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Betrüger-Schorschi lachte über alle, die geglaubt hatten, die Flupppuppe sei nur eine erfundene Comic-Figur. Von wegen Comic! Die Flupppuppe war echt! So echt wie der Ballonkorb, in dem er saß! Er hatte Suppe gekocht, und die Puppe war ihm zugeflogen! Die Flupppuppe war bei ihm, hier und jetzt, und gemeinsam würden sie reich und berühmt werden! Ein fantastischer Roman über Vertrauen und Verantwortung, Betrug und Verrat, vor allem aber über menschliche Sehnsüchte. Betrüger-Schorschi macht sich mit der Flupppuppe ins Blaue Gebirge auf, um dort reich und berühmt zu werden. Doch sie stürzen über dem Gebirge ab und befinden sich plötzlich in einer fantastischen Comicwelt. Als sich Betrüger-Schorschi mit List und Tücke in die Belange der Bevölkerung einmischt, um sich zu bereichern, löst er eine furchtbare Katastrophe aus, die alle Comicfiguren zu vernichten droht ... Ob Betrüger-Schorschi die Suppe, die er eingebrockt hat, wieder auslöffelt oder lieber verschwindet, weiß nur die Flupppuppe!
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Seitenzahl: 400
Veröffentlichungsjahr: 2011
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Flupp!
Abenteuer mit der Flupppuppe
von Annette Kautt
Betrüger-Schorschi lachte über alle, die geglaubt hatten, die Flupppuppe sei nur eine erfundene Comic-Figur. Von wegen Comic! Die Flupppuppe war echt! So echt wie der Ballonkorb, in dem er saß! Er hatte Suppe gekocht und die Puppe war ihm zugeflogen! Die Flupppuppe war bei ihm, hier und jetzt. Gemeinsam würden sie ins Blaue Gebirge fliegen und dort reich und berühmt werden!
Copyright 2011 Annette Kautt published at epubli GmbH, Berlin www.epubli.de ISBN 978-3-8442-0358-5
Mehr zu Betrüger-Schorschi und der Flupppuppe gibt’s in dem Roman Anna Pop in der Elefantenhaut und dem Comic Abenteuer mit der Flupppuppe unter
„Endlich frei“, lachte Betrüger-Schorschi und sah auf die immer kleiner werdenden Häuser unter sich.
Die flugfähigen Plastik-Beine der Flupppuppe wurden prall und zogen den Korb, in dem er saß, noch ein Stückchen höher.
„Habe ich das nicht toll gemacht, Flupppuppe? Die ganze alberne Gesellschaft mit dir zu überraschen? Keiner davon hat an dich geglaubt. Nur ich wusste, dass es dich wirklich gibt! Es musste dich einfach geben. Denn wäre ich sonst entkommen?
Unvorstellbar, als Arzt noch länger bei der Familie Pop fest zu sitzen und meine Zeit mit dem Heilen einer absurden Krankheit zu verplempern! Seite an Seite dieses grässlichen Angeber-Luzis.
Aber jetzt, Flupppuppe, jetzt werden wir miteinander die Welt erobern! Wir werden Länder entdecken, die noch keiner gesehen hat, und Taten vollbringen, die die Naturgesetze widerlegen.
Wir werden reich und berühmt! Noch in tausend Jahren wird man sich an uns erinnern!“
Betrüger-Schorschi stieß ein freudiges Triumphgeheul aus.
‚Wenn ich mich beeile’, dachte er, ‚komme ich noch vor Nachteinbruch bei Tante Pim an. Wenn ich nett zu ihr bin, hat sie sicher nichts dagegen, dass ich meinen Ballonkorb in ihrem Garten abstelle. Und wenn ich sehr nett bin, gibt sie mir morgen sogar eine große Tüte Proviant mit. Wer weiß, wann ich das nächste Mal wieder etwas zu essen bekomme?! Im Blauen Gebirge wahrscheinlich nicht. Denn wenn es stimmt, was man sich darüber erzählt, sind die Menschen im Blauen Gebirge alles andere als gastfreundlich. Da landet man schnell in einem Kochtopf oder fällt wie durch Zufall in eine Felsspalte.
Aber genau deshalb wollen wir ja dort hin, Flupppuppe! Denn berühmt wird man nicht durch Zusammensitzen bei Keksen und Tee, sondern durch das Bezwingen von Gefahren!’
Glücklich und überaus zufrieden mit sich selbst schaute Betrüger-Schorschi auf die Welt hinab. Er sah klein parzellierte Äcker und Wiesen, Obstbaumplantagen, Häuser und Straßen, die sich durch die Landschaft fraßen.
Als er die beiden Kühltürme von Benning entdeckte, wusste er, dass er sich weiter südlich halten musste. Er öffnete eine Klappe im Bein der Flupppuppe und ließ ein wenig Gas ab. Die Puppenbeine sanken, bis er von einem Luftstrom, der Richtung Süden wehte, getragen wurde.
Betrüger-Schorschi pfiff das Lied der Flupppuppe. Die Puppe sang es immer, wenn sie im Radio auf Sendung war. Sie hatte nämlich eine eigene Radio-Show!
Die Show war einmalig, obwohl sie eigentlich immer gleich ablief: Am Sonntag streckte die Flupppuppe ihre Plastik-Beine durch das Fenster eines Zuhörers, dann gab es Suppe und alles wurde wieder gut.
Das Lied der Flupppuppe hatte folgenden Text:
Ich bin die tolle Puppe, nur mit mir gibt’s Suppe. Bist du mal alleine, dann rufe meine Beine: Meine zarten, schlanken prallen Hinterpranken Zick zack zong ohne Gong!
Ich bin die tolle Puppe Nur mit mir gibt’s Suppe. Ich helfe immer allen, den Menschen und den Quallen. Doch wenn du meine Beine stichst, dann helfe ich dir nicht. Denn ohne Beine, bin ich keine.
Ich bin die tolle Puppe Nur mit mir gibt’s Suppe. Bist du in großer Not, ich bring’ es dir ins Lot: Mit meinen zarten, schlanken flugsichren Hinterpranken Zick zack zong ohne Gong!
Betrüger-Schorschi durchströmte ein unglaubliches Glücksgefühl. Eigentlich war es unfassbar, dass er hier und jetzt mit der Flupppuppe Richtung Süden fahren durfte! Es war unvorstellbar, dass die Puppe mit dem fremden Herzen ihn unter Tausenden von Zuhörern auserwählt hatte, ihm zu helfen!
Andererseits, so dachte Betrüger-Schorschi, andererseits war es auch mehr als verständlich, dass die zauberhafte Puppe gerade ihm zugeflogen war. Denn hatte er ihr nicht eine unglaublich gute Suppe gekocht? Hatte er nicht eine Suppe geschaffen, die alle bisherigen Geschmackserlebnisse sprengte und auf der Zunge eine unerträgliche Sehnsucht nach mehr Suppe hinterließ? Und war es unter diesen Umständen nicht beinahe zwingend, dass die Puppe zu ihm gekommen war?
Betrüger-Schorschi lachte über alle, die geglaubt hatten, die Flupppuppe sei nur eine erfundene Figur.
„Die Flupppuppe ist doch nur die Heldin eines Comics!“ hatte Angeber-Luzi zu ihm gesagt.
„Warum kann man sie dann im Radio hören?“ hatte Betrüger-Schorschi geantwortet.
„Weil ihr eine Sprecherin ihre Stimme leiht!“
„Genau!“ hatte auch die vorwitzige Tochter der Pops gemeint: „Die Sendung ist nur eine Vertonung des Comics!“
Quatsch! Von wegen Vertonung eines Comics! Die Flupppuppe war echt! So echt wie der Ballonkorb, in dem er saß!
Und deshalb hatte er auch Recht behalten! Er hatte Suppe gekocht und die Puppe war ihm zugeflogen!
Dass sie aus nichts weiter als zwei aufgeblähten Plastikbeinen bestand, hatte ihn anfangs zwar etwas verwundert, aber eigentlich spielte das keine Rolle. Die Puppe war bei ihm, hier und jetzt, und gemeinsam würden sie reich und berühmt werden!
