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Ein Pass ins Herz!
Cassie Fildon, die Tochter des Teameigners der Falcons, ist Juristin, doch ihre Leidenschaft sind die Sozialen Medien. Ihr größter Wunsch: ein erfolgreicher eigener Kanal. Sie kommt ihrem Traum einen Schritt näher, als sie eine Saison lang die Falcons begleiten und dabei jeden Spieler interviewen darf.
Alles läuft gut, bis sie auf Vincent James, den neuen Wide Receiver, trifft. Vincent musste einen schrecklichen Schicksalsschlag erleiden. Ohne den Verlust zu verarbeiten, trainiert er nun in jeder freien Minute und kapselt sich vom Team ab.
So blockt er auch Cassies Anfragen für Interviews ab und macht ihr klar, dass sie von ihm keine Einblicke in sein Leben bekommt. Aber sie ist hartnäckig und lässt sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Nach und nach erlaubt Vincent ihr einen Blick hinter die Fassade und öffnet Stück für Stück sogar sein Herz ...
Erlebe die knisternde Spannung auf und neben dem Spielfeld mit dem fünften Band der heißen und emotionalen Football-Romance-Reihe rund um die Spieler der Florida Falcons, die dir mit Sicherheit den Kopf verdrehen.
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Seitenzahl: 334
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein Pass ins Herz!
Cassie Fildon, die Tochter des Teameigners der Falcons, ist Juristin, doch ihre Leidenschaft sind die Sozialen Medien. Ihr größter Wunsch: ein erfolgreicher eigener Kanal. Sie kommt ihrem Traum einen Schritt näher, als sie eine Saison lang die Falcons begleiten und dabei jeden Spieler interviewen darf.
Alles läuft gut, bis sie auf Vincent James, den neuen Wide Receiver, trifft. Vincent musste einen schrecklichen Schicksalsschlag erleiden. Ohne den Verlust zu verarbeiten, trainiert er nun in jeder freien Minute und kapselt sich vom Team ab.
So blockt er auch Cassies Anfragen für Interviews ab und macht ihr klar, dass sie von ihm keine Einblicke in sein Leben bekommt. Aber sie ist hartnäckig und lässt sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Nach und nach erlaubt Vincent ihr einen Blick hinter die Fassade und öffnet Stück für Stück sogar sein Herz …
Erlebe die knisternde Spannung auf und neben dem Spielfeld mit dem fünften Band der heißen und emotionalen Football-Romance-Reihe rund um die Spieler der Florida Falcons, die dir mit Sicherheit den Kopf verdrehen.
K A R I T E N E R O
Play me wild
Cassie
Worauf wartest du noch? Wenn nicht heute, wann dann?
Gebannt auf den Bildschirm meines Handys starrend, sitze ich am Verteidigungstisch des Gerichtssaals, in dem in wenigen Minuten mein Fall beginnen wird, und studiere den neuen Post meiner Lieblingsinfluencerin. Wie jeden Donnerstag hat sie ihn pünktlich auf die Sekunde online gestellt. Und wie immer posiert Saskia Brightman mit ihren blonden langen Haaren vor der Kamera. Ein breites Lächeln zieht sich über ihr Gesicht und zeigt eine Unbeschwertheit, die ich noch immer in meinem Leben suche. Dahinter die malerische Kulisse von Maui, die sie mit einem Cocktail in der Hand präsentiert. Und ich? Habe heute meinen Morgenkaffee in meine Story geladen. Aufrufe: siebenundvierzig Mal bei allgemein hundertfünfundzwanzig Followern.
Prompt hinterfrage ich mal wieder, wieso ich nicht das hinbekomme, was bei anderen so spielend leicht aussieht – sein Leben so spannend in Szene zu setzen, dass es die Menschen vor dem Bildschirm interessiert. Nur leider bin ich nicht auf irgendeiner Insel in der Südsee.
Neben mir hustet jemand. Sofort sehe ich auf und falle kurz in dieses Loch aus dunklem Realismus, in dem ich gefangen bin. Meine komplette Umgebung hat so überhaupt keine Ähnlichkeit mit Maui. Dafür bin ich umgeben von poliertem Holz, dem Geruch von Desinfektionsmitteln und Wachleuten an jeder Tür, durch die man diesen Raum verlassen könnte.
Heute macht mich sogar das Summen der Neonlichter über mir nervös, obwohl ich diese Situation mittlerweile schon Hunderte Male erlebt habe.
Die Bänke im Zuschauerbereich knarren leise, während ein paar Anwesende sich unruhig darauf hin- und herbewegen. Dazu ist die Luft trotz der Klimaanlage, die irgendwo leise surrt, erdrückend schwer.
Leise seufze ich. Das hier hat eindeutig nichts von dem Leben auf Social Media, das ich jeden Tag verfolge. Natürlich ist mir bewusst, dass auch vieles nur schöner Schein ist, aber die Freiheit, sich kreativ ausleben zu können, fehlt mir aktuell komplett. Anstatt etwas von der Welt zu sehen, wälze ich Akten, deren Inhalt sich fast schon in Dauerschleife wiederholt, weil die Fälle sich ähneln, und sitze in Gerichtssälen und lieblos eingerichteten Büroräumen. Nein, so habe ich mir mein Leben ganz und gar nicht vorgestellt. Mir fehlt einfach die Abwechslung in meinem Job.
Bevor ich mich jedoch weiter in meinen düsteren Gedanken verlieren kann, öffnet sich die Tür an der rechten Wand. Alle erheben sich. Ich lasse das Handy sinken und verstecke es dezent hinter dem Rücken. Mein Klient neben mir zupft sich nervös an seiner Krawatte herum. In seinem hageren Gesicht spiegelt sich die pure Nervosität, die nicht einmal die tiefen Falten auf seiner Stirn verstecken können. Und dazu dieser Dreitagebart. Dabei habe ich ihm schon bei unserem letzten Gespräch in der Kanzlei gesagt, dass er sich vor dem Termin rasieren soll.
