Formica - Roland Zoss - E-Book

Formica E-Book

Roland Zoss

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Beschreibung

"Mein Leben bei den Ameisen" ist eine Fantasy-Fabel über den Mikrokosmos um uns. Ein junger Mann macht Ferien auf der Insel Formica. Durch ein mysteriöses Ereignis schrumpft er im Olivenhain zum 3mm kleinen Winzling. Von Käfern gejagt wird er in eine Ameisenkolonie aufgenommen. Er erlebt die phantastischsten Abenteuer im Reich der Ameisen, wo so andere Gesetze herrschen. Er notiert seine Erlebnisse im Eukalyptusblätter-Tagebuch an einem Tisch gebaut aus einem Reissnagel. Das Leben im Ameisenstatt öffnet ihm die Sinne für neue Arten der Wahrnehmung. Fasziniert vom soziale Denken im Insektenstaat beginnt er mit seiner Freundin "Tamila" via Sprache Gestik und Duftstoff zu kommunizieren. Eines Tages lüftet er ein schreckliches Geheimnis und merkt, dass das Volk der Ameisen den Menschen näher ist, als uns lieb sein kann.

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Seitenzahl: 50

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Dolce Vita

Die Verwandlung

Fremdes Land

Die Begegnung

Die Königin

Die Freundschaft

Ameisisch

Die Organisation

Heimweh

Ein Fremder im Haus

Mann oder Frau?

Klimbin

Der Verdacht

Das Tagebuch

Grüner Kristall

Hochzeitsflug

1 Dolce Vita

Der 7. Juli war ein schwüler Tag auf der Insel Formica. Dreissig Grad im Schatten oder auch mehr. Das Hirn registrierte es nicht mehr. Es dämmerte vor sich hin.

Der Wind trug Hammerschläge vom Hafen herauf, während ein Lastwagen über die einzige Strasse holperte zum Leuchtturm hinab. Die Hitze flimmerte über den kargen steinigen Hängen.

Ich lag in meinem Garten in der Hängematte in den Ferien. Schaukelnd im Olivenhain, einen Meter über dem Boden. Herr über mich selbst, den Blick ins Tal gerichtet. Das Hin und Her verschaffte dem Kopf etwas Luft und Frische.

Siesta. Die Häuser waren zusammengerückt, eine schattensuchende Herde. Die Schlangen schlichen um Torbogen, glitten über glühende Terrassen, verschränkten sich in knorrigen Johannisbrot-Bäumen. Am Horizont gingen Meer und Land ineinander über.

Genüsslich schob ich den frisch geschälten Pfirsich in den Mund, saugte am Fruchtfleisch und fühlte mich wie ein Gott, dem alles schnuppe ist. Das Taschenmesser abgeputzt an der Hose. Der Fleck würde nie mehr rausgehen. Egal. Nach acht Jahren analytischem Denken war jetzt Nichtstun angesagt, “Dolce Vita“. Süss wie ein Pfirsich daliegen, und sich selber gehören.

Je weiter der Blick zum Horizont schweifte, umso mehr zerfloss das Denken, umso mehr vermischte sich der Atem der Erde mit dem Meer. Wirklichkeit und Traum wurden zu einem flimmernden Gemisch. Selbst die Fische wussten nicht mehr, ob sie noch im Wasser schwammen oder schon in der Luft. So hoch war die Feuchtigkeit, die alles umhüllte.

Kein Erdbeben hätte mich bewegen können aufzustehen! Aber der Durst zwang mich hoch. Er liess mich in Flipflops zum Haus rüber latschen. Zum Tisch im Schatten der Loggia auf dem die Karaffe mit frisch ausgepresster “Spremuta di limone“ stand. Doch bis dahin kam ich nicht.

Kannst du dir vorstellen, wieviel Zeit vergeht, bis man an einem schwülen Sommertag zehn Meter zurücklegt hat, um an einen Drink zu kommen? Kaum! Und ich hatte ja keine Ahnung, in was für ein schrecklich-schönes Abenteuer ich gerade hineinstolperte auf dem Weg durch meinen Garten. Ein Abenteuer, das ich so nicht gesucht hatte.

Es begann zwischen Kieseln und den Blättern vom Eukalyptus, als ich vorsichtig den Fuss aufsetzte, um beim Überqueren der Ameisenstrasse kein Tierchen zu zertreten.

