Florentine Blix (3). Die Rache des Seesterns - Alice Pantermüller - E-Book

Florentine Blix (3). Die Rache des Seesterns E-Book

Alice Pantermüller

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Beschreibung

Florentine Blix - die Kommissarin für außergewöhnliche Fälle erlebt ihr drittes Abenteuer - spannend-humorvoller Krimi für alle Buch-Fans ab 10 Jahren Seesterne sind interessante Tiere, findet Florentine Blix. Aber in ihrem neusten Fall sind sie mehr als das: Sie sind Zeichen für eine fiese Verbrechensserie. Erst stolpert Florentines Nachbarin Frau Hansen über einen gespannten Draht die Treppe hinunter, dann werden auch noch Wäscheleinen in Brand gesetzt. Und immer hinterlässt der Täter einen getrockneten Seestern am Tatort. Während die Polizei im Dunklen tappt, vermuten Nachwuchskommissarin Florentine und ihr Freund Bo eine Racheserie. Doch wer will sich rächen - und an wem? Und wie soll Florentine sich auf den Fall konzentrieren, wenn sie doch eigentlich damit beschäftigt ist, endlich das große Geheimnis um ihre beste Freundin Maja zu lösen? Ich heiße Florentine Blix, bin 13 Jahre alt und werde nach der Schule zur Kriminalpolizei gehen. Doch schon jetzt löse ich erfolgreich Kriminalfälle. Dabei helfen mir meine Freunde Maja und Bo, die sich einfach viel besser mit Menschen auskennen als ich. Wie verhört man zum Beispiel Personen, denen eine Stolperfalle gestellt oder Wäsche auf der Leine angezündet wurde? Oder ehemalige Mobbingopfer? Small Talk kann ich einfach nicht - aber dafür ist mir schnell klar, dass wir einer großen Verbrechensserie auf der Spur sind. Denn der Täter hinterlässt immer ein bestimmtes Zeichen am Tatort. Irgendjemand will sich rächen, so viel ist klar. Aber wer - und an wem? Und wie soll ich in Ruhe ermitteln, wenn ich eigentlich einen noch viel größeren Fall aufklären muss: das Geheimnis um meine beste Freundin Maja? Eine mysteriöse Verbrechensserie, zwei Fälle aus der Vergangenheit, jede Menge Zeichen und eine Ermittlerin mit besonderem Talent - löse mit Florentine alle Geheimnisse! Aufwändig zweifarbig gestaltet von "Mein Lotta-Leben"-Illustratorin Daniela Kohl     Von Alice Pantermüller und Daniela Kohl sind außerdem diese Reihen erschienen: Mein Lotta-Leben Linni von Links

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Seitenzahl: 302

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Alice Pantermüller

wollte bereits während der Grundschulzeit »Buchschreiberin« oder Lehrerin werden. Nach einem Lehramtsstudium, einem Aufenthalt als deutsche Fremdsprachenassistentin in Schottland und einer Ausbildung zur Buchhändlerin lebt sie heute mit ihrer Familie in der Lüneburger Heide. Bekannt wurde sie durch ihre Kinderbücher rund um »Bendix Brodersen« und die Erfolgsreihe »Mein Lotta-Leben«.

Daniela Kohl

verdiente sich schon als Kind ihr Pausenbrot mit kleinen Kritzeleien, die sie an ihre Klassenkameraden oder an Tanten und Omas verkaufte. Sie studierte an der FH München Kommunikationsdesign und arbeitet seit 2001 fröhlich als freie Illustratorin und Grafikerin. Mit Mann, Hund und Schildkröte lebt sie über den Dächern von München.

Ein Verlag in der Westermann Gruppe

1. Auflage 2024

© 2024 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück, Hannover.

Cover und Illustrationen: Daniela Kohl

E-Book-ISBN 978-3-401-81075-1

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www.arena-verlag.de

@arena_verlag@arena_verlag_kids

PROLOG(das ist übrigens ein anderer Begriff für VORWORT)

In der Grundschule hatte ich keine Freunde. Das war aber nicht so schlimm, weil ich sowieso nie verstanden habe, was die anderen Kinder von mir wollten und was ihr ständiges Rumgerenne und Geschrei zu bedeuten hatte. Mir reichte schon das Gezappel und Gequassel meines älteren Bruders. Die Zeit zwischen meinem achten Geburtstag und dem Ende der vierten Klasse wurde ohnehin voll und ganz von meinem Hobby in Anspruch genommen: Mumien.

Noch immer kenne ich mich sehr gut mit dem Thema aus, auch wenn ich mich mittlerweile mehr für andere Dinge interessiere.

Es war also wirklich nicht schlimm, dass ich keine Freunde hatte. Schlimm war nur, dass mich mehrere Mitschüler nicht in Ruhe gelassen und häufig geärgert haben. Mobbing nennt man das.

Zum Beispiel haben ein paar der Kinder:

Mobbing fühlt sich blutrot an – und alles, was rot ist, mag ich nicht. Deshalb war ich sehr froh, als ich aufs Fördegymnasium gekommen bin. Seitdem ich dort bin, werde ich nur noch manchmal geärgert. Vielleicht liegt das daran, dass ich älter geworden bin. Und die anderen auch.

Man kann auch nicht mehr so schlimm geärgert werden, wenn man Freunde hat. Und ich habe jetzt Freunde: Vor genau zwei Jahren und fünfundfünfzig Tagen habe ich Maja kennengelernt (wenn auch nicht an meiner Schule), und seit dem Tag sind wir befreundet.

Bei Bo hat es etwas länger gedauert, bis wir uns mochten. Er ist vor dreiundsechzig Tagen in meine Klasse gekommen, weil er mit seiner Mutter von Dänemark nach Flensburg gezogen ist. Bevor wir richtige Freunde werden konnten, musste ich ihn allerdings erst mal aus den Händen von Entführern befreien.

