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Elizabeth Craft

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Beschreibung

Unstillbare Sehnsucht. Rettungslose Liebe.

Die achtzehnjährige Charlotte hat keine Zeit für Jungs, sondern setzt all ihren Ehrgeiz auf die Zulassung an der Stanford Universität. Da tritt ein fremder Junge in ihr Leben, der geheimnisvolle Tate. Charlotte verliebt sich auf den ersten Blick und will nur noch eins: Tate. Und Tate will sie.

Dann der Schock: Tate ist nicht irgendwer, sondern ein Superstar, der bekannteste Sänger seiner Generation. Und er hat dem Rampenlicht – und Beziehungen – den Rücken gekehrt. Doch die Anziehungskraft zwischen Charlotte und Tate ist so stark wie das Schicksal selbst ...

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Elizabeth Craft · Shea Olsen

FLOWER

Aus dem Amerikanischenvon Katja Hald

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text

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der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten.

Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2016 Elizabeth Craft, Shea Olsen, Alloy Entertainment

Produced by Alloy Entertainment, LLC.

Published by arrangement with Rights People, London.

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Amerikanischen von Katja Hald

Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen

nach einer Idee von Alloy Entertainment, LLC

Umschlagabbildungen: © Shutterstock/mertcan und © init

he · Herstellung: ang

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-16350-1V001

www.cbt-buecher.de

Vorher

Ich war zwölf, als ich mir diese eine Sache schwor.

Im selben Jahr hatte meine Mutter Mia und mich zurückgelassen, um mit ihrem neuen Freund zusammenzuziehen. Ich hatte immer wieder dabei zusehen müssen, wie sie sich aufs Neue verliebte. Als ob das Verlieben Sauerstoff wäre und meine Mutter kurz vor dem Ersticken. Damals verließ sie uns für einen letzten, tiefen Atemzug, der sie schließlich umbrachte.

Liebe kann dein Leben zerstören. Sie kann dir alles nehmen.

Also schwor ich mir: keine Prom Night, keine Partys am Wochenende und von Jungs würde ich die Finger lassen. Ich würde zu Hause bleiben, glatte Einser schreiben, später studieren und dafür sorgen, dass meine Zukunft anders aussah. Ich würde nicht zulassen, dass irgendetwas mich aufhielt. Würde nicht zulassen, dass irgendjemand mich aufhielt.

Aber das war, bevor alles anders wurde.

Bevor ich ihn traf.

Nachher

Seine Augen wandern zu meinen Lippen, verweilen einen kurzen Moment, dann presst er seinen Mund gegen meinen. Eine wilde Leidenschaft erfasst mich und ich erwidere den Kuss. Seine Finger umklammern mein Handgelenk, sein Körper presst sich gegen meinen.

Ich will mehr.

Er löst sich von meinen Lippen, küsst die Linie meines Kiefers, meinen Hals. Sein Mund ist heiß, seine Zunge drängend. Ich spüre den sanften Biss seiner Zähne auf meiner Haut. Dann hebt er den Kopf. In seinen Augen funkelt dunkles Verlangen. Wir sehen uns an, und ohne den Blick von mir zu lassen, küsst er mich. Es ist ein schlichter Kuss, nicht mehr als eine zarte Berührung der Lippen.

Er küsst mich noch einmal.

Und noch einmal.

Bis wir gleichzeitig die Augen schließen und unsere Zungen sich finden, während seine Hand meine Hüfte näherzieht. Ich taste nach dem Reißverschluss seines Kapuzenpullis, ziehe ihn nach unten. Er stöhnt gegen meine Lippen und ein Schaudern durchläuft mich.

In diesem schrecklichen, überwältigenden, wunderbaren Moment könnte er alles mit mir tun.

Einfach alles.

1

Zwei Monate früher …

In meiner Tasche klingelt das Handy, ein schrilles Pfeifen, wie von einem in der Ferne vorüberfahrenden Zug. Ich wühle mich durch Lippenbalsam, eine Starbucks-Serviette und jede Menge Kassenzettel, bis ich es endlich gefunden habe.

Es ist eine Nachricht von Carlos, meinem besten Freund seit der Mittelstufe. Was machst du?

