Fluch der Elemente - Die Schwestern von Feuer und Erde - Lilyana Ravenheart - E-Book
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Fluch der Elemente - Die Schwestern von Feuer und Erde E-Book

Lilyana Ravenheart

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Beschreibung

Einst wurde ein Bündnis geschlossen. Ein Bündnis, das Lyra dazu zwingt einen Dunkelalb zu heiraten. Doch weder sie, noch ihre Zwillingsschwester Amia, wollen sich ihrem Schicksal ergeben. Mit vereinten Kräften wollen sie sich gegen den Handel auflehnen, der noch vor ihrer Geburt vereinbart wurde. Doch ist es überhaupt möglich, einem Dunkelalb die Stirn zu bieten? Schneller als den beiden lieb ist geraten sie in die Fronten einer uralten Fehde zwischen den Dunkelalben und den Lichtalben und plötzlich ist es nicht nur ihr eigenes Leben, um das sie kämpfen müssen, damit ihr Schicksal sich erfüllt.

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Seitenzahl: 206

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Lilyana Ravenheart

Fluch der Elemente - Die Schwestern von Feuer und Erde

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Fluch der Elemente - Die Schwestern von Feuer und Erde

 

Fluch der Elemente

 

Die Schwestern von Feuer und Erde

 

Band 1

 

 

 

 

Ein Handel zwingt sie zu lieben,

doch die Liebe zwingt sie zu handeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Copyright ©Yvonne Rose

Lektorat: Stefanie Zainer

Korrektorat: Stefanie Zainer

Coverdesign: ©Kristina Licht

 

Auflage 1 / 2017

 

Impressum:

Yvonne Rose

Stettinerstr. 22

24537 Neumünster

 

 

© 2017

Prolog

 

 

 

 

Myrkvi, Prinz der Dunkelalben, wanderte ungeduldig vor dem kleinen Haus auf der geteilten Waldlichtung auf und ab. Jedes Mal, wenn er wieder kehrtmachte, wehten seine schulterlangen, rabenschwarzen Haare auf und seine nebelgrauen Augen blickten unruhig umher. Die Hütte stand dort, wo er und sein Vater vor einem sechs Monden einen Handel mit den werdenden Eltern abgeschlossen hatten, deren Kind in dieser Nacht zur Welt kam. Sicherheit und Wohlstand gegen die erstgeborene Tochter. Doch damals war die Nacht des Fruchtbarkeitsfestes gewesen, als alles ergrünt und die Pflanzen blühten. An diesem Tag sahen der Wald und die Lichtung ganz anders aus. Heute war das Totenfest. Die Natur und die Menschen bereiteten sich auf den kommenden Winter vor. Es war ihm ein Leichtes gewesen, die Welten zu wechseln, um bei der Geburt seiner Braut dabei sein zu können, auch wenn er durch seine magischen Fähigkeiten und sein Krafttier zu jeder Zeit in andere Welten reisen konnte. Obwohl es schon einige Monde her war, kam es ihm vor, als wäre es erst gestern geschehen, war diese Zeitspanne für einen Alben schließlich kaum mehr als wenige Momente.

 

Der Wald war dunkel gewesen, die wenigen Sterne am schwarzen Nachthimmel und der schwach scheinende Mond hatten es nicht geschafft, genügend Licht zu spenden. Es war beinahe gespenstisch, denn auch die Tiere waren allesamt verstummt, so als würden sie die Magie in dieser Nacht spüren.

Myrkvi und sein Vater hatten den werdenden Eltern gegenüber gestanden. Der Bauch der jungen Frau war bereits leicht gerundet und er konnte ihre Angst deutlich sehen. Der sorgenvolle Blick, die Hand schützend auf ihrem Bauch und den Körper zitternd an ihren Mann gelehnt, der ihn und seinen Vater wachsam beobachtete. Ganz so, als würden sie die beiden ohne Vorwarnung angreifen. Dabei waren es doch die zwei Menschen gewesen, die ihn und seinen Vater gerufen hatten.