Es ist nämlich so, dass ich Kriminalfälle löse. Und das ist mehr als ein Hobby. Ich muss alles aufklären, was kriminell und falsch oder unklar und verworren ist. Es gibt nichts, was ich interessanter und spannender finde. Weil es einfach das beste Gefühl der Welt ist, am Schluss alle offenen Fragen beantwortet und einen Verbrecher überführt zu haben. Daher weiß ich bereits genau, dass ich später zur Kriminalpolizei gehen und Mordfälle im deutsch-dänischen Grenzraum aufklären werde. Aus dem Grund lerne ich auch Dänisch.

Zum Glück helfen mir Maja und Bo dabei, denn so gut ich auch im Fällelösen bin: Mit Menschen kennen sie sich besser aus als ich.

Dass Maja und Bo meine Freunde sind, fühlt sich grasgrün an, und alles, was grün ist, ist gut. Noch besser als Mumien.

Und trotzdem ist es manchmal anstrengend, Freunde zu haben.

Denn Freunde machen das Leben unordentlich und lenken einen ab. Weil Freunde chaotisch sind und durcheinanderreden und andere Ideen haben als ich und Witze machen, die ich nicht verstehe, und sich sogar manchmal für Dinge interessieren, die unbegreiflich und langweilig sind. Dabei brauche ich viel Ordnung, um mich wohlzufühlen.

Aber andererseits fühlt es sich einfach moosgrün an, mit Maja und Bo zusammen zu sein. Daher wäre es sehr schlimm, wenn sie nicht mehr meine Freunde wären. Ich mag die beiden nämlich sehr gern. Und sie mögen mich und akzeptieren mich so, wie ich bin. Das machen nicht viele Leute. Es gibt noch immer ein paar, die mich gern ärgern, weil sie mich komisch finden.

Wie ich eigentlich heiße? Mein Name ist Florentine. Florentine Blix. Nicht Flo und nicht Flori, sondern Florentine.

Der zweite November war ein Mittwoch, und wir hatten in der dritten und vierten Stunde Biologie. Darüber war ich sehr froh, denn ich mag den Biologieraum viel lieber als unser Klassenzimmer. Hier gibt es lauter spannende Dinge:

»Es wäre grasgrün, wenn unser gesamter Unterricht da stattfinden könnte«, habe ich zu Bo gesagt, als wir auf dem Weg dorthin waren.

»Tja.« Bo hat mit den Schultern gezuckt und mir einen komischen Blick zugeworfen, irgendwie halb grinsend und halb bedauernd. »Die Schule ist kein Wunschkonzert.«

»Nein, natürlich nicht.« Ich war etwas verwirrt. »Warum sagst du so was? Die Schule ist auch kein Supermarkt und kein Sportverein …«

»Das ist doch nur so ein Spruch«, hat Bo mich schnell unterbrochen, nach meiner Hand gegriffen und sie fest gedrückt. »Wenn man …«

»Och, süüüß!«, hat in diesem Augenblick jemand direkt hinter uns gerufen. »Unsere Turteltäubchen halten Händchen!«

Nur einen Meter hinter uns liefen Nils und Aaron aus unserer Klasse. Nils hat blöd gegrinst und »hi, hi, hi« gemacht. Seine hohe Mädchenstimme klang rostrot in meinen Ohren.

War er etwa schon wieder gewachsen? Es schien mir, als wäre er inzwischen einen Meter neunundsiebzig groß – obwohl er noch immer das Gesicht eines Grundschülers hatte.

Wir waren inzwischen alle stehen geblieben.

»Was findest du an der nur toll?«, hat Aaron gefragt und Bo mit seiner Hand gegen die Schulter gestupst. »Du kannst doch nicht ernsthaft auf Petzen und Klugscheißer abfahren.«

»Nö.« Bo hat über seine Jacke gewischt, als würde er eine Fliege verscheuchen. »Ich stehe mehr auf Hirn und Ehrlichkeit und Power und so was. Im Gegensatz zu fettigen Haaren, die törnen mich echt ab. Also, wenn du mich bitte nicht anfassen würdest …«

Aaron hat ein seltsames Gesicht gemacht, das ich nicht deuten konnte. Generell weiß ich nie, was ich in Gesichtern erkennen soll außer zwei Augen, einer Nase und einem Mund. Nur bei Bo und Maja ist das anders. Deshalb ist es sehr gut, dass die beiden meine Freunde sind.

Leider hat Aaron wirklich immer sehr ungepflegte Haare. Deshalb gucke ich ihn nicht gern an, weil mich das ekelt.

»Vermutlich ist es die hormonelle Umstellung in der Pubertät, die eine erhöhte Ausschüttung von Talg verursacht«, habe ich versucht zu erklären.

»Ja, ja, die Pubertät.« Bo hat grinsend von Aaron zu Nils geschaut und meine Hand noch fester gedrückt. »Sie ist nicht zu allen von uns nett.«

Damit war das Gespräch offensichtlich beendet, denn Bo hat sich wieder umgedreht und mich mit sich gezogen. Und dann sind wir weiter zum Biologieraum gegangen.

Allerdings hatte ich das Gefühl, dass das Gespräch für Nils und Aaron doch noch nicht beendet war. Als wir nämlich kurz darauf auf unseren Plätzen saßen, haben sie immer zu uns herübergeguckt und gemurmelt und vor sich hin gezischt.

Bo und ich sitzen im Biologieraum ziemlich weit hinten vor den Fenstern. Das ist gut, weil man viel Licht hat, ohne geblendet zu werden. Nils’ und Aarons Plätze hingegen sind an der Rückseite des Raumes, vor den Schränken mit den Materialien. Wir sitzen also im rechten Winkel zueinander, was mich beim Lernen stört, weil sich die beiden in meinem Sichtfeld befinden.

»Alter«, habe ich gehört und »der hat ja wohl« und »voll behindert«.