„Es regnet nicht, und wir haben Nordwind!“ lachte Betrüger-Schorschi. „Wir müssen also nichts anderes machen, als abzuwarten, bis uns der Wind direkt in Tante Pims Garten bläst!“
Pfeifend setzte er sich auf den Korbboden und packte sein Vesper aus. Es war ein exquisites Vesper, denn er war nicht nur ein vorzüglicher Arzt, sondern auch ein erfinderischer Koch. Und so hatte er sich trotz der Eile vorhin noch ein Fischkompott und gefüllte Maronen zubereitet.
Nach dem Essen rülpste er ausgiebig und streckte sich auf dem Boden aus. Über ihm schwangen die aufgeblähten Puppenbeine auf und ab, auf und ab und auf und ab ...
Er sah noch, wie ein paar Vögel den blauen Himmel durchschnitten, dann war er eingeschlafen.
Im Traum befand er sich mit der Flupppuppe hoch über dem Blauen Gebirge. Ein Adler flog über ihnen und ließ ein riesiges goldenes Ei in den Korb fallen. Der Korb verformte sich zum Thron. Auf seinem Kopf war ein Häuptlingsschmuck und ein kleiner Mensch krümmte sich vor ihm auf der Erde. Doch die Flupppuppe riss ihn vom Thron weg, flog mit ihm übers Meer und auf einen großen Fels zu. Auf dem Fels war ein Nest, in dem wieder der Adler saß. Der Adler schraubte seinen Hals wie ein Teleskop auf sie zu. Seine Augen funkelten gefährlich und seine Federn spreizten sich senkrecht. Gerade wollte er mit seinem Schnabel die Beine der Flupppuppe zerhacken, da bekam der Korb einen kräftigen Stoß, etwas plumpste auf seinen Boden und Betrüger-Schorschi fuhr erschrocken in die Höhe.
Was war das?!
Traum oder Wirklichkeit?
Neben ihm lag ein schwerer Eisenhaken, der an einem Seil befestigt war und sich offensichtlich in den Korbboden gebohrt hatte!
Betrüger-Schorschi kniff sich in den Arm und spürte einen Schmerz. Ohne Zweifel: Er war wach.
Aber was sollte dann der Haken neben ihm? War er gekapert worden? Aber falls ja, von wem?
Es gab einen weiteren Ruck, und Betrüger-Schorschi bemerkte, dass der Ballon nach unten gezogen wurde!
Er fröstelte. Hatten ihn womöglich jetzt schon die gefährlichen Bergbewohner am Haken?
Mit mulmigem Gefühl und zittrigen Knien stand er auf und spähte vorsichtig über den Korbrand.
Glück gehabt!
Offensichtlich war er doch noch nicht im Blauen Gebirge! Denn die winzig kleine Person, die etwa fünfzig Meter unter ihm neben ihrem Haus stand und an dem Seil zog, war kein gefährlicher Bergbewohner, sondern niemand anders als Tante Pim!
Gute, hellsichtige Tante Pim!
Tante Pim war eine kleine, drahtige Person mittleren Alters und hatte immer wichtige Dinge am Laufen. Eine Aura des Besonderen und Einzigartigen umgab sie. Sicher hatte sie geahnt, dass ihr Neffe im Korb eingeschlafen war und deshalb verpasst hatte, die Puppenbeine rechtzeitig zum Sinken zu bringen! Und sicher hatte sie schon den ganzen Tag am Fenster gestanden und auf ihn gewartet!
Tante Pim hatte zwar nicht den siebten Sinn, aber immerhin treffsichere Ahnungen.
Jetzt manövrierte sie den Korb geschickt zwischen den Bäumen und Sträuchern hindurch auf die freie Rasenfläche vor dem Haus.
Als Betrüger-Schorschi sicher gelandet war, öffnete er endlich die Klappe in den Plastikbeinen. Zu viel Luft wollte er allerdings nicht entweichen lassen, denn, wie er wusste, legte die Puppe großen Wert auf ihre Beine.
Dann sprang er aus dem Ballonkorb und umarmte seine Tante. Sie roch nach Pfefferminz. Seit er zurück denken konnte, roch seine Tante nach Pfefferminz!
Tante Pim löste sich aus der Umarmung, zeigte auf die Puppenbeine und fragte Betrüger-Schorschi: „Na, mein lieber Junge, wen hast du denn da mitgebracht?“
‚Sag’ nicht Junge zu mir’, dachte Betrüger-Schorschi verärgert. Doch er wehrte sich nicht laut dagegen, denn er wollte seinen Schlafplatz und den Proviant nicht aufs Spiel setzen.
„Das ist die Flupppuppe!“ sagte er deshalb laut. „Darf ich euch vorstellen: Die Flupppuppe, Tante Pim. Tante Pim, die Flupppuppe.“
„Sie sieht nett aus“, stellte Tante Pim fest. „Ich kann allerdings nur ihre Beine sehen!“
„Mehr gibt es bei ihr auch nicht zu sehen“, knurrte Betrüger-Schorschi. „Die Flupppuppe kommt jeden Sonntag und streckt ihre Beine durchs Fenster. Dann gibt es Suppe und alles ist gut.“
„Aha!“ sagte Tante Pim und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Deshalb habe ich heute Abend also Suppe gekocht! Ich hatte mich schon gewundert. Hoffentlich stimmt, was du sagst! Erst heute habe ich einen Brief vom jungen Hubel bekommen. Aber leider nicht mit guten, sondern mit sehr schlechten Neuigkeiten.“
„Was schreibt er denn?“ fragte Betrüger-Schorschi neugierig.
Er kannte den jungen Hubel nicht persönlich. Aber er wusste von Tante Pim, dass er eine wichtige Persönlichkeit war. Er wurde oft in den Zeitschriften, die seine Tante las, abgebildet. In Betrüger-Schorschis Augen sah er aber wie ein gelackter Affe aus.
„Fährt der Flupppuppen-Ballon gut?“ lenkte Tante Pim vom Thema ab.
„Sicher!“ antwortete Betrüger-Schorschi stolz. „Über 3000 Meter Höhe!“
„Das scheint mir ein bisschen viel zu sein“, meinte Tante Pim skeptisch.
„Du darfst nicht vergessen, dass das kein gewöhnlicher Ballon ist, sondern die Flupppuppe!“
„Glaubst du, sie könnte es bis ins Blaue Gebirge schaffen?“
„Sicher“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ich hatte sogar vor, mit ihr morgen zum Blauen Gebirge zu fliegen. - Aber was ist denn jetzt mit dem Brief vom jungen Hubel?“
„Das erzähle ich dir lieber in der Küche bei einem Löffel Suppe“, sagte Tante Pim. „Was sollen wir mit deiner Freundin so lange machen?“
“Wir öffnen das Küchenfenster, und lassen sie ihre Beine hindurch strecken“, sagte Betrüger-Schorschi. „Etwas anderes ist sie nicht gewöhnt.“
Als alle drei in der Küche waren und genüsslich ihre Suppe schlürften, kam Tante Pim wieder auf den jungen Hubel zu sprechen:
„Also, Junge. Eigentlich geht es dich natürlich nichts an, was mir der junge Hubel schreibt. Aber ich hoffe, dass die Sache unter uns bleibt?!“
„Klar“, antwortete Betrüger-Schorschi und sah seine Tante betont treuherzig an. Insgeheim hoffte er allerdings, dass er aus dem Brief irgendeinen Nutzen schlagen konnte. „Du kannst mir das Geheimnis des jungen Hubel ohne Sorge anvertrauen“, sagte er mit einschmeichelnder Stimme. „Ich werde schweigen wie ein Grab!“
„Der junge Hubel steckt in Schwierigkeiten!“ sagte Tante Pim.
Betrüger-Schorschi nickte ernst, aber eigentlich war ihm eher zum Lachen zumute. Welches großartige Problem konnte der junge Hubel, das geschniegelte Vorzeigesöhnchen seiner Region, schon haben? Hatte er vielleicht Haarfresser oder kaute er heimlich an den Nägeln?
