Flieger- und  Luftschiffkämpfe im Weltkriege - Georg Gellert - E-Book

Flieger- und Luftschiffkämpfe im Weltkriege E-Book

Georg Gellert

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Beschreibung

26 Erlebnisberichte vermitteln einen wirklichkeitsnahen Eindruck der Kämpfe über den Fronten des Ersten Weltkrieges. Lange Zeit befanden sich die Jagdflieger im Stadium der Improvisation. Luftkämpfe wurden mit Pistolen ausgetragen. Als es jedoch gelang Maschinengewehrsalven synchronisiert durch den eigenen Propellerkreis zu feuern, veränderte sich der Luftkampf in atemberaubendem Tempo. Detailliert schildert Georg Gellert erbarmungslose Fliegerkämpfe, den Einsatz von Zeppelinen, die Beschießung eines englischen Schlachtkreuzers und weiteren entscheidenden Ereignissen.

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Flieger- und Luftschiffkämpfe im Weltkriege

Erzählungen

von

Georg Gellert

________

Erstmals erschienen im:

Mars-Verlag, Berlin, 1935

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2017 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-077-9

www.klarweltverlag.de

 

 

Flieger- und Luftschiffkämpfe im Weltkriege

 

Deutsche Luftschiffe über London.

Von Hans R. Schulze.

 

Flugbahn einer abgeworfenen Bombe.

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Der Flieger von Tannenberg.

Ein Zeppelin über Antwerpen.

Die Eroberung von Lüttich.

In Feindeshand gefallen.

Der Kampf in den Lüften.

Fliegerbomben auf einen englischen Schlachtkreuzer.

Deutscher Fliegerangriff auf Dünkirchen.

Die Einnahme von Warschau.

Der vereitelte Anschlag auf Cuxhaven.

Deutsche Flieger über Paris.

Ein Flug nach Sedan.

Zeppeline und Flugzeuge über England.

Sein letzter Brief.

Verluste der italienischen Luftflotte. Luftbombardement von Venedig.

Bei den Dardanellen.

Fliegerabenteuer im Gebirge.

Luftkampf in der deutschen Bucht.

Fliegerkämpfe bei Arras.

Luftkampf in 2080 Meter Höhe!

Flug nach Flandern.

Fliegerabenteuer in Russland.

Der letzte Flieger über Przemysl.

Englische Barbaren!

Luftkampf bei Paris.

Im Zeppelin über einem Konzentrationslager!

Verflogen!

Der Flieger von Tannenberg.

Wie einst die zahllosen Mongolenscharen die deutschen Gefilde auf ihren kleinen flinken Rossen zertrampelten und alles verwüsteten, so fluteten Anfang August 1914 in gewaltigen Heersäulen die Russen über die Grenze Ostpreußens.

Pillkallen, Eydtkuhnen, Stallupönen im Norden wurden von ihnen mit Feuer und Schwert verwüstet, bis hinunter nach Johannisburg, Ortelsburg und Soldau drangen die Mordbrenner,

Da war es Generalfeldmarschall von Hindenburg, der nach seinem genialen Plane die Russen aus der deutschen Provinz wieder vertrieb und sie dahin jagte, wohin sie gehören: in die masurischen Seen und endlosen Sümpfe.

Das war am 26. August 1914.

In aller Stille waren die deutschen Heere zusammengezogen worden und warteten nur auf das Zeichen, um gegen die freche russische Soldateska vorzugehen.

Es galt vor allein, die Stellungen der Feinde zu erkunden.

Der Flieger-Unteroffizier Fritz Welz, der sich als ein geschickter und zuverlässiger Pilot erwiesen hatte, war spät am Abend von einem Erkundungsfluge, der ihn über Goldap bis zum Wysztvter See geführt hatte, zurückgekehrt.

Er war auf dem Rückwege begriffen.

Er hatte sich allmählich bis auf zwölfhundert Meter hinaufgeschraubt, da er unter sich Trainkolonnen und Bagagewagen des Feindes in endloser Menge wahrnahm.

Endlos weitete sich unter ihm die Romintener Heide. Die Dörfer und bewohnten Flecken waren zu kleinen dunklen Punkten zusammengeschrumpft.

Erst als er den Kurs nach Südwesten nahm, machte ihn sein Begleiter auf die zum Himmel lodernden Fanale aufmerksam.

Es war ein schönes Schauspiel, zu sehen, wie die roten Flammen zum dunklen Nachthimmel emporzüngelten und wie. der kräftige Ostwind goldene Funkengarben durch die Lüfte jagte.

Ein unheimlich banges Gefühl beschlich die beiden Flieger, als sie mit ihrem Albatros-Doppeldecker heimwärts zu ihrer Truppe flogen.

Kaum hatten sie dieses Brandfeld hinter sich zurückgelassen, da deutete der Begleiter schon wieder auf einen ausgedehnten Brandherd in der Tiefe.