Dann hat zum Glück unsere Biologielehrerin Frau Berisha mit dem Unterricht begonnen. Ökosystem, hat sie als Erstes ans Smartboard geschrieben, bevor sie sich zu uns gedreht hat. »Heute fangen wir ein neues Thema an«, hat sie erklärt. »Die Beziehung zwischen Tieren und Pflanzen in ihrer Umwelt. Kennt jemand die lateinischen Begriffe für Pflanzen und Tiere, die in der Wissenschaft verwendet werden?«

Ich habe mich gemeldet, und sie hat mich drangenommen. »Ja? Florentine?«

»Flora und Fauna«, habe ich geantwortet. »Sowohl Flora als auch Fauna waren römische Göttinnen.«

»Das ist richtig.« Sie hat sich wieder umgedreht, um auch diese Wörter ans Smartboard zu schreiben.

Wieder habe ich Nils und Aaron gehört. Diesmal haben sie gekichert. »Das ist richtig, Flora«, hat Nils mit seiner hohen Stimme gegiggelt. Ein paar andere Mitschüler haben jetzt auch leise gelacht.

»Fauna fährt voll auf Flora ab …«, hat Aaron geraunt. »Flora und Fauna. Der Lauch und das Tier …« Jetzt wurde noch lauter gekichert, und Frau Berisha hat sich wieder umgedreht. »Erste Warnung, Nils und Aaron«, hat sie ruhig gesagt. »Bei der dritten zeichnet ihr mir eine korrekt beschriftete Pflanzenzelle und stellt sie in der nächsten Stunde der Klasse vor.«

Ich mag Frau Berisha.

Aber für Bo war das Thema offensichtlich noch nicht erledigt. »Der Lauch und das Tier«, hat er wiederholt und dabei genickt. »Passt. Und Robin ist dann wohl die Ziege mit seinem Ziegenbärtchen.«

Anschließend hat die ganze Klasse gelacht, und Frau Berisha hat mit dem Zeigefinger gedroht. »Pflanzenzelle, Bo Tordenskjold. Für dich gilt dasselbe wie für Nils und Aaron.«

Robin ist der beste Freund von Nils und Aaron. Bis zu den Sommerferien war er noch bei uns, doch seit dem neuen Schuljahr wiederholt er die siebte Klasse aufgrund nicht ausreichender Noten in den Fächern Mathe, Englisch, Geschichte und Physik. Und er trägt tatsächlich eine Art fusseligen Bart am Kinn.

Die drei mögen mich nicht, und ich mag sie nicht, weil sie mich häufig ärgern. Daher ist es gut, dass jetzt nur noch zwei Drittel von ihnen in meiner Klasse sind.

Und noch viel besser ist es, dass Bo hier ist. Dass er mein Freund ist und wir in der Schule immer zusammen sind. Denn wenn Bo dabei ist, können Nils und Aaron mich gar nicht mehr so richtig mobben. Weil zwei gegen zwei besser ist als drei gegen eine.

Das ist einer der großen Vorteile, wenn man Freunde hat. Aber auch sonst ist es schön, mit Bo zusammen zu sein. Es fühlt sich einfach gut an. Pfefferminzgrün.

In der Pause haben Nils, Aaron und Robin weiterhin versucht, uns zu ärgern. Sie drängten sich unter einem kleinen Baum in unserer Nähe zusammen, vermutlich, um sich vor dem Nieselregen zu schützen. Von dort aus haben sie uns Flora und Fauna genannt oder der Lauch und das Tier, und dann haben sie gelacht.

Doch Bo und ich waren mit etwas anderem beschäftigt, daher hatten wir keine Zeit, um uns um die drei zu kümmern. Ihre Sprüche waren mir sowieso egal, weil ich mit meinem Freund zusammen war. Wir standen an der Hauswand unter einem Dachvorsprung und haben unsere Pläne für heute Nachmittag besprochen. »Ich werde Maja besuchen und ihr zahlreiche Fragen stellen«, habe ich Bo erklärt. »Für meine wissenschaftliche Studie zum Thema Geister.«

Eigentlich war es absolut irrsinnig, dass ich mich mit diesem Thema beschäftigen musste. Geister, was für ein Quatsch! Und doch befasste ich mich seit genau achtundfünfzig Tagen damit. Am fünften September habe ich nämlich etwas erfahren, was nicht nur unglaublich und unvorstellbar war, sondern auch der Physik widerspricht (und damit kenne ich mich gut aus). Die Physik sagt ganz eindeutig, dass es Geister nicht geben kann. Und die Physik hat immer recht, weil sie sich an unumstößlichen Naturgesetzen orientiert. Das finde ich sehr angenehm, weil ich keine Unklarheiten und Überraschungen mag.

Und trotzdem gibt es Geister.

Gedächtnisprotokoll Florentine Blix:

5. September

An diesem Tag habe ich erfahren, dass meine beste Freundin Maja ein Geist ist, genau wie ihre Eltern. Alle drei sind gemeinsam vor ungefähr 30 Jahren gestorben und wissen bis heute nicht, wie das passieren konnte. Ihr Tod wurde niemals aufgeklärt, daher sind sie noch immer hier. Als Geister.

Am selben Tag habe ich weiterhin erfahren, dass ich Geister sehen und mit ihnen reden kann – genau wie Bo. Anfangs habe ich es nicht geglaubt, weil es ja physikalisch unmöglich ist. Noch immer gefällt es mir besser, wenn Maja sich benimmt wie ein normaler Mensch. Also, wie ein lebender Mensch, meine ich.

Doch natürlich muss ich mich seitdem mit dem Thema auseinandersetzen. Und inzwischen sehe ich sogar ein paar Vorteile darin, eine Geisterfreundin zu haben.

»Ich muss sie noch einmal ganz genau fragen, wie sich Geister eigentlich fortbewegen«, habe ich gesagt. »Können sie richtig fliegen und wenn ja, wie schnell? Wie funktioniert das eigentlich mit dem Ektoplasma, aus dem sie bestehen? Und warum können wir Geister sehen, aber die meisten anderen Leute nicht? Hat es vielleicht damit zu tun, dass wir beide rothaarig sind?« Auf die Idee war ich erst gestern Abend gekommen.