Tante Pim sah Betrüger-Schorschi fest in die Augen und sagte: „Junge, dir wird das Lachen schon noch vergehen. Wenn ich nicht glauben würde, dass du und die Flupppuppe dem jungen Hubel helfen könnt, würde ich dich einfach weiterhin einen Kindskopf sein lassen ...“
Betrüger-Schorschi hasste es, wenn seine Tante so zu ihm sprach! Sie nahm ihn offensichtlich nicht ernst! Ihn, Betrüger-Schorschi, Spezialist unwahrscheinlicher Krankheiten, Koch nie da gewesener Speisen und Weltentdecker unverhoffter Gegenden! Er würde seiner Tante schon noch zeigen, was aus ihrem Neffen inzwischen geworden war! Er richtete sich hoch über seinem Suppenteller auf und schaute seiner Tante herausfordernd in die Augen.
„Na endlich!“ seufzte Tante Pim. Sie wusste nur zu gut, dass Betrüger-Schorschi oft etwas anders behauptete als er dachte. In ihren Augen war ihr Neffe einfach nur ein kleiner, hochstaplerischer Betrüger. Aber immerhin war jetzt sein Ehrgeiz geweckt. Deshalb sagte sie: „Gut, dann höre zu, was der junge Hubel schreibt:
Liebe Tante Pim,
gleich zu Beginn: Es ist noch nicht zu spät. Als ich heute im Restaurant ‚Zwick mich’ saß, kam das große Huhn und blähte sich gewaltig auf und rupfte mir ein paar Haare vom Kopf. Sie sehen jetzt wirklich zerfressen aus. Auch meine Nägel werden immer abgenagter, ich kann mich bald nicht mehr in der Öffentlichkeit sehen lassen. Was das bedeutet, liebe Tante, weißt du nur zu gut. Deshalb bitte ich dich, nein, ich flehe dich an, sende mir sofort einen Luftboten ins Blaue Gebirge in die Stadt der Kinder. Dort bin ich noch relativ sicher. Ich werde bis dahin überlegen, welche weiteren Schritte eingeleitet werden müssen. Wie geht es dem alten Hubel? Sag ihm, dass ich ihn vermisse und richte auch Luisa Schönkopf einen Gruß von mir aus!
Ich grüße dich herzlich,
dein junger Hubel“
„Wer ist Luisa Schönkopf?“ fragte Betrüger-Schorschi.
„Luisa Schönkopf?!“ sagte Tante Pim, „Warum interessierst du dich ausgerechnet für sie? Luisa Schönkopf spielt in der Sache keine Rolle.“
„Immerhin lässt der junge Hubel sie schön grüßen.“
„Pah, Luisa“, machte seine Tante, „Ich habe noch nie etwas von ihr gehört. Wahrscheinlich hat der junge Hubel den Namen nur erfunden, um von den eigentlich wichtigen Dingen abzulenken.“
„Und was sind die eigentlich wichtigen Dinge?“ fragte Betrüger-Schorschi. „Die abgenagten Fingernägel?“
„Keine Ahnung“, platzte Tante Pim unerwartet heraus. „Ich weiß wirklich nicht, was mit dem jungen Hubel los ist. Aber seine Nachrichten, die er mir aus dem Blauen Gebirge schickt, werden immer rätselhafter und wirrer! Und das, obwohl der junge Hubel eine so seriöse Person ist!“
Tante Pim sah Betrüger-Schorschi besorgt an.
„Vielleicht hat er tatsächlich nur ein Problem mit zerrupften Haaren oder abgenagten Fingernägeln“, fuhr sie fort. „Aber vielleicht ist er auch das Opfer eines schlimmen Verbrechens und seine Briefe sind verschlüsselte Hilferufe!“
„Wie das?“ horchte Betrüger-Schorschi auf.
„Hast du noch nie etwas vom Blauen Gebirge gehört?“ fragte Tante Pim. „Dort drohen einem viele Gefahren!“
Betrüger-Schorschi nickte und dachte an die merkwürdigen Geschichten, die er darüber gehört hatte.
„Und warum ist der junge Hubel dann dort hingegangen?
„Weil er ein tapferer junger Mann ist!“ sagte Tante Pim überzeugt. „Vielleicht wollte er Luisa Schönkopf imponieren! Bisher sind nur sehr wenige aus dem Blauen Gebirge wieder gekommen.“
„Also ist Luisa doch keine Erfindung!“
Tante Pim machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte:
„Das ist doch nur die offizielle Version.“
Sie schlug sich erschrocken mit der Handfläche auf den Mund. Offensichtlich hatte sie sich verplappert.
„Und die inoffizielle?“ fragte Betrüger-Schorschi neugierig.
„Inoffiziell ist der junge Hubel in geheimer Mission unterwegs“, sagte Tante Pim gedehnt. „Natürlich darfst du das gar nicht wissen. Und natürlich darfst du das auch niemandem verraten!“
„Natürlich“, sagte Betrüger-Schorschi und setzte sein Ich-bin-ein-spitzenmäßiger-Geheimnishüter-Gesicht auf. „In welcher Mission ist der junge Hubel denn unterwegs?“
„Ich weiß es nicht genau“, sagte Tante Pim. „Ich weiß auch nur das, was der junge Hubel mir in seinen Briefen schreibt. Aber anscheinend soll er herausbekommen, warum fast niemand aus dem Blauen Gebirge zurück kommt.“
„Warum ist das denn wichtig?“ fragte Betrüger-Schorschi überrascht. „Es wird doch niemand gezwungen, dort hin zu gehen.“
Tante Pim beugte sich zu Betrüger-Schorschi vor und flüsterte ihm ins Ohr: „Man nimmt an, dass im Blauen Gebirge riesige Diamanten- und Edelsteinvorkommen sind! Das will man sich hier natürlich nicht entgehen lassen.“
Betrüger-Schorschi pfiff durch die Zähne.
„Du kannst dir sicher vorstellen, dass derjenige, der einen ungefährlichen Zugang zwischen hier und dem Blauen Gebirge schafft, mit Ruhm und Ehre überschüttet wird!“ fuhr Tante Pim fort. „Ich bin deshalb unheimlich stolz auf den jungen Hubel. Und erst sein Vater, der alte Hubel! Aber leider ist die Mission unwahrscheinlich gefährlich! Ich mache mir schreckliche Sorgen um ihn!“
Betrüger-Schorschi starrte Tante Pim an. Der junge Hubel interessierte ihn kein Bisschen. Und es war ihm egal, wenn seine Nägel bis zum Fleisch abgefressen oder er zehnmal in eine Felsspalte gestoßen werden würde, aber – war diese Mission nicht eine einmalige Gelegenheit für ihn selbst?
Die Entdeckung des Blauen Gebirges war genau das, was er brauchte, um reich und berühmt zu werden! Er hatte sich also intuitiv richtig entschieden, als er sein Glück im Blauen Gebirge suchen wollte. Im Geist sah er sich schon mit mehreren Säcken voller Edelsteinen auf einem roten Teppich zum Präsidenten eilen. Die Masse hinter der Absperrung jubelte ihm zu. Und mit dem Wissen, sich selbst einige Säcke davon abgezweigt zu haben, würde er diese Ehrbezeugung ohne Abstriche genießen können.
„Der junge Hubel ist auf jeden Fall die am besten geeignete Person für diese Mission!“ riss ihn Tante Pim aus seinen Träumereien.
„Warum denn der junge Hubel?“ fragte Betrüger-Schorschi irritiert. Hatte er gerade nicht sich selbst auf dem roten Teppich gesehen?
