzunehmen, fiel Zenos Blick auf uns. Dann sahen auch die anderen beiden zu uns herüber.
Ich konzentrierte mich allein auf Silvanus, der die keltische Hexe zutiefst verängstigte. Was auch immer sie für Vergehen begangen hatte, so stand es ganz allein mir zu, darüber zu richten und sie zu bestrafen. Nicht ihm.
»Ich füll dich aus, bis du blutest«, knurrte Silvanus.
»Nein, das wirst du nicht.«
Auf meine knappe Erwiderung folgte augenblickliche Stille. Andere außerhalb unseres Kreises erstarrten an Ort und Stelle und blickten zu uns herüber. Gut. Sollten sie ruhig alle zusehen.
Silvanus verkrampfte sich, wobei seine Muskeln deutlich hervortraten. Die drei anderen nahmen Haltung an und salutierten mir mit den Fäusten über den Herzen, die für mich hörbar schneller schlugen, als ich mit drei langen gleichmäßigen Schritten in den Feuerschein trat. Silvanus drehte sich zu mir um und stellte seine Erektion weiterhin vulgär zur Schau.
»Legatus«, knurrte er zur Begrüßung, ohne mir zu salutieren. In seinen irren Augen war nur die Bestie und kaum etwas von dem Mann in ihm zu erkennen.
Einen Moment lang hörte ich nichts als das knisternde Feuer der brennenden Zelte und den rasenden Puls der Frau, die hinter Silvanus kauerte. Dann ergriff ich das Wort.
»Welchen Befehl hatte ich hinsichtlich der Gefangenen gegeben?«
Er hielt meinem Blick trotzig stand und schien abzuwägen, ob er mich angreifen und töten konnte, bevor ich mich zu verwandeln vermochte. Ich kniff die Augen zusammen und forderte ihn lautlos auf, es ruhig zu versuchen.
Mit einem Brummen ließ er seine Erektion los, die zwischen seinen Beinen auf und ab wippte. »Sie ist keine normale Gefangene, Legatus«, erklärte er vermeintlich gefügig. »Das ist die verdammte Hexe, die den Kelten geholfen hat.«
Ich wartete schweigend, ließ die Anspannung durch das Knacken des Feuers und die Reglosigkeit weiter steigen.
»Welchen Befehl hatte ich hinsichtlich der Gefangenen gegeben?«, wiederholte ich und ließ die Stimme meines Drachen mitschwingen.
Silvanus schnaubte und spreizte die Flügel, um seine Dominanz zu demonstrieren, bevor er erwiderte: »Ihr habt befohlen, alle Gefangenen dem Sklavenhändler zu übergeben.«
»Und in welchem Zustand?«, hakte ich in eisigem Tonfall nach.
»Unversehrt«, fügte er widerwillig hinzu.
»Das ist korrekt.« Ich hob die Stimme, damit mich alle hören konnten. »Wie ich euch allen bereits mitgeteilt habe, hattet ihr unter Bastius euren Spaß. Es ist nicht eure Schuld, dass euer ehemaliger undisziplinierter General euch in die Irre geführt hat. Er war schwach. Wegen seines Versagens verrottet sein Kopf nun an der Mauer der Verräter.«
An der Mauer der Verräter in Rom prangten doppelt so viele Schädel auf Spießen wie an der Siegeswand, was jeder der anwesenden Soldaten genau wusste.
»Wenn ihr glaubt, ich würde zulassen, dass ihr wieder zu dem ehrlosen Pack werdet, das ihr unter Bastius wart, habt ihr euch gewaltig getäuscht.«
Ich hielt inne, ließ meine Worte wirken und richtete den Blick abermals auf Silvanus.
»Wir sind keine Barbaren. Wir beschädigen und verunstalten das Eigentum von Kaiser Igniculus nicht. Jeder Gefangene, den ihr schlagt, jede Frau, die ihr vergewaltigt und verletzt, bringt auf dem Sklavenmarkt weniger Geld ein. Geld, das dem Kaiser gehört. Und somit werdet ihr als Sieger auf dem Schlachtfeld auch weniger Münzen erhalten.«
Silvanus spannte die Muskeln an, spreizte die Flügel und schien sich für seine Bestrafung zu wappnen. Ich hatte darüber nachgedacht, ihn vor seinen Lakaien und meinen Männern zu töten, entschied jedoch, dass eine ordentliche Tracht Prügel in Drakengestalt ausreichen sollte. Ihn in Ketten gelegt und in einem der Netze seiner Soldatenbrüder nach Rom zurückzubringen, wäre die perfekte Erniedrigung, bevor ihm der Prozess gemacht wurde. Eine öffentliche Exekution oder Auspeitschung eignete sich am besten dazu, meinen Standpunkt zu verdeutlichen und die Botschaft zu übermitteln, dass meine Befehle wortgetreu zu befolgen waren.