Bo hat überrascht gelacht. »Aldrig i livet! Nie im Leben! Das glaub ich nicht. Oder vielleicht doch? Keine Ahnung … darüber hab ich noch nie nachgedacht.«

»Ich aber. Weil es das Einzige ist, was wir beide gemeinsam haben. Obwohl ich natürlich nicht so rothaarig bin wie du, sondern eher rotblond. Was machst du heute Nachmittag?«

Bo hat sein Gesicht ziemlich seltsam verzogen. »Ich finde schon, dass wir auch noch ein paar andere Dinge gemeinsam haben«, hat er gesagt. »Zum Beispiel … äh …«

»Ja?«, habe ich gefragt.

»Also, zum Beispiel tragen wir fast dieselben Stiefel, und wir mögen beide, ähm … wir mögen … hmm …«

»Das ist nicht sehr überzeugend«, habe ich erklärt.

»Flora und Fauna, die gehen in die Sauna«, haben Nils, Aaron und Robin in diesem Moment gegrölt. »Die Flora macht sich nackt, der Fauna kriegt ’nen Schreck und kackt!« Dann haben sie losgeschrien vor Lachen.

»Die Fauna«, habe ich sie korrigiert, was sie natürlich nicht hören konnten, weil sie zu laut waren.

Bo hat die Arme vor der Brust verschränkt und geseufzt. »Sinnlos.«

»Da hast du recht.« Ich habe genickt und fand es schön, dass wir einer Meinung waren. Das hatten wir jedenfalls gemeinsam.

»Ich gehe heute Nachmittag zum Geocaching«, hat Bo dann gesagt.

Das gefiel mir jetzt nicht mehr so gut. »Es nieselt«, habe ich zu bedenken gegeben.

»Vielleicht hört es bis nachher auf.«

»Bis heute um sechzehn Uhr beträgt die Regenwahrscheinlichkeit neunzig Prozent. Anschließend sinkt sie auf fünfzig und ab achtzehn Uhr dann auf zehn Prozent.« Ich habe eine kleine Pause gemacht. »Gehst du zusammen mit Pia?«

Bo hat genickt. »Ja. Du hast ja leider nie Lust dazu.«

Natürlich hatte ich nie Lust dazu. »Es ist ja auch eine künstliche Situation und absolut sinnlos, nach billigem und wertlosem Plastikspielzeug zu suchen, das irgendjemand nur deswegen dort versteckt hat, damit andere Leute es finden«, habe ich klargestellt. »Vor allem, wenn man stattdessen echte Kriminalfälle lösen und Straftaten aufklären kann. Echte Geheimnisse aufdecken … Menschen helfen, die Opfer eines Verbrechens geworden sind!«

Noch weniger Lust hatte ich allerdings dazu, dass Bo mit dieser Pia zusammen zum Geocaching ging, die ich nur aus seinen Erzählungen kenne und die zwei Jahre älter ist als ich und Spaß daran hat, solch einer nutzlosen Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Und zwar zusammen mit meinem Freund.

Plötzlich waren Bo und ich nicht mehr einer Meinung, und das fühlte sich ein bisschen rot an.

»Es macht einfach nur Spaß, Florentine«, hat er erklärt. »Es ist ein Spiel. Mehr nicht.« Dann hat er nach meinen Händen gegriffen und sie festgehalten. »Und Pia ist bloß Pia. Ich würde viel lieber mit dir zusammen zum Geocaching gehen.«

Da habe ich nichts mehr gesagt. Weil ich Bo ja schon deutlich gemacht hatte, dass ich kein Interesse an Geocaching habe. Außerdem wollte ich nicht, dass er meine Hände wieder loslässt.

»Fauna und Flora, die fliegen nach Bora Bora«, grölten Nils, Aaron und Robin, die noch immer unter dem Baum standen. Von ihren Kapuzen tropfte Regenwasser. »Fauna lässt einen fliegen, Flora muss ihn kriegen!«

Ich verstehe wirklich nicht, was an diesem schlechten Reim so lustig war, dass sie anschließend schon wieder sehr laut lachen mussten.

»Huhu!«, hat Maja gerufen, als sie mir um 13.41 Uhr die Tür geöffnet hat. »Treten Sie ein, werte Frau Kommissarin Blix, in unser trautes Heim.« Ihre Augen haben vergnügt gefunkelt. Wahrscheinlich, weil es lustig sein sollte, dass sie so komisch mit mir gesprochen hat.

»Hallo, Maja«, habe ich gesagt und sie kurz umarmt.

Ich war gleich nach der Schule mit dem Bus zu ihr nach Hause gefahren. Das mache ich nur sehr selten, obwohl wir uns fast jeden Tag sehen. Aber normalerweise kommt sie zu mir und nicht umgekehrt. Das ist sehr praktisch, denn ich fahre nicht gern Bus, und noch viel weniger mag ich Fahrradfahren.

Ich war schon seit genau zwei Monaten nicht mehr hier gewesen, und als ich heute das Reihenhaus der Familie Hagelstein betrat, habe ich mich noch interessierter umgeschaut als sonst.

»Willst du deine Jacke an die Garderobe hängen?«, hat Maja gefragt.

Aber ich wollte nicht. Weil die Garderobe einen ziemlich alten und staubigen Eindruck machte. Die Jacken und Mäntel, die dort hingen, sahen aus, als wären sie schon vor langer Zeit an den Haken festgewachsen. »Wie lange hängen die schon dort?«, habe ich gefragt und meine Jacke unter den Arm geklemmt.

»Och.« Maja hat gegrinst. »So ungefähr dreißig Jahre.«

»Ich nehme meine lieber mit in dein Zimmer«, habe ich erklärt, und da hat Maja noch viel breiter gegrinst.

