Fliegen Können - Bernhard Schaffrath - E-Book

Fliegen Können E-Book

Bernhard Schaffrath

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Beschreibung

Das Ende einer Liebe oder der Neubeginn? Zunächst die Trennung, Arbeit in Santiago de Chile und neue Beziehung. Verwirrende Faszination in Gedichten und Bildern, in Erlebnissen und im Vermögen, für einige Augenblicke, fliegen zu können. Zärtliche Momente neben interessanten Einblicken in eine interessante Kultur. Das Ende ist ein "Ja" an das Leben.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Fliegen Können

Fliegen Können

Bernhard Schaffrath

© 2022 Bernhard Schaffrath

2. Auflage, Vorgängerausgabe 2021

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer

ISBN Softcover: 978-3-347-68499-7

ISBN Hardcover: 978-3-347-68500-0

ISBN E-Book: 978-3-347-68501-7

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Hoffnung

2. Neues Leben

3. Erinnerungen

4. Begegnung

5. Prolog II

6. Zwischenzeiten

7. Frau Biedermann als Brandstifter

8. Was war geschehen?

9. Last der Eifersucht

10. Abschied vor dem Wiedersehen

11. Unverhofft

12. Ein Kuss

Erfüllung

2. Essen im Ausnahmezustand

3. Warum glaubst du mir nicht?

4. Zwischen Tür und Angel 1

5. Lass mich nicht zurück

6. Zwischen Tür und Angel 2

7. Die Reise in ein anderes Land

8. Begegnung der anderen Art

Sag „ja“ zu mir und dir

Zwischenzeit

Die Sache mit dem Büro

9. Verwunschene Berge

10. Fliegen

Vorsicht Glas

2. Ich kann nicht mit dir leben

3. Hoffnung

4. Nah am Rande des Zusammenbruchs

5. Hallo

6. Lust

7. Ist es nicht heute Nacht wundervoll?

8. Einsam auf dem Hügel

9. Verlass mich nicht

10. Quäle dich nicht

11. Zu viel Liebe

12. Versuch ins Leere

13. Nach dem Akt

14. Was war geschehen? Was würde noch geschehen?

15. Aber die Show muss weitergehen

16. Keine Lösung

Epilog

2. Das Aus?

3. Neue Gelegenheit

4. Wiedersehen

5. Funkstille

6. Offenes Ende

7. Ergänzung zur Traumfrau

8. Die Tage unseres Lebens

9. Fliegen Können

Vorwort

Faszinierend die Geschichte von Dädalus und Ikarus, deren erfolgreiche Flugversuche erst an der Unvorsichtigkeit des Ikarus scheiterten, als er der Sonne zu nahekam.

Es war schon immer der Traum des Menschen, fliegen zu können. Ganz allein, ohne Hilfsmittel, ohne Fluggeräte und Motorhilfen. Nur aus eigener Kraft, den Vögeln gleich.

Die Realität verbietet uns den Glauben daran, es tatsächlich schaffen zu können, aber in unserem Leben jenseits aller Vernunft und Rationalität gibt es Momente, die uns erleben lassen, was wir nicht erleben können. Es mag dann Traum sein oder Rausch, es mag aller rationalen Überlegungen widersprechen, doch das Erleben dieser biologischen Unmöglichkeit ist grandios und existent.

Vielleicht ist es die einzige Möglichkeit, einmal die Welt aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten und zu verstehen. Und wenn man sich vom Boden in die Lüfte erhebt, aus eigener Kraft der Auftrieb gelingt gegen alle Regeln, dann spürt man die wahre Freiheit des Losgelöst Seins von allen irdischen Bedingungen. Nur für einen Moment vielleicht, aber grandios.

Das Gefühl der Liebe, die man für einen Menschen empfinden kann, ist variationsreich in ihren glückseligen Elementen, wie sie auch verletzlich und schmerzvoll sein kann. Und sie kann dabei in all ihren Facetten, auch im Leid, traumhaft schön und faszinierend sein wie das Fliegen. Man verliert die Bodenhaftung, der Weltschmerz verschwindet, das Herz öffnet seine Schleusen und setzt Glücksgefühle frei, die manchmal den Atem rauben und die Bauchdecke vibrieren lassen, als ob sie sich unter der Behandlung eines Presslufthammers befände. Oder man weint, öffnet Schleusen der Traurigkeit, die kaum mehr zu verschließen sind, aber glücklich machen, weil sie irgendwann befreien, das Fliegen ermöglichen.

