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Liebe unter Halbgeschwistern, die sich kennenlernen, ohne zu wissen, dass sie einen gleichen Vater haben. Die große Liebe wird gekrönt durch zwei Kinder, wobei das zweite Kind das "Sündenkind" ist und dazu führt, dass der Vater ins Gefängnis muss. Dies führt zur Hetzjagd der Institute und der Bevölkerung, wobei Verrat und Diskriminierung eine fatale Rolle spielen. Damit wird der Inhalt auch eine Anklage gegen die "ehrenwerte" Gesellschaft, die auch vor Lüge und Gewalt nicht zurückschreckt, wenn sie glaubt, "ihrem Rechtsempfinden" zu folgen.
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2023
© 2023 Bernhard Schaffrath
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Bernhard Schaffrath
Verbotene Liebe - Sündenkind
Cover
Urheberrechte
Titelblatt
1. Der Unfall
2. Die Entscheidung
3. Wiedersehen
4. Das Treffen
5. Frankreich
6. Kampf um Erkenntnis
7. Die Gerechtigkeit
8. Neues Leben
9. Kita Katastrophe
10. Rückkehr
11. Die Sache mit der Nächstenliebe.
12. Schule
13. Neue Besen kehren gut
14. Licht im Tunnel
15. Epilog
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1. Der Unfall
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1. Der Unfall
Der Anruf traf gegen sieben Uhr abends mitten in die scheinbare Idylle eines mehr oder weniger gelungenen Tages, stellte mit einem Mal alles in Frage, was bis dahin das Leben ausgemacht hatte, hinterließ Schockstarre und Verzweiflung darüber, hilflos der Mitteilung und ihrer Bedeutung ausgeliefert zu sein. Die Wände des Zimmers begannen zu tanzen, hatten plötzlich Fratzen, die unverschämt grinsten, als ob sie sich für ihr Stillhalten in den vielen Jahren des täglichen Allerlei rächen wollten. Die Decke kippte langsam, kam bedrohlich näher, Georg setzte sich, spürte, dass er bis jetzt die Luft angehalten hatte.
Sabine war verunglückt, irgendwo in Frankreich in der Nähe der Atlantikküste, die Nachricht kam vom Abschleppdienst. Totalschaden, bei dem man nicht mal mehr auf den ersten Blick erkennen konnte, was für eine Automarke man vor sich hatte. Weitere Angaben konnte der Monteur in seinem radebrechenden Englisch nicht machen. Als er den Wagen auf seinen Abschlepper lud, waren der oder die Insassen schon mit den Sankas abtransportiert worden, das nächste Krankenhaus würde sich in Rochefort oder in La Rochelle befinden. Da der schreckliche Unfall zwischen den beiden Städten passiert war, konnte der Monteur auch keine Angaben machen, wohin man nun Verletzte gebracht hatte. Er hatte „schrecklich“ gesagt und er hatte von totaler Zerstörung des Wagens gesprochen. Den Halter des Wagens habe er anhand des Nummernschildes über den Autoclub erfahren. Das Auto oder was noch von ihm übrig sei, stände übrigens in Perigny in der Nähe des Centre antique Palmilud.
„Sie muss immerhin noch gelebt haben“, er schrie es in die Wohnung, als ob er damit die Situation hätte ändern können, „sonst hätten sie gleich den Leichenwagen geholt.“
Seine Frau konnte die Tränen nicht zurückhalten, schluchzte in sich zusammengesunken.
„Sie lebt doch noch?“ Ihre Frage klang nicht wirklich ernst gemeint, hatte etwas von absoluter Verzweiflung angesichts einer unumstößlichen Gewissheit.
„Ich muss jetzt telefonieren, nach ihr suchen, aber wo wende ich mich als erstes hin. Ich habe keine Ahnung“, er klang hektisch.