Gedächtnisprotokoll Florentine Blix:

2. September, 14.57 – 15.15 Uhr

Mein letzter Besuch zu Hause bei Maja. Wie schon mehrere Male zuvor wunderte ich mich darüber, warum es bei Hagelsteins immer so muffig ist und irgendwie ungelüftet riecht – obwohl das Haus ansonsten immer sehr ordentlich und aufgeräumt ist.

Majas Zimmer ist viel kleiner als meins, und auf ihrem Schreibtisch liegt stets eine dünne Staubschicht.

Ich habe mich auf ihren Schreibtischstuhl gesetzt, während Maja sich auf ihr Bett hat fallen lassen. Im Rollo vor ihrem Fenster hingen Spinnweben. Draußen war es grau, und es nieselte.

»Du bist so still«, hat sie dann gesagt. »Ich dachte, du wolltest mir tausend Fragen stellen.«

»Nein.« Ich habe den Kopf geschüttelt. »Nur siebenundfünfzig. Aber ich bin gerade damit beschäftigt, nachzudenken. Daher kann ich nicht gleichzeitig reden.«

Genau in diesem Moment war mir noch eine weitere Frage eingefallen. Und die war so überraschend und gleichzeitig so naheliegend, dass vier Sekunden lang rote Funken durch mein Gehirn blitzten und ich erst einmal meine Gedanken sortieren musste.

»Euer Haus«, habe ich dann gesagt, während noch immer rote Pünktchen vor meinen Augen tanzten. »Was ist eigentlich damit? Ist es auch tot? Ein Geisterhaus? Nach dreißig Jahren müssten hier doch längst neue Leute eingezogen sein mit ihren eigenen Möbeln.«

Maja hat nicht geantwortet, sondern nur auf ihrer Unterlippe herumgeknabbert. »Ihr habt doch Nachbarn«, habe ich laut weitergedacht. »Andere Leute müssen gemerkt haben, dass ihr tot seid, und die Polizei muss das Ganze untersucht haben …«

»Ja, klar.« Mit beiden Händen hat Maja auf die Überdecke von ihrem Bett geklopft, und es hat etwas gestaubt.

MARIENKÄFER (von mir in den Staub gezeichnet)

Ich habe mir gewünscht, sie würde das unterlassen, aber ich wollte, dass sie weiterredet. Deswegen habe ich nichts gesagt.

»Natürlich ist alles untersucht worden. Aber es konnte keine Todesursache entdeckt werden. Wir waren einfach mausetot. Tja, und dann sind wir eben beerdigt worden, und Mamas Brüder haben das Haus ausgeräumt und verkauft. An die Familie Puttfarken. Sehr nette Leute übrigens. Auch wenn die Kinder mittlerweile ausgezogen sind …«

»Und wo sind Herr und Frau Puttfarken?« Ich hab ein bisschen zu schnell gesprochen, denn mein Herzschlag hat rot in meinen Ohren gerauscht. Weil ich es einfach nicht verstand. Und ich kann es nicht leiden, wenn ich etwas nicht verstehe.

»Hier«, hat Maja gesagt.

»Wie meinst du das?« Ich habe mich umgeschaut, aber nirgendwo war ein Puttfarken zu sehen.

»Na ja, du hattest recht mit dem … Geisterhaus.« Maja hat ein paar Fussel von ihrer Überdecke gepult. Ich habe ihr dabei zugeguckt, und da ist mir eingefallen, dass sie seit dreißig Jahren nicht in ihrem Bett geschlafen hat. Weil Geister nicht schlafen, so viel wusste ich schon.

Mir ist ein kalter Schauer den Rücken hinuntergelaufen.

»Herr und Frau Puttfarken wohnen auch hier. Sie haben es sich schön eingerichtet. Aber ich habe dir immer nur … ähm, also, unsere Version des Hauses gezeigt.«

»Es gibt zwei Versionen?« Ich konnte es kaum glauben. »Aber warum kann ich nur euch sehen und nicht die Puttfarkens? Wie ist es möglich, dass ich die Geister sehen kann, aber nicht die Lebenden?«

»Das war gar nicht so einfach.« Jetzt hat Maja schon wieder gegrinst. »Ich musste viele Jahre üben, bevor ich das raushatte. Aber seit ungefähr zwanzig Jahren weiß ich, wie ich Besucher in unser Haus lassen kann … und nicht in das der Puttfarkens.«

»Seit ungefähr … aber … und wie komme ich … du machst das also? Wie funktioniert das?« Ich habe mich zu meiner Schultasche hinuntergebeugt, sie geöffnet und meinen Schreibblock und einen Kugelschreiber rausgeholt. Ich musste mir unbedingt alles notieren. Aber in meinem Kopf war jetzt nur noch ein einziges Durcheinander, ein korallenrotes Chaos. Deshalb habe ich den Block gleich wieder auf den Schreibtisch geworfen, genau auf den Marienkäfer.

Eine kleine Staubwolke stob auf.

»Du musst es mir zeigen«, habe ich stattdessen verlangt und bin aufgesprungen. »Das Haus der Puttfarkens. Und dann musst du mir erklären … Wo wohnen sie? Wie machst du das?« Wenn es in meinem Kopf nur nicht gebrodelt hätte wie Lava!

Jetzt ist Maja auch von ihrem Bett aufgestanden. Sie hat mir eine kühle Hand auf den Arm gelegt, was mich zum Glück ein bisschen beruhigt hat. »Komm mit«, hat sie dann gesagt. »Ich zeige es dir. Aber dazu müssen wir das Haus erst mal wieder verlassen.«

Ich hatte nichts dagegen, das Haus zu verlassen. Ich mag es dort nämlich nicht. Aber das habe ich Maja noch nie gesagt, weil sie meine beste Freundin ist und so etwas vermutlich nicht gern hört. Trotzdem habe ich meine Sachen schnell wieder in die Schultasche gepackt und nach meiner Jacke gegriffen, bevor wir gegangen sind.

Als wir wieder draußen vor der Haustür standen, habe ich erst einmal tief durchgeatmet. Die Luft war kühl und feucht, und ich habe mich gleich ein bisschen besser gefühlt. Als ob sich etwas Algengrün über die Lava gelegt hätte. »Und jetzt?«, habe ich Maja gefragt.