Der Versuch ist es wert – fliegt!

Ein besonderer Dank gilt Birgit, die mit ihren Bildern zur Vorlage des Bucheinbandes beigetragen hat.

Die Illustrationen sind Werke des Autors, teilweise sind die Originale farbig und schon auf Kunstausstellungen gezeigt worden.

Bild 1: Tor zum „Anderland“

Bild 2: Traumtänzer 1

Bild 3: Tanz auf Wolken

Bild 4: Kampf der „Hoffnungen“

Bild 5: Traumtänzer 2, Selbstbildnis

Bild 6: Traumberge

Bild 7: Gefangen im „Ich“

Bild 8: Diffusität der Sinne

Bild 9: Der Philosoph

Hoffnung

1. Prolog I

Hätte ich wirklich etwas Intimes zu erzählen, würde ich es sicherlich nicht an öffentlicher Stelle tun, weil geheimste Bewegungen des Herzens niemanden etwas angehen. So habe ich wohl nichts zu erzählen, zumindest nichts Besonderes, was bewegen oder gar aufregen könnte.

Aber vielleicht stimmt dies nicht ganz, vielleicht liegt das Geheimnis dieser Geschichte darin, dass sie gar nicht jeder verstehen kann und auch nicht verstehen muss. Vielleicht ist es nur ein Versuch, jemandem seine Gefühle zu erklären, ohne dass man einen Menschen in Besitz nimmt, und dann kann nur dieser Mensch wirklich verstehen, was ich sage.

Alle anderen können vielleicht erahnen, was geschehen sein mag und es wohlwollend und zart mitempfinden. Aber so ganz werden sie den Sturm, der plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, die stärksten Äste abbrechend, sich über alle Gefühlsebenen ausgedehnt und sie bis in jede Faser in Besitz genommen hat, nicht verstehen.

Wenn ich nun alles, was ich in diesem Zusammenhang erlebt habe, in eine Waagschale werfe, muss ich leider feststellen, dass alles hätte anders kommen können, ja müssen, eben, wie man sich Begegnungen mit Traumfrauen vorstellt. Am Anfang einer Liebelei spielt auch der tägliche Ablauf mit. Man lernt sich kennen, eine gewisse Faszination bleibt in der Erinnerung; man trifft sich wieder, verliebt sich vielleicht. Hier aber trennten sich Leben und Träumen sehr früh und immer heftiger.

Als ich das Ende herannahen sah, hoffte ich nur, dass ich noch eine Chance behalten würde, sie für mich zu gewinnen. Immerhin bleibt am Ende des Ganzen noch die Erfüllung von Träumen in weiter Zukunft, auch wenn dies wesentlich unwahrscheinlicher geworden ist, als es zu Beginn war.

Und hier muss ich feststellen, nur Frauen können Momente so prägen, dass die Erinnerung an Geschehenes und nicht Geschehenes dein ganzes Leben begleiten kann. Sie erzeugen Wünsche, erfüllen sie oder lassen sie einfach außen vor und bestimmen, was du für den Rest deines Daseins erträumst. Sie füllen noch Jahrzehnte später erotische Gedanken und verursachen Träume, die ein Leben lang anhalten.

Und wenn du sie irgendwann einmal wiedersiehst, zufällig oder geplant, bist du ihnen oft so nah, dass du deinen Körper atmen hörst, in den Ohren ein Rauschen vernimmst, als ob du vor einem Wasserfall stehen würdest. Und du bist verunsichert und weißt nicht, ob du an die Momente denken darfst, die diese Frau in dir für immer eingepflanzt hat.

Sie erinnert sich hoffentlich wenigstens an den Wasserfall und wenn du Glück hast, auch an das Brausen, aber für sie ist es vorbei, vergangen.

Du aber lebst in Erinnerungen und Träumen, glaubst an das Schicksal und seine Bereitschaft, dich glücklich zu machen. Und wenn du verlierst, bleibt immer noch die Hoffnung auf einen neuen Gewinn, der dann all deine Erinnerungen und Träume in ein neues Paket packt, indem du weiter glücklich vor dich hinschwimmen kannst.