„Weil niemand sonst so gewandt, klug und unschlagbar wie er ist!“ sagte Tante Pim. „Deshalb ist der Gedanke auch unerträglich, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte! Aber jetzt bin ich froh, dass du morgen mit deiner Puppe ins Gebirge fliegst und dort die Lage sondierst!“
„Halt, halt!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Wer sagt denn, dass ich dem jungen Hubel helfen möchte? Ich habe ganz andere Pläne!“
„Aber du hast deinen Ballonkorb und die Flupppuppe!“ sagte Tante Pim. „Und hast du vorher nicht gesagt, dass du sowieso ins Blaue Gebirge fliegen willst?! Dann kannst du mir doch wirklich den Gefallen tun und einen kleinen Abstecher in die Stadt der Kinder zum jungen Hubel machen!“
„Ach, um mich sorgst du dich gar nicht“, sagte Betrüger-Schorschi. „Aber um den jungen Hubel!“
„Ich ahne Schlimmes für den jungen Hubel!“ sagte Tante Pim. „Aber was dich angeht, ahne ich nichts“
„Für mich empfindest du nichts!“ interpretierte Betrüger-Schorschi Tante Pims Worte. „Und trotzdem soll ich deinen Held retten? Wer bin ich denn? Ein Babysitter? Ich habe keine Zeit für aufgeblähte Hühner und abgenagte Fingernägel! Ich muss selbst reich und berühmt werden.“
„Und ich habe keine Zeit für Leute wie dich, die nur herkommen, um ihren Ballon abzustellen und Proviant einzuheimsen“, sagte Tante Pim wütend. „Pack deine Flupppuppe und verschwinde!“
Betrüger-Schorschi rührte sich nicht vom Fleck. Draußen war es schon dunkel. Bei Nacht konnte er unmöglich mit der Flupppuppe weiter fliegen. Er musste für diese eine Nacht bei Tante Pim bleiben.
„Liebe Tante Pim“, sagte er deshalb mit einschmeichelnder Stimme. „So war es doch nicht gemeint! Natürlich fahre ich zur Stadt der Kinder und sehe nach, ob ich den jungen Hubel retten kann. Aber versprechen kann ich es nicht!“
„Schön“, sagte die Tante und tat so, als ob sie die plötzliche Stimmungsschwankung ihres Neffen nicht bemerkt hätte. „Es wird auch wirklich höchste Zeit. Wer weiß, wer das große Huhn wirklich ist. Und wer weiß, was die abgenagten Fingernägel wirklich zu bedeuten haben.“
Während Tante Pim redete, kam Betrüger-Schorschi plötzlich ein glänzender Gedanke: Er würde den jungen Hubel tatsächlich im Blauen Gebirge suchen gehen. Aber sicher nicht, um ihm zu helfen, sondern ganz im Gegenteil, um ihn zu verstecken! Er selbst würde die Mission des jungen Hubels zu Ende bringen und seine eigenen Taschen mit den Diamanten des Blauen Gebirges füllen!
„Also gut!“ sagte Betrüger-Schorschi mit falscher Ergebenheit. „Ich werde den jungen Hubel finden und ihn in seiner abenteuerlichen Mission unterstützen!“
„Endlich begreifst du, dass die Sache auch dich etwas angeht“, sagte Tante Pim zufrieden. „Und wenn du deine Sache gut machst, wirst du sicher auch ein bisschen berühmt. Das willst du doch, oder?“
Betrüger-Schorschi nickte wie Tantes lieber Junge.
„Dann ist ja alles geklärt“, sagte Tante Pim lächelnd und stand auf.
Seltsamerweise ließ sie sich dieses Mal von Betrüger-Schorschis Falschheit täuschen und ahnte nicht seine wirklichen Absichten. Vielleicht war sie in Gedanken zu sehr mit dem Wohl des jungen Hubels beschäftigt, um das listige Funkeln in Betrüger-Schorschis Augen zu bemerken?
„Ich mache dir jetzt dein Bett zurecht“, sagte Tante Pim fürsorglich. „Für deine Reise musst du gut ausgeruht sein.“
Während sie in der Küche eine Pritsche aufstellte und ein paar Decken brachte, schaute Betrüger-Schorschi neben den Flupppuppenbeinen grinsend zum Fenster hinaus.
Außer der Flupppuppe war er niemandem gegenüber Rechenschaft schuldig. Und die Flupppuppe hatte sicher nichts gegen ein kleines Versteckspiel mit dem jungen Hubel. Er war frei und konnte tun und lassen, was er wollte. Vor diesem Hintergrund war es sicher nur eine Frage der Zeit, bis er im Blauen Gebirge alle wichtigen Fäden in der Hand hielt und reich und berühmt sein würde!
Als Tante Pim ihm „Gute Nacht“ gewünscht und in ihr Zimmer gegangen war, streckte er sich wohlig auf seiner Pritsche aus und sang das Flupppuppenlied. „Bist du in großer Not / ich bring’ es dir ins Lot“.
Ja, lieber junger Hubel. Die Flupppuppe und ich, wir bringen es dir ins Lot!
Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und betrachtete die Beine, die sanft auf und ab schaukelten. Auf und ab und auf und ab.
Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.
Als Tante Pim am anderen Morgen in die Küche kam, lag Betrüger-Schorschi noch schlafend auf seiner Pritsche.
„Man könnte ihn beinahe für ein Kind halten“, dachte Tante Pim. „Wahrscheinlich ist es falsch, ihn diese gefährliche Reise machen zu lassen! Auch wenn er ein Betrüger ist, so ist er immerhin mein Neffe!“
Sie beugte sich zu ihm hinunter und fuhr ihm mit der Hand durchs Haar.
Betrüger-Schorschi fuhr erschrocken hoch.
„Was machst du da?“ fragte er.
„Nichts“, sagte Tante Pim. „Ich habe mir nur überlegt, ob es nicht zu gefährlich ist, dich ins Blaue Gebirge fahren zu lassen.“
Betrüger-Schorschi schnappte nach Luft.
„Ich wäre auch ohne den jungen Hubel ins Blaue Gebirge gefahren“, meckerte er. „Je gefährlicher umso besser.“
„Ich weiß, ich weiß“, antwortete Tante Pim. „Du willst reich und berühmt werden. Aber vor allem musst du dem jungen Hubel helfen!“
Sie stellte Wasser auf den Herd und deckte den Tisch. Dann ging sie in den Garten und pflückte einen kleinen Strauß Pfefferminze. Der Korb stand noch wie gestern im Garten. Die Beine der Flupppuppe blähten und senkten sich über dem Korb.
War die Flupppuppe wirklich das geeignete Flugmittel, um in das Blaue Gebirge zu kommen?
Tante Pim hatte da ihre Zweifel. Doch sie hatte keine andere Wahl: Der junge Hubel brauchte dringend ein Flugfahrzeug! Und außer Betrüger-Schorschis Flupppuppen-Korb konnte sie auf die Schnelle keines auftreiben. Sie zuckte mit den Achseln und ging wieder in die Küche zurück. Dort warf sie die Pfefferminzblätter in die Teekanne und goss heißes Wasser darüber. Für Betrüger-Schorschi machte sie Kaffee. Er konnte Pfefferminz-Tee nicht ausstehen.
Als Betrüger-Schorschi endlich angezogen am Tisch saß, fragte Tante Pim: „Du weißt also, was auf dich zukommt?“
„Klar!“ antwortete Betrüger-Schorschi mit vollem Mund. „Ich fliege mit der Flupppuppe ins Blaue Gebirge in die Stadt der Kinder. Dort finde ich den jungen Hubel und biete ihm großzügig meine Hilfe an.“
„Wie du weißt, ist das Blaue Gebirge eine Wind- und Wetterscheide“, sagte Tante Pim. „Wenn du Pech hast, dreht der Wind permanent und du fliegst auf der Stelle. Oder du kommst in einen der heftigen Stürme, für die das Blaue Gebirge so berüchtigt sind. Und selbst wenn du mit dem Wetter Glück hast, musst du noch lange nicht die Stadt der Kinder finden. Soweit ich vom jungen Hubel weiß, liegt sie versteckt hinter einem riesigen Felsvorsprung.“
„So versteckt, dass ich sie nicht finde, liegt sie sicher nicht“, sagte Betrüger-Schorschi und schluckte den letzten Bissen hinunter.