Dann begann er damit, entsprechende Adressen und Telefonnummern der möglichen Krankenhäuer zu sammeln, die als Aufnahmestellen für Unfallverletzte in dieser Region in Frage kamen. Dankbar konnte er sich dabei an die Zentrale des Autoclubs wenden, deren Mitarbeiter mit viel Geduld die Recherche unterstützten. Als mögliche Kliniken kamen das Centre Hospitalier de Rochefort oder die beiden Einrichtungen in La Rochelle in Frage, Clinical San La Rochelle oder Hospital Saint-Louis De La Rochelle.
Tatsächlich erbrachten die Anrufe ein verwertbares Ergebnis. Eine Nachbarin, die in der Schule als Französischlehrerin tätig war, erklärte sich sofort bereit, die Anrufe zu tätigen und beim zweiten Versuch wurde mitgeteilt, dass sich ein schwerverletztes Opfer, eine junge Frau aus Deutschland in der Klinik befände, deren Zustand aber sehr kritisch zu beurteilen wäre. Man wisse nur den Namen, Sabine, ein Ausweisteil sei gefunden worden. Aber es gäbe wohl noch eine zweite Person in einem anderen Krankenhaus, einen schwerverletzten jungen Mann, dessen Identität nicht gefunden wurde und bei dem auch nicht klar sei, ob er mit im Unfallwagen gesessen habe. Das Leben des Mädchens stände auf der Kippe, also könnte man noch keine Prognose aufstellen, aber man versuche alles Mögliche, um ihr Leben zu erhalten.
„Sie muss leben“, er weinte bitterlich, als ob er damit das Schicksal beeinflussen könnte, „sie muss leben.“
Aber seine Worte klangen eher wie hilfloses Flüstern gegen einen Strom der Vernichtung aller Hoffnungen.
„Ich werden morgen nach Frankreich fliegen“, seine Frau nickte zustimmend. „Gleich werde ich mich um die Flugkarte kümmern, damit ich so bald wie möglich loskomme.“
Sabine war das einzige Kind, das seine Frau nach langen Diskussionen in ihrer Ehe zugelassen hatte. Ein weiteres Kind wollte sie nicht, sah sich überfordert und angesichts der Situation in der Welt auch unverantwortlich, wenn sie weiteren Nachkommen zugestimmt hätte. Sabine war erst zwanzig, hatte gerade das Studium in Würzburg begonnen und ihr erstes Semester erfolgreich abgeschlossen. Über ihre Bekanntschaften wussten die Eltern wenig, aber sie gingen auch davon aus, dass ihnen entsprechende Partner vorgestellt würden, wenn es an der Zeit wäre und die jungen Leute es entscheiden würden. Es war schließlich ihr Leben, das sie dann gemeinsam gestalten würden, und die Eltern sollten sich im Hintergrund halten. Da Sabine in letzter Zeit keinerlei Andeutungen gemacht hatte, was eine nähere Bekanntschaft betraf, ging der Hinweis auf eine eventuelle Begleitung zunächst unter.
„Und wenn, dann vielleicht eine Reisebekanntschaft“, er war sich sicher, keine größere Bedeutung, vielleicht auch nur zufällige Parallelen. Außerdem war gar nicht klar, ob der benannte junge Mann tatsächlich Begleiter von Sabine gewesen war.
Die Zeit bis zum Abflug war grausames Zählen von Minuten, die nicht vergehen wollten, der Flug selbst ein Sich-Hinziehen von schier unendlichen Versuchen, einem Ziel näher zu kommen, dessen Inhalt man am liebsten gar nicht hatte kennen lernen wollen, es aber kaum erwarten konnte, umfassende Informationen zu bekommen. Und dazwischen immer wieder die Furcht vor der Mitteilung, dass Sabine nicht überlebt hätte.
Auch die kurze Schlafsequenz auf dem Flug zur Atlantikküste trug eher der Verzweiflung Rechnung, als wirklich erholsam zu sein, und er schreckte mehrere Male hoch, weil er glaubte, Sabines Stimme gehört zu haben, wie sie ihn an der Stelle vom Leben zum Tod noch einmal anriefe.