Vielleicht aber stand mir damals, als dies alles geschah, gar keine Frau mehr zu, die meine Träume erneut erfüllen würde?

Zugegeben, ich hatte mir da einige Probleme in meinem Alltag aufgehalst und war deren Ausmaßen nicht mehr Herr geworden. Aber waren die Ursachen all dieser Wirren und Missverständnisse wirklich so furchtbar, dass Einigungen auf keiner Ebene mehr möglich waren.

Der Ausgangspunkt meiner Misere war, dass ich jegliche soziale Verbindung verloren hatte, zumindest sah ich das so. Überreaktion war mein dritter Gedanke nach Trauer und Wut, Überreaktionen aufgrund verletzter Eitelkeit. Ich sah für mich keine Chance auf Wiedergutmachung. Und nach tiefem Seelenschmerz und der endlichen Erkenntnis, dass ich dieses Mal den Bogen weit überspannt hatte, kam die sehr schmerzliche Phase des Gefühls, nicht nur den Kampf um die Familie, sondern den Kampf allgemein für alle Dinge des Lebens verloren zu haben.

„Momentan sind die Berge zu steil und zu hoch und die Klüfte zu tief, die uns trennen“, hatte meine Frau Maria gesagt. „Ich kann sie nicht überwinden ohne die Gefahr, abzustürzen und mich für immer zu verlieren. Und dir traue ich zurzeit nicht mal die Kraft zu, dich selbst zu tragen.“

Sie hatte den Schlussstrich gezogen, aber sie hatte „momentan“ gesagt, es zeitlich begrenzt, Hoffnung gelassen – oder irrte ich. Aber es traf auch zu, dass ich zu dieser Zeit kaum in der Lage war, meine Last mit mir selbst zu schultern, geschweige denn irgendwelche Hindernisse, auch wenn sie noch so klein erschienen, erfolgreich zu überwinden.

Ich liebte Maria und vermisste sie, ihre Nähe, ihre Sicherheit, ihr Lachen. Aber ich konnte nicht mal mehr aussprechen, was ich fühlte. Für immer würde dies so sein, fürchtete ich, ein Trauma, keine Chance, unvorstellbar. Ich würde alleine bleiben, bis Maria nach mir riefe, meine Rückkehr wünschte.

Maria hatte sich von mir getrennt, mich vor die Türe gesetzt.

Jetzt war ich allein seit etwa einem halben Jahr, hatte inzwischen meinen Führerschein wohl endgültig verloren und lebte in einer kleinen Bude vor mich hin, trank weiter und versüßte mir die eine oder andere Stunde mit ein wenig „Shit“ vom Händler meines Vertrauens. Und wenn es mir gar zu schlecht ging, wanderte ich stundenlang durch die Straßen der Stadt und beobachtete die Menschen, die mir begegneten. Und sie kamen mir so oft vor wie Aliens aus einer anderen Galaxie, vor allem wenn mein Lieferant den sauberen „Afghanen“ mitgebracht hatte. Er machte wirklich für ein paar Stunden selig, wenn die Beigabe des Whiskeys in der Menge genau stimmte.

Und ich fand immer wieder in meine klägliche Behausung, manchmal auf Umwegen, manchmal erst nach Stunden, in denen ich mich in der mir eigentlich bekannten Nachbarschaft grenzenlos verlaufen hatte, manchmal auch erst frühmorgens, frierend und durchnässt vom Regen, aber ich kam immer wieder an.

Dies gab mir zumindest ein wenig Sicherheit, mich nicht ganz verloren zu haben.

Meine wenigen Stunden, in denen ich oft viel zu erfolglos die deutsche Sprache an den Mann zu bringen suchte, befanden sich unterrichtlich an den Nachmittagen, sodass ich zu dieser Zeit zumindest wieder einigermaßen fit war, auch wenn die vorangegangene Nacht mich viel Kraft gekostet hatte. Die Bezahlung stimmte immer noch, die zu leistende Arbeit aber war so weit reduziert worden, dass ich sie eher abreißen als wirklich effektiv „verbringen“ konnte. Allzu lange würde dieser Zustand wohl nicht mehr toleriert, das wusste ich, zumal ich auch keine Fahrerlaubnis mehr besaß und somit nur ortsnah einsatzfähig war.