„Soweit ich vom jungen Hubel weiß, gehen in die Stadt der Kinder gewöhnlich keine anderen Leute. Die Kinder bleiben lieber für sich.“
„Und warum?“
„Um sich zu schützen selbstverständlich!“ sagt Tante Pim. „Soweit ich vom jungen Hubel weiß, haben sich die Kinder in diese Stadt zurückgezogen, weil sie eine ausgegrenzte Minderheit sind. Dort leben Menschen, die nicht erwachsen werden.“
„Du meinst, das sind keine Kinder, sondern alberne Erwachsene? Verkrüppelte Oskar Mazeraths, Hugos in den besten Jahren und verzauberte Pippi Langstrumpfs?“ Betrüger-Schorschi stieß ein keckerndes Lachen aus.
„Soweit ich vom jungen Hubel weiß“, sagte Tante Pim unbeeindruckt, „sind es ganz gewöhnliche Kinder, die aus unerfindlichen Gründen nicht erwachsen werden!“
„So etwas gibt’s doch gar nicht!“ rief Betrüger Schorschi aufgebracht. „Und wenn du noch weiter von diesem jungen Hubel redest, werde ich nicht in die Stadt der Kinder fahren, sondern mein Glück alleine versuchen! Der junge Hubel ist mir nämlich schon jetzt so unsympathisch, dass ich wirklich keinen Wert darauf lege, ihn näher kennen zu lernen.“
„Ist ja schon gut“, sagte Tante Pim beschwichtigend. „Ich hole jetzt eine Landkarte und erkläre dir die ungefähre Lage der Stadt.“
Sie kramte in einer Küchenschublade und zog eine Landkarte hervor. Dann breitete sie die Karte auf dem Küchentisch aus und tippte mit dem Finger auf einen Gebirgszug.
„Hier fliegst du zu den Alpen. Wenn du die Zugspitze direkt vor dir hast, musst du dich rechts halten. Nach ungefähr hundert Kilometern fliegst du dann auf einen Gebirgskamm zu, der blau schimmert. Das ist das Blaue Gebirge. Die Stadt der Kinder liegt am südöstlichen Zipfel des Gebirges, hier.“
„Aha“, sagt Betrüger-Schorschi.
Er kramte in seiner Hosentasche und zog ein Karamelbonbon daraus hervor. „Möchtest du auch eins?“
Tante Pim schüttelte ungeduldig den Kopf.
„Dann ist ja alles klar“, sagte Betrüger-Schorschi und steckte sich das Bonbon in den Mund. „Am besten breche ich gleich auf.“
„Das ist eine gute Idee“, meinte auch Tante Pim und klappte die Landkarte zusammen. „Ich packe dir noch eine große Tasche mit Essen und Trinken ein. Das ist doch der eigentliche Grund, warum du bei mir vorbeigekommen bist?!“
“Wenn alles klappt, kann ich schon morgen früh da sein“, überlegte Betrüger-Schorschi.
„Ja, wenn ...“, meinte Tante Pim.
Sie ging in die Speisekammer und holte: zwei Gläser eingelegte Gurken, fünf Laibe Brot, ein Kilo geräucherten Schinken und einen ganzen Laib Käse, drei Pfund Butter, mehrere Gläser Marmelade und einige Dosen Fisch. Als Dessert sozusagen, legte sie noch zehn Tafeln Schokolade und einige Pakete Nussmischung darauf und packte dann alles in eine große Leinentasche. Außerdem stellte sie ihm zwei Kästen stilles Wasser dazu.
„Reicht das oder willst du noch mehr?“ fragte Tante Pim.
Betrüger-Schorschi glaubte kaum, dass er mit Brot, Marmelade und Dosenfisch eine anständige Mahlzeit würde kochen können. Aber durfte er mehr verlangen? Wohl kaum. Er schüttelte also brav den Kopf und nuschelte etwas, das sich wie „danke“ anhörte.
Er stand auf, nahm die Tasche und ging damit nach draußen zur Flupppuppe. Tante Pim kam mit den beiden Getränkekisten hinterher und stellte sie in den Ballonkorb.
Betrüger-Schorschi schaute skeptisch in den bewölkten Himmel: „Hoffentlich regnet es heute nicht.“
„Ich glaube nicht“, sagte Tante Pim. „Zumindest haben sie im Wetterbericht nichts davon gesagt. Und der Wind wird euch schnell Richtung Süden tragen.“
“Wenn er nicht dreht“, bemerkte Betrüger-Schorschi und kletterte in den Korb.
Er wünschte der Flupppuppe einen guten Morgen und fragte sie, ob alles in Ordnung wäre. Als die Puppe zufrieden mit den Beinen wackelte, reichte er seiner Tante zum Abschied die Hand: „Danke, Tante Pim. Mal sehen, ob ich deinen Auftrag erfüllen kann.“
„Ich habe dir zu danken, dass du diese gefährliche Reise machst“, erwiderte Tante Pim.
„Ich wäre auch so geflogen!“ meinte Betrüger-Schorschi. „Aus deinem kleinen Jungen ist ein selbstbewusster Mann geworden, der keine Angst mehr vor Gefahren hat.“
„Dann sieh zu, dass dem jungen Hubel nichts passiert!“ sagte Tante Pim und band das Seil los.
Betrüger-Schorschi öffnete die Klappe in der Flupppuppe und lies Gas in ihre Beine strömen. Die Beine wurden prall und der Korb löste sich langsam vom Boden.
Tante Pim gab dem Korb einen kräftigen Schubs, winkte Betrüger-Schorschi zum Abschied zu und verschwand dann im Haus.
Die Flupppuppe war einfach eine Wucht!
Sie zog ab wie eine Rakete und Tante Pims Haus unter ihnen war nur noch ein kleiner Punkt zwischen anderen.
Hier oben gab es nur ihn und die Flupppuppe. Hier oben war er frei!
Betrüger-Schorschi sog die Luft tief in seine Lungen ein und freute sich, dass er so lebendig war. Er winkte ein paar Bussarden, die neben ihm kreisten und streckte einem Flugzeug, das in einiger Entfernung an ihnen vorbeiflog, die Zunge raus.
„Euch werde ich es allen noch zeigen!“ rief er. „Ihr Angeber und Nichtsnutze! In Wirklichkeit kann es doch kein Flugzeug mit mir und der Flupppuppe aufnehmen! Euch schickt niemand als Sonderbotschafter ins Blaue Gebirge! Euch schickt man höchstens nach Mallorca oder auf die Malediven!“
Betrüger-Schorschi ballte die Faust in Richtung Flugzeug und lachte. Nach ein paar Sekunden war das Flugzeug aus seinem Blickfeld verschwunden.
Nachdenklich sah Betrüger-Schorschi auf die Kondensstreifen, die vom Flugzeug übrig geblieben waren.
„Hast du das gesehen, Flupppuppe? Die kümmern sich gar nicht um uns! Die tun so, als ob es uns überhaupt nicht gäbe! - Aber keine Sorge! Wenn wir erst einmal einen ungefährlichen Zugang ins Blaue Gebirge gefunden haben und mit den Diamanten klimpern, dann werden sie vor uns winselnd auf die Knie gehen!“
Wie zur Bestätigung wackelten die langen Beine der Flupppuppe im Wind. Trotzdem war Betrüger-Schorschis gute Laune wie weggeblasen. Plötzlich sah er sein Unternehmen in einem anderen Licht:
Was, wenn die die Bewohner des Blauen Gebirges wirklich so gefährlich waren wie ihr Ruf? Was, wenn sie ihn wirklich fangen würden und es ihm überhaupt nicht gelingen würde, einen Weg zurück zu finden? Was, wenn dann womöglich er die Hilfe des jungen Hubels brauchen würde, um lebend wieder zurück zu kommen?