»Jetzt klingelst du an der Tür«, hat sie geantwortet. Dabei hat sie mit den Augen geblinkert. Daran habe ich erkannt, dass sie etwas nervös war. »Herr Puttfarken wird öffnen, denn er ist zu Hause.« Wieder hat Maja nach meinem Arm gegriffen. »Am besten, du fragst ihn, ob Stine da ist. Er wird dir sagen, dass Stine nebenan wohnt und du am falschen Haus geklingelt hast.«

»Das ist eine gute Idee«, habe ich erklärt. Maja ist wirklich schlau. Deshalb ist sie ja auch meine beste Freundin. Natürlich abgesehen davon, dass ich sie mag und sie mich. »Die Häuser sehen ja auch alle gleich aus, deshalb kann man sie leicht miteinander verwechseln.«

Ich habe mich zur Tür gedreht und auf den Klingelknopf gedrückt. Schon die Klingel hat sich anders angehört als die von Maja und ihren Eltern. Sie klang sehr elektronisch und hat Don’t worry, be happy gespielt, ein bekanntes Lied aus dem Jahr 1988.

Siebzehn Sekunden später wurde die Tür geöffnet, von einem Mann, der ungefähr fünfundsechzig Jahre alt war, was ich an seinen grauen Haaren und der faltigen Haut an den Augen erkennen konnte. Er stand auf einem Boden, der mit terracottafarbenen Fliesen ausgelegt war. Rechts von ihm befand sich ein niedriger weißer Schuhschrank und darüber eine Garderobe, die ebenfalls weiß war. Der Flur schien viel heller und sogar größer zu sein als der von Majas Familie.

»Ja?«, hat er im selben Moment gefragt, in dem Maja mich in die Seite gestupst hat. »Ist Stine zu Hause«, hat sie gezischt, obwohl sie ja gar nicht zu zischen brauchte, weil Herr Puttfarken sie sowieso nicht sehen und hören konnte.

Stine. Ach ja. »Ist sie zu Hause?«, habe ich gefragt. »Also, Stine?« An Herrn Puttfarken vorbei habe ich ins Haus geguckt, weil ich unbedingt mehr sehen wollte.

»Stine? Die wohnt nebenan.« Herr Puttfarken stand mir im Weg, ich konnte nicht so viel erkennen, wie ich gern wollte. »Es ist vierzehn Uhr«, hat er dann geknurrt. »Du hast mich bei meinem Mittagsschlaf gestört.«

»Dreizehn Uhr achtundfünfzig«, habe ich erklärt.

Da hat Maja mich wieder in die Seite gestupst. »Entschuldigen Sie bitte«, hat sie gewispert. »Es tut mir leid.«

Wir siezen uns manchmal wie Erwachsene, wenn wir Fälle lösen. Weil es professioneller klingt. Allerdings wusste ich gerade nicht, wofür Maja sich entschuldigt hat.

Aber dann hat sie mich ein drittes Mal gestupst. »Florentine! Sag ihm das!«

Ach so. Ich habe mich bei Herrn Puttfarken entschuldigt, während ich versucht habe, einen letzten Blick in den Hausflur zu erhaschen.

Doch er hat nur noch einmal geknurrt und die Tür geschlossen.

Ich habe mich zu Maja gedreht. »Er ist unfreundlich.«

Sie hat geseufzt. »Nein, eigentlich nicht. Er ist ein sehr netter Mann. Aber du hast ihn nicht mal angeguckt, sondern immer nur an ihm vorbei ins Haus geschielt.«

»Ich schiele nicht. Und das Haus ist das Einzige, was mich an Herrn Puttfarken interessiert.« Das wusste Maja doch. »Du hättest mir vorher sagen können, dass er Mittagsschlaf hält.«

»Aber er hat nicht geschlafen.« Maja hat mit den Schultern gezuckt. »Er hat Zeitung gelesen.«

»Dann hat er gelogen.« Und Lügen ist falsch. Obwohl es natürlich Notlügen gibt.

Im Fall von Herrn Puttfarken konnte ich jedoch keinen Grund für eine Notlüge erkennen. Bevor wir uns weiter über Majas unehrlichen Mitbewohner unterhalten konnten, hat Maja vorgeschlagen, wieder reinzugehen.

»Ich glaube nicht, dass Herr Puttfarken damit einverstanden ist«, habe ich zu bedenken gegeben.

»In meine Version des Hauses, meine ich.«

»Ins Geisterhaus?«

Da hat Maja nicht mehr geantwortet, sondern nur noch so komisch geguckt. Daran habe ich gemerkt, dass ich unbedingt noch etwas Nettes zu ihr sagen sollte.

Leider konnte ich nichts Nettes über ihr Haus sagen. Ich mag es nämlich wirklich nicht – und ich kann ja nicht einfach lügen, so wie Herr Puttfarken. Deshalb musste ich kurz überlegen. »Ich habe heute sehr viel Neues und ausgesprochen Interessantes über euer Haus gelernt«, habe ich Maja dann erklärt. »Und das fühlt sich gerade an, als würde jemand mit einem dicken roten Filzstift in meinem Kopf rumkritzeln. Ich kann mich jetzt einfach auf nichts anderes mehr konzentrieren. Eigentlich möchte ich nur noch nach Hause, um darüber nachzudenken, dass euer Haus auch ein Geist ist.« Weil Maja immer noch nicht geantwortet hat, habe ich sie gefragt: »Kommst du mit?«

»Bist du sicher, dass dich das nicht beim Nachdenken stört?« Maja hat ihre Stirn in Falten gezogen. Sie hat gar nicht so vergnügt und gut gelaunt ausgesehen wie sonst.

Wieder habe ich kurz nachgedacht. »Ja«, habe ich dann gesagt. »Ich bin sicher, dass es mich nicht stört. Und dass es sehr schön wäre, wenn du mit zu mir kommen würdest.«

Da hat Maja ein kleines, knurriges Geräusch von sich gegeben, und wir sind zur Bushaltestelle gegangen.