»Was wollt ihr?«, verlangte sein Vater zu wissen, erhaben und stolz wie immer.

Myrkvi war ebenfalls gespannt, was die beiden wollten. Und er fragte sich auch, warum sie ihn und seinen Vater, nicht die Lichtalben, gerufen hatten. Oder hatten sie das bereits getan und die Lichtalben waren nur wieder zu arrogant gewesen? Ja, das würde schon eher passen.

»Wir erbitten Schutz für unser Kind und unsere weiteren Nachkommen!«, sprach der Mann. Myrkvis Vater hob eine Augenbraue.

»Was bietet ihr uns dafür?«, verlangte er zu wissen, denn einfach so würden sie ihnen nicht geben, wonach sie verlangten. Auch Myrkvi wartete, was die zwei bereit waren zu geben, um eine sichere Zukunft für sich und ihre Nachkommen zu bekommen.

»Eines unserer Kinder«, sprach die Frau und Myrkvi konnte ihr deutlich ansehen, dass ihr das ganz und gar nicht gefiel. Natürlich nicht, eine Frau liebte ihre Kinder, aber es waren gefährliche Zeiten und er selbst hatte immer ein Auge auf diese Welt. In letzter Zeit wurden die Überfälle immer mehr, immer übler, außerdem kamen sie immer näher. Vor wenigen Tagen erst war eines der Dörfer hier in der Nähe überfallen und niedergebrannt worden. Die Männer hatte man brutal niedergemetzelt, die Frauen vergewaltigt und dann versklavt. Dieses Schicksal wollten die werdenden Eltern ihren Nachkommen ersparen und dafür waren sie bereit, alles zu geben.

»Was sollen wir mit einem Menschenkind?«, fragte der Albenkönig, doch Myrkvi kam plötzlich ein Gedanke.

»Vater?«, sagte Myrkvi und sah seinen Vater an. Dieser erwiderte seinen Blick, schien aus seinen Augen zu lesen, ehe er Myrkvis Gedankengänge erfasste und nickte.

Myrkvi wandte sich wieder den Menschen zu. »Eure erstgeborene Tochter soll meine Frau werden. Es wird ihr an nichts fehlen und sie wird eine von uns werden«, forderte er, denn er hatte sich soeben an eine alte Prophezeiung erinnert. Eine Albenprinzessin, von Menschen geboren, sollte den Dunkelalben zu neuem Glanz verhelfen. Sie aus der Düsternis befreien und Licht in ihre Welt bringen.

Und nun boten ihnen zwei Menschen eines ihrer Kinder an. Es musste Schicksal sein!

»Einverstanden«, sprach die werdende Mutter, auch wenn es ihr sichtlich schwerfiel. Doch es schien für sie tragbar zu sein, ein Kind für den Schutz der anderen her zu geben.

»Dann ist es also abgemacht. Eure erstgeborene Tochter wird meinen Sohn heiraten, um meinem Volk zu neuem Glanz zu verhelfen. Im Gegenzug wird es euren Kindern und Kindeskindern an nichts fehlen. Wir versorgen sie mit allem materiellen, was benötigt wird und auch mit Schutz und Sicherheit«, fasste sein Vater den Handel noch einmal zusammen und die junge Frau nickte. Auch ihr Mann senkte zustimmend den Kopf. Also ließ sein Vater einen Vertrag erscheinen, auf dem alles genau beschrieben stand. Kurz zögerten die beiden Menschen noch, dann aber unterschrieben sie, indem sie sich beide in den Finger stachen und einen Tropfen Blut auf den Stoff tröpfeln ließen.

»Tritt hervor mein Kind!«, sprach sein Vater.

Ein wenig ängstlich trat die junge Frau hervor und er legte eine Hand auf ihren runden Bauch.