Streng geheim, schreibe ich zurück und setzte noch ein paar Blümchen-Emojis dahinter. Carlos weiß genau, dass ich arbeite. Immerhin verbringe ich schon seit drei Jahren fast jeden Tag nach der Schule in einem exklusiven Blumengeschäft namens Bloom Room. Willst du nicht wenigstens EINE von Farrahs Partys mitnehmen, bevor wir unseren Abschluss machen?, meldet sich Carlos zurück.

Er möchte nur deswegen nicht allein aufkreuzen, weil sein Schwarm dort sein wird: Alan Gregory, der Mann mit den zwei Vornamen. Alan geht auf die Worther Prep, eine Privatschule in Beverly Hills, und flirtet mit Carlos, seit die beiden sich letzten Monat bei einem Debattierclub-Wettstreit kennengelernt haben.

Seufzend stütze ich die Ellbogen auf die Ladentheke. Sorry, schreibe ich. Aber du wirst auch ohne mich klarkommen, wie immer. Ich meide soziale Events: die Partys genauso wie die Discobesuche und die Ausflüge nach Venice Beach, bei denen sich alle den Sonnenuntergang ansehen und dabei an einem Flachmann nippen.

Wieder pfeift mein Handy: ICHBRAUCHMEINECHARLOTTE!

Lachend puste ich mir die dunklen Ponyfransen aus den Augen.

Leider hat deine Charlotte Holly versprochen, heute den Laden für sie zuzumachen. Feier für mich mit!, tippe ich.

Das ist mein Leben: Schule, dreimal die Woche Blumenladen, zweimal Forschungspraktikum an der Uni, zurück in die winzige Wohnung, die ich mir mit meiner Großmutter und meiner älteren Schwester teile, Hausaufgaben, und dann wieder alles von vorn. Es ist zwar nicht mein erklärtes Ziel, zur langweiligsten Zwölftklässlerin von ganz Los Angeles gekürt zu werden, aber ich habe mir in den Kopf gesetzt, die erste Frau in meiner Familie zu werden, die es aufs College schafft.

Auf keinen Fall will ich enden wie meine Mutter oder meine Schwester. Nichts soll mich aus der Bahn werfen. Die beiden waren noch keine zwanzig, als sie ihr erstes Kind bekamen. Das hat jede Chance im Keim erstickt, etwas aus ihrem Leben zu machen. Deshalb habe ich trotz meiner achtzehn Jahre noch keinen Jungen geküsst, noch nie zwischen den Unterrichtsstunden auf dem Schulflur Händchen gehalten und war auch noch auf keiner einzigen Schulparty.

Carlos schickt mir eine Armee heulender Smileys.

Ich will gerade antworten, als mir ein Kribbeln den Nacken hochfährt. Ich schaue kurz auf – und mir bleibt fast die Luft weg.

Vor der Theke steht ein Typ, die Hände in den Hosentaschen, und beobachtet mich. Ich habe nicht mal die Ladenglocke gehört, als er reinkam. Weil ich so vornübergebeugt dastehe, ist der Ausschnitt meines Trägertops nach unten gerutscht und lässt den gewölbten Rand meines pinkfarbenen BHs sehen. Schnell richte ich mich auf. »Kann ich dir helfen?«, frage ich und schiebe das Handy in die Gesäßtasche. Dabei versuche ich, die Verlegenheit zu überspielen, die auf meiner Haut prickelt.

Er hebt den Blick von meinem Schlüsselbein und starrt mich mit seinen dunklen Augen an, als wäre ihm die Antwort auf meine Frage entfallen. Dann sagt er: »Ich brauche Blumen.«

Er sieht umwerfend aus: markante Wangenknochen, die Lippen eine gerade Linie … diese Lippen fesseln meinen Blick eine Spur zu lange.

»Und an was hast du dabei gedacht?« Während ich den gewohnten Fragenkatalog abspule, mustere ich ihn immer wieder verstohlen: zerrissene Jeans, kurzgeschorene Haare und ein dünnes T-Shirt, das nur zur Hälfte in seiner Hose steckt. Unter der Baumwolle zeichnen sich die sehnigen Muskeln seiner Schultern und die breite, wohlgeformte Brust ab. Er ist groß, schlank, muskulös.