»Ms Fildon«, flüstert er. Seine Stimme ist nur noch ein hauchdünnes Wispern, in dem die Panik mitschwingt, die ihm schon die gesamte Zeit über deutlich anzumerken war, seit er vor knapp drei Wochen das erste Mal in der Kanzlei aufgetaucht ist.
Doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen und hebe stattdessen die Hand als Zeichen, dass er warten soll. Denn für seine Panik gibt es gar keinen Grund. Sein Fall, in dem es um Trunkenheit am Steuer geht, ist sonnenklar und wäre für keinen Anwalt im Strafrecht, der die Akte richtig lesen kann, eine Herausforderung.
Im nächsten Moment betritt der Richter den Saal. Kurz flattert seine schwarze, schlichte Robe auf, bevor er sich schwerfällig auf die Richterbank sinken lässt. Richter Jenkins sieht mit seinen tiefen Falten auf der Stirn aus wie immer – genervt und etwas schlaftrunken. Trotzdem mag ich ihn. Vielleicht weil er es nicht leiden kann, wenn man vor ihm eine Show veranstaltet, Unfug erzählt oder unnötig alles in die Länge zieht. Und genau das brauche ich heute, wo ich so schon keinen wirklichen Elan habe, hier in diesem stickigen Raum zu sitzen.
Ein letztes Mal sehe ich auf das Video und kommentiere mit: »Du hast es echt gut.« Anschließend nehme ich neben meinem Klienten Platz.
»Fall Nummer 2325, Staat gegen Matthew Bryant«, ruft der Gerichtsschreiber.
Erst jetzt lasse ich das Handy endgültig in meine schwarze, schlichte Handtasche gleiten. Dabei vibriert das kleine rechteckige Gerät fröhlich weiter, weil auch andere einen Kommentar hinterlassen.
Ein letztes Mal streiche ich über meine hellgraue Stoffhose und zupfe die schwarze Bluse zurecht, bevor ich widerwillig, als würde man mich zwingen, einen wirklich schlechten Film zum zehnten Mal ansehen zu müssen, den Kopf hebe. Matthew, mein nervöser Klient, atmet schwer neben mir. Ich könnte sogar schwören, dass ich hören kann, wie sein Herz vor Aufregung rast. Vielleicht auch, weil er schuldig ist und das genau weiß. Doch ihm sollte genauso bewusst sein, dass ich gleich seinen Kopf aus der Schlinge ziehen werde, so wie ich und auch mein Chef ihm mehrere Male versichert haben.
»Die Anklage lautet auf absolute Fahruntüchtigkeit und Gefährdung des Straßenverkehrs«, verkündet der Staatsanwalt. Callahan sieht mit seinen zur Seite gegelten blonden Haaren so aus, als hätte er gerade erst seinen Abschluss gemacht. Dabei ist er mit seinen sechsundzwanzig Jahren genauso alt wie ich. Wären wir nicht bei Gericht, hätte er mir mit Sicherheit zugelächelt, so wie er es immer tut, wenn wir uns auf neutralem Boden begegnen.
Kurz räuspert Callahan sich, dann spricht er weiter. Doch seine Stimme klingelt mir unangenehm im Ohr, weil er viel zu laut redet. »Mr Bryant hat ein Stoppschild ignoriert, einen Radfahrer verletzt und anschließend den Unfallort fluchtartig verlassen.« Er betont diese Worte, die dazu führen sollen, meinem Mandanten eine Straftat nachzuweisen, extra scharf.
Unbeeindruckt lehne ich mich zurück, verschränke die Arme und versuche, meine Langeweile nicht allzu offensichtlich zu zeigen, während mein Mandant bereits zu schwitzen beginnt.
Der Staatsanwalt redet weiter. Dabei bringt er einen Beweis nach dem anderen vor, zeigt Fotos und spielt sogar ein wackeliges Video eines Passanten ab, der die Tat gefilmt haben soll. Es ist offensichtlich, dass er sich mächtig ins Zeug gelegt hat und Jenkins beeindrucken will.
Und ich? Ich tue nichts. Noch nicht. Aber denke durchgehend an das türkisblaue Wasser der Lagune aus dem Video, das ich gerade gesehen habe.
Erneut frage ich mich, wie es wäre, freier und ungebundener zu sein. Keinen Job zu haben, bei dem man von morgens bis abends einen festen Zeitplan einhalten muss, sondern sich selbst einfach seinen Tag einteilen kann, ohne dabei auf Termine schauen zu müssen, die andere für einen machen. Dabei müsste ich nicht einmal auf Maui sein. Hier in Clearwater würde es mir schon vollkommen reichen.
Aber auch die Social-Media-Branche hat es in sich. Das zeigt sich schon an dem mäßigen Erfolg meiner Videos, die ich bisher vom Strand gemacht habe. Über die Surfer berichten professionelle Leute, die das schon jahrelang machen oder aus der Szene kommen. Und die Leute dabei mitzunehmen, wenn ich dabei helfe, Menschen vor einer Strafe zu retten, die sie eigentlich verdient haben, wird bestimmt ebenfalls nicht gut ankommen. Ganz abgesehen von der Schweigepflicht, auf die ich bei jedem Video akribisch achten müsste.
»Das wäre alles.« Damit kommt der Staatsanwalt zum Ende seiner mit Sicherheit schlüssigen Argumentation, der ich kaum zugehört habe.
Der Richter sieht zu meinem Mandanten und mir. Jetzt kommt mein Moment. Doch es ist keine dramatische Offenbarung, wie man sie aus den Fernsehserien kennt. Nein, das, was ich vorbringe, ist viel strukturierter und durchdachter.
Erst als sich der Staatsanwalt hingesetzt hat, stehe ich auf. Genauso langsam und mit der Art von Selbstbewusstsein, die man sich nur leisten kann, wenn man weiß, dass man gewonnen hat, bevor es überhaupt zur wirklichen Verhandlung kommt.
»Euer Ehren.« Ich nehme mir einen weiteren Augenblick, um einen Staubfussel von meiner Bluse zu entfernen, ehe ich einige Schritte auf das Richterpult zulaufe. Der Staatsanwalt schnaubt bereits genervt.