»Trajan.«
»Ja, Legatus.«
»Leg Silvanus in Ketten.«
Die Frau, die während der ganzen Zeit auf dem Boden gekauert hatte, stand nun endlich hinter Silvanus auf und entfernte sich ein Stück von ihm. Sie reckte das Kinn in die Luft und strich sich mit der freien Hand eine Strähne ihres verworrenen Haars aus dem Gesicht. Dann begegnete ihr Blick dem meinen.
Glasklare jadegrüne Augen sahen mich an und schienen mein Herz zu durchbohren.
»Feuervogel«, flüsterte ich entsetzt und erinnerte mich nur zu gut an das junge Mädchen, mit dem ich mich vor langer Zeit auf einer Wiese im Mondlicht unterhalten hatte. Das Mädchen, das Fortuna als etwas Besonderes auserkoren hatte. Und nicht nur Fortuna, sondern auch mein Drache.
Unverhofft erkannte mein Drache sie ebenfalls und drang brüllend an die Oberfläche. Schmerz durchzuckte mein Fleisch und toste durch meine Venen, verdrängte mich mit ungezügelter Gewalt. Seine Wut darüber, dass sie beinahe zu Silvanus’ nächstem Opfer geworden wäre, wallte in meinem Körper auf.
»Sohn des Dis«, brummte ich und wusste ganz genau, dass ich nicht gegen ihn ankommen würde.
Mit erderschütternder Gewalt und entsetzlicher Schnelligkeit brachen meine Knochen und setzten sich wieder zusammen, sprossen Flügel aus meinem Rücken, brannte Feuer in meinem Bauch. Die Bestie erhob sich derart rasant, dass meine Gedanken zerfaserten und …
Mein Juwel!
Mit lautem Gebrüll erscheine ich in der Welt. Der graue Halbmann zittert vor Angst. So, wie er es tun sollte. Er ist weder Drache noch Mensch, sondern eine bösartige Kreatur, die vorhatte, meinen Schatz zu schänden. Er muss bluten. Er muss sterben.
Ich reiße das Maul auf, zerbreche ihn an Ort und Stelle und werfe seine Leiche dann zwischen die Bäume. Sein Blut benetzt meine Zunge. So süß. So gerecht.
Meine Liebste. Das Blut des Feindes bedeckt ihre Haut. Verlangen durchtost mich, als ich sie ansehe. Sie erhebt sich. Ein wilder Schatz ist es, den ich da habe. Sie möchte, dass ich sie von hier fortbringe.
Ich spreize die Flügel, umschlinge sie mit den Krallen, erhebe mich gen Himmel und trage sie zu meinem Hort. Bringe sie dorthin, wo sie hingehört.
2
Malina
Mein Schrei erstarb in meiner Kehle, als der monströse rote Drache mich forttrug. Atemlos hing ich in seiner Klaue, die mir Brust und Bauch zusammenquetschte.
Er hat meinen Angreifer mit seinem riesigen Kiefer einfach zerteilt.
Der General.
Ich hatte staunend dagestanden und den Centurio von vor so langer Zeit sofort wiedererkannt. Er hatte sich verändert. Er war noch größer geworden, trug das Haar militärisch kurz und sah sich mit kalten goldenen Augen um. Aber er war es.
Dann brach der Drache plötzlich aus seinem Körper hervor und verwandelte ihn in nicht einmal drei Sekunden in eine Bestie. Ein Mann hinter ihm schrie, als er von seinem umherpeitschenden Schwanz getroffen wurde. Ein Drache mit roten Schuppen, schwarz umrandeten Augen und schwarz gesäumten Flügeln ragte über mir auf. Sein Kopf befand sich auf gleicher Höhe wie die Baumwipfel. Doch seine Größe und sein Umfang verlangsamten ihn nicht. Er hatte dieses widerwärtige Monster, das über mich hatte herfallen wollen, erschreckend schnell getötet.
Endlich fand ich meine Stimme wieder und schrie, als er vor mir stand, das Blut von seinen fingerlangen Zähnen tropfte und er sichtlich stolz auf seine Tat war. Er senkte den riesigen Kopf und kniff die schlangenartigen goldenen Augen zusammen. Mir fehlte der Atem, um zu schreien, als er mir die Krallen um die Taille schlang und sich mit mir in die Lüfte erhob.
Erst drehte sich mir der Magen um, bevor er sich kurz darauf wieder zusammenzog, als der Boden immer weiter unter uns zurückwich und meine Beine in der Luft baumelten.