Der Führer fasste das Lenkrad fest mit seinen beiden Händen, als wollte er mit diesem festen Druck seinen Schmerz und seine Wut zum Ausdruck bringen.

Wer weiß, wie viel brave Ostpreußen jetzt in dieser Stunde Schweres erleben mussten!

O, wenn doch endlich diese Barbaren wieder über die, deutsche Grenze gejagt wären!

Der Propeller schnurrte sein lautes Lied, und der Führer ging mit seiner Maschine in eine größere Tiefe, um besser beobachten zu können.

Große Wälder, die sich tiefschwarz von den helleren Tönen der Felder abhoben, verschwanden unter ihnen und neue Brandherde zeigten ihnen die Wege, auf denen die Russenheere marschierten.

Der Führer glaubte jetzt, in der Nähe von Angerburg zu sein. Er ließ die Maschine noch mehr hinuntergehen.

Er hatte sich nicht getäuscht. Es war Angerburg. Auch hier züngelten die roten Flammen zum Himmel.

Da, als sie gerade wieder durch die Luken in der Tragdecke Ausschau hielten, hörten sie lebhaftes Gewehrfeuer, und schon wurde die eine Tragdecke ihres Apparates von mehreren Kugeln getroffen.

Der Unteroffizier schraubte seinen Apparat wieder in die Höhe und ließ den Motor von neuem kräftig angehen. Ihm lag nicht daran, abgeschossen zu werden und in die Hände der Russen zu fallen. Darum: auf und davon, um das Erschaute zu Haus zu melden.

Im Gleitfluge ging er nach einer glatten, halbstündigen Fahrt nieder. Sie waren gut gelandet und waren nicht unweit von dem Platz, wo sie aufgestiegen waren, gestartet.

Hier wartete schon ein Automobil ihrer, das sie im Eiltempo ins Hauptquartier trug,

Der Bericht, den der Unteroffizier und sein Begleiter erstattete, wurde mit beifälligem Nicken des höchstkommandierenden aufgenommen.

Die Herren beugten sich über die auf dem mächtigen Tisch aufgespannte Karte und zeichneten jede Stellung des Feindes getreulich ein, wie sie der zuverlässige Führer ihnen gemeldet hatte.

Doch der Oberkommandierende schien mit dem Endresultat nicht ganz zufrieden zu sein. Er ging, die Hände auf dem Rücken, in dem Saale auf und ab, dann blieb er bei den Generalstäblern stehen!

„Was die Flieger gesehen haben, das wird, daran zweifle ich nicht, alles stimmen. Sie haben große Züge mit Munitionswagen, Bagage und Train beobachtet. Gut. — Sie haben viel Brände beobachtet. Das lässt ebenso wenig auf vorhandene große feindliche Truppenmassen schließen, als auf eine kleine Rotte brandstiftender Kosaken. Was ich in dem Bericht vermisse, das ist die Meldung der großen Heere.“

Die Herren vom Generalstabe hoben die Köpfe, spitzten die Ohren und sahen sich bedeutungsvoll an, als wollten sie sagen: „Da hat doch der Generalfeldmarschall wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.“

„Wo sind die vielen russischen Armeekorps geblieben, die unter allen Umständen auf den gutgepflegten deutschen Landstraßen kommen mussten? Es ist unmöglich, dass die über Stallupönen, Gumbinnen und Insterburg im Anmarsch befindlichen Russenheere allein den Einfall in Ostpreußen gewagt haben sollen. Wo ist die Hauptarmee, die wir schon längst erwarten?“ —

Die Darlegung des Höchstkommandierenden war so eindringlich und für alle so klar, dass keiner, der die Begründungen hörte, an dem Vorhandensein zahlreicher großer russischer Truppenkörper zweifeln konnte.

„Morgen früh um halb drei Uhr“ so lautete der Befehl, „sollen nochmals alle Flieger nach verschiedenen Richtungen Erkundungsflüge unternehmen.“

Fritz Welz war mit freundlichem Nicken entlassen. Er eilte zurück, um alles für den nächsten Morgen, der voraussichtlich die Entscheidung bringen sollte, vorzubereiten.

Beim Scheine einer weißstrahlenden Azetylenlampe wurde die Maschine genau visitiert, die auf den Tragdecken stehenden Spanntürme auf ihre Festigkeit geprüft, der Kühler über dem Motor nachgesehen. Dann prüfte er die Bremse, die Widerstandsfähigkeit jeder einzelnen Spiere. Er fand den Benzinbehälter in Ordnung, auch den Motor selbst einwandfrei.

Unter einem Zeltplan wurde der Doppeldecker dann über Nacht gegen die Witterung geborgen. So ging der mutige Flieger denn befriedigt zu Bett, das für ihn in einem ländlichen Gasthaus bereitstand.