»Weiß nicht genau.« Sein Ton ist kühl.

»Dann komm mal mit«, sage ich automatisch und trete hinter der Theke hervor. Während wir in den rückseitigen Teil des Verkaufsraums gehen, bleibt er ein gutes Stück hinter mir. Vor einer Wand voller Rosen, Lilien und gebundener Sträuße, die nur darauf warten, gekauft zu werden, bleiben wir stehen. Ich deute auf die Kühlzelle und vermeide es, ihm dabei zu lange ins Gesicht zu sehen. Gutaussehende Typen zu ignorieren ist eine Art sportliche Herausforderung für mich, die ich inzwischen mit links beherrsche. Doch irgendetwas an diesem Jungen verunsichert mich – ich bin mir meiner Haltung, meiner fahrigen Hände und meiner heißen Wangen viel zu bewusst. »Mit Rosen kann man nichts falsch machen.«

Er sieht von mir zu den Blumen und presst dabei immer wieder die Kiefer zusammen. Ich kenne das schon. Er ist nicht der Erste, der so reagiert. Er braucht Blumen für seine Freundin, entweder zum Jahrestag oder als Entschuldigung, hat aber keine Ahnung, welche Farbe oder wie viele und ob er sie einwickeln oder lieber in eine Vase stellen lassen soll. Später an der Ladentheke zerbricht er sich dann den Kopf darüber, was er auf die winzige Karte schreiben soll, die in den Strauß gesteckt wird.

Er hat seine Augen jetzt auf mich geheftet und gegen meinen Willen sehe ich ihn verstohlen an. Irgendetwas an seinen Gesichtszügen, an dem perfekt geschwungenen Kiefer und den umschatteten Augen kommt mir vage bekannt vor. Geht er auf meine Schule? Vielleicht ist er einer dieser tragischen, finsteren Typen, die in den Pausen auf dem Parkplatz rumhängen und rauchen.

»Kennen wir uns?«, frage ich und bereue es sofort wieder. Falls er tatsächlich auf meine Schule geht, wäre es mir lieber, ich könnte bei einer zufälligen Begegnung auf dem Flur so tun, als ob ich ihn nicht kenne, und uns damit dieses peinlich berührte Lächeln und Zunicken ersparen.

Die Hände noch immer in den Hosentaschen, tritt er von einem Fuß auf den anderen, hebt die Schultern und sieht mich an, als würde er darauf warten, dass ich meine Frage selbst beantworte. Ein seltsames Schweigen macht sich zwischen uns breit und seine Mundwinkel zucken nach oben.

In meiner Gesäßtasche meldet sich wieder das Handy. Ich ignoriere es, aber es pfeift ein zweites Mal.

»Du scheinst sehr gefragt zu sein«, sagt er und hebt eine Augenbraue.

»Nicht wirklich. Das ist nur mein bester Freund. Er ist ziemlich hartnäckig.« Rasch ziehe ich das Handy hervor und stelle es auf lautlos.

»Du kannst ruhig rangehen.«

»Nein. Er will nur, dass ich zu einer Party mitkomme.«

»Und du willst nicht?«

Ich schüttle den Kopf. »Ich muss den Laden zuschließen.«

»Und danach?« Er legt den Kopf schief, und in diesem Moment könnte ich schwören, dass ich ihn kenne. Aber er hat etwas an sich, das mir sagt, ich sollte besser nicht nachhaken.

»Hausaufgaben«, gebe ich knapp zurück.

»Kannst du nicht auch mal einen Abend frei machen und weggehen?«

Ich mustere ihn einen Moment. Weshalb interessiert ihn das überhaupt? »Nein. Wenn ich nicht für den Rest meines Lebens in diesem Blumenladen arbeiten will, dann nicht.«

Ein leichtes Flackern tritt in seine Augen und auf seiner linken Wange bildet sich ein Grübchen. »Welche gefallen dir denn am besten?«, fragt er schließlich.

»Mir …?«

Er deutet mit dem Kinn auf das Blumenmeer um uns herum.