Bendis, steh mir bei.
Ich würde sterben. Er würde mich hoch hinauftragen und loslassen, damit ich in den Tod stürzte. Schließlich war ich die Hexe, die sie schon dreimal zurückgeschlagen hatte.
Alles umsonst. Mein Clan war trotzdem tot oder versklavt worden. Ich hatte gesehen, wie Enid in eines der Tragenetze gescheucht worden war. Diese gütige alte Frau war meine Retterin gewesen und hatte ihren Clan davon überzeugt, mich aufzunehmen, um dann so gut für mich zu sorgen, als wäre sie meine eigene Mutter. Aufgrund meines Versagens würde man sie zurück nach Rom und zum Sklavenmarkt bringen, während ihr Volk tot oder zerstreut war. Genau wie mein eigenes.
Bunica hatte sich geirrt.
Meine Gabe war nicht stark genug. Ich hatte den Krieg nicht weit genug beeinflussen können, sondern bloß einen inkompetenten General und seine Männer aufgehalten, bis ein besserer aufgetaucht war.
Der Centurio.
Der goldene Aureus um meinen Hals baumelte in der Luft. Ich hob eine Hand und umklammerte ihn, da ich den einzigen Schatz meines alten Lebens, den ich noch besaß, noch immer nicht verlieren wollte.
Aufgrund meiner aussichtslosen Situation kamen mir die Tränen.
Seit jener Nacht, in der ich die Münze erhalten hatte, trug ich sie an einem Lederband um den Hals und verbarg sie unter meiner Bluse. Wann immer mich Verzweiflung überkam, erinnerte ich mich daran, dass Fortuna mich auserwählt hatte, ihre Gunst zu erhalten. Auch wenn ich nie zu der römischen Göttin betete, wünschte sich ein Teil von mir, dass sie mir dennoch irgendwie beistehen möge.
In der Nacht vor drei Jahren, in der die Römer unser Dorf angriffen. In der Nacht, in der meine Schwester Lela Jardani geheiratet hatte, war dies der einzige wertvolle Besitz, den ich bei meiner Flucht mitnehmen konnte. Alles andere – die Bürste, die Papa für mich geschnitzt hatte, der rote Fustă von Bunica, die Decke von Mama und die bestickte Bluse von Lela – war fort. Wahrscheinlich mitsamt unserem ganzen Dorf verbrannt. Ich wusste nichts über das, was daraus geworden war, weil es mir gelang, dem Angriff zu entrinnen. Ich lief fort und rannte weiter, bis ich viele Kilometer von zu Hause entfernt allein in der Kälte und Dunkelheit zusammenbrach.
Jämmerliches Mädchen, schalt ich mich.
Ich war von meiner Familie weggelaufen. Hatte sie zurückgelassen. Doch ich hielt mich nach wie vor an diesem Aureus fest, als würde Fortuna tatsächlich etwas an mir liegen. Dabei hatte sie mich nur in die Krallen des Feindes geführt. Ich hätte am liebsten laut losgelacht, weil ausgerechnet der Römer, der mir Hoffnung in Form dieser kleinen glänzenden Münze geschenkt hatte, dazu in der Lage gewesen war, meinen keltischen Clan, meine Adoptivfamilie zu guter Letzt doch noch zu bezwingen.
Verzweifelt versuchte ich, mir die Münze vom Hals zu reißen, um sie in die Tiefe zu werfen, doch mein Ellbogen saß unter einer Kralle so fest, dass ich ihn nicht bewegen konnte. Ich umklammerte die Spitze der Kralle mit der anderen Hand, schaffte es jedoch nicht, sie zu lockern, weil ich zu große Angst hatte, er könnte mich auf einmal fallen lassen.
Die Feuer und der Rauch der brennenden keltischen Siedlung und des Schlachtfelds wurden immer kleiner. Wir erhoben uns in die Wolken und ich fragte mich, ob der Tod aus dieser Höhe nicht vielleicht zu bevorzugen wäre. Den Sternen derart nah, wünschte ich mir, noch höher aufzusteigen und am Nachthimmel zu verschwinden.
»Es tut mir leid, Bunica«, flüsterte ich in die Finsternis und musste abermals aufschluchzen, weil ich sie verloren hatte.
Ich hatte sie alle verloren – Mama, Papa, meine Schwestern. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war ein Soldat, der Lela packte, während ein anderer Jardani auf den Kopf schlug und meine Schwestern Kizzy und Kostanya kreischten. Mein Vater stieß mich hinter sich und sah mich mit verängstigten Augen an. »Lauf, Malina«, befahl er mir schroff.