Um zwei Uhr war er schon wieder auf den Beinen. Nach Einnahme eines einfachen Frühstücks stieg er mit seinem Begleiter durch die Luke der Tragdecke in den Apparat. Kurz darauf wurde der Motor angedreht, und bald stiegen sie zum wolkenlosen Himmel an.

Sie nahmen die Richtung nach Osten. Bald tauchte vor ihnen eine kleine rote Kugel am blassblauen Himmel auf, die sich hob und größer wurde und dann in goldener, strahlender Majestät die Erde erleuchtete.

Was galt ihnen heut die Sonne und der ganze Himmel? — Sie hatten nur eins im Sinn: wie Spürhunde die anmarschierenden Russenheere zu entdecken.

Er war gleichzeitig mit einigen Kameraden aufgestiegen. Einige waren nach Südost, die andern nach Nordost geflogen, und ihn trug sein sicherer Albatros in der ihm aufgegebenen Richtung davon.

Was war nur heut mit dem Motor? Er hatte doch alles vor einer halben Stunde sorgfältig nachgeprüft?

Erschreckt war er aufgefahren. Der Motor hatte für einen Augenblick ausgesetzt und das Tempo verlangsamt. Zwar erholte er sich wieder, aber nach einigen Minuten wiederholten sich die Störungen von neuem.

Er machte seinem Begleiter Zeichen, deutete auf den Motor, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass an der Maschine etwas nicht in Ordnung wäre. Das war eine schöne Geschichte! Sollte der Vergaser etwa nicht in Ordnung sein? Er beugte sich weit vornüber, um dies festzustellen. Er konnte jedoch nichts entdecken.

Doch da gab es einen Ruck — und hier — es war kein Zweifel mehr — ein Blick aus die Benzinuhr zeigte es ihm. — der Benzinbehälter hatte einen Defekt. Das Benzin lief rapid aus.

Herrgott im Himmel, jetzt war es mit dem Flug zu Ende. Er musste niedergehen, Die Erstickungsanfälle des Motors waren eine schreckliche Musik für seine Ohren.

Noch einige hundert Meter, dann musste er abstürzen, wenn er nicht vorher im Gleitfluge niederging. Also rasch einen möglichst bequemen Platz aufsuchen, wo er ungefährdet landen konnte.

Unter ihm war die endlose Fläche grüner Felder. In der Ferne blitzten helle Flächen in der Morgensonne, das waren die großen Flächen der masurischen Seen.

Er erkannte, dass er durch das Aussetzen des Motors von der eigentlichen Richtung ein bedeutendes Stück abgekommen war.

Sein Weg sollte über die Landstraße führen, und er war zu weit nach rechts gesteuert. Er warf das Steuer noch einmal herum, um nicht allzu weit von der Landstraße auf einem Felde niederzugehen.

So viel stellte sein prüfender Blick fest: soweit das Auge reichte und soweit er mit dem Glase erkennen konnte, nirgends war ein Russe zu erblicken.

Die Landung ging rasch von statten. Bald war der Flieger-Unteroffizier mit seinem Begleiter dabei, den Benzintank zu untersuchen.

Es war so, wie er vermutet hatte. Der Benzinbehälter hatte eine winzige Öffnung am Boden, durch die das Benzin ausgetropft war.

 

Feindlicher Fliegerangriff in Friedrichshafen wird durch armierten Fesselballon und Abwehrkanonen abgeschlagen. Von Kurd Albrecht.

Eine Gewehrkugel hatte einen der starken Lederriemen getroffen, durch die er elastisch gelagert und gegen Verschiebung gesichert war, hatte dabei den Benzintank gestreift und eine winzige Öffnung verursacht. Rasch wurde der Werkzeugkasten unterm Sitz hervorgeholt, die Lötlampe entzündet und nun hurtig mit dem Lötkolben der Schaden beseitigt.

In kaum zehn Minuten war die Arbeit erledigt. Doch wer beschreibt den Schrecken, den die beiden Piloten erhielten, als sie feststellen mussten, dass der mitgenommene Benzinvorrat, ob durch ein Versehen oder nicht, ließ sich im Augenblick nicht feststellen, so ungenügend war, dass an eine Fortsetzung des Erkundungsfluges nicht zu denken war.