»Deine Tochter sei gesegnet mit der Magie der Alben. Sie soll Unsterblichkeit und ewige Jugend erlangen und somit eine von uns werden. Außerdem soll sie ihre ganz eigene Magie, entsprechend ihrer Persönlichkeit, erhalten«, sagte er ruhig mit höchster Konzentration und unter seiner Hand erschien ein hellblauer Schimmer, der den Bauch erleuchten ließ. Nur wenige Momente später war das Leuchten wieder verschwunden und sein Vater wandte sich ab. Bevor Myrkvi mit seinem Vater wieder aus dieser Welt verschwand, sah er noch, wie die Frau sich in die Arme ihres Mannes schmiegte und eine Träne über ihre Wange rollte. Ihm taten die beiden leid, denn niemand sollte sein Kind hergeben müssen. Und dennoch. Er musste auch an sein Volk denken. Irgendwann würde er selbst König sein und seine Königin – dieses magische Menschenkind – sollte ihm helfen, das Volk der Dunkelalben in bessere Zeiten zu führen. Und es würde dafür sorgen, dass sie rundum glücklich war.

 

Myrkvi wurde aus seinen Gedanken an jene Nacht gerissen, als er plötzlich den Schrei eines Babys hörte. Seine Prinzessin, zukünftige Braut, sie hatte den Leib ihrer Mutter verlassen und war nun in diese Welt eingetreten. Sofort standen Myrkvi und sein Schwiegervater kerzengerade da, warteten, dass sie hinein durften, um das Wunder zu erblicken.

Doch die Tür blieb verschlossen.

Stattdessen war kurz darauf ein zweites Baby zu hören. Nun hielt den Vater des Kindes nichts mehr. Ohne auf Erlaubnis zu warten, öffnete er die Tür und trat hinein, Myrkvi folgte ihm ohne zu zögern.

Doch direkt hinter der Tür erstarrte er, als er die zwei Babys erblickte. Myrkvi wusste nicht, was er sagen sollte und auch der Vater schien erstaunt. Freudig aber auch ängstlich. Myrkvi konnte sich schon denken warum. Er hatte Angst, nun auch seine zweite Tochter zu verlieren, aber Myrkvi hatte nicht vor, ihnen beide Töchter zu nehmen. Außerdem ... noch würde er keines der Kinder mitnehmen. Er war nur hier um sie im Leben willkommen zu heißen. Mit sich nehmen würde er die Erstgeborene erst, wenn sie erwachsen war. Bis dahin brauchte sie ihre Familie.

Die Mutter lag erschöpft im Bett, während eine Hebamme die Kinder versorgte. Langsam ging Myrkvi auf sie zu und nahm ihr eines der Babys ab. Es war ein wunderschönes Mädchen, Haare so braun wie die Samen einer Buche im Herbst. Die Augen hatten ein strahlendes Blau, würden die Farbe aber vermutlich in den nächsten Monaten noch ändern. Müde lag sie auf seinem Arm und erholte sich von der Geburt.

Die Mutter der Mädchen sah den Alben an. »Das ist Amia, die Zweitgeborene«, flüsterte sie und Myrkvi blickte auf. Das hier war gar nicht seine Braut? Verlegen gab er das kleine Mädchen an den Vater und nahm das andere Mädchen aus den Armen der Hebamme. Behutsam hielt er sie und sah sie sich genau an.

»Wie wunderschön sie ist!«, stellte er leise fest und strich vorsichtig mit dem Zeigefinger über den feuerroten Flaum auf ihrem Kopf. Als sein Finger ihre Wange streifte, griff die Kleine sofort danach und ließ ihn nicht wieder los. Der Dunkelalb lachte. Im Gegensatz zu ihrer Schwester war seine Braut neugieriger und sah sich mit großen Augen um anstatt erst einmal zu schlafen.

»Ihr Name ist Lyra«, flüsterte die Mutter müde und Myrkvi sah auf, um zu nicken. Der Vater der beiden Mädchen setzte sich zu ihr an die Bettkante und gab ihr die Jüngere. Die Mutter nahm sie und wiegte ihre kleine Tochter sanft.