Ich hatte nämlich im „Ultrasuff“ mit einem auf Alkohol geeichten Kollegen als genialer „Einparker“ den Führerschein verloren. Dass ich das Auto nur aus der Parklücke fahren wollte, um dann meinen sturzbetrunkenen Begleiter ans Steuer zu lassen, glaubten die „Cops“ angesichts seines Blutalkoholgehaltes nicht und nahmen ihm den Führerschein gleich mit weg. Da er Wiederholungstäter war, bekam er ihn auch nicht wieder. Ich dagegen musste Tests bestehen, die ich nicht schaffen konnte, weil ich glaubte, dass man Reste von Alkohol und Drogen nicht feststellen könnte. Außerdem verfiel ich dem fatalen Irrtum, die Prüfungskommission überzeugen zu können, dass kontrollierter Alkoholkonsum wohl auch einen Führerscheinbesitz rechtfertige.

Es war wie so vieles in meinem Leben ein kapitaler Irrtum und meine Fahrerlaubnis wurde zunächst „eingefroren“.

Ähnlich hatte ich mich auch in meiner Ehe geirrt, der ich eine unumstößliche Dauerhaftigkeit zugeschrieben hatte, die aus sich heraus für ihren Bestand sorgen würde, bis meine Frau mir erklärte, dass sie endgültig die Schnauze voll habe und mich vor die Türe bat. Ich gab sofort nach in der Hoffnung, dass sie es nicht so meinte, aber sie ließ das Türschloss wechseln und ich blieb von nun an draußen.

Die erste Zeit, üblicherweise das Unterkommen bei einem Freund, war angefüllt von Verzweiflung, Tränen und dem furchtbaren Gefühl des Alleinseins, das ich mit ihm brüderlich zu teilen versuchte. Aber auch Freunde sind nur Menschen und haben eine durchaus begrenzte Toleranz. Irgendwann signalisierte er, dass Jammern allein für mich keinen Fortschritt brächte, vielleicht sollte ich es doch mal mit dem Alleinleben versuchen.

Dann folgten Leere und Desorientierung, am Ende irgendwann das Weiterleben aus Trotz. Man will es den anderen zeigen, dass man es auch ohne sie schafft.

Und dann kam der Brief.

Ich hatte vor vielen Jahren einmal einen Test beim Auswärtigen Amt gemacht, um eine Stelle als Lehrer im Ausland zu bekommen. Anscheinend waren die guten Ergebnisse dieser Befragung irgendwo wieder aufgetaucht und zusammen mit meiner letzten Veröffentlichung über die Zusammenarbeit der Colonia Dignidad mit dem chilenischen Junta-Chef Pinochet und dem damaligen deutschen Botschafter auf dem Tisch eines Beamten gelandet, der für das spezielle Programm einer deutschen Schule in Santiago de Chile einen Lehrer für den Bereich Deutsch suchte. Und da ich die universitäre Ausbildung für das Fach Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache besaß, war ich wohl die Person, die am besten für dieses Projekt geeignet war.

Ich wurde zum Gespräch eingeladen.

Zunächst überrannten mich gehörige Zweifel, wie dies immer passierte, wenn sich grundlegende Änderungen anbahnten. Da ich aber sowieso nichts mehr zu verlieren glaubte, nahm ich die Einladung an und bekam ein Stellenangebot in Chile. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Fortbildungen im Erwachsenenbereich an einer der zahlreichen universitären Einrichtungen Chiles, mit dem Schwerpunkt, Menschen deutsche Abschlüsse auch außerhalb der Regelstudien zu ermöglichen, ein neues Projekt speziell für Deutsche in Chile.

Ich hatte zwar die Hoffnung nicht aufgegeben, dass meine Frau mich irgendwann zurückholen würde, immerhin war sie der Traum meines Lebens. Aber es blieben auch von meiner Seite wenige Möglichkeiten, ihr dies zu zeigen und zu beweisen. Zu oft versank ich im Nebel der Verwirrtheit und des Realitätsverlustes und nicht selten wachte ich auf ohne Erinnerung an umfangreiche Planungen in endlosen Nächten.