»Ich habe keine Lieblings…«

»Du musst eine haben.« Er grinst. »Schließlich arbeitest du in einem Blumenladen. Du ertrinkst praktisch in Blumen.«

»Ja, stimmt, ich habe eine«, weiche ich aus. »Aber ich glaube nicht, dass du die kaufen willst.«

Interessiert hebt er die Augenbrauen. »Sonderlich geschäftstüchtig bist du aber nicht.«

Ich werfe einen Blick auf die Blumenkübel, die vor Blüten überquellen. Farbenprächtige Orchideen und duftende Lilien. Hortensien und Pfingstrosen, die hier zwar nicht wachsen, aber sehr beliebt sind. Und dann sind da noch die etwas ungewöhnlicheren Sorten: Astern, Hahnenfuß, Dahlien und Kamelien. »Mir persönlich gefallen die pinkfarbenen Rosen«, gestehe ich. Er ist einen halben Schritt näher gerückt. Ich kann ihn atmen hören, langsam und tief.

»Warum?«, fragt er.

»Sie geben nicht vor, etwas zu sein, das sie nicht sind«, erwidere ich. »Sie sind schlicht und schön, werden aber fast nie gekauft.«

Zwischen uns entsteht eine angespannte Stille. Worüber reden wir hier eigentlich?

»Und du findest, man sollte sie kaufen?«, fragt er schließlich.

»Ja«, murmele ich. Diese Rosen sind nicht protzig, sondern einfach nur schön, ohne viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Das sollte man.«

Ich spüre seinen Blick auf meinem Gesicht und mir wird warm. Das Gefühl, ihm viel mehr verraten zu haben, als ich wollte, macht mich verlegen. Schnell drehe ich mich zur Kühlzelle um und tu so, als wollte ich überprüfen, ob sie richtig verschlossen ist.

»Dann werde ich wohl die pinkfarbenen nehmen müssen«, meint er.

Ich brauche ein paar Sekunden, bis es mir gelingt, wieder in den Blumenverkäuferin-Modus umzuschalten. »Oh. Okay … Wie viele?«

»Wie viele schlägst du vor?«

»Ein Dutzend?«

»In Ordnung.«

»Dann gebe ich das an der Theke in die Kasse ein«, sage ich.

Als er mir zurück in den vorderen Teil des Ladens folgt, nehme ich seinen Geruch wahr – einen kühlen, sauberen Duft, den ich nicht richtig zuordnen kann.

Während ich an der Ladentheke die Bestellung in den Computer eingebe, spüre ich seinen Blick auf mir lasten. »Auf welchen Namen?«, frage ich und sehe vom Bildschirm auf.

»Wie bitte?«

»Dein Name«, wiederhole ich. »Ich brauche deinen Namen für die Bestellung.«

Seine Lippen verziehen sich zu einem kleinen Lächeln, als hätte er ein Geheimnis. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob er mich verstanden hat.

»Tate«, sagt er schließlich.

Ich mache die Bestellung fertig, zähle die Scheine, die er mir gibt, und schiebe das Wechselgeld über die Theke. Doch anstatt es einzustecken, durchbricht er die unsichtbare Grenze zwischen uns und streckt die Hand nach mir aus.

Er streicht mir mit den Fingern über die Wange, direkt unter meinem linken Auge. Ich ziehe scharf die Luft ein. Noch bevor ich fragen kann, was er da tut, nimmt er die Hand wieder zurück und hält sie mir vors Gesicht.

»Glitzer«, sagt er.

»Was?« Ich starre auf seine Finger. Die Daumen- und Zeigefingerspitze funkeln. Glitzer. Zuvor hatte ich Tulpen für die Geburtstagsparty einer Achtjährigen vorbereitet und dabei Unmengen von Glitzer beim Dekorieren der Blumen und Vasen verwendet. »Danke«, sage ich. Wie Nadelstiche schießt mir die Röte ins Gesicht.

»Sah hübsch aus«, meint er und lächelt mich jetzt offen an, seine Augen zwei dunkle Seen.

Ich senke den Blick, meine Haut brennt. Das Ganze ist mir unendlich peinlich. Was ist heute Abend nur los mit mir?