»Ich möchte darauf hinweisen, dass die Polizei in diesem Fall einen grundlegenden Verfahrensfehler begangen hat.«
Kurz sehe ich zum Staatsanwalt, lächle siegessicher und genieße den Moment, in dem er realisiert, dass er nichts weiter tun kann, als zuzuschauen, wie dieser Fall gleich endet. Ich drehe mich wieder dem Richter zu.
Dieser hebt eine Augenbraue. »Fahren Sie fort, Ms Fildon.«
Ich kehre zu meinem Tisch zurück, drehe die Akte herum und blicke auf den gelben Zettel, den ich zwar in- und auswendig kenne, aber der Theatralik wegen genau zitieren will.
»Im Polizeibericht steht, dass noch vor Ort, im herbeigerufenen Rettungswagen, eine Blutalkoholprobe bei meinem Klienten durchgeführt wurde. Diese wird als Hauptbeweis herangezogen, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt eine Anordnung seitens der Polizei gegeben hat. Diese wurde erst später erteilt und ist in diesem Zusammenhang sehr kritisch zu betrachten. Anders gesagt, die Polizei hätte schon zu diesem Zeitpunkt die Probe selbst entnehmen müssen oder dies in dem Bericht vermerken und dem Rettungsdienst mitteilen oder sogar anordnen müssen. Dies ist nicht der Fall gewesen. Damit verstößt die Vorgehensweise gegen seine verfassungsmäßigen Rechte.« Ich verstumme und lasse das Gewicht meiner Worte wirken.
Der Staatsanwalt starrt mich an und wird endgültig kreidebleich.
Richter Jenkins nimmt seine Brille ab und reibt sich die Augen. »Mr Callahan«, sagt er zum Staatsanwalt. »Stimmt das?«
Callahan stammelt etwas, das wie ein Eingeständnis klingt. Gleichzeitig schließt er seine Akte.
Jenkins seufzt schwer. »Der Beweis ist damit unzulässig. Der Fall wird hiermit abgewiesen.«
Ich nicke nur knapp, denn schließlich ist das Ergebnis genau so von mir geplant gewesen.
Im nächsten Moment bricht mein Klient in Tränen aus, stolpert, als er aufsteht und umarmt mich herzlich, was ich nicht erwidere, weil es sich für mich nicht nach einem Sieg anfühlt.
»Danke, Ms Fildon, danke!«, flüstert er schniefend.
Ich befreie mich aus seinem Griff. »Das ist mein Job«, antworte ich, lächle und greife bereits nach meinem Telefon.
Callahan, der mittlerweile alles verstaut hat, kommt auf mich zu. »Ich sehe, Sie haben Ihre Hausaufgaben wieder einmal viel zu gut gemacht.«
Erneut bekommt er von mir lediglich diesen siegessicheren Gesichtsausdruck. »Genau wie Sie. Nur leider war die Sachlage auf meiner Seite.«
Er reicht mir die Hand. Ich erwidere die Geste und entdecke dabei an seinem Lederarmband einen Footballanhänger.
»Werden Sie beim Spiel der Falcons heute Abend zugegen sein?«, fragt er scheinbar unverfänglich. Doch da wir beide wissen, dass mein Nachname eng mit dem Stadion verbunden ist, kommt es nicht so bei mir an.
»Nein, seit ich in Gerichtssälen unterwegs bin, interessiere ich mich nicht mehr wirklich für Sport.« Obwohl ich gern mehr Zeit dafür hätte. Doch inzwischen beschränke ich mich auf meine morgendliche Joggingrunde am Strand. Aber das binde ich ihm nicht auf die Nase, damit er nicht auf die Idee kommt, sich noch dort mit mir verabreden zu wollen.
»Schade«, entgegnet er und lässt meine Hand los. »Ich hätte mich über Ihre Gesellschaft gefreut.«
»Es ist wirklich nett, dass Sie an mich gedacht haben, aber ich bin heute Abend leider schon verplant«, flunkere ich schnell. In Wahrheit werde ich mir einen 500-ml-Eisbecher genehmigen und versuchen, dabei eine gute Figur zu machen, um irgendwie ein hübsches Bild für Social Media zu schießen. Wahrscheinlich werde ich mich auch zum tausendsten Mal fragen, woran es liegt, dass man mich einfach nicht interessant genug findet. Andere Kinder von Personen des öffentlichen Lebens werden andauernd abgedruckt, oder die Leute folgen ihnen in Scharen. Immerhin ist mein Dad der Teameigner der Falcons und macht seit einem Jahr keinen Hehl daraus, dass er irgendwann einmal mehr anstrebt, als ein Footballteam zu führen. Und trotzdem kämpfe ich um jeden Follower und würde denen, die gehen, sogar noch fünf Dollar geben, damit sie es nicht tun.
»Schade, aber vielleicht ein anderes Mal.«
Ich nicke freundlich, schnappe mir meine Tasche und verlasse den Saal. Draußen sehe ich erneut meinen Mandanten, der weinend mit jemandem telefoniert. So gut es geht, schleiche ich mich an ihm vorbei, um einer erneuten Umarmung zu entkommen. Gleichzeitig ignoriere ich die weiteren Vibrationen meines Handys. Maui wird wirklich immer verführerischer für mich.
Vincent
Der Schweiß läuft meinen Rücken hinab. Mein Puls rast und das ungute Gefühl, mit dem ich in dieses Spiel gestartet bin, scheint sich zu bewahrheiten.
Es sind noch fünf Minuten. Wir liegen mit 21:17 hinten, und mit jeder Sekunde, die vergeht, werden der Druck auf meiner Brust und die Vorwürfe, die ich mir selbst mache, immer stärker. Im nächsten Moment ruft uns jedoch Chris, unser Quarterback, zusammen. Auf dem Weg zu ihm beginnen meine Finger zu zittern. Die Schreie, die ich wieder und wieder aus meinem Kopf verbanne, schrillen lauter als zuvor und rauben mir meine Konzentration. Ich hole erneut tief Luft, atme konzentriert und fokussiere mich auf das Hier und Jetzt – den Sieg, den wir dringend brauchen, um in dieser Saison nicht vorzeitig vor den Play-offs auszuscheiden.