Ihre Verzweiflung war groß. Doch was war da zu machen? —

Der Benzintank wurde mit dem geringen Vorrat aufgefüllt. Sie überdachten, ob es möglich sein würde, mit der geringen Menge noch einmal hundert Kilometer zurückzulegen. Während sie verzweiflungsvoll dastanden und überlegten, schwang sich jubilierend eine Lerche dicht bei ihnen in den blauen Äther, als ob sie die beiden ratlosen Menschen verhöhnen wollte. Friedliche, entzückende Stille herrschte in der weiten Runde. Der Tau lag auf allen Gräsern und blitzte in allen Regenbogenfarben. Es war ein köstlicher Morgen, der jeden Menschen freudig stimmen musste. Und hier saßen die beiden jungen Kämpfer, ihrer Flügel und ihrer Waffe beraubt und konnten nicht vorwärts und nicht zurück. „Was ist da viel zu bedenken“, sagte der Beobachter zu seinem Führer. „Es lohnt sich kaum, mit dem bisschen Benzin im Behälter aufzusteigen. Wir täten am besten, wir machen uns auf die Socken und sehen zu, zu unserer Abteilung zurückzukommen, vielleicht gelingt es uns, auf dem Rückwege noch eine Kanne Benzin aufzutreiben.“ Doch der Unteroffizier war anderer Ansicht. „So lange noch ein Tropfen Benzin den Motor antreiben kann, so lange will ich meine Maschine nicht verlassen. Für fünfzehn bis zwanzig Minuten garantiere ich. So lange werden wir uns in der Luft halten. Und wenn wir, statt der Landstraße zu folgen, die den riesigen Bogen macht, hier den Wald überfliegen, dann kürzen wir den Weg sicher um ein bedeutendes Stück ab und können noch — wenn uns das Glück hold ist — unsere Linie erreichen. Sein Kamerad hatte dagegen nichts einzuwenden. Sie kletterten wieder auf die Maschine. Der Führer warf den Motor an, und mit lustigem Geknatter flogen sie über das Feld und stiegen hoch in die Luft, grade auf den Wald zu, um aus diesem kürzeren Wege zurückzukommen. Höher und höher stieg der Apparat. Jetzt hatten sie den Wald erreicht. Und da — mit offenem Munde starrte der Unteroffizier hinunter, er wandte sich zurück und deutete erregt in die Tiefe. Der Wald wimmelt von Menschen. Ungezählte Scharen waren hier versteckt.

Hurra, hier also hielten sich die Russen verborgen. Was sie erwartet hatten, traf ein.

Sie schraubten sich mit dem Doppeldecker hoch, doch nicht schnell genug, um nicht von einem Kugelregen begrüßt zu werden. Aus Flinten und Maschinengewehren wurden sie beschossen, doch hohnlachend flogen sie heimwärts. viele Kilometer weit zog sich der Wald unter ihnen hin, und so weit sie ihr Flugzeug noch trug, so weit konnten sie die zahllosen Russenheere in den Wäldern feststellen.

Mit Angst und Spannung blickte der Führer auf die Benzinuhr. Noch für zehn Minuten gab der Behälter die Kraft her. Surrend und pfeilgeschwind trug sie der stählerne Vogel durch die Lüfte, ununterbrochen von feindlichen Geschossen begleitet. Und da — als der Wald durch einige Morgen Acker unterbrochen wurde, da wurden sie von Schrapnellfeuer empfangen. Das hatte gerade noch gefehlt!

Noch fünf Minuten konnte sich die Maschine in der Luft halten. Der Motor arbeitete rasend. Die Pulse der beiden kühnen Flieger hämmerten und klopften mit dem Motor um die Wette.

Noch vier Minuten!

Unter ihnen flogen die Wälder und Felder dahin. Sie hörten nicht mehr, sie beachteten die Geschosse nicht, die neben und vor ihnen aufstiegen, sie merkten nicht, dass ihre Maschine schon von vielen Kugeln getroffen war. Doch solange der Motor noch hämmerte, solange war nichts zu fürchten.

Noch drei Minuten! Jetzt, — ein Freudenschrei aus beiden Kehlen! Unter ihnen marschierten feldgraue Regimenter. Gott sei gelobt, das waren die ihrigen. Sie waren gerettet.

Noch zwei Minuten! Im Gleitfluge gingen sie nieder.

Was machte es aus, ob beim Niedergehen durch den Aufprall der Benzinbehälter vernichtet wurde. Es war ja doch kein Benzin mehr darin, und das Ziel war erreicht.

Vom brausenden Jubel der Kameraden begrüßt, wurden sie aus der auch sonst zu Schaden gekommenen Maschine herausgehoben. Und — wie, am Abend vorher — so erstatteten sie eiligst den langersehnten und erwarteten Bericht.

Hindenburg wusste nun, wo die Feinde waren. Und so begann am 26. August 1914 die gewaltige Schlacht bei Tannenberg, die mit der Vernichtung der russischen Armee am 28. August ihr glorreiches Ende fand.

Ein Zeppelin über Antwerpen.

Die Antwerpener waren um den Ausgang des kaum begonnenen großen Krieges unbekümmert.

Um was sollten sie sich auch sorgen? Antwerpen war befestigt. Doch nicht so, wie die anderen Festungen in Europa oder sonst wo, — nein, die Sachverständigen hatten es gesagt und die Zeitungen der ganzen Welt hatten es gedruckt! Antwerpen ist die stärkste Festung der Welt.

Das stimmte, musste stimmen. Denn man hatte sich‘s was kosten lassen. Soviel Zeit und so viel Geld war noch niemals auf die Befestigungen einer Seehafenstadt verwendet worden.