Die Ankunft verlief dann zunächst recht organisiert. Er begab sich sofort in das Krankenhaus, wo man ihn vertröstete, dass Sabine noch im Koma läge und sicherlich noch etwas länger in diesem Zustand bleiben müsste, zumal es für ihren Heilungsprozess, den man inzwischen für durchaus möglich ansah, von großem Vorteil wäre. Der kurze Blick durch das Fenster in den Überwachungsraum ließ ihn nur einige Schürfwunden im Gesichtsbereich erkennen. Ansonsten lag sie fast friedlich atmend da, als ob sie jeden Moment aufwachen würde. Eine Vielzahl von Brüchen am ganzen Körper würden dies aber zunächst verhindern, so ein behandelnder Arzt, der erfreulicher Weise gut Deutsch sprach und im Verlauf der Mitteilungen auch davon erzählte, dass er im Herzen der Bundesrepublik mehrere Jahre an einem Unfallkrankenhaus tätig gewesen war, um dann wieder in sein Heimatland Frankreich zurückzukehren. Er könne nichts versprechen, aber die Prognose sei gut, dass Sabine ihre schweren Verletzungen überleben würde. Zunächst aber könnte man nur abwarten. Sobald Sabines Zustand sich bessern würde, würde er sich telefonisch melden.
Dann wandte sich Georg an die örtliche Polizeidienststelle, deren Mitarbeiter sich nur radebrechend mit Englisch verständigen konnten und nach längeren Erklärungsversuchen mehr an Fragen aufgetaucht war, als Klärungen herbeigeführt werden konnten. Nach dem Bericht der am Unfallort eingesetzten Beamten waren die Erste-Hilfe-Leute schon mitten im Einsatz, als die Polizei eintraf. Offensichtlich war nur ein Wagen am Unfall beteiligt, der auf einer Landstraße, einer baumbestandenen Allee, von der befestigten Teerdecke abgekommen und frontal an einem der Bäume gelandet war. Wie das ganze passiert war, blieb zunächst für die Beamten ein Rätsel. Außerdem war ständig die Rede von einer anderen männlichen Person, die ebenfalls schwer verletzt sich schon auf dem Weg ins Hospital befunden hatte. Somit konnten die Polizisten die Existenz einer weiteren betroffenen Person nur aus den Mitteilungen schließen. Wo genau sich der Verletzte befunden hatte und ob er sich vielleicht sogar als Fußgänger am Straßenrand aufhielt, konnte noch nicht definitiv geklärt werden. Ob Georg da vielleicht weiterhelfen könnte und wüsste, ob seine Tochter in Begleitung war, was er aber zunächst verneinte. Er wisse von niemandem, der mit seiner Tochter unterwegs gewesen wäre und wenn, dann handelte es sich vielleicht um einen Tramper. Immerhin konnten ihm die Beamten die Klinik nennen, in der sich der Fremde wohl befand, sein Ausweis würde aber fehlen und man könnte deshalb weder den Namen noch den Wohnort ausfindig machen, solange er noch nicht vernehmungsfähig sei.
Georg beschloss, sich einen Leihwagen zu nehmen und sowohl die Unfallstelle als auch den Standort des Wracks aufzusuchen, da ein Anruf in der Klinik nur die Erkenntnis brachte, dass sich der Zustand von Sabine noch nicht geändert hätte. Auf dem Weg schossen ihm immer wieder die Gedanken durch den Kopf, dass Sabine zwar erst zwei Jahre ihren Führerschein hatte, bis dahin aber immer besonders vorsichtig und aufmerksam gefahren war und es ihm absolut nicht in den Kopf wollte, wie sie von der Straße abkommen konnte.
Die Unfallstelle zeigte noch deutlich die Spuren des Aufpralls. Der betroffene Baum hatte ein gutes Stück Rinde verloren, war aber stehen geblieben und die Umgebung war noch übersäht von kleinen Splittern. Bremsspuren aber suchte Georg vergeblich.