Leicht beuge ich mich in den Kreis, den wir bilden. Chris’ Lippen bewegen sich, doch ich höre ihn nur wie durch Wasser hindurch. Seit ich zurück auf dem Spielfeld bin, werden die Erinnerungen an mein früheres Leben noch einmal viel deutlicher. Übermannen mich und nehmen mir den Fokus. Bilder, die ich vergessen wollte, laufen wie in einem Stummfilm vor meinem inneren Auge ab.
»Komm schon«, murmle ich mir selbst zu und sehe erneut zu Chris. Dieser bellt seine Anweisungen in die Runde. In seinen Augen brennt eine Entschlossenheit, die ich gerade noch in mir selbst suche. Dabei ist das hier genau das, was ich immer gewollt habe. Und nur darum bin ich vorletzte Saison zu den Falcons gewechselt. Ich wollte endlich den Superbowl gewinnen. Doch das war alles, bevor meine ganze Welt zusammengebrochen ist.
Und jetzt, wo ich mich zurück ins Leben gekämpft habe, meinen Verlust während meiner Auszeit verarbeitet habe, scheint der Sieg weiter weg als je zuvor. Dass ich dafür die vielen Opfer und Verluste in meinem Leben erbringen musste, will ich weder glauben noch wahrhaben. Nein, irgendetwas Gutes muss diese ganze Scheiße, die mir vor zwei Jahren widerfahren ist, doch haben. Und wenn es wenigstens dieser Sieg ist, damit ich weiterhin von einem Sinn im Leben – dem Footballspielen – zehren kann.
»Wir ziehen das Ding noch irgendwie durch!«, schreit Chris nun, aber seine Stimme zittert leicht. Wir wissen alle, wie knapp die Zeit ist. Trotzdem nickt jeder von uns.
Kurz darauf sprinte ich zu meiner Position des Wide Receivers zurück, obwohl ich lieber trotten würde, weil mich gerade der Kampfgeist verlässt. Tief durchatmend rücke ich meinen Helm zurecht und schaue zu Leroy, unserem Runningback, der sich neben Chris bereit macht. Er wischt sich den Schweiß von der Stirn, seine Hände zittern ebenfalls ein wenig. Als er meinen Blick auffängt, nicke ich ihm zu. Er erwidert die Geste. Es gibt keinen Plan B – nur noch diesen einen Spielzug, den wir erst letzte Woche mit unserem Trainer Simon als Notfalllösung mehrmals durchgespielt haben. Dass wir ihn so schnell auch ausführen müssen, hat wahrscheinlich niemand kommen sehen.
Davis, unser Tight End, klatscht so laut in die Hände, als würde er versuchen, die Anspannung zu vertreiben, die sich fast greifbar zwischen uns aufbaut.
Jason, unser Safety, schreit zuversichtlich von der Seitenlinie: »Ihr schafft das, Jungs!« Ich bin mir sicher, dass er genauso mitfiebert wie wir und diese Gelassenheit nur gespielt ist.
Dann ist es so weit. Chris schnappt sich den Ball. Ich hingegen sprinte los, meine Beine schmerzen von dem bereits fünfundfünfzig Minuten dauernden Kampf. Doch das ist egal. Ich gebe alles, jage nach innen, täusche einen Schritt an, aber drehe mich dann nach außen. Der Verteidiger bleibt eng an mir dran, doch ich spüre, wie ich mir einen kleinen Vorsprung erarbeite.
Chris entdeckt mich, seine Bewegungen sind so schnell und präzise wie immer. Gleichzeitig drängt die Defense auf ihn ein.
Kurz sieht Chris sich um, dann wirft er den Ball. Ich strecke mich und verfolge seine Bahn. Doch ein Verteidiger der gegnerischen Mannschaft reagiert ebenfalls, berührt ihn mit einem Finger und lenkt den Ball ab. Er trudelt nur wenige Zentimeter von meinen Fingerspitzen entfernt durch die Luft. Ich sehe ihn, ich spüre ihn fast, doch er schlägt auf dem Boden auf, genau wie der Hoffnungsfunke, der kurz in mir aufgeflammt ist. Ich rutsche zur Seite weg und knalle hart auf den durchfurchten Rasen.
Die Pfiffe der Schiedsrichter durchschneiden die vielen Rufe der Fans, die uns teilweise ausbuhen oder die Gegner anfeuern.
Meine Knie sacken ein Stück ein. Jetzt bleiben uns nur noch vier Minuten Spielzeit. Doch ich will die Hoffnung nicht aufgeben, und so schlucke ich den Frust, der in meiner Kehle brennt, hinunter.
Während ich aufstehe, ruft Chris zum nächsten Spielzug auf. Diesmal soll es ein Lauf für Leroy werden. Ich sehe, wie er den Ball ergreift, den Kopf senkt und wie ein Rammbock durch die Mitte rennt. Drei Yards, vielleicht sogar vier. Doch es sind nicht genug.
Es bleiben drei Minuten auf der Uhr. Das Blut in meinen Ohren rauscht immer lauter und raubt mir die letzten Nerven, die ich noch unter Kontrolle habe.
Für den dritten Versuch nimmt Chris den Ball, sieht erneut zu mir und holt aus. Ich laufe los und spüre den Wind in meinem Gesicht, der meine Augen zum Tränen bringt. Aber das ignoriere ich. Wieder fliegt der Ball. Dieses Mal in perfektem Bogen zu mir.
Ich springe. Die Defense der Gegner ist ebenfalls nah dran, doch ich habe ihn – endlich. Schon fange ich an, mich zu entspannen. Gleichzeitig versuche ich krampfhaft, meine Konzentration in diesem Moment zu halten.
Meine Hände umklammern das Leder. Ich ziehe den Ball an mich, lande hart auf dem Boden, lasse ihn jedoch nicht los. Die Menge schreit – ein First down.
Jetzt sind es nur noch zwei Minuten. Wir befinden uns in der Red Zone, den letzten 20 Yards, die uns von der Endzone trennen.