Bare zwölf Millionen hatten die riesigen Eisen- und Betonanlagen, die Panzertürme und die Stauwehre und was sonst die Stadt, außer den zwölf mächtigen Forts schützen sollte, gekostet. Und für das viele Geld, das die reichen Antwerpener dafür ausgegeben hatten, durfte man wohl auch erwarten, dass man vom Feinde unbehelligt bliebe. Und schließlich war die ganze Kriegssache ja nur eine kleine Episode in dem alltäglichen Einerlei der unaufhörlichen Vergnügungen, in denen Antwerpen und seine Bürger aufgingen.

Zudem hatte die französische Heeresleitung es ja ausposaunt, dass es mit Deutschland ein schlechtes Ende nehmen würde. Und in russischen Zeitungen konnte man lesen, dass Berlin bald aufgehört haben würde, zu bestehen.

Doch nicht genug damit. Man tuschelte und erzählte sich in vertrauten Kreisen von dem Geheimbund der französischen Flieger. Das waren Kerle, die die Welt in Erstaunen setzen werden!

Die französischen Zeitungen hatten schon hier und da Andeutungen gemacht. Und was in den Zeitungen stand, das wurde von Mund zu Mund weitergetragen und schließlich wusste das jeder in ganz Belgien, dass das französische Geheim-Flieger-Geschwader den ganzen Krieg entscheiden und fast allein führen würde.

Wer‘s nicht glauben wollte, dem wurden Zahlen genannt. Und Zahlen pflegen zu überzeugen. Einer raunte dem andern lächelnd ins Ohr: nur getrost, lieber Nachbar! Die Einnahme von Lüttich, Namur und Brüssel sind nur militärische Spaziergänge gewesen, die nichts zu bedeuten haben. Jetzt ist das französische Geheim-Flieger-Geschwader mit seinen achtzehn Flugzeugen und sechshundertachtzig Bomben unterwegs. Jede Bombe wiegt fünf Kilogramm. Das sind zusammen dreitausendvierhundert Kilogramm Explosivstoff. Damit wird der deutschen Reichshauptstadt der erste Besuch gemacht werden.

Jeder Flieger hat eine Karte. Er weiß ganz genau, welche öffentlichen Gebäude er zuerst mit den Bomben zu vernichten hat. Sind die Bomben abgeworfen, dann haben sie nur nach Frankreich wieder zurückzufliegen und neuen Vorrat zu holen.

In einigen Tagen wird demnach von Berlin nichts weiter übrig sein, als eine ungeheure Stelle mit Schutt und Ruinen.

Und so, wie es mit Berlin gemacht wird, so soll es mit den andern großen deutschen Städten geschehen.

So hofft man, ohne Landheer und ohne Marine und ohne Artillerie, das Deutsche Reich in knapper Zeit zu vernichten.

Der Plan und die Absicht war vorhanden. Nur schade, dass Plan und Absichten so ganz und gar nicht mit dem Plan und den Absichten der deutschen Heeresleitung übereinstimmten.

Über Lüttich war das Zeppelin-Luftschiff erschienen. und seine abgeworfenen Bomben hatten ungeheure Verwüstungen angerichtet.

Wenn nur nicht diese vermaledeiten Zeppeline auch Antwerpen mit ihrem Besuche beehren wollten. Das stände allerdings nicht im Programm! Diese Besorgnis hatte sich in die Herzen der Antwerpener eingeschlichen und sich darin festgenistet, als nach und nach Mitteilungen über die Furchtbarkeit dieser Lufttorpedos bekannt wurden.

Wozu hatten sie denn diese vielen Millionen für die Befestigungen geopfert, wenn diese dreisten deutschen Luftkreuzer ohne weiteres in ihre geliebte Stadt kommen und alles kurz und klein bombardieren würden? —

In der reichen Seestadt Antwerpen besaß Herr Theodor Müller an der Grand Place ein großes Hotel, das er auf den Namen „Hotel Bellevue“ getauft hatte. Herr Müller stammte aus Köln, war aber schon viele, viele Jahre in Antwerpen ansässig, das durch seine weltbekannten Diamantenschleifereien, seine Zwirnfabriken und durch die Herstellung vorzüglicher Nähseide berühmt ist. Als er als junger Rekrut in einer rheinischen Stadt seiner Militärpflicht genügte, beging er eine Dummheit.

Sein Unteroffizier hatte ihn fester als sonst angepackt und Theodor Müller glaubte, dass er diesen „Zartheiten“ auf die Dauer nicht gewachsen sein würde.

Statt bei seinem Vorgesetzten eine Beschwerde einzureichen, lief er in Zorn und Unmut eines Tages davon und wurde somit — fahnenflüchtig.

Nun war ihm, wenn er nicht reumütig zurückkehrte und die Strafe für sein Vergehen auf sich nahm, das Vaterland versperrt.

Oft war er schon nahe daran, aus Paris, wohin er gewandert war, nach Deutschland und in seine Garnison wieder zurückzukehren und sich der Behörde zu stellen. Doch da hielt ihn Furcht und Scham zurück und so musste er im Auslande bleiben.

Von Paris wanderte er nach Antwerpen, und hier glückte es ihm im Laufe der Jahre, sich ein beträchtliches Vermögen zu erringen.

Von einem kleinen Gasthofsbesitzer hatte er es nach und nach zu dem prächtigen Hotel Bellevue gebracht, das von vielen Fremden, zumeist von Deutschen, gern besucht wurde.

Antwerpen wurde somit seine zweite Vaterstadt.

Im Innern seines Herzens aber blieb er ein guter Deutscher, und jede Gelegenheit, in den belgischen Staatsverband einzutreten, wies er schroff von sich.

Trotzdem zeigte er sich den Antwerpenern als ein äußerst gütiger Menschenfreund.

Nicht hunderte, nein Tausende der armen Antwerpener Bevölkerung wurden in jedem Monat von ihm mit Speise und Trank versehen.

Und wer an seine Tür klopfte, fand stets eine offene Hand und, was besser ist, auch guten Rat.

Es schien, als ob seine Popularität in den Herzen der Antwerpener in herzlicher Dankbarkeit fest begründet sei.

Nun war der Krieg ausgebrochen und die belgischen Zeitungen, geleitet von der belgischen Regierung. hatten die niederen Instinkte des Pöbels erweckt.

Eines Abends hatte sich vor dem eleganten Hotel Bellevue eine nach Tausenden zählende Volksmenge angesammelt.

Ehe der Besitzer die Türen schließen konnte, hatte der Mob das Haus gestürmt, alle Fenster zerschlagen, die Möbel und Geräte zertrümmert und aus dem Fenster geworfen, und alles, was nicht niet- und nagelfest war, gestohlen und fortgeschleppt,

Das vornehme Hotel stand in wenigen Stunden verwüstet da und der Besitzer, ein Wohltäter der Armen, ein Helfer der Bedrängten, war in dieser kurzen Zeitspanne zu einem Bettler geworden, der aus seinem eigenen Heim fliehen musste, um nicht der entfesselten Wut der Menge zum Opfer zu fallen.

Was war menschliche Dankbarkeit!

Sie hassten ihn, diese Antwerpener, und entdeckten mit einem Male, dass er hassenswürdig war. Warum? Weil er ein Deutscher war. Hatte der Hass auf dem Grunde ihrer schwachen Seele nur geschlummert? Oder war er künstlich in ihre missleiteten Herzen gepflanzt worden? —

In einem kleinen Quartier in der Nähe des Hafens hatte er für die Nacht eine Unterkunft gefunden.

Während er verdüstert und einsam in der Schenke saß, hörte er die lebhaft geführten Gespräche mit an.

Wo sich ein Mund auftat, da drang aus rauher Kehle der Ruf: „Tod den Deutschen!“

Jetzt erst, in seiner Niedergeschlagenheit und Verlassenheit, empfand er es mehr denn je, dass er kein Vaterland hatte, das er sein nennen durfte.

Wie oft hatte er in seiner Jugend die Worte des Richters nachgesprochen:

„Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an,

Das halte fest mit deinem ganzen Herzen;

Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,

Dort in der fremden Welt stehst du allein,

Ein schwankes Rohr, das jeder Sturm zerknickt.“

 

Doch niemals waren sie mit so eindringlicher Gewalt vor seine Seele getreten, wie eben jetzt, da er, von allen verlassen, die ihn im Glück gesucht, ein Bettler geworden war.

Sein ganzes Leben zog jetzt vor seiner tiefbekümmerten Seele vorüber. Und der eine Wunsch, wieder ins deutsche Vaterland zurückzukehren, drängte sich in sein Herz und schlug dort mächtig Wurzel.

Wenn es ihm gelingen sollte, heil aus diesem Lande heraus zu kommen, so war er fest entschlössen, zum Vaterland zurückzukehren, sich dort der Behörde zu stellen, um das Vergehen seiner Jugend zu sühnen und dann unter seinen Volksgenossen ein neues Leben zu beginnen. —

Ein dumpfer, furchtbarer Knall erschütterte die Luft und das laute Geschwätz in der raucherfüllten Taverne verstummte auf einen Augenblick. Alle hatten die Köpfe erhoben und horchten angespannt.

Wieder dröhnte es furchtbar und machte das Haus erzittern.

Jetzt litt es keinen mehr auf seinem Platz. Alles stürmte ins Freie, um zu sehen, was es gab.

Auch Theodor Müller war gefolgt. Auf der Straße liefen und irrten die Menschen erregt durcheinander. Und als er die Hafenstraße mit dem Schwärm hinuntergelaufen war und nun in die große Straße, die zur inneren Stadt führte, einbog, da leuchtete es, wie von einem gewaltigen Blitz. Und wiederum krachte es so schrecklich, dass jeder seinen eiligen Schritt einhielt und vor Schreck nicht weiter konnte.

Plötzlich waren alle Gaslaternen erloschen. Der Himmel hatte sich mit einer feurigen Glut überzogen, und in dem Gewirr flüchtender Menschen erschollen die Rufe: „Die Gasanstalt ist von einer Zeppelinbombe getroffen worden! Ein ganzer Stadtteil brennt!“

Die feurige Lohe schlug zum Abendhimmel auf, und nunmehr flüchtete alles entsetzt und zu Tode erschreckt in die Häuser und in die Keller.

Und wieder und immer wieder fiel Feuer und Schwefel auf die feindliche Stadt hernieder, wie einst aus Sodom und Gomorrha.

Während binnen wenigen Minuten die Straßen sich entleert hatten, stand Theodor Müller allein. Er sah, was seine Landsleute angerichtet hatten, und ein Gefühl, das aus Schauer und Stolz gemischt war, richtete seine gebeugte Seele auf. Und in der tiefsten Kammer seines Herzens lebte der Wunsch auf: Ach, wenn doch die Deutschen dieses sündhafte Antwerpen erobern möchten!

Ihm, dem Bettler, lag an seinem Leben wenig. Er schritt durch die einsamen, dunklen Straßen der Stadt, nach dem Himmel starrend, ob er nicht vielleicht das geheimnisvolle Märchenwunder, dieses gigantische Luftschiff, sehen möchte. Und wenn er, von einem Sprengstück getroffen, sterben sollte, so wollte er diesen Tod doch lieber hinnehmen, als den von den Räuberhänden des plündernden Pöbels. Der Tod würde süß für ihn sein, wenn ihn ein deutsches Geschoss treffen würde. Das wäre eine Sühne, wie sie sich in seinem erregten Kopfe darstellte.

Schwarz und unheimlich waren die Gassen Antwerpens. Alles war in die tiefsten Keller geflüchtet. Er allein, der einsame Wanderer, eilte von Straße zu Straße, bis er in die Nähe des Königspalastes kam, in dem König Albert wohnte, der ein falsches Spiel mit Deutschland getrieben hatte.

Da kam ein tiefer, grollender Ton hoch aus den Lüften. Das Grollen war von einem schnurrenden Summen begleitet, als wenn Millionen wütender Hornissen daherkamen.

Und nun schwebte das Ungetüm hoch über ihm. Das Ungetüm sah aus wie ein gigantischer Vogel aus urweltlichen Zeiten, der nun zurückgekommen war, um die winzigen Menschlein zu strafen.

Geisterhaft grau war die Farbe seines Gewandes. Jetzt flog er direkt auf den Königspalast zu. Eine feurige Lohe stieg vom Himmel zur Erde, und ein entsetzlicher Knall machte alle Häuser beben und wanken.

Der Königspalast war getroffen. Und um sich von dem Erfolge seiner Tat zu überzeugen, ließ der Riesenvogel Scheinwerfer spielen, um sich am Anblick der lohenden Flammengarben zu weiden.

So rasch, wie er am Himmel aufgetaucht war. so rasch war er wieder enteilt und in der Ferne verschwunden.

Und erst nach langen Stunden kamen die verängstigten Bewohner aus ihren Schlupfwinkeln hervor, um die Verwüstungen und die Trümmer anzusehen, die seine Brandbomben hinterlassen hatten.

Noch einige Male kehrte das Luftschiff der Deutschen wieder, und jedes Mal ließ es Angst, Schrecken und Vernichtung zurück.

Als dann Generalfeldmarschall von Beseler mit seinen Tapferen die Forts bezwungen hatte und in Antwerpen siegreich einzog, da atmete Theodor Müller und mit ihm alle Deutschen auf.

Denn nunmehr war es mit dem Schreckensregiment der Belgier zu Ende.

Er stellte sich am nächsten Tage nach dem Einzuge der Militärbehörde und gestand die Dummheit seiner Jugend.

Kaiser Wilhelm, gütig wie immer, verzieh ihm seine Schuld, und so konnte er unter dem Schutze des deutschen Befehlshabers in sein Besitztum wieder einziehen.

Doch nur für kurze Zeit, wie er sagte, denn die Lust am Fremden war ihm vergangen. Ihn zog es mit Macht wieder zur Heimat zurück, zum Vaterlande, denn nur dort wollte er in Frieden seine Tage beschließen.

Die Eroberung von Lüttich.

Nahe bei Verviers in Belgien liegt in einer anmutigen Gegend das Kloster Seroulle. Der prächtige Klostergarten weitet sich nach Westen und stößt mit seiner hohen Mauer an einen großen Wald, der dann bis nach Gent sich erstreckt und von da bis Lüttich nur durch fruchtbare Weizen- und Rübenfelder, auch kleine Weinberge, unterbrochen wird,

Maria Volkmann vollendete ihre Studien in Seroulle. Mit ihren sechzehn Jahren war sie ein lebenslustiges, frisches, anmutiges Geschöpf, die Freude ihrer Mitschülerinnen, der Stolz ihrer Lehrer.

Das Studienhalbjahr war im Begriff zu Ende zu gehen, die Ferien waren nicht mehr weit.

Von ihrer Mutter, der verwitweten Frau Kammergerichtsrat Volkmann, hatte sie eine freudige Nachricht empfangen.

Jubelnd sprang sie in den Kreis ihrer Freundinnen, schwang den Brief und rief: „Mein Mütterchen kommt! Sie holt mich ab. wir machen dann zusammen eine Rheinreise. bevor wir nach Hause fahren!“

Ihre beste Freundin, Marion Fourment, eines reichen Bürgers Tochter aus Lüttich, wollte gar zu gern den Sommer mit Maria zusammen verbringen. Sie hatte schon bei ihren Eltern durchgesetzt, dass ihr Vater, Besitzer einer großen Eisenhütte in Lüttich, sie offiziell über die Ferien nach Lüttich eingeladen hatte. Sie sollte dann später mit auf das Landgut ihrer Eltern gehen. Marion Fourments gute Absichten wurden durch die Ankunft der Frau Volkmann gestört.

Schon überlegte sie, ob sie ihren Vater nicht bitten sollte, sie doch mit nach Deutschland reisen zu lassen, als Herr Fourment eines Tages auf der Bildfläche erschien.

Er kam von Deutschland, wo er längere Zeit geschäftlich geweilt hatte, und nun wollte er auf der Heimreise zunächst sein von ihm über alles geliebtes Töchterchen in die Arme schließen.

Voller Freude eilte Marion auf ihren Vater zu, der ihr diesmal so recht gelegen kam.

„Väterchen, du musst mir einen großen Gefallen erweisen. Du weißt, dass Maria Volkmann meine beste Freundin ist, dass ich sie zärtlich liebe. Ihr habt sie ja auch schon zu uns geladen.

Doch nun kommt ihre Mutter hierher, um sie nach Haus zu holen. Liebster Papa, wenn du ihre Mutter nicht auch einladest, dann muss ich diesen Sommer einsam und allein mit euch vertrauern.

Tu mir also den einzigen Gefallen und lasse für Frau Volkmann eine schriftliche Einladung hier. Ich werde sie schon bitten, dass sie nicht „nein“ sagt und die Einladung annimmt.“

Herr Fourment erfüllte den kleinen Wunsch seiner Tochter, und so sagten sie sich „Lebewohl“ und „auf baldiges Wiedersehen in Lüttich.“

Marion war ein Jahr älter als Maria. Eine herzliche Freundschaft verband die beiden jungen Mädchen, die schon zwei Jahre die Klosterschule von Seroulle gemeinsam besuchten.

Im Jahre vorher hatte Maria den Besuch ihres Bruders Karl, der als Referendar in Bonn tätig war, erhalten.

Bei dieser Gelegenheit lernte er auch Marion kennen, die sich in den schmucken jungen Mann sterblich verliebte.

Durch diese Zuneigung wurde natürlich auch das Freundschaftsband zu Maria stärker und inniger, und so begrüßte es die kleine Diplomatin als eine Gunst des Schicksals, dass die Mutter Karls in ihre Familie eingeführt werden konnte.

Die übrige Entwickelung der Dinge wollte sie Gott und ihrem Glücksstern überlassen, und sie zweifelte nicht, dass alles so nach ihrem Wunsch sich erfüllen werde.

Zur Vervollständigung ihres stillen Glückes fehlte allerdings noch die Hauptperson.

Maria hatte von Karl die Nachricht erhalten, dass er diesmal einer militärischen Übung wegen nicht werde nach Belgien kommen können. Er stellte aber seinen Besuch im Herbst in Aussicht.

Nun, gegen den militärischen Dienst war nichts zu machen, und so blieb die Hoffnung für Marion für den Herbst bestehen.

Wie oft hatten die beiden Freundinnen ihre Erinnerungen über den verflossenen Sommer ausgetauscht. Maria konnte nicht genug von der Stadt Lüttich, von dem alten Brügge, das sie besucht hatte, von der schönen Stadt Löwen mit ihren herrlichen Bauten, von Brüssel, das sie bewundert hatte, schwärmen.

Marion dagegen schwärmte nur von Lüttich und den Spaziergängen und Ausflügen, die sie in der Nähe ihrer Vaterstadt mit Maria und ihrem Bruder Karl gemacht hatte.

Alle, auch die Eltern Marions, hatten den jungen Referendar lieb gewonnen und keinem wäre es eingefallen, daran zu erinnern, dass er ein Deutscher sei und einer anderen Nation angehöre.