Zugegeben, gestern, als er neben den sagenhaften Flupppuppenbeinen seine Suppe geschlürft und ihn Tante Pim mit ihrer Bewunderung für den jungen Hubel angestachelt hatte, war ihm die ganze Sache leicht erschienen: Zuerst würde er den jungen Hubel verschwinden lassen, dann einen gefahrlosen Ausgang aus dem Blauen Gebirge finden, sich genug Diamanten für ein ausschweifendes Leben bei Seite schaffen und sich schließlich die eigentlich für den jungen Hubel gedachten Lorbeeren aufsetzen.
Aber heute, bei Tageslicht und frischer Luft um die Nase, hatte er doch seine starke Bedenken. War es nicht viel zu gefährlich, ins Blaue Gebirge zu fliegen? Dorthin, von wo es so gut wie kein Zurück mehr gab?
War es nicht wahnsinnig aus diesem Land Diamanten schmuggeln zu wollen? Und konnte er, Betrüger-Schorschi überhaupt etwas erreichen, was vor ihm noch niemandem gelungen war?
Andererseits: Warum sollte ausgerechnet der junge Hubel die geeignete Person für diese gefährliche Mission sein? Jemand, der sich vor allem um das Aussehen seiner Haare und Fingernägel sorgte? Dann doch schon viel eher er, Betrüger-Schorschi! Denn er war nicht nur viel mutiger und verwegener als dieser Milchbubi, sondern er hatte auch noch die Flupppuppe! Die Flupppuppe war sein Trumpf in der Hand, denn sie würde ihm in jeder Not helfen!
Gemeinsam mit ihr würde er alle Gefahren sicher bestehen! Mit ihr würde er einen Weg entdecken, die Diamanten und Edelsteine aus dem Land zu bringen. Und dann würde ihm die Welt zu Füßen liegen und der Reichtum des Blauen Gebirges sicher sein!
Eine starke Böe riss den Ballon ein wenig nach oben und der Korb schwankte. Betrüger-Schorschi lachte heiser und sang das Flupppuppenlied. Nach der dritten Strophe hängte er eine neue, selbst gedichtete Strophe an:
Ich bin die tolle Puppe nur mit mir gibt’s Suppe seit heut’ ist auch mein Freund dabei mit ihm gibt’s Ruhm und Geld wie Heu, ich trage ihn jetzt übern Berg, zu Abenteuern, Kind und Zwerg auf meinen zarten, schlanken, flugsichren Hinterpranken
Die Beine der Flupppuppe wackelten im Takt von Betrüger-Schorschis neuer Strophe mit. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass die Flupppuppe mit dem Text nicht ganz einverstanden war. Vielleicht würde ihm bald eine bessere Strophe einfallen, doch im Moment musste diese ausreichen.
Betrüger-Schorschi drehte sich auf die andere Seite des Korbs und pfiff überrascht: Die Alpen waren schon erstaunlich nahe! Er musste sich beeilen, an Höhe zu gewinnen.
Schnell öffnete er die Klappe der Flupppuppe und ließ mehr Gas in ihre Beine strömen. Die Beine blähten sich auf und rissen den Korb nach oben.
Auf den Wiesen unter sich konnte Betrüger-Schorschi als braune Punkte ein paar Kühe sehen. Hin und wieder glaubte er, winkende Wanderer ausmachen zu können.
Sie stiegen höher und höher hinauf bis sie schließlich auf die Berge hinabsehen konnten. In der Ferne erkannte Betrüger-Schorschi die Umrisse der Zugspitze. Unter ihnen schlängelte sich eine schmale Straße den Berg empor. Wenn sie in dem Tempo weiterfahren würden, würden sie schon am Abend beim Blauen Gebirge sein.
„Nur noch ein paar hundert Meter bis zur Zugspitze!“, rief Betrüger-Schorschi der Flupppuppe zu. „Danach müssen wir uns rechts halten und Kurs aufs Blaue Gebirge nehmen.“
Die Flupppuppe wackelte mit den Beinen und zog den Korb noch ein paar Meter nach oben. Gerade so weit, dass der Korb eine halbe Stunde später über den Sendemast der Zugspitze fliegen konnte ohne ihn zu streifen.
Ein paar Touristen zeigten verdutzt auf den Flupppuppen-Ballon. Aber bevor Betrüger-Schorschi ihnen ein stolzes „Hallo“ zurufen konnte, waren sie außer Sichtweite.
Plötzlich schwenkte der Ballon seitlich ab und verlor wieder an Höhe. Betrüger-Schorschi schaute ängstlich zur Flupppuppe. Aber sie schien zu wissen, was sie tat.
Er überließ ihr deshalb das Steuern und betrachtete die Berg-Landschaft. Die Gegend wurde immer kärger und kärger. Bäume und Sträucher gab jetzt fast nicht mehr. Nur Felsen, Licht und Schatten. Hin und wieder konnte man eine Gämse oder ein verirrtes Schaf ausmachen, aber im Wesentlichen war alles öd und leer.
Die Sonne stand schon ziemlich tief, als Betrüger-Schorschi bemerkte, dass die Felsen anfingen, bläulich zu schimmern. Das Blau-Rot der Kämme und Spitzen verfärbte sich am Bergrücken ultramarin und lief in den Schluchten nachtblau aus.
Da, wo das Licht der untergehenden Sonne nicht mehr hinreichte, ragten schwarzblaue Kanten in den Himmel und verschluckten tiefschwarze Krater und Schluchten den letzten Lichtschimmer.
„Wow!“ dachte Betrüger-Schorschi beeindruckt. „Das also ist das Blaue Gebirge!“
Er war so in das farbenprächtige Schauspiel vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie der Himmel immer dunkler wurde und die Wolken sich in einiger Entfernung zu einem mächtigen Turm aufbauten.
Erst als es donnerte, schaute Betrüger-Schorschi sich erschrocken um und sah den Turm aus blau-schwarzem Dunst. Ein kalter Wind fing an zu blasen und riss am Ballonkorb.
Plötzlich kam der Turm in Bewegung und kreiselte schnell auf sie zu!
„Flupppuppe!“ rief Betrüger-Schorschi. „Siehst du den Wolkenturm?“
Die Flupppuppe rührte sich nicht.
„Ist das nicht ein Wirbelsturm?!“ schrie Betrüger-Schorschi.
Die Beine der Flupppuppe schienen davon unbeeindruckt.
„Hörst du mich nicht?“ schrie Betrüger-Schorschi. „Ein Wirbelsturm kommt auf uns zu! Lass uns von hier verschwinden! Flupppuppe! Warum tust du denn nichts? Siehst du den Wirbelsturm nicht?“
Doch, die Flupppuppe sah den Wirbelsturm. Aber sie hatte keine Angst vor ihm. Im Gegenteil, sie flog direkt auf ihn zu!
„Flupppuppe! Flupppuppe, rette uns!“ schrie Betrüger-Schorschi und riss verzweifelt an den Seilen, die den Korb mit dem Ballon verbanden.
Aber umsonst! Der kreiselnde Turm war jetzt nur noch ein paar Meter von ihm und der Flupppuppe entfernt!
Betrüger-Schorschi klapperte vor Angst mit den Zähnen.
Wäre er doch nie so größenwahnsinnig gewesen, ins Blaue Gebirge zu fliegen! Wäre er doch nie so gierig nach Reichtum und Ruhm gewesen! Was war das schon gegen das Leben? Nichts! Er aber wollte leben!
Und die Flupppuppe? Warum half sie ihm nicht? Waren ihre Beine nicht mehr flugfähig? Hatte der Sturm das Plastik geknickt? War ihr gemeinsames Abenteuer schon beendet, bevor es überhaupt begonnen hatte?
Flupppuppe! Fluuupppuuuppe! Fluuuupppuuuppppeeeee ...
Als Betrüger-Schorschi zu sich kam, fand er sich in einem dunklen Raum wieder. Es brauchte einige Zeit, bis er heraus gefunden hatte, dass der Raum eine Höhle war und er auf einer Holzpritsche lag.
Er richtete sich langsam auf und machte in dem dämmrigen Licht einen Tisch, mehrere Stühle, zwei Regale mit Töpfen, Geschirr, Büchern, Kleidern, einen Holzofen und ein Spülbecken aus.