Myrkvi trat nun ebenfalls an das Bett heran und gab ihr auch Lyra.

»Ich werde wieder kommen, wenn sie herangewachsen und bereit ist meine Frau zu werden. Dann werde ich sie in meine Welt bringen. Dort soll sie dann als Königin an meiner Seite regieren. Doch bis es so weit ist ... « Myrkvi pfiff einmal kurz und schon erschien ein Kater in der Tür. Sein Fell war tiefschwarz, mit weißen Pfötchen und einem weißen Lätzchen, dazu ein kleiner weißer Fleck auf der Nase.

»Das ist Armas, er wird meine zukünftige Braut beschützen und ihr stets ein treuer Begleiter sein. Er stammt von den Katzen ab, die Freyas Wagen zogen«, erklärte er.

Der Kater gähnte ausgiebig, tapste dann auf das Bett zu, sprang hinauf und rollte sich träge am Bettende zusammen. Amüsiert schüttelte Myrkvi den Kopf. Anschließend beugte er sich vor und strich seiner Verlobten über den roten Flaum auf ihrem Köpfchen.

»Meine wunderschöne Lyra. Heute ist dein erstes Totenfest. Ich werde an deinem 17. Totenfest wiederkommen und dich zu meiner Frau und Königin machen. Bis dahin werde ich immer über dich wachen und dich beschützen. Ich werde stets an dich denken und alle Vorkehrungen treffen, damit du dich bei uns wohl fühlst«, sprach er ruhig, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sah sie nochmal liebevoll an. Dann schaute er zu ihrer Schwester.

»Auch über dich werde ich wachen, kleine Amia. Auch wenn du nicht meine Braut sein wirst, so wirst du immer in meinem Reich willkommen sein«, sprach er. Mit einem letzten Blick auf die beiden Mädchen und ihre Eltern wandte er sich schließlich ab und verschwand. Zurück in das Reich der Dunkelalben, wo er auf den Tag warten würde, an dem Lyra alt genug war seine Frau zu werden.

Kapitel 1 Totenfest

 

 

16 Jahre waren nun ins Land gezogen. Amia und Lyra waren zu zwei jungen Frauen herangewachsen, jede mit ihren ganz eigenen Fähigkeiten und Vorzügen und dank der Gabe des Dunkelalbenkönigs besaßen auch beide besondere magische Fähigkeiten, von denen sie jedoch nicht ahnten, woher sie kamen.

Während Lyra das Element Feuer beherrschte und ihre Persönlichkeit auch entsprechend temperamentvoll war, so kontrollierte Amia das Element Erde und war Lyras ruhiger Gegenpol. Oft träumte Lyra davon, eines Tages in die Welt hinaus zu ziehen und Abenteuer zu erleben. Sie wollte alles erkunden und neue Länder kennenlernen. Amia hingegen träumte von der großen Liebe und einer eigenen Familie. Sie war gerne Zuhause, kümmerte sich um das Essen und den Haushalt, wenn Lyra mal wieder durch den Wald streifte und das Jagen übte.

Seit ihrem 13. Lebensjahr lebten sie alleine, denn an jenem schicksalhaften Herbstmorgen kehrten ihre Eltern nicht mehr aus dem Dorf zurück. Später fanden die Dorfbewohner die Leichname leblos im Fluss treiben.

Doch die Mädchen lernten, alleine zurechtzukommen und lebten gemeinsam in ihrer Hütte auf einer zweigeteilten Lichtung mitten in einem Wald aus Kiefern, Fichten und Birken. Betrat man die erste Lichtung, so sah man dort auf einer Rasenfläche einen kleinen Stall, welchen fünf Hühner und ein Hahn bewohnten. Direkt gegenüber wuchsen zwei prächtige Apfelbäume, sowie ein wunderschöner Beerenstrauch. Ihre Mutter hatte ihnen früher immer erzählt, dass sie in einem magischen Bereich lebten, in dem alles fruchtbar und gut vor Feinden geschützt war. Außerdem verhalf die Magie von Amia den Pflanzen zu vielen Früchten und reicher Ernte. So mussten sie niemals Hunger leiden.

Schritt man nun durch zwei Birken hindurch, die direkt zwischen Hühnerstall und Apfelbäumen gegenüber des Eingangs zur ersten Lichtung standen, so fand man sich auf der zweiten Lichtung wieder. Hier stand nun die Hütte aus Lehm und Holz, die von den Mädchen bewohnt wurde. Sie hatte eine dreieckige Form und das Dach war mit Stroh bedeckt. Etwa in der Mitte des Daches konnten sie ein kleines Stück hochklappen, sodass sie ein Fenster zum Hinaussehen hatten. Vor der Hütte stand ein prächtiges Beet mit Gemüse und auf dem Dach hatten sich Vögel eingenistet. Umringt waren die Lichtungen von Fichten, sodass Fremde sie nur schwer finden konnten.

Heute war ein schöner Herbsttag. Die letzten Sonnenstrahlen suchten sich ihren Weg durch die Bäume, während Amia im Gemüsebeet saß, Unkraut zupfte und einige Kürbisse für das heutige Totenfest erntete. Bei ihr war der Kater Armas. Wie immer eigentlich. Ihre Eltern hatten ihnen erzählt, dass der Kater Lyra gehören sollte und ein Geschenk von einem ganz besonderen Freund zu ihrer Geburt gewesen war. Doch der Kater war eher selten bei Lyra, viel mehr war er bei Amia und ließ sich von ihr streicheln und kraulen. Doch wenn Gefahr drohte - meist in Form eines gefährlichen Kaninchens, das sich auf die Lichtung verirrt hatte -, dann beschützte er beide Mädchen.

Leider würden sie auch heute wieder das Totenfest allein feiern müssen. Früher waren wenigstens noch ihre Eltern dabei gewesen, aber nun?

Freunde und andere Familienmitglieder hatten sie keine. Natürlich lebten sie nicht vollkommen abgeschnitten von der Zivilisation, doch wurden sie von den Menschen im Dorf aus Angst gemieden. Hexenschwestern nannte man sie. Nur hin und wieder kam jemand heimlich aus dem Dorf, um Hilfe zu erbitten. Allerdings nur von Amia, denn sie konnte selbst tote Pflanzen wieder fruchtbar machen und reifen lassen. Außerdem beherrschte sie die Kräuterkunst, so fragte man sie auch oft nach Medizin und Arzneien, und Amia bekam im Gegenzug Brot oder Anderes, was sie und Lyra noch zum Leben brauchte. Lyra hingegen wurde nicht so oft um Hilfe gebeten, schließlich konnte man auch ohne sie ein Feuer entzünden. Allerdings war ihre Hilfe nach starkem Regen gern gesehen, wenn das Holz nass war und einfach nicht brennen wollte.

»Bist du etwa immer noch im Beet? Komm lieber rein und lass uns das Totenfest feiern!«

Amia blickte auf und sah ihre Schwester an, die sich aus der Tür lehnte und sie angrinste.

»Ich komme ja gleich!«, sagte Amia und legte den letzten Minikürbis in den Korb. In den vergangenen Tagen hatte sie schon alles vorbereitet; Äpfel und Kürbisse geerntet, Brot gebacken und Kerzen gezogen. Heute würden sie das Fest gemeinsam beginnen, der Totengöttin etwas opfern und gemeinsam in die Zukunft schauen, so wie sie es schon immer getan hatten. An diesem besonderen Tag schienen ihre Kräfte besonders stark zu sein. So konnten sie Kontakt zu ihren verstorbenen Eltern aufnehmen und Lyra bekam an diesem Tag immerzu besonders klare Visionen von der Zukunft.