„Vielleicht ist sie kurz eingenickt“, dachte er, „vielleicht hatte sie die Nacht vorher zu wenig geschlafen, und wer weiß, wie und wo sie den Abend vorher verbracht hat.“
Er würde dies erst erfahren, wenn Sabine aufwachen würde, aber dies war noch ungewiss und vielleicht würde er auch für immer ohne Antworten bleiben. Die Tränen ließen sich nicht mehr halten und zum ersten Mal konnte er bitterlich weinen, nachdem er seit der Unfallmitteilung eher wie ein Automat reagiert hatte.
Dann fuhr er nach Perigny, um dort den Unfallwagen anzuschauen. Er war kaum wiederzuerkennen. Der Baum hatte sich mit ganzer Macht in die Front gebohrt und dabei den Wagen fast zerrissen. Der Fahrerplatz war um die Hälfte zusammengedrückt, hatte aber offensichtlich immer noch so viel Platz, dass Sabine nicht zerquetscht worden war, denn der Wagen hatte das Hindernis genau in der Mitte getroffen. Dann entdeckte Georg einen Männerschuh auf der Beifahrerseite, der unter den Sitz gerutscht war, aber nicht komplett von diesem verdeckt wurde.
„Ob vielleicht doch eine zweite Person mit im Auto gesessen hatte“, schoss es ihm durch den Kopf, der junge Mann, der sich im Koma befand und nach Rochefort in das dortige Hospital gebracht worden war? Er würde sich dort melden, vielleicht Näheres erfahren können.
Telefonisch gäbe man keine Auskunft, so viel verstand er aus den Versuchen, ihn auf Französisch zu informieren. Er müsste selbst kommen und Unterschriften leisten, um dann, wenn es der junge Mann zulassen würde, mit ihm sprechen zu können. Momentan aber sei er noch nicht in der Lage, irgendeinen Besuch zu empfangen.
Inzwischen kamen gute Nachrichten, Sabine war aufgewacht und sogar für einige Zeit bei Bewusstsein gewesen. Sie schliefe zwar jetzt, aber sie wäre über den Berg, wie man in Deutschland sagen würde. Er dürfte sie jetzt besuchen, aber ob er mit ihr sprechen könnte, wüsste der Arzt noch nicht. Zumindest würde sie das Ganze überleben, so wie es jetzt aussähe.
Als Georg etwa eine Stunde später auf die Überwachungsstation kam, war Sabine tatsächlich bei Bewusstsein. Sie lächelte sogar ein wenig, soweit es ihre Hemmatome, die über das ganze Gesicht verteilt waren, zuließen. Georg nahm sie vorsichtig in die Arme, sorgte dabei aber dafür, dass sie sich nicht bewegen musste und hielt sie einfach zärtlich fest.
„Du lebst“, flüsterte er immer wieder, „du lebst und das ist das Wichtigste, alles andere kriegen wir hin.“
„Du sprichst von Dingen, die du nicht weißt, Papa“, er musste sich zu ihr bücken, um ihre Worte zu hören, dann schlug sie wieder die Augen zu.
Er war zwar zunächst ein wenig verwirrt, was sie mit den Dingen meinte, bezog dies aber dann auf den Unfall und das Auto, also Dinge, die durchaus, auch wenn sie an dem Unfall Schuld tragen würde, zu lösen waren. Dann ließ er ihre Atemzüge auf sich wirken, die regelmäßig von nahender Erholung kündeten, und nickte neben ihr auf einem Stuhl sitzend ein. In einer Traumsequenz sah er seine Tochter, wie sie die Hände verzweifelt nach ihm ausstreckend in einem Morast Loch versank, viel zu schnell, um ihr zu helfen, zumal er nichts fand, was er ihr hätte als Stütze geben können. Schweißgebadet schreckte er auf, aber Sabine atmete ruhig und ihr Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig. Sie schien sogar zu lächeln und er bezog dies darauf, dass er jetzt hier in ihrer Nähe Wache hielt und sie dies sehr wohl spürte.
Als sie erneut erwachte und ihn erblickte, huschte ein Lächeln über ihr zerschundenes Gesicht und sie zeigte jetzt schon mehr Kraft als vorher, vielleicht die eine oder andere Frage zu beantworten.