Leroy unternimmt einen weiteren Versuch, aber wird gestoppt. Davis fängt einen kurzen Pass, doch es reicht nicht für die Endzone.
Erneut sehe ich zu der Tafel mit den Punkten, auf der die verbleibende Zeit unerbittlich schwindet, und werde immer nervöser. Es sind nur noch zwanzig Sekunden. Das ist unser vierter Versuch. Wir brauchen einen Touchdown – dringend!
Chris’ Blick wandert erneut durch die Reihen. Er sieht mich mit flehendem Ausdruck an und nickt. Obwohl wir außerhalb der Spiele kaum ein Wort miteinander wechseln, weil ich einfach noch nicht das Gefühl habe, mich auf Freundschaften einlassen zu können, verstehen wir uns auf dem Spielfeld umso besser. Daher weiß ich, was er mir sagen will: Ich bin seine beste Option.
Wir stellen uns auf. Ein weiteres Mal hole ich tief Luft. In Gedanken streiche ich über meinen Ring, der an meinem rechten Ringfinger steckt, und hoffe, dass mir die Person, zu der er gehört, gerade Glück wünscht und mir dabei hilft, dieses Spiel zu gewinnen.
Chris’ Stimme ertönt, und ich laufe los. Das Herz schlägt mir bis zum Hals, doch plötzlich hallt ein Lachen durch meinen Kopf. Hell und klar, so wie ich es schon seit anderthalb Jahren nicht mehr gehört habe.
Mit den Gedanken abdriftend, bahne ich mir den Weg durch die Defense der Gegner und spüre den Verteidiger an meiner Hüfte.
Der Ball fliegt direkt auf mich zu. Ich springe und komme der Endzone immer näher. So gut es geht, strecke ich mich. Im nächsten Moment sehe ich das Gesicht meiner Frau klar vor mir. Wie sie ihre blonden Strähnen hinter ihr Ohr streicht und dabei nur minimal den Kopf zur Seite neigt.
Dafür erkenne ich den Safety der gegnerischen Mannschaft erst, als es zu spät ist und er mir den Ball aus der Hand schlägt. Er fällt zu Boden und mit ihm meine Hoffnung. Noch während die Pfiffe der Schiedsrichter ertönen, verblasst das Bild von Laura. Der Endstand von 21:17 wird durch die Lautsprecher verkündet. Ich dagegen weiß nicht, was ich fühlen soll oder wie lange ich ins Leere stiere, während die Gegner in einer Traube neben mir laut losjubeln.
Meine Augen brennen. Mir ist schlecht. Wieso mussten die Erinnerungen ausgerechnet heute so stark in mir wüten?
Sofort könnte ich mir für diese Gedanken selbst eine Ohrfeige verpassen. Denn wenn ich sie vergesse, habe ich gar nichts mehr von ihr. Und das ist noch so viel schlimmer.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Ich schrecke auf und erkenne Leroy, der mit abgekämpfter Miene neben mir steht.
»Das war echt stark«, sagt er, aber ich höre ihn kaum, denke nur an Laura und ihren sinnlosen Tod.
Ohne einen der anderen zu beachten, reiße ich mich von Leroy los und stürme Richtung Umkleiden.
Vincent
Einen Tag später stehe ich noch vor Trainingsbeginn vor dem Büro von Simon, das sich nah bei den oberen Rängen befindet. Mit dem Rücken gegen die kalte Wand gelehnt, zertrete ich einige vertrocknete Blätter, die der Wind hierhergeweht haben muss. Während ich beobachte, wie unser Co-Trainer Keshaw die Auffrischung der Spielfeldlinien überwacht, die gestern ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden sind, dringen aus Simons Büro Stimmen an mein Ohr. Unser Trainer scheint sich mit Sam Fildon, dem Teameigner, zu unterhalten.
»Das ist eine Katastrophe, Simon!«, ruft Fildon gerade außer sich.
Sofort schnürt sich mir die Kehle zu. Den ganzen gestrigen Abend habe ich überlegt, wieso wir jetzt schon drei Spiele in Folge verloren haben. Wieso mich die Erinnerungen an meine Frau permanent dazu bringen, unkonzentriert auf dem Platz zu sein. Aber ich finde einfach keine befriedigende Antwort, die mir dabei helfen könnte, endlich wieder zu dem Sportler zu werden, der ich vor anderthalb Jahren noch gewesen bin.
»Ich weiß«, räumt Simon nun geknickt ein. Dabei kenne ich ihn so gar nicht, denn bisher war er immer eine Frohnatur und wirkte energiegeladen und unerschütterlich. Aber bisher gab es auch zu anderen Emotionen kaum einen Grund.
»Es sind noch zwei Spiele, bis es in die Play-offs geht. Eins müssen wir in jedem Fall gewinnen, um noch die Chance zu haben, in die K.-o.-Runde zu kommen. Ansonsten blamieren wir uns.« Fildons Schritte werden lauter. Er scheint zur Tür zu laufen. Doch gleich danach werden sie wieder leiser. »Bisher sind wir eines der besten Teams, die es jemals in der NHL gegeben hat. Wir haben den Superbowl bisher so oft gewonnen. Du bist wirklich talentiert und weißt, wie du die Männer dazu bekommst, Höchstleistungen zu erbringen. Aber du musst die Kurve kriegen. Ansonsten muss ich die Reißleine ziehen.« Die Worte sind wie ein Stein, der hart und dumpf in meinem Magen aufschlägt.
»Ich lasse mir etwas einfallen«, antwortet Simon nach einer gefühlten Ewigkeit. Kurz darauf geht die Tür auf, und Mr Fildon verlässt den Raum, ohne mich wahrzunehmen.
Dafür verfehlen seine Worte nicht ihre Wirkung, auch wenn sie gar nicht für mich bestimmt waren. Ich hole tief Luft, drücke mich von der Wand ab, klopfe an der offen stehenden Tür und trete ein, während Simon mich noch hereinbittet. Dieser steht mit beiden Armen auf den Tisch gestützt da und studiert ein Stück Papier, auf dem verschiedene Spielzüge aufgemalt sind.