Und ich gehorchte. Die Angst trieb mich im Dunkeln tief in den Wald, bis die Schreie und die Rufe wie ein Traum hinter mir verschwanden. Oder eher wie die eines Albtraums.
Das Einzige, das mich davon abhielt, mir das Leben zu nehmen und mich im Jenseits zu meiner Familie zu gesellen, war Bunicas Prophezeiung gewesen. »Du wirst uns alle retten.«
Aber sie hatte sich geirrt. Ich würde genau wie alle anderen versklavt werden. Vielleicht wäre der Tod dem vorzuziehen.
Was würde dieser Drache jetzt mit mir anstellen?
Er hatte die Hexe des keltischen Clans gefangen. Demzufolge würde er mich entsprechend bestrafen, mich wahrscheinlich öffentlich hinrichten oder foltern lassen. Die Gerüchte über die Brutalität in der Hauptstadt Rom waren legendär. Angeblich stellten die Römer die Leichen ihrer Feinde in ihrem Forum aus, tranken aus den Schädeln besiegter Könige und missbrauchten ihre Sklaven aufs Übelste.
Beim Gedanken an die schreckliche Zukunft, die mich erwartete, erschauderte ich, wenngleich sie nicht lange andauern würde.
Der Drache ging in den Sinkflug über und schlug schneller mit den gewaltigen Flügeln, um durch die Wolken zu stoßen. In der Ferne war das Fackellicht zahlreicher Häuser und Gebäude zu erkennen, die die Stadt Rom bildeten.
Ich keuchte auf, da ich noch nie so viele Lichter auf einem Haufen gesehen hatte. Sogar die runde Form des Kolosseums war zu erkennen. Aber er drehte in die entgegengesetzte Richtung ab und hielt auf den Stadtrand zu, wo große weiße Steingebäude auf einem grünen Abhang aus der Erde ragten.
Er wurde langsamer und wollte offensichtlich auf der breiten Terrasse eines Hauses landen. Der General war eindeutig wohlhabend.
Natürlich war er das. Ich hatte es schon in der Nacht gewusst, in der wir einander begegnet waren. Er stank nach adligem Blut. Damals war ich noch fasziniert gewesen. Heute hatte ich einfach nur Angst, die ich ihm jedoch nicht zu zeigen gedachte.
Mit schnellem Flügelschlag ließ er sich bedächtig auf die Terrasse herabsinken, bis ich weniger als einen Meter über dem Boden schwebte. Dann ließ er mich los. Ich kam auf und beobachtete, wie er neben mir auf der Terrasse landete, dabei ein schmerzverzerrtes Stöhnen ausstieß und mit einem widerlichen Knacken seiner Knochen und der ekelerregenden Verwandlung seines Körpers wieder zu einem Mann wurde. Einem nackten Mann. Ich starrte ihn entsetzt an, doch er würdigte mich keines Blickes. Vielmehr verschwand er wortlos durch den bogenförmigen Eingang seines Hauses.
Mir blieb nichts anderes übrig, als dem gut aussehenden Mann hinterherzublicken, der aus ihm geworden war – jedenfalls was seinen Körper betraf. Er war über zwei Meter groß, muskelbepackt, und seine Männlichkeit hing beim Gehen lang und schwer zwischen seinen Beinen.
Ich keuchte vor Angst. Als mir endlich bewusst wurde, dass ich noch immer auf der kalten Terrasse lag, stand ich auf, schaute mich um und überlegte, die Flucht zu ergreifen.
»Denk nicht mal daran, Mädchen«, sagte eine harsche Stimme.
Ich drehte mich zu dem bogenförmigen Eingang um, aus dem ein älterer, leicht hinkender Mann auf mich zukam.
»Die patrouillierenden Centurios würden dich nur aufgreifen und wieder herbringen.« Er hatte einen dunklen Teint und von Grau durchzogenes Haar. »Oder Schlimmeres mit dir anstellen. Du könntest an üblen Orten enden«, warnte er mich. »Komm mit.«
»Wo bringt Ihr mich hin?«, fragte ich, als er sich umdrehte, zum Haus zurückging und eindeutig damit rechnete, dass ich ihm folgen würde.
»Natürlich in dein neues Zimmer. Du musst dich waschen.« Er warf über die Schulter einen Blick auf meine Kleidung und verzog das Gesicht. »Und dich umziehen.«
»Und dann?«
»Dann wird der Gebieter dich sehen wollen.«
Der Gebieter. Mein Gebieter.
Ich schluckte schwer, als ich erkannte, dass dies nun meine neue Realität darstellte. Mein Centurio von vor langer Zeit, der Mann, der mir eine Goldmünze, Hoffnung und den Traum von einer besseren Zukunft geschenkt hatte, war nun mein neuer Albtraum.
3
Malina