Wenn er sich richtig erinnerte, waren er und die Flupppuppe im Blauen Gebirge in einen Wirbelsturm geraten und abgestürzt.
Aber was war dann passiert?
Offensichtlich hatte ihn jemand gefunden und in Sicherheit gebracht.
Oder war er gar nicht in Sicherheit, sondern hier in der Speisekammer der Höhlenbewohner?
Einen Topf, der groß genug war, einen Menschen darin zu kochen, konnte er zwar nicht entdecken, aber vielleicht bevorzugten diese Höhlenbewohner ‚Mensch auf Spieß’?
Wo überhaupt war die Flupppuppe? Und wo war sein Ballonkorb?
Betrüger-Schorschi fröstelte.
Egal, ob die Höhlenbewohner Freund oder Feind waren, ohne die Flupppuppe war er aufgeschmissen! Denn wie sollte er ohne sie die Stadt der Kinder, den jungen Hubel oder einen geeigneten Weg aus dem Gebirge zurück finden? Wie sollte er ohne die Flupppuppe im Blauen Gebirge überhaupt irgend etwas unternehmen können?
Aber vielleicht war er auch gar nicht mehr im Blauen Gebirge und der Sturm hatte ihn ganz woanders hingeschleudert?
Betrüger-Schorschis Herz klopfte laut. Obwohl er Angst hatte, wollte er sich unbedingt Klarheit über seine Situation verschaffen.
So leise wie möglich stand er auf und schlich zum Höhleneingang. Vorsichtig spähte er hinaus:
Ah!
Oh!
Wow!
Welch erfreuliche Überraschung!
Keine fünf Meter von ihm entfernt stand auf einem Felsvorsprung sein Ballonkorb! Neben ihm stand ein völlig harmlos aussehender dünner Mann, der ihm sicher nichts anhaben konnte. Und das beste an dem Bild, das ihm draußen geboten wurde, war, dass neben dem Mann ein große, schlanke Frau mit sagenhaften Beinen stand! Komisch, dass es eine so attraktive Frau nötig hatte, sich mit einem solch schwächlichen Männchen abzugeben!
Die Frau aber war wirklich eine Wucht! Sie hatte nur einen schwarzen Bikini, schwarze hochhackige Schuhe und eine schwarze Fliegermütze an! Die langen Bänder der Fliegermütze fielen neckisch über ihre runden Schultern.
Betrüger-Schorschi hatte sich noch nicht völlig an der atemberaubenden Frau satt gesehen, als ihm plötzlich auffiel, dass die Flupppuppe fehlte!
Entsetzt stöhnte er auf: Wo war die Flupppuppe?
Hatte der Sturm ihre Beine tatsächlich geknickt und war sie ohne ihn in die Tiefe gestürzt? Oder hatte sie sich ohne den Korb an den Beinen retten können? Oder waren die beiden da draußen weit gefährlicher als es auf den ersten Blick aussah? Hatten sie die Flupppuppe vielleicht verschwinden lassen?
Ohne lange zu überlegen, trat Betrüger-Schorschi aus der Höhle und herrschte die beiden an:
„Sie da! Haben Sie mir die Flupppuppe gestohlen? Geben Sie mir sofort meine Flupppuppe wieder!“
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“, sagte die Bikini-Dame.
Betrüger-Schorschi zuckte zusammen.
Die Stimme der Frau kam ihm bekannt vor! Aber woher?
Der schmächtige Mann schüttelte missbilligend den Kopf und sagte zu der Frau: „Gute Manieren scheint er nicht zu haben!“
„Das Gleiche kann ich von Ihnen behaupten“ antwortete Betrüger-Schorschi. „Sie haben mir offensichtlich die Flupppuppe gestohlen!“
„Wohl kaum“, sagte der Mann. „Ich weiß nicht, warum, aber die Flupppuppe scheint einen Narren an Ihnen gefressen zu haben. Sonst hätte sie Sie nie hier her gebracht.“
„Aha!“ sagte Betrüger-Schorschi. „Und warum haben Sie sie mir dann weggenommen?“
Der Mann sah Betrüger-Schorschi erstaunt an und sagte zur Bikini-Dame: „Ich sehe nach, ob die Suppe warm ist.“
Die Bikini-Dame nickte, zeigte auf ihre schlanken, prallen Beine und sagte: „Ich komme gleich. Suppe am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen!“
Betrüger-Schorschi erschrak.
Jetzt wusste er, woran ihn die Stimme der Bikini-Frau erinnerte: An die Flupppuppenstimme im Radio!
Wie konnte das sein?
War die Bikini-Dame etwa die Flupppuppe?
Unvorstellbar!
Er war sich sicher, dass die Flupppuppe nur aus Beinen bestand. Mehr gab es bei ihr nicht zu sehen!
Aber wie konnte sie dann jetzt und hier als ganze Person vor ihm stehen?
Das Ganze war einfach ein Irrtum. Die Stimme der Frau hörte sich einfach nur nach der Flupppuppe an. Aber sie war nicht die Flupppuppe!
„Endlich gibt es wieder Suppe, Flupppuppe!“ rief der Mann aus dem Höhleneingang heraus. „Seit zwei Jahren warte ich darauf!“
Betrüger-Schorschi schwindelte.
Die Frau war also doch die Flupppuppe!
Es war zu verrückt, um wahr zu sein!
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, sagte die Flupppuppe zu Betrüger-Schorschi und ging mit federnden Schritten in die Höhle.
Betrüger-Schorschi schluckte: Egal wie verrückt die ganze Sache war. Die Frau war trotzdem ein Traum! Ihre Stimme klang wie Samt, die Fliegermütze betonte ihr süßes Stupsnäschen und der Bikini gab ihr ein verwegenes Aussehen. Und ihre Beine waren einfach unbeschreiblich: schlank, prall, zart, stark, weich, hart ... alles in einem!
Kaum zu glauben, dass es eine so tolle Frau gab! Und unfassbar, dass diese Frau mit ihm, ausgerechnet mit ihm, auf Abenteuerreise gehen wollte!
Er pfiff das Flupppuppenlied und bemerkte erst jetzt, dass man von dem Felsvorsprung aus eine herrliche Aussicht hatte:
Direkt ihm gegenüber, nur durch eine kleine Schlucht von dem Felsvorsprung, auf dem er stand, getrennt, glitzerte ein Berg wie ein riesiger, blauer Turmalin!
‚Das Blaue Gebirge!’ dachte Betrüger-Schorschi. ‚Wir sind tatsächlich im Blauen Gebirge!’
Er streckte die Hand nach dem Edelstein-Berg aus und sagte leise: „Mit diesen Steinen werde ich reich! Mit dem gefährlichen Auftrag des jungen Hubels berühmt und mit der Flupppuppe glücklich!“
„Die Suppe ist fertig!“ rief sein Gastgeber aus dem Höhleneingang.
Betrüger-Schorschi riss sich von dem glitzernden Schein des Berges los und ging in die Höhle.
Als alle um den Tisch saßen und ihre Suppe schlürften, sagte der Gastgeber zu Betrüger-Schorschi: „Ich bin hier übrigens der Torwart! Ich bewache das Tor zwischen dem Blauen Gebirge und deiner Welt.“
„Aha“, sagte Betrüger-Schorschi. Mehr fiel ihm dazu nicht ein.
„Übrigens haben wir mit Leuten aus deiner Gegend bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht“, fuhr der Torwart fort. „Ihr versteht unsere Gesetze nicht und wollt uns statt dessen immer eure Gesetze aufpressen.“
„Sehr angenehm“, sagte Betrüger-Schorschi und dachte an den blauen Edelsteinberg. Der Tag heute ließ sich prächtig an: Erst die Überraschung mit der Flupppuppe und jetzt der Turmalin.
„Was ist daran angenehm?“ fragte der Torwart aufgebracht. „Tatsache ist, dass wir eigentlich niemanden mehr von euch durch das Sturmauge lassen. Sie durften nur durch, weil Sie die Flupppuppe mitgebracht hat. Ich hoffe, Sie machen uns keinen Ärger! - Wer sind Sie überhaupt?“
„Ich?“ schreckte Betrüger-Schorschi aus seinen schönen Gedanken auf.