»Ist es unpassend?«, frage ich und zeige nach draußen, um zu verdeutlichen, dass ich das Gespräch der beiden mitbekommen habe.
Doch Simon schüttelt den Kopf. »Nein, alles gut. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass fehlende Leistungen irgendwann zu Konsequenzen führen.« Er sagt es so locker. Dabei höre ich deutlich seine Sorge. Aber ich kann nicht genau ausmachen, ob es daran liegt, dass er Angst um seinen Job oder das Team hat. Dazu kenne ich ihn noch nicht lange genug.
»Also, wie kann ich dir helfen?«, fragt Simon weiter und löst sich von seinen Notizen, um mich aufgeschlossen anzusehen.
»Ich wollte …« Abrupt stocke ich, denn die Gewissensbisse drohen, mich zu übermannen.
Simon blickt mich unterdessen erwartungsvoll an. Er muss sich seine blonden, kurzen Haare gerauft haben, denn sie sind leicht zerzaust.
»Ich wollte mich entschuldigen«, sage ich schließlich und merke, wie sich ein kleiner Teil meiner Anspannung löst.
»Entschuldigen?«, wiederholt mein Coach und wirkt überrascht. »Wofür?«
Schon sehe ich Lauras Gesicht wieder deutlich vor mir. Ihr Lächeln, bei dem sie ihre Nase nur minimal nach oben zieht. Wie sie über ihren Bauch streichelt, weil sie unser gemeinsames Kind erwartet hat, das unsere kleine Familie perfekt gemacht hätte. Doch die Bilder enden abrupt, als ich erneut den Schrei höre, der mich auch nach anderthalb Jahren nachts aufwachen lässt.
»Ich war so unkonzentriert«, presse ich hervor und sehe auf meine großen Hände, denen der letzte Ball, der uns hätte zum Sieg führen können, entglitten ist. Ich habe versagt. Schon balle ich die Hand zur Faust.
»Wenn du deswegen Konsequenzen ziehen musst, dann …«
»Stopp«, unterbricht Simon mich bestimmt.
Abrupt sehe ich zu ihm.
»Du bist erst seit dieser Saison bei uns, weil du in der letzten ziemlich viel verkraften und verarbeiten musstest. Und das ist in Ordnung und für mich keine Bemessungsgrundlage dafür, Konsequenzen«, dieses Wort setzt er in Gänsefüßchen, »zu ziehen, die absolut sinnlos wären.« Er kommt auf mich zu und legt mir eine Hand auf die Schulter.
Ich lasse meine Hände sinken, die sich aus ihrer Starre lösen.
»Das, was dir widerfahren ist, ist furchtbar. Ich kann mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, was du durchgemacht hast, und ich bin mir sicher, dass dich die Erinnerungen daran auch auf dem Spielfeld verfolgen.«
Wie recht er doch hat.
»Ich gebe zu, es ist gerade nicht die beste Voraussetzung für einen Sieg. Aber wir sind ein Team, und wir gewinnen oder verlieren gemeinsam. Das war schon immer so und wird so bleiben. Zumindest so lange ich hier bin und diese Philosophie vertrete und lebe.«
Seine Worte sind wie Balsam für meine Seele, die sich seit meinem Start hier in Clearwater wünscht, endlich die Vergangenheit hinter sich zu lassen, damit sie vollkommen im starken Mannschaftsgefühl, das hier herrscht, aufgehen kann. Denn mehr ist mir von meinen Träumen nicht geblieben, die weit über die Grenzen des Superbowlsiegs hinausgegangen sind.
»Ich weiß auch, dass du dich immer noch schwer damit tust, dich ins Team zu integrieren. Vielleicht ist das ja ein Punkt, an dem du ansetzen kannst, um den Teamspirit etwas mehr zu fördern und zu spüren.«
Sofort fällt ein weiterer Stein dumpf in meinen Magen, bevor ich die Schultern abwehrend hochziehe. Es ist nicht so, dass ich mich nicht integrieren möchte. Aber in diesem Stadion begegnet einem an jeder Ecke Glück und Zufriedenheit. Das Wort Partnerbörse springt einem förmlich überall direkt ins Auge. Schon angefangen bei Simon und seiner Frau, deren Zusammenkommen hier wie eine gute alte Geschichte am Lagerfeuer erzählt wird. Und ich? Kämpfe immer noch mit dem Tod meiner Frau und unseres ungeborenen Kindes. Doch das spreche ich nicht an. Nicht heute und auch nicht, solange wir nicht die Play-offs erreichen. Im Grunde weiß es Simon ja schon und hat Verständnis. Vielleicht sollte ich also seinem Wunsch einfach nachkommen, damit er weiterhin mein Coach bleibt.
»In Ordnung«, murmle ich wenig überzeugend.
»Super. Gib einfach dein Bestes, genau wie der Rest von uns. Vertrau in unser Spiel, in mich, in euch, und dann werden wir gewinnen.«
Ich nicke nur und verlasse anschließend sein Büro. Während ich die Tür schließe, hole ich tief Luft und stehe einige Sekunden nur da, in denen ich meine Gedanken ordne.
Ich hätte nie gedacht, dass es mir so schwerfallen würde, im Stadion Fuß zu fassen. In meinem alten Team war ich neben dem Quarterback der Starspieler und viel geselliger, weil ich Laura hatte und eigentlich gar nicht anders konnte, als überallhin mitzugehen, um ihre Neugier zu befriedigen. Und hier wirkt es so, als würde ich gerade erst das Laufen lernen.
So kann es auf keinen Fall weitergehen. Ich straffe die Schultern, hole ein weiteres Mal tief Luft und mache mich auf den Weg zu den Umkleiden, um mich für das Training umzuziehen. Eventuell schaffe ich es dieses Mal, einmal als Erster das Wort Hallo in den Mund zu nehmen, anstatt nur stillschweigend dazustehen und den anderen beim Herumalbern zuzusehen.