Fasziniert folgte ich der Spur, die als fahle Fährte durchs Gelände führte, und auf der Arbeiterinnen Körner schleppten, die das zehnfache ihres Körperchens wogen. Die Ameisenstrasse ging zum angekohlten Olivenbaum. Die zwei einzigen Äste weit ausgebreitet. Rissig-grau die Rinde. Ein Ast hing voller Oliven; der andere ragte als toter Stumpf ins Blaue. Dort hinauf krabbelten die Ameisen, beförderten ihre Last und verschwanden im hohlen Innern.

Ich beobachtete das Spektakel, bis meine Augen tränten und die Szene verschwamm.

Dann geschah es. Ob wegen der Hitze oder der absoluten Konzentration, wer weiss?! Auf einmal floss ein elektrisierendes Gefühl um meine Augäpfel, strömte durch den Körper bis hinab in den Bauch und in die Zehen.

Alle Muskeln spannten sich, als spanne ein riesiger Bogenschütze den Körper. Vergeblich versuchte ich mich gegen die unheimliche Macht zu stemmen. Sie war stärker als ich. Erst begannen die Schatten im Olivenhain zu tanzen, dann riss eine zehnfache Schwerkraft mich zu Boden. Und hinab in einen bodenlosen Abgrund.

2 Die Verwandlung

Was war geschehen? War ich in Afrika? Bambusartige Bäume mit glattem Stamm standen in Gruppen in der Hitze der Savanne zwischen roten Felsformationen, um die dreissig Meter hoch. Andere zertrümmert oder abgeknickt. Dazwischen holziges Gestrüpp voller Dornen. Zu meiner Linken eine Felswand. Rechterhand über einem Bambuswäldchen ein strahlend blauer Fetzen von Himmel.

Wachte ich, träumte ich. Oder hatte ich einen Flash? Ich kniff mich in die Wange: Mein Gott, wo bin ich hier nur gelandet?

Der Schädel pochte und suchte nach Erklärungen. Eine Fata Morgana? Ein Hitzschlag mit plötzlichem Fieberdelirium? War ich gestorben und schon im Jenseits? Oder schlicht und einfach gaga? Übergeschnappt.

Etwas stimmte jedenfalls ganz und gar nicht mehr in dieser surrealen Realität: es waren die Dimensionen! Hier war alles anders: es war grösser, gefährlicher. Instinktiv tastete ich nach meinem Taschenmesser und blickte aufs Zifferblatt der Armbanduhr: 15 Uhr 35 – 7. Juli. Immerhin die Zeit schien normal zu ticken. Alles andere war gestört.

Ich erkletterte einen Felsblock, um mich zu orientieren. Die Pupillen zu Schlitzen verengt blinzelte ich ins sengende Licht. Herrgott nein, diese Gegend war mir unbekannt! Und diese seltsamen, hellen Töne. Eine Sinfonie schlecht gestimmter Streicher.

Der Schweiss lief mir in Rinnsalen übers Gesicht. In den Schatten gelehnt atmete ich durch, lauschte dem Knarren des Bambus’ und versuchte den Lauf der Dinge im Kopf zusammenzubringen.

War ich von Ausserirdischen entführt worden und in ein Sonnensystem gelangt mit anderen Gesetzen? Gab es hier ausser mir noch anderes Leben? Löwen? Dinosaurier?

Mein hysterisches Lachen hallte von einer Felsenwand zurück. He hallo Mann, jetzt reiss dich zusammen! sprach ich mir Mut zu. Wenn du nicht irre werden willst, musst du bei Sinnen bleiben! Vor allem solltest du so rasch wie möglich Wasser finden. Sonst bist du futsch und tot die Maus! Ohne Hut, in Flipflops und Shorts in diesem Backofen. Und wer weiss, was hier sonst noch für Gefahren lauern.

Ich wischte mir die Schweisstropfen von den Augenbrauen. Arbeitete mich Schritt für Schritt voran: Oh du sinnverwirrendes Wahnsinnsland! Was hast du vor mit mir?

Ein Knacken stoppte mein Selbstgespräch. Die Wipfel gerieten in Bewegung. Eine gepanzerte Masse brach sich Bahn durchs Gehölz, drückte alles zur Seite. Es war ein Gigant von einem Käfer; mit Augen wie Satellitenschüsseln. Und die Fühler wie Funkantennen tasteten nach mir!

Gelähmt vor Schreck stand ich da und starrte dem Monster in die Augen. Sah im Schock schon den Vater an meinem Grab beten und eine Rose auf den Sarg legen. Aber mein Vater war doch vor Jahre verstorben!? Und ich… ich stürzte blindlings durch stachliges Gestrüpp und rannte und rannte.