„Hervorragend“, kommentierte Maria meine Frage, ob ich das Angebot annehmen sollte. „Es gibt uns Zeit genug zu überlegen, wie die Zukunft aussehen soll.“

Und sie hatte nicht „unsere Zukunft“ gesagt.

„Eine neue Chance für dich, dich endlich wieder zu finden, und eine neue Chance für mich, ohne dass ich dich ständig so nah in meinem Umfeld erlebe. Nimm unsere Chance wahr!“

Sie hatte „unsere“ gesagt, zwar in einem mir nicht besonders entgegenkommenden Zusammenhang, aber immerhin „unsere Chance“ und ich kam ihr freudig entgegen. vielleicht eine letzte Hoffnung, örtlich weit weg, aber mit dem Herzen nah.

„Du wirst dort neue Menschen kennen lernen, vielleicht sogar irgendwann deine eigene Sichtweise vom Leben überdenken“, und, „ich werde gut zurechtkommen, immerhin habe ich das Haus mietfrei und genug Geld auf dem Konto.“

Ob ich nicht doch in der Nähe bleiben sollte, wegen der Kinder vielleicht, sie lachte.

„Du hast dich in der letzten Zeit so wenig um uns gekümmert, es wird gar nicht auffallen. Und wenn die Kinder dich sehen wollen, können sie ja skypen.“

Und dann fügte sie hinzu: „Gib uns diese Chance, vielleicht können wir uns irgendwann wieder treffen in einer anderen Art des Lebens. Jetzt können wir in Frieden scheiden, bevor Wut und gar Hass eine Rückkehr unmöglich machen.“

Ich lächelte gequält. Sie hatte wieder von „uns“ gesprochen, und damit Gemeinsamkeiten berührt. Aber sie hatte mich nicht zurückgeholt.

Es tat weh, all das Gewohnte aufgeben zu müssen. Es tat weh, all die Annehmlichkeiten zu verlieren, die sich im Lauf des gemeinsamen Lebens fast zu täglichen und wöchentlichen Riten gefestigt hatten. Es tat weh, auf durchaus liebgewonnene Vorteile verzichten zu müssen. Und die Aussicht auf einen vielleicht gänzlich neuen Lebensabschnitt konnte die Trauer über Zerronnenes nicht aufwiegen, immerhin hatte ich ja schon Übung darin.

Aber am schlimmsten erschien die Angst vor dem endgültigen Alleinsein. Die Vorstellung, abends in einem Zimmer zu sitzen ohne den Partner, die Kinder, die alltäglichen Sorgen ohne die Perspektive, sie alle würden schon wiederkommen, vielleicht erst morgen, aber dann sicherlich, nein, nicht mehr, erzeugte Horrorgefühle.

Es gab sicherlich Erfahrungswerte, die einen solchen Moment begleitet hatten. Etwa der erste Tag im Zimmer des Studentenwohnheims oder der Moment des Kaserneneinlaufs bei der Bundeswehr. Aber die Perspektive des Endes dieser Phasen hatte immer wieder Hoffnung auf Änderung zugelassen. Jetzt schien die Entscheidung etwas Endgültiges und damit Erschreckendes zu haben.

„Du würdest dich endlich auch mal mutig zeigen und deinem ein bisschen verkorksten Leben eine neue Chance geben.“

Hier hatte Maria eine klare Grenze vorgegeben, was mein zukünftiges Leben mit ihr betraf. Und ich wusste nur zu gut, dass sie recht hatte, wenn sie mich für das zwischen uns herrschende Beziehungschaos verantwortlich machte. Ich wünschte in diesem Moment, fliegen zu können, so, wie ich es schon in Träumen erlebt hatte. Die Arme bewegend langsam in die Lüfte schwebend, an Höhe gewinnend, um dann alles von oben beschauen zu können. Und alles wird klein und unbedeutend, wenn du über allem schwebst. Und alles wird leicht und unproblematisch. Aber ich stand wie ein Fels, schwerfällig und unbeweglich, konnte dem, was ich sah, nicht ausweichen und musste zugeben, dass Marias Entscheidung nicht nur endgültig, sondern durchaus auch vernünftig war.

Nachdem Maria mich also so überzeugend bestärkt hatte, mein neues Leben anzugehen, sagte ich in Santiago zu.

2. Neues Leben