Gedankenverloren steige ich die Treppen hinunter. Bis jetzt wirkt alles ganz verschlafen. Nur das Servicepersonal, das den Müll beseitigt und alles reinigt, ist unterwegs. Dabei herrschte gestern noch reges Treiben, als uns die Zuschauer angefeuert haben, ehe es in Buhrufe ausgeartet ist und ich einfach abgehauen bin.
Schließlich komme ich vor den Umkleiden an. Die Tür ist angelehnt. Mich dafür wappnend, gleich etwas zu sagen, das nichts mit dem Sport zu tun hat, lege ich die Hand gegen das kalte Eisen und stoppe doch, als ich die Männer dahinter lachen höre. Natürlich ist Chris der Erste, der das Wort ergreift.
»Ich sag’s euch, der Club ist super und nicht so überlaufen.«
»Ach, so wie der letzte?«, entgegnet Davis. Sowohl er als auch Chris klingen entspannt und nicht sorgenvoll wegen der schlechten Ergebnisse.
»Als wir uns vor den Reportern nicht mehr retten konnten. Susanna war danach echt ganz schön aufgewühlt«, ergänzt Jason, dessen Stimme immer lauter wird, weil er bestimmt in meine Richtung läuft. Sofort weiche ich einige Schritte zurück. Doch die Tür geht nicht auf.
»Was kann ich denn dafür, dass gerade an dem Tag dort eine Veranstaltung von diesen Skandalsuchern stattfindet?«
Alle lachen ein weiteres Mal, ehe Chris erneut das Wort ergreift. »Also, was sagt ihr? Versuchen wir es noch einmal?«
Zuerst bleibt es still. Dann höre ich Davis sprechen. »Von mir aus. Aber nur, wenn du eine halbe Stunde eher da bist und die Lage checkst.«
»Deal«, erwidert Chris sofort. Ein bestätigendes Raunen geht durch die Runde der Männer, die mein Team darstellen.
»Gut, dann frage ich nachher gleich noch Vincent«, sagt Davis.
»Wo ist er überhaupt?«, fragt Leroy.
»Ich habe ihn vorhin hoch zu Simons Büro gehen sehen. Vielleicht will er etwas besprechen, so schnell wie er gestern vom Platz gestürmt ist.«
»Hoffentlich gibt er sich nicht die Schuld an dem Fiasko von gestern?«, fragt Jason, der plötzlich ganz nachdenklich klingt.
»Das wäre wirklich unangebracht. Wir sind ein Team. Wir sind alle für die Scheiße verantwortlich, die in den sechzig Minuten abgeht.« Chris, der sonst so von sich überzeugt ist, wirkt gerade so bodenständig, wie ich ihn selten erlebt habe.
»Aber er tut sich immer noch schwer damit, sich zu integrieren.«
»Bei seiner Geschichte ist das auch kein Wunder.«
Erneut geht ein ruhiges Brummen durch den Raum, und das merkwürdige Gefühl in meinem Bauch wird stärker. So stark, dass sogar meine Finger anfangen zu zittern. Natürlich wissen alle Bescheid. Als ich die Auszeit genommen habe, habe ich Simon darum gebeten, es dem Team mitzuteilen, damit sie mich nach der Rückkehr nicht mit Fragen löchern, die alte Wunden aufreißen könnten. Dass ich das selbst viel zu gut kann, damit hatte ich irgendwie nicht gerechnet. Und manchmal würde ich mir sogar wünschen, dass mich einer von ihnen genau darauf anspricht. Ich die Stärke, die ich vortäusche, einfach ablegen und die Trauer auch vor den anderen zulassen kann.
»Wir müssen ihm noch etwas Zeit geben. Ich werde ihn nachher fragen, ob er mitkommen möchte. Irgendwann klappt das schon.«
Einen Moment herrscht noch Ruhe, dann scheinen alle in Aufbruchsstimmung zu verfallen. Die Schatten, die durch den schmalen Türspalt zu sehen sind, werden immer unkontrollierter und laufen ineinander.
Regungslos stehe ich da und weiß nicht so recht, was ich von diesem Gespräch halten soll. Sie sind alle so verständnisvoll. Packen mich in Watte. Sollten sie mich nicht eher teeren und federn, weil ich einfach nicht die Leistung erbringe, die von mir gefordert wird? In Dallas hätte man das schon lange gemacht. Aber hier? Hier wird das Wort Familie so verdammt großgeschrieben. Und ich weiß jetzt noch weniger als zuvor, ob ich bereit bin – also wirklich bereit bin, ein vollwertiges Familienmitglied zu werden, weil ich dafür endlich die Vergangenheit hinter mir lassen müsste. Und ich will es auch – wenigstens ein Stück, um Höchstleistungen erbringen zu können. Nur, bin ich schon so weit, oder mache ich mir bloß etwas vor?
Lauter werdende Schritte reißen mich aus den Gedanken. Sofort weiche ich weiter zurück und laufe um die nächste Ecke. Ich schaffe es gerade noch, mich zu verstecken, drücke mich gegen die kalte Wand und lehne den Kopf daran. Die Jungs laufen unterdessen in die andere Richtung. Und während die Stimmen leiser werden und ganz verstummen, spüre ich immer noch dem Adrenalin nach, das meinen Körper in den Fluchtmodus versetzt. Das Blut rauscht in meinen Ohren, und ich fühle mich wie ein Feigling, der einfach nicht zu dem stehen kann, was er will und braucht.
Das alles passt auch gar nicht zu mir. Ich bin Sportler. Ich stehe jede Woche im Rampenlicht. Aber die Konfrontation mit meinem Team versetzt mich in den Ausnahmezustand. Dabei machen sie sich nur Sorgen um mich. Versuchen, mich zu integrieren. Und ich? Komme schon wieder nicht aus meiner Haut, sondern verstecke mich lieber, als mit ihnen zu reden.
Im nächsten Moment wird das rauschende Geräusch in meinen Ohren durch Lauras Lachen ersetzt. Ich sehe sie am Rand des Stadions stehen. Wie sie mir breit grinsend zuwinkt. In einem weißen Kleid, mit vielen kleinen orangefarbenen Blüten darauf. Sogar ihre Haare haben im Licht der untergehenden Sonne den gleichen Ton gehabt.