»Warum bist du schon wieder so ungeduldig? Wir beginnen doch ohnehin erst, wenn die Dämmerung eintritt und wir die Kerzen entzünden?«, fragte Amia und Lyra grinste nur wieder, ehe sie die Kürbisse aus dem Korb nahm, um sie anschließend im Raum zu verteilen.

»Es ist einfach ein ganz besonderer Tag. Heute ist nicht nur das Totenfest, sondern auch der Tag unserer Geburt und ich finde, das sollte eben gefeiert werden!«, erwiderte Lyra, fing sich dabei jedoch direkt einen strengen Blick ihrer Schwester ein.

»Lyra! Wir gedenken der Toten, weisen ihnen den Weg und nehmen Kontakt zu ihnen auf, um ein wenig über unsere Zukunft zu erfahren. Der Winter kommt zu uns, die Zeit der Ruhe beginnt und es ist sicher kein Tag, der wild gefeiert werden sollte!«, wies sie ihre Schwester zurecht. Manchmal fragte sich Amia, ob sie wirklich Schwestern – Zwillinge – waren. So unähnlich wie sie beide oftmals waren. Aber immer hielten sie zusammen, nichts und niemand konnte sie beide trennen.

Amia zuckte zusammen, als sie draußen plötzlich ein Rascheln zwischen den Bäumen hörte.

»Was war das?«, fragte Lyra alarmiert und schaute aufmerksam aus der Dachluke. Auch Amia sah hinaus, konnte aber nichts erkennen, das Gehölz und die Büsche waren einfach zu dicht.

»Sicher nur eines der Hühner oder ein Eichhörnchen«, meinte sie, blickte aber dennoch weiter aus der Luke. Doch es war niemand zu sehen. Ein wenig schauderte es ihr bei dem Gedanken, dass sie beobachtet werden könnten oder dass vielleicht die Geister ihrer Ahnen schon gekommen waren. Auch Lyra war sich insgeheim nicht ganz sicher, ob es wirklich nur eines der Tiere war.

»Sicher nur der Wind«, sagte Lyra laut und wandte sich wieder der Dekoration des kleinen Bauernhauses zu. Überall stellte sie die Kerzen auf und ihre Augen leuchteten bereits vor Vorfreude. Amia hingegen blieb am Tisch sitzen und schnitt das leckere Kürbisbrot in Scheiben. Es würde sicher ein schönes Totenfest geben.

Sie konnte ihrer Schwester ansehen, dass sie viel lieber schon früher mit dem Fest beginnen wollte. Doch alles hatte seine Zeit und wenn Lyra eines lernen musste, dann war es Geduld. Diese Eigenschaft besaßen sie beide nicht im Überfluss, doch bei besonderen Anlässen und Festen konnte Amia sich besser zurückhalten.

»Na los! Wir brauchen noch mehr Kerzen und auch die Lichtung muss noch vorbereitet werden. Wir wollen unseren Ahnen und den anderen Geistern ihre Wege weisen und sie nicht in die Irre führen!« Streng sah sie ihre Schwester an und Lyra ergab sich ihrem Schicksal. Sie nahm sich die Kerzen und Früchte, die sie für die Vorbereitungen brauchte und ging damit in den Garten.

Amia schmunzelte nur, ehe sie dann Armas sah, der es sich gerade auf Lyras Bett gemütlich machte und mal wieder seine Krallen am Bettpfosten gewetzt hatte. Wenn Lyra das sah, würde sie bestimmt wieder schimpfen. Denn sie mochte es gar nicht, wenn der Kater ans Holz ging. Immerzu nur an ihrem Bett, niemals an dem Bett von Amia.

»Du weißt doch, dass du das nicht machen sollst! Du kannst deine Krallen draußen an den Bäumen wetzen, es sind schließlich genug da!«, ermahnte sie Armas halbherzig, der sie aber nur mit großen Augen ansah. Amüsiert setzte Amia sich auf die Bettkante und streichelte ihm über das weiche Fell. Sofort erhob sich der Kleine, tapste auf ihren Schoß und rollte sich dort schnurrend zusammen.