Er räusperte sich, setzte sich aufrecht hin und sagte: „Ich bin Betrüger-Schorschi! Anerkannter Arzt, offizieller Flugbegleiter der Flupppuppe und jugendliche Geheimwaffe von Tante Pim!“
„Tante Pim?“ fragte der Torwart und zog seine Schultern fragend nach oben. „Nie gehört. Wohnt sie im Blauen Gebirge?“
„Das nicht“, sagte Betrüger-Schorschi. „Aber sie hat mich hier her geschickt, um einen wichtigen Auftrag zu erledigen.“
„Ein wichtiger Auftrag?!“ fragte der Torwart misstrauisch. „Das muss ich wissen. Als Wärter des Tors bin ich für alle wichtigen Aufträge zuständig, die von Drüben kommen!“
Betrüger-Schorschi wand sich auf seinem Stuhl. Er war in geheimer Mission unterwegs. Sicher durfte er niemandem erzählen, worum es bei dem Auftrag ging. Und schon gar nicht jemandem aus dem Blauen Gebirge! Offensichtlich konnte der Torwart die Menschen jenseits des Gebirges sowieso nicht leiden. Wie viel weniger würde es ihm gefallen, wenn er erfahren würde, dass sich die Menschen aus seinem Land entschlossen hatten, die Steine aus dem Blauen Gebirge auszuführen?!
„Es hat etwas mit der Stadt der Kinder zu tun“, sagte er deshalb ausweichend.
„Stadt der Kinder?“ sagte der Torwart erstaunt. „Die gibt’s hier nicht!“
„Doch, doch“, beharrte Betrüger-Schorschi.
Es konnte nicht sein, dass es die Stadt hier nicht gab! Schließlich hatte der junge Hubel in seinem Brief davon berichtet!
„Glauben Sie mir“, sagte der Torwart. „Ich kenne das Blaue Gebirge wie meine Westentasche und bin mir sicher, dass es hier keine Stadt der Kinder gibt!“
„Es muss diese Stadt aber geben!“ sagte Betrüger-Schorschi aufgebracht. „Vielleicht kennen Sie die Stadt nicht, weil sich deren Bewohner so gut wie möglich von der Außenwelt abschotten. In der Stadt wohnen lauter Kinder oder kindische Personen. Niemand, der erwachsen geworden ist.“
„Ach!“ sagte der Torwart. „Sie meinen Entenhausen?“
Betrüger-Schorschi zuckte unsicher mit den Achseln.
„Gibt es dort ein Großes Huhn?“ fragte er.
„Eigentlich nicht“, meinte der Torwart. „Aber vielleicht meinen Sie Henriette Huhn, diese alberne Freundin von Minnie Maus und Klarabella Kuh? - Warum, was ist mit ihr?“
„Sie hat dem jungen Hubel die Haare abgefressen!“ erwiderte Betrüger-Schorschi.
„Das hört sich ja schrecklich an“, sagte der Torwart und sah belustigt zur Flupppuppe. „Wahrscheinlich hat er ihren Hut verrutscht. Wer ist der junge Hubel überhaupt?“
Betrüger-Schorschi schaute irritiert zur Flupppuppe. Warum kannte der Torwart weder die Stadt der Kinder noch den jungen Hubel? Schließlich musste der junge Hubel doch auch durch das Sturmauge ins Blaue Gebirge gekommen sein. Oder etwa nicht?
Und warum hörte sich beim Torwart alles so anders an als bei Tante Pim?
Die Flupppuppe bemerkte seine Verwirrung und fragte den Torwart: „Vielleicht liegt die Stadt der Kinder auf der anderen Seite des Gebirges?“
„Gut möglich“, sagte der Torwart. „Aber warum seid ihr dann zu mir gekommen?“
„Weil es wieder Zeit für Suppe bei euch ist“, antwortete die Flupppuppe.
„Wie wahr!“ sagte der Torwart und schenkte der Flupppuppe Suppe nach. „Tatsächlich brauchen wir dringend deine Hilfe!“
„Was gibt es denn?“ fragte die Flupppuppe.
„Das Baby will nicht mehr essen!“
„Oh!“ machte die Flupppuppe und legte ihren Suppenlöffel zur Seite. „Habt ihr es schon mit Pudding probiert?“
Der Torwart nickte.
„Mit gezuckerter Milch und Keksen?“
Wieder nickte der Torwart.
„Dann probiert es mal mit Leberpastete“, sagte die Flupppuppe zuversichtlich. „Das hat bis jetzt immer geholfen!“
„Dieses Mal eben nicht!“ rief der Torwart aus. „Selbst die Leberpastete hat es dieses Mal verschmäht!“
Die Flupppuppe schüttelte ungläubig den Kopf. Es konnte nicht sein, dass das Baby nicht einmal mehr Leberpastete essen wollte!
„Halt! Stopp!“ rief Betrüger-Schorschi. „Ich verstehe überhaupt nichts mehr! Auf welcher Seite vom Blauen Gebirge sind wir denn hier?“
„Auf der richtigen!“ sagte der Torwart knapp. „Wir sind hier, aber Sie sind von drüben!“
„Aber was machen wir denn dann hier?“ fragte Betrüger-Schorschi die Flupppuppe.
„Suppe essen!“, wiederholte die Flupppuppe und unterhielt sich weiter mit dem Torwart über das Baby.
„Um welches Baby geht es eigentlich?“ fragte Betrüger-Schorschi irgendwann dazwischen. „Was fehlt ihm denn?“
Eigentlich hatte er für Babys nichts übrig. Aber er konnte es nicht leiden, in einem Gespräch links liegen gelassen zu werden. Immerhin war er neben seiner momentanen Agenten-Tätigkeit auch Arzt und er konnte den Torwart sicher durch ein paar schlaue Bemerkungen beeindrucken.
„Von dem Baby natürlich“, sagte der Torwart ungeduldig. „Jeder kennt das Baby!“
„Baby ist einfach Baby“, erklärte die Flupppuppe. „Es hat keinen Namen, denn niemand weiß, zu wem es gehört und woher es gekommen ist. Eines Morgens saß es plötzlich oben auf dem Kessel-Berg. Und seitdem sitzt es da und schreit, wenn es Hunger hat.“
„Warum holt es denn keiner vom Berg runter?“ fragte Betrüger-Schorschi verwundert.
„Weil es dafür viel zu groß ist!“ sagte die Flupppuppe. „Das Baby ist dreißig Meter hoch, fünfzehn Meter breit und wiegt 200 Tonnen.“
„220 Tonnen“ korrigierte der Torwart. „In den letzten beiden Jahren hat es noch mal zugelegt!“
Betrüger-Schorschi schluckte. „Und wer füttert das Baby?“
„Warum sind Sie eigentlich hier?“ knurrte der Torwart, „Warum sind Sie überhaupt mit der Flupppuppe mitgekommen, wenn Sie von uns offensichtlich keine Ahnung haben?“
„Weil er mir mit Rat und Tat zu Seite stehen kann!“ sagte die Flupppuppe überzeugt.
Betrüger-Schorschi wuchs ein paar Zentimeter. Ein Kompliment aus dem Mund dieser Frau war mehr als er verlangen konnte!
„Der?“ fragte der Torwart skeptisch. „Wie denn?“
„Er ist Arzt!“ erinnerte ihn die Flupppuppe. „Sicher weiß er, wie man das Baby wieder zum Essen kriegt.“
Die Flupppuppe lächelte den Torwart bezaubernd an und erklärte Betrüger-Schorschi: „Alle aus dem Blauen Gebirge müssen das Baby füttern. Weil das Baby so viel isst, wird es langsam knapp mit den Lebensmitteln. Vor allem Milch, Kekse und Puddingpulver gibt es fast nirgends mehr zu kaufen.“
„Schokolade gibt’s auch fast keine mehr!“ sagte der Torwart.