„Warst du allein im Auto?“, seine Frage zerschnitt das plötzliche Schweigen im Zimmer, „warst du allein?“
Sie wendete sich in wenig ab und ihr Blick verfing sich in den Vorhängen der Fenster. Sie schwieg, länger als er es als normal empfand, dann kam ihre Antwort, leise, aber sehr bestimmt.
„Natürlich war ich allein.“
Sie schloss die Augen und versank offensichtlich erneut in tiefen Schlaf, aber irgendwie schien es ihm, als ob sie wach sei und nachdachte.
Dann erneut: „Natürlich war ich allein“, und dann Schweigen, fast endlos mit offenen Augen, die Vorhänge fixierend.
Georg beschloss, sie zunächst ruhen zu lassen, sich einen Kaffee zu holen, vielleicht endlich ein belegtes Brötchen zu essen. Es fiel ihm auf, dass er seit gestern Abend nichts mehr zu sich genommen hatte, und er verspürte plötzlich enormen Appetit. Als er das Zimmer verließ, schlief Sabine offensichtlich wieder.
Draußen begegnete Georg einer der Schwestern, die ihn freundlich auf Deutsch ansprach und gleich von ihren Erfahrungen in München erzählte. Sie habe das erste Gespräch mit Sabine geführt, als diese aufgewacht sei.
„Was hat sie denn gesagt, als sie aufgewacht ist?“
„Sie hat zuerst nach ihnen gefragt, dann aber nach einem jungen Mann, den ich nicht zuordnen konnte. Ob er überlebt hätte, wo er sich befände, wie es ihm gehe. Sie hat mich etwas verwirrt, weil sie ihn nicht zugeordnet hat, ich weiß also nicht, ob er sie begleitet hat oder ob er nur ein Erinnerungsgespinst an zu Hause ist.“
„Offensichtlich war sie allein im Auto“, Georg versuchte aus seiner Sicht zu klären, aber die junge Schwester sah ihn fragend an.
„Ich glaube eher, dass er ihr Beifahrer war und nach ihrer Angst um ihn und seinen Verbleib glaube ich sogar, dass sie ihn näher gekannt hat, er also vielleicht doch mit ihr im Auto saß. Aber sicher bin ich mir nicht.“
„Aber warum behauptet sie dann, dass sie allein war“, Georg schaute nachdenklich vor sich hin.
Er würde sich damit noch ein wenig befassen, das spürte er, aber er hatte keine Ahnung, was sich alles noch dahinter verbergen könnte.
2. Die Entscheidung
Sabine war damals recht schnell entstanden, nachdem er sich für die Ehe mit seiner jetzigen Frau entschieden hatte, obwohl die Zusage zu dieser Ehe eher aus einer Enttäuschung heraus über eine schiefgelaufene Liebesbeziehung entstanden war. Gewiss liebte er sie, diese neue Frau, die ihm Halt und Zuversicht geben konnte für den neuen Lebensweg, aber die Intensität seiner Gefühle war kaum annähernd so stark wie zu seiner vorherigen Liebe. Hinzu kam, dass er nicht begriffen hatte, warum die Beziehung zerbrochen war, und er schon zum Zeitpunkt der Hochzeit wusste, dass er Eva nie vergessen und sie ihre Faszination für ihn wohl immer behalten würde.
Eva war damals in eine andere Stadt gegangen, um ihrem Medizinstudium ein Jahr Praxiserfahrung hinzuzufügen in der Abteilung Strahlentherapie der ansässigen Uniklinik. Zunächst ergaben sich kleinere Schwierigkeiten bei der Festlegung von möglichen Treffen, sodass eine längere Pause des Wiedersehens von etwa sechs Wochen entstand, die aber kaum bedrohlich für die Beziehung zu sein schien. Georg und Eva telefonierten fast täglich miteinander und versicherten sich dabei ihrer Zuneigung. Hinzu kamen die neuen Eindrücke bei Eva, die sie, soweit es Georg verstehen konnte, ihm auch mitteilte.
Dann tauchte in der vorletzten Woche der Name eines Mannes auf, jemanden, den sie kennengelernt hätte und mit dem sie sich auch manchmal träfe. Da der Hinweis auf diese Person nur nebenbei erfolgte, schrieb Georg dem ganzen keine besondere Bedeutung zu. Aber die Mitteilungen von Eva reduzierten sich deutlich und blieben spärlich, was ihre Abendgestaltung betraf. Sie könnte nicht alles am Telefon mitteilen, aber man träfe sich ja demnächst und dann könnte man über alles reden.
Sie hatte „über alles reden“ gesagt und Georg spürte bei dieser Eröffnung ein sehr ungutes Ziehen in der Bauchgegend, konnte es aber nicht zuordnen.
Das Wiedersehen verlief sehr ernüchternd. Eva verweigerte nicht nur einen zärtlichen Kuss zur Begrüßung und begnügte sich mit einem flüchtig hingeworfenen Hauch auf die Backe, sondern bremste auch von Anfang an die überschwängliche Freude, die Georg zeigte.
„Wir müssen reden“, sagte sie, einfach dahingeworfen, „wir müssen reden, es ist etwas vorgefallen in den jetzt fast sechs Wochen, die wir uns nicht mehr gesehen haben. Ich habe einen anderen Mann kennengelernt.“
Georg begriff zunächst nicht, es wäre doch nicht schlimm oder von Bedeutung, dass sie jemand anderen kennen gelernt hätte, aber sie sah ihm nicht in die Augen, sondern heftete ihren Blick weit in die Zukunft.
„Es ist mehr als nur ein Kennenlernen, ich habe mich verliebt und ich habe auch schon mit dem neuen Partner geschlafen.“
„Warum?“, er stammelte es in die Leere des Raums, „sag, warum.“
„Du bist nicht mehr bei mir“, ihre Worte klangen sehr traurig, „du bist schon lange nicht mehr bei mir, so wie ich es brauche“, sie schluckte.
„Ich brauche ein Herz in meiner Nähe, Wärme, aber keinen Liebhaber, der glaubt, dass guter Sex genügt, um Liebe zu zeigen.“
„Aber ich liebe dich doch“, er klang jetzt sehr verzweifelt.
„Ich weiß das, Georg, ich liebe dich auch, aber im Moment brauche ich einfach mehr.“
„Warum hast du mir das nie gesagt?“, seine Worte waren Worte der Männer, die verzweifelt sind, aber immer noch nicht verstehen.
„Du hast mir nie zugehört.“
Georg spürte damals, wie seine gesamte Kraft aus dem Körper zu weichen schien, und er musste sich an der Mauer des angrenzenden Hauses festhalten, um nicht umzukippen. Er versuchte mit aller Kraft das eben Gehörte als nicht existent einzustufen, aber es gelang nicht und wurde zunehmend bedrohliche Wahrheit.
„Im Moment habe ich beschlossen, erst mal bei ihm zu bleiben und einen neuen Lebensabschnitt zu starten. Wie gesagt, habe ich auch schon mit ihm geschlafen und mich entschieden, dass es mit uns momentan keinen Sinn mehr macht. Ich weiß, dass ich dich nicht immer noch liebe, aber offensichtlich reicht es nicht mehr aus, um mich für dich zu entscheiden. Vielleicht ist dies einer der größten Fehler, die ich in meinem Leben mache, aber das Neue, das Freie, das Ungezwungene, es fasziniert mich und reißt mich mit.“
Georg wankte, brachte kein Wort hervor, spürte nur Elend und Verzweiflung, dann begann er zu weinen.
„Ich habe befürchtet, dass es so kommen würde“, sie wandte sich ab, sprach in den Verkehr des Stadtkerns, „aber du wirst auch ein neues Leben beginnen können und müssen, du bist selbständig und stark genug.“
Ein Cafe in der Nähe nahm sie auf, verschluckte ihren Kummer, den auch Eva jetzt deutlich spürte, obwohl