»Na na. Zeit zum Kuscheln habe ich jetzt leider nicht. Du weißt doch, heute haben wir das Totenfest, der Tag unserer Geburt und die Nacht, in welcher die Toten auf der Erde wandeln um zu ihren Liebsten zu kommen. Wir weisen ihnen dann den Weg und ebenso den Weg zurück«, erklärte sie dem Kater liebevoll. Sie hob ihn kurz hoch, gab ihm einen Kuss auf das fellige Näschen und legte ihn anschließend auf das Kissen in ihrem eigenen Bett, welches mit duftendem Heu und einigen Blüten gefüllt war.

Danach erhob sie sich und begann mit den restlichen Vorbereitungen für das Totenfest, es wurde langsam Zeit. Die Sonne stand schon recht tief und bald würde es dunkel werden. Bis dahin musste alles fertig sein.

Schweigend stellte sie weitere Kerzen an den Fenstern auf, schnitt das Brot fertig auf und stellte Äpfel bereit, die sie später gemeinsam essen würden. Dazu gab es süßen Wein, den Amia gestern auf dem Markt erstanden hatte. Günstig war er nicht gewesen, doch zu einem Fest gehörte Besseres als Wasser oder Milch.

Pünktlich zum Sonnenuntergang waren die Schwestern fertig. Amia konnte die freudige Erwartung in Lyras Augen sehen. Sie freute sich ebenfalls, obwohl es eigentlich alles andere als ein Freudentag war. Dennoch waren die Schwestern guter Laune, da sie in der heutigen Nacht ihren Eltern näher waren, als in allen anderen Nächten.

»Bereit?«, flüsterte Lyra aufgeregt und sah ihre Schwester mit funkelnden Augen an.

Amia nickte.

Für diesen Abend hatten sie sich besonders schick gemacht. Amia trug ein langes, dunkelgrünes Kleid und ihre braunen Haare hatte sie an den Seiten geflochten und hinten fielen sie offen über ihren Rücken bis in die Mitte ihres Rückens. Lyra hingegen trug ein Kleid, rot wie die Beeren im Herbst. Es passte ganz wunderbar zu ihrem flammendroten Haar, welches sie zunächst geflochten und dann hochgesteckt hatte.

Gemeinsam setzten sie sich an den runden Tisch, den sie für die Zeremonie in die Mitte des Raumes geschoben hatten. Sie saßen sich gegenüber und Amia sah, wie Lyra sich kurz konzentrierte und die große weiße Kerze auf dem Tisch entflammte. Anschließend reichten sich die Schwestern die Hände, hielten sich gut aneinander fest und schlossen die Augen.

Amia konnte diese außergewöhnliche Energie förmlich spüren, sie waren hier! Ihre Eltern waren bereits gekommen, um ihnen zu zeigen, dass sie über sie wachten. Ein Lächeln schlich sich auf Amias Lippen, als ein Windhauch durch ihre Haare fuhr. Ja, ihre Eltern waren hier und zeigten ihrer Tochter, dass sie sie liebten. Tränen schossen Amia in die Augen. Wie sehr sie ihre Eltern doch vermisste. Die Stimme ihrer Mutter, die sie und Lyra am Abend in den Schlaf sang, die raue Stimme des Vaters, wenn er sie nach Hause rief und anschließend mit freudigem Lachen begrüßte und in die Arme schloss.

Lyra hingegen nahm ihre Eltern ganz anders wahr. Für sie roch plötzlich alles nach Maiglöckchen – so hatte ihre Mutter immerzu gerochen. Außerdem vernahm sie ein Wispern, so wie an jedem Totenfest, seit ihre Eltern gestorben waren. Es klang wie das Wiegenlied, das ihre Mutter stets gesungen hatte und war ein Zeichen dafür, dass sie nun gleich eine Vision empfangen würde. Lyra legte ihre volle Konzentration in die leisen Stimmen und hörte mit jeder Sekunde deutlicher, was sie ihr mitteilen wollten.

Vor ihrem geistigen Auge tat sich plötzlich eine dunkle Landschaft auf. Alles war kahl und fühlte sich leblos an. Eine öde Wüste, tote Bäume, ein schwarzer Himmel. Ihr Unterbewusstsein flüsterte, dass dieses Land verflucht war. Hier konnte es kein fröhliches Leben geben, dieses Land war zur Dunkelheit verdammt. Sie spürte die Trauer, den Tod und die Hoffnungslosigkeit.

Amia hielt die Augen geschlossen und spürte, wie Lyra ihre Hände plötzlich viel fester hielt. Sie wusste, dass Lyra gerade einen Teil der Zukunft sah. Sie selbst hatte diese Gabe nicht und würde abwarten müssen, bis Lyra ihr erzählen konnte, was sie sah.

Schnell bemerkte Amia jedoch, dass etwas anders war als sonst. Die Temperatur sank rapide, ein eisiger Wind rauschte durch die Luke und Armas begann zu fauchen. Erschrocken öffnete sie die Augen und sah, dass alles dunkel war. Die Kerzen und auch das Feuer waren erloschen. Vor ihr saß Lyra und zitterte, ihre Hände waren blau vor Kälte und der Schweiß lief ihr über die Stirn.

»Lyra ...«, flüsterte Amia vorsichtig und versuchte, ihre Schwester aus der Trance zu befreien. Doch Lyra regte sich nicht, klammerte sich nur mit aller Kraft an ihre Schwester und folgte der Vision. Amia bekam es mit der Angst zu tun, konnte jedoch nichts weiter tun als zu warten.

Minuten später – es kam Amia vor wie Stunden – schnappte Lyra plötzlich nach Luft, kippte mit dem Stuhl zurück und landete unsanft auf dem Boden.

»Lyra! Was ist passiert, was hast du gesehen?«, fragte Amia ängstlich und um den Tisch herum, um ihr hoch zu helfen. Lyra zitterte unentwegt, also griff Amia schnell nach einer Decke und wickelte sie dort ein.

Lyra suchte die Nähe ihrer Schwester und versuchte zu begreifen, was sie da gesehen hatte. Tränen liefen ihr über die Wangen, denn sie hatte den unbeschreiblichen Schmerz des Landes gespürt, spürte ihn noch immer. Erst nach einer ganzen Weile ließ das Zittern ihres Körpers endlich nach.

»Nichts ...«, kam schließlich über ihre Lippen und Amia sah ihre Schwester fragend an. Sie war verwirrt, was Lyra wohl meinen mochte, gleichzeitig aber erleichtert, dass sie sich wieder ein wenig gefangen hatte.

»Was? Lyra, was hast du gesehen?«, fragte sie schließlich nochmal leise wispernd.

»Nichts. Da war nichts. Nichts außer Dunkelheit und Tod. Der Himmel war verhangen mit schwarzen Wolken, darunter ein lebloses Land. Es gab nur Trauer und Trübsinn. Keine Hoffnung mehr«, erzählte sie weiter, schluchzte auf und spürte, wie Amia sie an sich drückte.

Das klang ja schrecklich!

Was nur hatte ihre arme Schwester da sehen müssen?

»Es sah nicht aus wie unsere Welt. Ich kann dir nicht sagen, wo das war. Aber es war schrecklich. Eine öde Wüste. Tote Bäume. Keine Tiere, außer einigen Insekten, Geier und Schlangen«, fuhr sie fort.

»Du hast meine Welt gesehen. Und du irrst dich. Es gibt noch Hoffnung. DU bist unsere Hoffnung.«

Kapitel 2 Myrkvi taucht auf

 

 

Erschrocken und mit rasenden Herzen sahen die Schwestern auf. In der Tür stand ein Fremder, aufgrund der Dunkelheit konnten sie jedoch nur seine Umrisse erkennen.