»Okay – wann brauchst du den Strauß?«

»Morgen«, sagt er, nimmt das Wechselgeld von der Theke und stopft es in seine Tasche.

»Du kannst ihn um zehn abholen«, sage ich und beiße mir auf die Unterlippe. Noch immer ist mir unbehaglich zumute und ich wünschte fast, er würde einfach gehen. »Ich hoffe, sie gefallen deiner Freundin«, rutscht es mir heraus.

Seine braunen Augen verdunkeln sich. Als er endlich antwortet, betont er jedes einzelne Wort. »Ich habe keine Freundin … Charlotte.«

Ich schlucke. Er dreht sich um und geht Richtung Tür.

Er kennt meinen Namen. Woher kennt er meinen Namen? Dann berühren meine Finger das viereckige Plastikkärtchen an meinem T-Shirt. In weißen Buchstaben ist Charlotte darauf eingeprägt.

Eine Hand schon an der Glastür hält er noch einmal inne. Ich starre auf seinen Rücken und hoffe, dass er sich nicht umdreht. Hoffe, dass er es doch tut. Aber dann drückt er die Tür auf und tritt hinaus ins dämmrige Abendlicht. Meine Finger krampfen sich um die Ladentheke. In meinem Kopf hallt noch der Klang seiner Stimme nach, wie er meinen Namen sagt.

2

Es klopft an der Tür und die gesamte Klasse zuckt auf ihren Stühlen zusammen.

Mr Rennert, mein Englischlehrer, legt genervt den Whitebord-Marker zur Seite.

Die Tür geht auf, und Misty Shaffer, eine Unterstufenschülerin mit kurzen Haaren und einem Dauergrinsen, das ihre grün-rosa Zahnspange wunderbar zur Geltung bringt, betritt das Klassenzimmer. Ich hatte erwartet, dass sie einen Zettel mit einer privaten Nachricht für einen der Schüler in der Hand hält, doch stattdessen trägt sie einen riesigen Strauß Rosen herein.

Pinkfarbene Rosen.

Eine Tischreihe weiter halten Lacy Hamilton und Jenna Sanchez mit hoffnungsvollen Gesichtern die Luft an. Im hinteren Teil des Klassenzimmers bricht aufgeregtes Geschnatter los.

Während Misty mit breitem, grün-rosa Lächeln die Bankreihen links von mir entlangschreitet, scheint die Zeit stillzustehen. Ich rechne damit, dass sie Jennas Pult ansteuert – und Jennas Haltung verrät, dass sie dasselbe denkt –, doch Misty bleibt direkt vor mir stehen, das Gesicht von dem riesigen Strauß fast verdeckt. Überrascht blinzle ich zu ihr hoch. Der Bleistift, mit dem ich gerade auf den Rand meines Hefts gekritzelt habe, verharrt auf einer halbfertigen Zeichnung von Blätterranken.

»Charlotte«, sagt sie nur und streckt mir die Blumen entgegen. Ich bin unfähig, sie ihr abzunehmen. Meine Hände sind wie gelähmt.

Das kann nicht sein.

Carlos, der neben mir sitzt, knufft mich in die Seite, damit ich etwas tue. Die ganze Klasse starrt mich an, sogar Mr Rennert. Schnell reiße ich ihr die Rosen aus der Hand und lege sie vor mir auf den Tisch. Mit großen, erwartungsvollen Augen bleibt Misty noch einen Moment stehen. Wahrscheinlich hofft sie, dass ich ihr verrate, von wem sie sind.

»Danke, Misty«, ertönt Mr Rennerts gewohnt trockene Stimme von der Tafel, woraufhin Misty sich abrupt umdreht und genauso schnell verschwindet, wie sie gekommen ist. »Na, dann wollen wir uns mal wieder auf den Unterricht konzentrieren«, meint Mr Rennert und nimmt seinen blauen Marker vom Pult.

Doch bevor er fortfahren kann, schrillt aus dem Lautsprecher über der Tür die Schulglocke, und alle springen von ihren Stühlen. Mr Rennert seufzt.

Langsam, als müsste ich gegen die Schwerkraft ankämpfen, stehe ich auf. Ich bin sprachlos.

»Okay, raus damit«, fordert Carlos mich fast vorwurfsvoll auf, während wir auf dem Korridor vom Strom der Schüler mitgerissen werden. Normalerweise haben wir keine Geheimnisse voreinander. Gegen Schultern und Rucksäcke stoßend bahne ich mir einen Weg durch die Menge, mit Carlos im Schlepptau. »Wer hat dir die geschickt?«

Mit zitternden Fingern ziehe ich das Kärtchen aus dem Strauß und betrachte den Umschlag. Er ist definitiv aus unserem Laden. Der dünne Goldrand ist unverkennbar. In schnörkellosen Buchstaben steht CHARLOTTE darauf. Die winzige Karte gleitet mühelos aus dem Umschlag, und es regnet Glitzer, der an meinen Fingern kleben bleibt und meine Schuhspitzen bestäubt.

Auf der Karte steht nur: WEILSCHLICHTSCHÖNIST.

»Ähm, erklärst du mir das bitte?«, fragt Carlos, der über meine Schulter mitliest. »Und was soll der ganze Glitzerkram?«

Hastig stecke ich die Karte zurück in den Umschlag. Das Herz schlägt mir bis zum Hals.

Tate.

Er hat mir die Blumen geschickt. Was für ein Verrückter kauft denn Rosen für ein Mädchen, das er überhaupt nicht kennt? Und woher weiß er, auf welche Schule ich gehe?

»Hallo?« Carlos wedelt mir mit der Hand vor dem Gesicht herum. »Hat meine kleine Charlotte endlich einen heimlichen Verehrer?«

»Nein, hat sie nicht«, entgegne ich. Meine Wangen brennen vor Verlegenheit. »Die sind von irgend so einem Typen, der gestern im Laden war.«

»Du hast ihn gestern kennengelernt und heute schickt er dir Blumen?«, fragt Carlos und berührt eine der zarten Knospen.

»Ich weiß nicht mal, wie er mich ausfindig gemacht hat«, sage ich.

»War er süß oder ein Widerling?«

Ich muss an sein perfektes Gesicht, die dunklen Augen und die breite, muskulöse Brust denken und seufze.

»Also war er süß.« Carlos grinst und legt mir den Arm um die Schulter. »Das ist schon okay, Charly. Man darf einen Jungen ruhig süß finden. Das hat noch keinem geschadet.«

»Er war umwerfend«, gebe ich widerwillig zu. »Aber ich finde es ziemlich arrogant, dass er mir Blumen schickt, obwohl ich ihn gar nicht kenne.«

Als wir bei unserem Spind ankommen, stecke ich meine Nase in eine Blüte. Wie jedes Jahr teilen Carlos und ich uns ein Schließfach. Wir warten immer ab, welche Spinde uns zugeteilt werden und lassen den weniger günstig gelegenen dann leer.

»Kann schon sein, dass er ein klein wenig zu selbstsicher ist«, meint Carlos, während er die Zahlenkombination einstellt. »Aber dafür kannst du nicht den Blumen die Schuld geben.«

Ich stopfe den riesigen Strauß scheinbar achtlos in den Spind, passe aber trotzdem auf, dass keiner der Stile verbiegt oder abbricht. »Themawechsel. Wie war die Party gestern? Hast du Alan getroffen?«

»Die Party war ein kompletter Reinfall. Alan hat mir gesimst, dass er für eine Physikklausur lernen muss und deshalb nicht kommen kann. Ich hab mich ziemlich früh verzogen und zu Hause ein paar alte Folgen von Saturday Night Live geguckt.«

Ich nehme Carlos in den Arm und drücke ihn. »Tut mir leid. Vielleicht ruft er dich an und macht was fürs Wochenende mit dir aus.«

»Ja, klar.« Carlos zuckt mit den Schultern. »Und dir schickt der umwerfende Mister X morgen wieder ein Dutzend Rosen.«

»Hoffentlich nicht.«

Carlos schlägt die Spindtür zu und wir drängeln uns durch das Getümmel in der Eingangshalle. Chloe Zines muss uns ausweichen und wirft mir einen abfälligen Blick zu. Chloe ist ziemlich hübsch, dieser durchgestylte Typ Mädchen mit zu viel Make-up, angesagten Klamotten und der perfekten Frisur. Neben ihr fühle ich mich immer wie eine graue Maus, unscheinbar und blass.

»Hey, ich mag meine kleine Charlotte genau so, wie sie ist.« Carlos wirft mir einen Blick über die Schulter zu. »Die ewige Jungfrau.«

»Quatsch«, widerspreche ich. »Ich warte nur bis nach dem Studium – mindestens.«

»Also bis in alle Ewigkeit?«

»Jetzt hör schon auf.« Ich schüttle lächelnd den Kopf.

»Du bist eine Heilige, Charlotte Reed.«

Wir drücken die schwere Doppeltür ins Freie auf und stehen im grellen, heißen Licht der Mittagssonne. Carlos beschirmt seine Augen und lässt den Blick über den Rasen und die verblichenen blauen Bänke wandern, auf denen sich die Schüler in kleinen Gruppen niedergelassen haben.

Während wir zu unserem schattigen Stammplatz auf dem Rasen gehen, meint Carlos: »Du wirst schon sehen. Eines Tages wirst du dich ganz fürchterlich in ein attraktives Exemplar der männlichen Spezies verlieben, mit Sixpacks wie ein spartanischer Gott. Und dann werde ich vergeblich versuchen, dich seinen Armen zu entreißen.«

»Klingt eher nach deinem persönlichen Traummann«, gebe ich zurück und drücke seinen Arm. In meinem Kopf spukt ganz bestimmt kein Traumtyp herum.

»Du wirst schon sehen, meine unschuldige kleine Charlotte«, meint er mit einem Zwinkern, während wir uns setzen. »Eines Tages lernst du jemanden kennen, der deine perfekte Welt auf den Kopf stellt.«

3

Alles ist ruhig, als ich unser winziges, zurückgesetztes Haus in der Harper Street betrete, das von zwei hohen, kargen Palmen überragt wird. Über der Küchenspüle wickle ich den Blumenstrauß aus der Cellophanhülle und stelle ihn in eine Vase mit kaltem Wasser. Hier zu Hause, wo die zartrosafarbenen Blütenblätter den tristen Wänden einen Hauch von Frühling verleihen, sehen sie sogar noch hübscher aus.

»Von wem hast du die?«, tönt die Stimme meiner Schwester aus dem Durchgang, der die Küche mit dem Wohnzimmer verbindet. Unser Häuschen ist ein enger Kasten, der klaustrophobische Zustände hervorruft, bestehend aus drei Schlafzimmern, einer Art Wohnküche und einem winzigen Bad. Wenn ich mir morgens unter der Dusche vor der Schule die Beine rasiere, muss ich ein Bein durch den Duschvorhang strecken und den Fuß auf dem Waschbeckenrand abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

»Von niemandem«, antworte ich rasch und stelle den Strauß in die Mitte des Küchentischs.

Auf Mias Hüfte sitzt der kleine Leo und klammert sich am Stoff ihres vollgesabberten T-Shirts fest. Mia geht über den Linoleumfußboden auf mich zu und ich kitzle Leo unterm Kinn.

»Die sind hübscher als die Blumenreste, die du sonst mit nach Hause bringst«, meint Mia.

»Eine Bestellung, die nicht abgeholt wurde.« Ich wundere mich, wie leicht mir die Lüge über die Lippen geht. Eigentlich lüge ich nie, hatte noch nie Grund dazu.

Mia streckt mir Leo entgegen, der mich mit seinen großen blauen Augen anstrahlt und das Gesicht zu einem zahnlosen Lächeln verzieht. Ich nehme ihn ihr ab und beobachte, wie sie sich erschöpft mit den Fingern durch die dunkelbraunen Haare fährt, als hätte sie ihn schon den ganzen Tag auf dem Arm. Ihre Augenringe zeugen von Schlafmangel. Für einen kurzen Moment habe ich das Gefühl, mein Spiegelbild zu betrachten. Mia ist zwei Jahre älter als ich, und obwohl wir nicht denselben Vater haben, könnten wir Zwillinge sein: dieselben glänzend grünen Augen, dasselbe kastanienbraune Haar.

»Es ist mir ein Rätsel, warum du dieses Ding immer noch trägst«, sagt sie, während sie zum Kühlschrank geht.

»Welches Ding?« Ich wippe mit Leo ein wenig auf und ab, worauf er ein glucksendes Babylachen von sich gibt. Ich muss lächeln.

»Moms Ring.« Sie deutet mit dem Kinn auf meine linke Hand, an der ein türkisfarbener Ring steckt. Er ist leicht verrutscht. Mein Vater hatte ihn meiner Mutter geschenkt, als sie anfingen miteinander auszugehen. Sobald ich alt genug war, um darauf achtgeben zu können, gab sie ihn an mich weiter.

»Er ist ein Andenken an sie«, behaupte ich, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Und Mia weiß das. Der Ring soll mich vor allem daran erinnern, dass ich auf keinen Fall wie Mom enden will, die sich immer wieder in neue Liebesabenteuer gestürzt hat, während ihr altes Leben in Flammen aufging.

»Hallo, Mädchen«, begrüßt uns Grandma, die gerade nach Hause kommt. Sie drückt Leo einen Kuss auf den Kopf. »Herrliche Blumen.« Sie nickt in Richtung der Rosen.

Das dunkle kastanienbraune Haar fällt ihr in weichen Wellen über die Schultern. Um den Hals trägt sie ihre goldene Lieblingskette. Dieselbe, die sie mit siebzehn von ihrer Schwiegermutter bekam, als man sie zum Traualtar führte. Mit siebzehn wurde meine Mutter schwanger mit Mia. Und Leo kam auf die Welt, noch bevor Mia ihren Abschluss an der Highschool machen konnte. Als hätte es eine böse Laune des Schicksals vorherbestimmt. Ich kann wirklich von Glück sagen, dass ich achtzehn geworden bin, ohne ein Baby zu bekommen.

Grandma nimmt einen Krug Wasser aus dem Kühlschrank, in dem obenauf Zitronenscheiben schwimmen. »Ich bin heute Abend bis zehn unterwegs«, sagt sie und holt ein Glas aus dem Schrank. Beim Einschenken gleitet eine Zitrone ins Glas.

»Musst du arbeiten?«, fragt Mia. Grandma schuftet hart als Büroputzkraft, weigert sich jedoch, etwas von dem Geld, das ich im Blumenladen verdiene, für die Haushaltsausgaben anzunehmen. Sie ist der Ansicht, ich solle meinen gesamten Lohn fürs College aufsparen. »Aber ich bin verabredet«, jammert Mia. Wieso hatte sie überhaupt Lust auszugehen, so müde wie sie war? »Er holt mich in einer Stunde ab.«

»Ich kann morgen auf den Kleinen aufpassen«, bietet Grandma an und stellt den Krug zurück in den Kühlschrank. Sie streckt die Arme nach Leo aus, um ihn mir abzunehmen.

»Wir wollten zu einem Konzert. Morgen spielt die Band nicht.« Als Grandma nicht sofort reagiert, dreht Mia sich zu mir. »Bitte, Charlooootte«, jammert sie und zieht dabei meinen Namen in die Länge. »Bitte, bitte. Ich finde diesen Typ eeecht nett.«

»Ich kann nicht«, entgegne ich. »In zwanzig Minuten muss ich bei der Arbeit sein.« Ein bisschen schuldig fühle ich mich doch. Vielleicht sollte ich meiner Schwester ja beistehen und mich krank melden. Andrerseits ist es für Mia sicher besser, wenn sie sich eine Weile von Jungs fernhält. Schließlich waren Jungs der Grund dafür, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Kein besonders freundlicher Gedanke, ich weiß, aber die Wahrheit.

Mia macht auf dem Absatz kehrt und marschiert in ihr Zimmer. Im Hinausgehen tritt sie wütend die Tür hinter sich zu.

Grandma legt mir die Hand auf den Arm. »Sie ist einfach aus dem Gleichgewicht«, flüstert sie. »Sie hat es nicht leicht mit dem Baby.«

»Ja, ich weiß.«