Im Bus haben wir zunächst nicht viel geredet. Ich musste nämlich wirklich über Majas Haus nachdenken. Und dann musste ich über Maja nachdenken. Doch schließlich habe ich angefangen zu reden und konnte gar nicht mehr aufhören. »Ich bin heute zu dir gekommen, weil ich euer Haus untersuchen wollte«, habe ich Maja erklärt. »Ich muss unbedingt herausfinden, wie ihr gestorben seid. Vielleicht war es ja Mord, und Mord verjährt nicht.«

Zum Glück saßen außer uns nur zwei Jugendliche im Bus, ganz hinten auf der Rückbank. Sie waren ziemlich laut. Trotzdem habe ich leise gesprochen, damit sie nicht glauben, ich sei seltsam und würde Selbstgespräche führen.

»Ich denke sehr viel darüber nach. Ich liege nachts wach und überlege, was zu eurem Tod geführt haben könnte. Wer oder was hat euch umgebracht? War es vielleicht

»Kali… wie? Inji… was?«, hat Maja gefragt, und ihre blauen Augen wurden sehr groß.

»Gespritzt. Also zum Beispiel in den Bauchnabel, in die Pofalte … oder ins Ohr.«

Maja hat den Kopf geschüttelt und mit den Augen geblinkert. »Wer hätte uns denn ermorden sollen?«

»Zum Beispiel deine Onkel«, habe ich vorgeschlagen. »Die Brüder deiner Mutter. Um sich euer Haus anzueignen.«

Jetzt hat Maja schon wieder gekichert. »Onkel Jörg und Onkel Jens? Die sind keine Mörder, sondern Maler … Sie haben zusammen eine Firma.«

»Aha.« Das könnte die Erklärung sein. »Giftige Lacke, Abbeizer und Antischimmelzusätze.«

»Hihi!«, hat Maja gegiggelt. Als ob es komisch wäre, von seinen Onkeln vergiftet zu werden. »Onkel Jörg ist der freundlichste Mann der Welt. Er liebt kleine, flauschige Hunde.«

»Das hat gar nichts zu sagen.«

Wir waren schon fast am Twedter Plack angekommen, der Endhaltestelle. Doch mit Majas Tod kamen wir einfach nicht weiter. Zumal ich das größte Problem bei der ganzen Sache noch gar nicht angesprochen hatte.

Ich beschloss, es nicht länger hinauszuzögern.

»Ich habe ein Problem, Maja«, habe ich also meiner besten Freundin erklärt. »Ich muss unbedingt herausfinden, wie ihr gestorben seid. Der Gedanke daran beschäftigt mich Tag und Nacht. Aber … was passiert, wenn euer Tod aufgeklärt ist? Wirst du dann … wirst du verschwinden? Weil du dann kein Geist mehr bist?«

Der Bus bog rechts ab. Gleich würde er die Haltestelle erreichen.

»Wie … äh, wie meinst du das?«, hat Maja gefragt. Ihre Stimme klang etwas dünn, und sie hat nicht mehr gekichert.

»Na ja … ihr seid doch nur Geister, weil euer Tod niemals aufgeklärt wurde, oder? Aber wenn ich es herausfinde …« Ich habe den Satz nicht beendet. Maja hat auch nichts gesagt.

»Das wäre sehr schlimm für mich«, habe ich geflüstert, und so hat es sich auch angefühlt. Blutrot. Eigentlich wollte ich auch gar nicht flüstern. Das hat meine Stimme von allein gemacht.

»Ich weiß es nicht.« Auch Maja hat besorgt ausgesehen. »Es ist total unterschiedlich bei Geistern. Jespers Tod wurde aufgeklärt, und er ist noch immer da. Aber andere Geister sind dann einfach weg. Ich kann es dir vorher nicht sagen.«

»Und trotzdem will ich es auch wissen. Ich muss einfach.« Majas Stimme klang jetzt sehr dünn, fast wie ein Windhauch. »Seit dreißig Jahren hab ich keinen blassen Schimmer, wie wir gestorben sind. Das macht mich fast wahnsinnig.«

In diesem Moment haben sich die Türen des Busses zischend geöffnet. Wir sind ausgestiegen, in den Nieselregen. Und ich glaube, dass Maja das Thema wechseln wollte. »Was macht Bo eigentlich heute?«, hat sie gefragt.

Da wollte ich auch das Thema wechseln. »Was passiert eigentlich mit deinem Ektoplasma, wenn es nass wird?« Ektoplasma ist ja die Substanz, aus der Geister bestehen. Ich wusste bereits, dass sich Geister über ihr Ektoplasma miteinander verbinden können, aber ich wollte noch viel mehr darüber herausfinden.

»Nichts«, hat Maja gesagt. »Und was macht Bo heute?«

Ich habe meine Zähne aufeinandergebissen, bis sie fast wehgetan haben. Weil es sich blutrot anfühlte, dass Maja vielleicht verschwinden würde, wenn ich ihren Tod aufklärte, und weil es sich auch rot anfühlte, darüber zu sprechen, was Bo heute machte.

»Geocaching«, hab ich dann gemurmelt. »Und weil ich Geocaching für sinnlose Zeitverschwendung halte, macht Bo das zusammen mit irgend so einer Pia. Sie scheinen sehr viel Spaß dabei zu haben.«

»Autsch«, hat Maja gesagt und wäre fast bei Rot über die Ampel gelaufen, wenn ich sie nicht am Arm festgehalten hätte.