Sie war perfekt. Unser Leben war perfekt.
Ich balle meine Hände zu Fäusten und schließe meine brennenden Augen. Die Frage, wieso ich mich einfach nicht von ihr lösen kann, lodert in meiner Seele. Gleichzeitig wird das schlechte Gewissen immer lauter, denn was bin ich für ein Mann, dass ich mich erneut dabei erwische, mir zu wünschen, dass sie einfach aus meinem Kopf verschwindet.
Am liebsten würde ich aus dem Stadion flüchten und nie zurückkommen. Aber das kann ich nicht. Allein schon wegen Laura, die für meinen Traum gestorben ist, nur weil ich mehr wollte, als ständig vor den Play-offs zu scheitern. Deswegen kann ich nicht aufgeben. Und deswegen werde ich auch nicht aufgeben. Ich muss diese Wellen endlich akzeptieren und mit der Vergangenheit abschließen. Genau wie es die Psychotherapeutin in einer unserer Sitzungen gesagt hat.
Ich schlucke die gemischten Gefühle hinunter, wische über meine Augen und gehe zu den leeren Umkleiden.
An meinem Spind klebt ein Zettel.
Heute Abend 20 Uhr – Westrallay-Club, an der Ecke zum Sunshine Bay. Komm gern vorbei, aber fühl dich nicht gehetzt.
;-) Leroy
Eine einzelne Träne läuft mir über das Gesicht. Die düsteren Gedanken verfliegen und machen Platz für ein neues Gefühl, das ich viel gern öfter spüren möchte. Das mein Wesen bestimmen sollte und mich wieder zu dem Mann macht, der ich einmal gewesen bin. Ich nehme den Zettel ab, lehne den Kopf gegen den Spind und kann das Grinsen nicht unterdrücken. Hoffentlich kann ich meinem Team irgendwann auch zeigen, wie sehr ich ihre Unterstützung und den Zusammenhalt schätze und brauche.
Cassie
Mit einem letzten Blick auf den Abschlussbericht zu meinem gestrigen gewonnenen Fall schlage ich die Akte zu, lehne mich zurück und schaue angespannt aus dem Fenster.
Heute ist es endlich so weit. Ich habe mich dazu durchgerungen, mit Mr Riley, dem Chef der Kanzlei, zu sprechen. Ich muss ihn unbedingt davon überzeugen, dass ich eine berufliche Veränderung benötige. Vielleicht teilt er mich dann einer anderen Abteilung zu.
Das Handy neben mir vibriert. Ich weiß genau, dass meine Lieblingsinfluencerin gerade einen neuen Beitrag hochgeladen hat. Aber ich ignoriere ihn genauso wie die Nachricht von Leonie, in der sie fragt, ob es heute Abend bei unserem Mädelsabend bleibt. Gerade jetzt darf ich mich nicht unnötig ablenken lassen und muss konzentriert bleiben, denn bei Mr Riley muss ich gute Argumente vorbringen.
Ein Klopfen reißt mich aus den Gedanken.
»Herein«, sage ich, drehe mich um und schlucke überrascht. Mr Riley tritt ein. Ich sehe zur Uhr. Es ist noch über eine Stunde Zeit bis zu unserem Termin. Kann es sein, dass ich mich in der Uhrzeit geirrt habe? Doch ich lasse mir meine Irritation nicht anmerken und beobachte stattdessen möglichst gelassen, wie hinter meinem Chef noch ein weiterer Mann mein Büro betritt. Ashton Knight ist ein Kollege, der genauso alt ist wie ich, aber bereits viele interessante Fälle auf dem Tisch hatte und schon als rechte Hand des Chefs gilt.
»Guten Morgen, Ms Fildon.« Mit andächtigen Schritten läuft Mr Riley auf mich zu und schiebt sich dabei die Brille auf der Nase zurecht.
Ich erhebe mich, ziehe den Blazer meines dunkelblauen Kostüms glatt, reiche ihm die Hand und entscheide mich dazu, in die Offensive zu gehen. Angriff soll ja bekanntlich besser sein als Verteidigung, auch wenn das in meinem Fall bisher eher anders gewesen ist.
»Schön, Sie zu sehen, Sir. Was verschafft mir das Vergnügen? Wir sind doch erst in einer Stunde verabredet.«
Professionell wie immer erwidert er den Händedruck. Genauso wie Ashton, der mir zuzwinkert und dabei sein schnöseliges Grinsen zeigt, das bei mir nur für Ekel sorgt. Dazu diese gegelten kurzen blonden Haare und ich würde gern drei Schritte zurückweichen. Im Honig-ums-Maul-Schmieren ist er geradezu perfekt, was wahrscheinlich auch zu seiner steilen Karriere beigetragen hat. Und ich würde alles dafür geben, das nicht wissen zu müssen. Aber da ich mich vor mehr als einem halben Jahr auf ein Date mit ihm eingelassen habe, das in einer Katastrophe endete, kenne ich leider Details, die in meinen Gedanken nichts zu suchen haben.
Mr Riley wirkt kurz so, als wüsste er nicht, wovon ich spreche, als er den Knopf seines Jacketts öffnet und sich auf einen der beiden Stühle vor meinem Schreibtisch setzt. »Ihr letzter Fall verlief so gut, dass ich Sie persönlich beglückwünschen wollte.« Riley räuspert sich. Aber irgendwie nehme ich ihm sein Verhalten nicht ab. »Und da ich ohnehin im Büro unterwegs war, dachte ich mir, kann ich auch einfach zu Ihnen kommen.«
»Wie nett, Sir. Vielen Dank. Aber es ist mein Job, gut zu sein«, erkläre ich weiter und hoffe, dass er mir meine Worte abnimmt, die ich aktuell selbst nicht so wirklich glaube.
Ashton nimmt ebenfalls Platz, und auch ich setze mich, atme tief durch und schiebe mein Handy, dessen Bildschirm wieder aufleuchtet, ein Stück weiter an den Rand, sodass ich es kaum mehr sehe oder die Vibration bei einer neuen Nachricht nur noch schwach spüre.