»Hast du dir wehgetan?«, habe ich sie gefragt. Doch sie hat nicht geantwortet, deshalb habe ich weiter über Bo geredet. »Es fühlt sich nicht gut an, dass Bo mit Pia zum Geocaching geht. Schließlich ist er mein Freund. Ich möchte dich nicht verlieren, und ich möchte auch Bo nicht verlieren. Vor beidem habe ich Angst.«

»Das verstehe ich«, hat Maja gemurmelt. »Und wenn du mal mit ihm zusammen auf Schnitzeljagd gehst?«

»Nein.«

Wir gingen den schmalen Gang an der Fischkate entlang. Schnell hatten wir uns von der viel befahrenen Fördestraße entfernt und liefen nun die Abkürzung zu unserem Haus, vorbei an den Reihen von Mehrfamilienhäusern am Twedter Berg.

»Und wenn du es wenigstens mal versuchst?«, hat Maja gefragt.

»Ich habe es versucht. Und es ist sinnlose Zeitverschwendung.« Warum nur verstand Maja das nicht?

»Du könntest Bo zumindest ein paar interessierte Fragen stellen, wenn du ihn siehst«, hat Maja vorgeschlagen.

»Aber ich interessiere mich nicht für Geocaching.«

Wir gingen vier Minuten lang weiter, ohne zu reden. Der Nieselregen fiel auf meine Haare, was nicht schlimm ist. Nur die Tröpfchen auf meiner Brille haben mich gestört. Vielleicht waren sie auch der Grund dafür, warum Maja Bo als Erste gesehen hat. Er kam aus der Straße, die zu unserem Haus führt.

»Huhu!«, hat sie gerufen und mit beiden Armen gewunken, und da hat Bo zurückgewunken. Zum Glück war er allein. Zwanzig Sekunden später hat Bo mich umarmt und »Hej, Florentine« gesagt. Da habe ich auch »Hej« gesagt.

Dann ist mir wieder eingefallen, dass ich ein paar interessierte Fragen stellen könnte. »Bist du für heute fertig mit Geocaching?«, habe ich Bo also gefragt. »Und ist Pia nach Hause gegangen?«

Da hat er nett gegrinst. »Ja, wir haben den Cache gefunden. Unten in Solitüde, an der Badebrücke. Und dann haben wir uns wieder auf den Weg nach Hause gemacht, weil das Wetter so blöd ist.«

Ich habe genickt. »Und waren interessante Gegenstände im Cache? Hast du etwas davon ausgetauscht?«

Bo hat in seiner Jackentasche gewühlt. Dann hat er einen Flummi herausgezogen, der gelb war und ein lächelndes Gesicht hatte. »Dafür habe ich ein Fünf-Kronen-Stück an einer Silberkette dagelassen«, hat er erklärt, den Flummi auf den Boden geworfen und wieder aufgefangen.

Ein dänisches Fünf-Kronen-Stück hat in der Mitte ein Loch, weswegen man es gut an einer Kette befestigen kann. Es ist siebenundsechzig Cent wert (aktueller Tageskurs), also nicht mal einen Euro.

In einem Cache befinden sich in der Regel billige und wertlose Artikel. Zum Beispiel:

»Wenn du gern einen Flummi haben möchtest, kann ich dir einen schenken«, habe ich Bo erklärt. »Du musst nicht durch den Regen laufen, um einen zu suchen.«

»Ach, Florentine.« Bo hat den Flummi wieder zurück in seine Tasche gleiten lassen und nach meinen Händen gegriffen. »Es geht beim Geocaching nicht um Flummis. Es geht ums Suchen und Finden. Und darum, dass alles heimlich passiert, weil niemand merken soll, was man tut.« Seine Augen haben begeistert gefunkelt. »Das wäre doch genau das Richtige für dich als Kommissarin! Ich hätte jedenfalls voll Bock darauf, das mit dir zusammen zu machen.«

Da hat Maja mich rechts untergehakt und Bo links. »Ich glaube, wir wechseln lieber das Thema«, hat sie erklärt und ist mit uns losmarschiert. »Was macht dein Häuschen, das du von Uroma Hansine geerbt hast, Bo? Wie weit seid ihr mit der Renovierung, du und deine Mutter? Könnt ihr schon bald einziehen?«

Bo hat gestöhnt. »Nej … das dauert noch ein bisschen. Wir haben gerade erst damit angefangen …«

In diesem Moment haben wir einen Schrei gehört. Er kam vom Haus schräg gegenüber von unserem.

»Was war das?«, hat Bo erschrocken gefragt.

»Da!«, hat Maja gerufen. »Die alte Dame! Sie ist die Treppe runtergefallen.«

Im selben Moment habe ich sie auch gesehen.

Die alte Dame hieß Frau Hansen und war unsere Nachbarin. Sofort sind wir zu ihr gelaufen. Sie lag am Fuß der sechs Stufen, die hoch zu ihrem Haus führen, hatte ihre Unterarme an die Brust gezogen und japste nach Luft.

Wir haben uns hingekniet, und Bo hat sie vorsichtig an der Schulter berührt. »Haben Sie sich wehgetan?«

»Meine Handgelenke«, hat sie gestöhnt. »Ich bin die Treppe runtergefallen und habe versucht, mich mit den Händen …« Sie hat nicht weitergeredet und stattdessen nur noch gestöhnt.

»Sie sind vermutlich gebrochen. Ich rufe einen Rettungswagen«, habe ich erklärt, mein Smartphone aus der Tasche gezogen und 112 gewählt, während ich die Treppe hochgeschaut habe. Auf den Stufen lagen keine Blätter, auf denen sie ausgerutscht sein konnte. Es gab auch keine Kanten oder unebenen Stellen.

Das Stöhnen der Nachbarin hat mich von der Treppe abgelenkt. Eigentlich war Frau Hansen für ihr Alter noch ziemlich fit. Sie war ungefähr fünfundsiebzig Jahre alt, hatte kurz geschnittenes graues Haar und trug meistens ziemlich enge Jeans und Stiefeletten, die ein bisschen wie Reitstiefel aussahen. Und sie ging fast jeden Morgen walken.

In diesem Moment meldete sich jemand am Telefon, und ich habe den Notruf durchgegeben, wobei ich die 5-W-Regel befolgt habe, die Leben retten kann: