Forschungskreuzer Cimarron - Hubert Haensel - E-Book

Forschungskreuzer Cimarron E-Book

Hubert Haensel

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Beschreibung

Es ist ein spezieller Auftrag, den die Besatzung des Forschungskreuzers erhält. Nach einem verheerenden Hypersturm wurde das Wrack eines Rettungsbootes aufgebracht. Diana Rossfeldt und ihre Crew folgen der Spur, die sie in eine Dunkelwolke führt. Mehrere Raumfrachter sind in diesem Gebiet verschwunden. Ein Schwarm bedrohlicher Kugeln attackiert die CIMARRON, und sie landet auf einem kahlen, scheinbar unbelebten Planeten. Während einer Expedition verschwindet der Erste Offizier. Als der Forschungskreuzer angegriffen wird, ist die Kommandantin gezwungen, eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Tage später kehrt die Crew gegen den Willen der Admiralität zur Dunkelwolke zurück. Die Suche gilt dem verschollenen Offizier. Doch schnell wird der Forschungskreuzer von einem Schiff der Flotte gestoppt und von Raumsoldaten geentert. Diana Rossfeldt entkommt mit mehreren Begleitern in den Hyperraum. Auf einer fremden Welt gestrandet, ohne Aussicht auf Rückkehr, müssen sie um ihr Überleben kämpfen – und das Rätsel der verschwundenen Raumfrachter lösen … Forschungskreuzer Cimarron erschien 1979 als Terra Astra 395, Gestrandet im Hyperraum 1979 als Terra Astra 411. Für die vorliegende Ausgabe wurden die beiden Romane von Hubert Haensel überarbeitet und zu einem in sich geschlossenen Roman verknüpft.

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HUBERT HAENSEL

Forschungskreuzer CIMARRON

 

HOPF Autorenkollektion

 

Inhalt

Impressum

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

 

Impressum

 

Originalausgabe Juni 2020

Text © Hubert Haensel

Copyright © 2020 der E-Book-Ausgabe by Verlag Peter Hopf, Minden

 

Covergestaltung: etage eins, Jörg Jaroschewitz

Covermotiv © Axel Blotevogel

Korrektorat: Thomas Knip

 

ISBN ePub 978-3-86305-371-0

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

Vorwort

Liebe Freunde utopischer Literatur,

es gibt sie doch, die Möglichkeit der Zeitreise: Mit dieser neuen Taschenbuchreihe entführt Sie der Verlag Peter Hopf ins letzte Jahrtausend, nun ja, wenigstens ans Ende der 1970er Jahre. In die Blütezeit der SF, als das Leben etwas weniger von Stress und Hektik diktiert wurde. Als Computer, Handys und richtige Roboter tatsächlich Zukunftsmusik waren. Vieles von dem, was uns heute als selbstverständlich erscheint, war damals noch fern.

Es war die Zeit Ihrer Jugend, vielleicht sogar der Jugend Ihrer Eltern – ebenso die Frühzeit unserer realen Raumfahrt. Lassen Sie sich also entführen in eine Zeit, in der SF vielleicht nicht immer technisch perfekt stimmig war, dafür jedoch fantastisch und voller Aufbruchsstimmung.

Retro-SF, das ist Nostalgie. Retro-SF heißt, die Träume von einst erneut träumen.

Ich selbst war damals schon begeisterter SF-Fan. Angefangen mit »Nick, der Weltraumfahrer« über die Terra-Romane, Perry Rhodan, Ren Dhark und Rex Corda habe ich viel von dem verschlungen, was der Markt bot. Eines Tages fing ich selbst an, Romane zu Papier zu bringen. Damals mit einer mechanischen Schreibmaschine und vier Durchschlägen. Ja, zu jener Zeit gab es nicht einmal leicht zugängliche Fotokopierer, sondern bestenfalls Spiritusumdruck.

Seit mittlerweile mehr als einem Vierteljahrhundert gehöre ich zum Autorenteam der weltgrößten Science-Fiction-Serie Perry Rhodan. Angefangen habe ich mit Romanen für Terra Astra. Zwei meiner frühen Geschichten präsentiert Ihnen Retro-SF in diesem Taschenbuch; wir haben sie deshalb ausgewählt, weil sie thematisch zusammengehören und die Geschichte einer Raumschiffscrew erzählen. Erschienen sind beide Titel im Jahr 1979 als meine zweite und dritte Veröffentlichung.

Für mich als Autor stellt sich natürlich die Frage: Sollen wir nachdrucken, wie die Romane einst veröffentlicht wurden, oder überarbeiten? Ich habe mich dafür entschieden, die Texte vorsichtig zu überarbeiten. Zum einen, weil es Spaß gemacht hat, die eigene Geschichte nach so langer Zeit wieder zu lesen und mich überraschen zu lassen, was ich davon noch kannte (es war nicht allzu viel, muss ich eingestehen). Zum anderen, weil ich Ihnen etwas Mehrwert bieten wollte und all jenen, die beide Romane schon kennen, die Freude, vergleichen zu können.

Nein, ich habe nicht alles umgeschrieben, das wäre Frevel. Ich habe auch keine moderne SF daraus gemacht, sondern den Geist von einst beibehalten. Sie werden das an der Sichtweise des Hyperraums sehen, an der Bewaffnung und anderen Kleinigkeiten.

Aber ich habe in den einen oder anderen Dialog eingegriffen oder kleine Stolperstellen nivelliert. Die Geschichte selbst wird von alldem nicht tangiert; sie zeigt meine schon damals vorhandene Freude an fernen unbekannten Welten, an fremden Lebensformen und ebenso an menschlichen Schicksalen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen sehr viel Lesespaß und Freude mit diesem und allen folgenden Taschenbüchern der Retro SF.

Ich hoffe, sie werden ein kleiner, aber feiner Schatz in Ihrem Bücherregal.

Herzlichst Ihr

HUBERT HAENSEL

Forschungskreuzer CIMARRON

 

 

Die Hauptpersonen des Romans:

Diana Rossfeldt ‒ Kommandantin der CIMARRON.

Duncan Lemonde ‒ Erster Offizier des Forschungskreuzers.

José Ramirez ‒ Der Waffentechniker wird als Saboteur verdächtigt.

Serge Ruttloff ‒ Cheffunker und Orter der CIMARRON.

William Reeches und Tony Heider ‒ Besatzungsmitglieder der CIMARRON.

Wilm van Terjuhn ‒ Stabschef der irdischen Raumflotte.

 

 

Prolog

 

Im Gebiet der Doppelsonne Aldeera tobte einer jener verheerenden Hyperstürme, wie sie die Milchstraße in diesem Ausmaß zum Glück äußerst selten erlebte. Wehe dem Raumschiff, das nicht rechtzeitig auf einem der achtzehn Planeten der beiden Sonnen eine sichere Zuflucht gefunden hatte oder das gar in den Ausläufern dieses Sturmes auftauchte.

Keine Technik, mochte sie noch so perfekt sein, konnte den entfesselten Gewalten des Hyperraums widerstehen. Die besten Schutzschirme waren inmitten der aufgepeitschten Natur keinen Pfifferling wert. Gigantische Energieentladungen rissen den Weltraum auf, irrlichternde Wolken aus einer bisher nur rechnerisch erfassten Dimension.

Kaum zehn Minuten tobte der Hypersturm, danach gewannen Licht und Strahlungsdruck der Aldeera-Sonnen ihren Einfluss zurück und vertrieben die vollkommene Schwärze.

Ein winziges Etwas trieb zwischen den inneren Planeten durch den Raum. Es mochte einmal diskusförmig gewesen sein, nach dem Sturm erinnerte es eher an eine verbogene, an den Rändern aufgebrochene und ausgefranste Scheibe, die hin und wieder von einem lückenhaft aufwallenden rötlichen Schleier umhüllt wurde. Mannsgroße Schriftzeichen auf der Oberseite waren zu einem unleserlichen Durcheinander zerlaufen.

Mit sporadischen Korrekturschüben aus zerfetzten Triebwerksdüsen versuchte dieses Etwas, dem stärker werdenden Gravitationsfeld der beiden Sonnen zu entkommen. Es trieb unkontrolliert taumelnd der größeren der beiden Sonnen entgegen.

Vielleicht wäre das Wrack vom Schwerefeld eines nahen Planeten eingefangen worden und auf der atmosphärelosen Welt abgestürzt. Oder es wäre binnen weniger Tage in der Sonnenkorona verglüht. Überraschend erschienen jedoch mehrere terranische Flotteneinheiten, deren Besatzungen das verbeulte Häufchen Stahl als Rettungsboot identifizierten, kaum dass es von den Ortungen erfasst worden war.

 

 

1.

 

»Wem haben wir diesen speziellen Auftrag eigentlich zu verdanken?«, schimpfte Serge Ruttloff. Er war Cheffunker und Ortungsspezialist des Forschungskreuzers CIMARRON. »Einem dieser vermaledeiten Hyperstürme, die ich ohnehin als größte Bedrohung der Raumfahrt ansehe, oder einem halb geschrotteten Rettungsboot, das von überall her gekommen sein kann, nur nicht von diesem Kohlensack da vor uns?«

Jeder an Bord kannte das cholerische Temperament des schlanken, beinahe schlaksigen Eurasiers. Ruttloff hatte sich erstaunlich lange zurückgehalten. Während er nun, Stunden nach dem Start, seinem aufgestauten Zorn Luft verschaffte, gab es ringsum nur verkniffen grinsende Gesichter.

»Möchte schon wissen, was es da zu feixen gibt«, schnaubte er. »Die grässliche Wolke da draußen ist beileibe kein Ersatz für meinen verschobenen Urlaub.« Mit beiden Händen fuhr er sich in den Nacken und starrte auf den großen Hauptbildschirm der Zentrale. »Sonne, Strand und Palmen …« Ruttloff seufzte tief. »Mein Gott, was habe ich bloß verbrochen, dass es immer mich erwischen …?«

»Serge!«, rief eine Frauenstimme – so bestimmt, dass Ruttloff mitten im Satz verstummte.

Die optische Wiedergabe auf dem Bildschirm zeigte einen verwaschen wirkenden düsteren Fleck inmitten der üppigen Sternenfülle des Milchstraßenhintergrunds. Die Schwärze, die das Licht der von ihr verdeckten Sterne verschluckte, wirkte drohend und gefahrverheißend.

»Mir ist Ihre psychische Allergie gegen Dunkelwolken hinreichend bekannt, Serge«, fuhr die Kommandantin ein wenig versöhnlicher fort. »Das ist das Eine. Das Andere ist, dass Ihnen als Spezialist kaum ein anderer das Wasser reichen kann. Wenn Sie sich Luft machen wollen, bitte, ich habe nichts dagegen. Aber tun Sie das in Ihrer Kabine und lassen Sie die Besatzung aus dem Spiel! Wir haben uns verstanden?«

»Wie immer, Diana.« Ruttloff seufzte. »Es ist trotzdem nicht akzeptabel, wie mit meinem sauer verdienten Urlaub umgegangen wird. Als wäre ich so ein Blechkamerad, der mit ein paar Tropfen Schmieröl und neuen Schrauben glücklich sein kann.«

Diana Rossfeldt stöhnte. Sie schwang mit ihrem Sessel herum, verdrehte die Augen und winkte ab. »Verschwinden Sie, Serge! Oder ‒ nein, bleiben Sie! Ich erzähle ungern alles zweimal.«

Ruttloff stand mitten in der Zentrale, ebenso weit von der Kommandantin entfernt wie von seinem Funk- und Ortungsbereich. Er atmete tief durch, ließ sich zu einem gezwungenen Lächeln hinreißen und blickte erwartungsvoll zum Kommandostand. Zugleich schürzte er die Lippen und nickte kaum merklich.

Diana Rossfeldt war eine Frau, wie es kaum eine zweite in der irdischen Flotte gab. Sinnlich-betörend, aber zugleich befehlsgewohnt, quasi weicher Kern, bei undurchdringlicher Schale. Wenn es darauf ankam, ebenso unnachgiebig hart gegen sich selbst wie gegen andere ‒ eine Frau des 25. Jahrhunderts. Das blonde Lockenhaar harmonierte mit ihrem bronzefarben gebräunten Teint. Und obwohl oft ein leicht melancholischer Zug um ihre Mundwinkel lag, blitzte in ihren blauen Augen eine gehörige Portion Humor.

Ruttloff verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. In Gedanken sprang er fünf Tage zurück, in die Raumhafenkneipe »Zu den blauen Sternen« auf der Erde. Nach dem erfolgreichen Abschluss des letzten Auftrags hatte die Kommandantin bewiesen, dass sie zu feiern verstand. Dass sie zudem trinkfester war als manches Besatzungsmitglied. Ihm war es trotzdem gelungen, ihr die Urlaubszusage abzuringen. Leider nur eine kurze Hoffnung, endlich für ein paar Wochen wieder Sonne und Wind auf der Haut zu spüren und eine frische Meeresbrise zu atmen, statt gefilterter künstlicher Bordatmosphäre und Solariumstrahler.

Ruttloff schreckte aus seinen Gedanken auf.

»Der Auftrag kam überraschend«, sagte Diana. »Zudem scheint der Flottenstab die Angelegenheit als brisant einzustufen, andernfalls hätte man uns offiziell wohl mehr als nur die Koordinaten übergeben. Alles, was wir wissen müssen, ist auf diesem Band enthalten.« Sie hielt eine Kassette in die Höhe, kaum größer als eine Zigarettenschachtel, doch unverkennbar das Bordbuch eines Raumschiffs. Ein Videospeicher mit extrem hoher Kapazität für Daten unterschiedlichster Art.

»Von welchem Schiff stammt die Aufzeichnung?«, fragte jemand aus dem Hintergrund der Zentrale.

»Serge hat es schon angeschnitten.« Die Kommandantin deutete auf Ruttloff, der hastig nickte. »Es handelt sich um Aufzeichnungen des Erzfrachters XB-18. Ihnen allen dürfte bekannt sein, dass die Route von Green Eye nach Andoine vor drei Wochen völlig überraschend und ohne Begründung in den interstellaren Gefahrenkatalog aufgenommen wurde. Nun, die XB-18 ist von Green Eye gestartet. Das war vor zwei Wochen ‒ seither fehlt von dem Frachter jegliche Spur.«

»Damit wäre die XB-18 das fünfte Schiff, das wir innerhalb kürzester Zeit verloren haben?«, fragte ein Techniker. »Es gab keinen Funkspruch, nicht einmal einen automatischen Notruf?«

»Nichts.« Diana wischte sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn. »Bislang gab es keinen Anhaltspunkt, wo überhaupt gesucht werden sollte. Wir reden von rund zweitausend Lichtjahren Distanz; da ist ein Raumschiff weniger als die berüchtigte Nadel im Heuhaufen.«

»Treffend ausgedrückt!« Ruttloff holte tief Luft, seine Anspannung trieb ihm die Röte ins Gesicht. »Willst du behaupten, dass dieser Kohlensack, den wir anfliegen, mit dem Verschwinden der Schiffe zu tun hat? Wenn ich richtig informiert bin, tangiert die Frachtroute höchstens einen Randbereich der Wolke.«

Die Kommandantin lächelte entwaffnend. »Ganz recht«, bestätigte sie. »Aber zumindest die XB-18 verschwand in diesem Gebiet. Die letzten im Bordbuch gespeicherten Koordinaten bezeichnen eine Position knapp innerhalb der Dunkelwolke.«

»Und wie kommen wir an die Aufzeichnung?«, fragte José Ramirez, der Waffentechniker.

»Das ist einer der großen Zufälle, die es nach logischem Ermessen gar nicht geben dürfte, und die deshalb meist als Schicksal ausgelegt werden. Ein Beiboot des Frachters wurde nach einem Hypersturm im Gebiet der Doppelsonne Aldeera aufgefunden …«

»Das ist fünftausend Lichtjahre von hier entfernt!«, platzte Duncan Lemonde erschrocken heraus, der Erste Offizier der CIMARRON. Er war zugleich langjähriger intimer Freund der Kommandantin. »Ein Beiboot, dessen Aktionsradius keine fünfhundert Lichtjahre erreicht, kann unmöglich so eine Entfernung zurückgelegt haben. Der Grund für einen Flug bis Aldeera würde mir ohnehin nicht einleuchten. Einige unserer Stützpunkte liegen wesentlich näher.«

»Das Diskusboot war von seiner Besatzung verlassen, falls du das meinst«, antwortete Diana. »Die Kontrolle lag beim Autopiloten. Und der wies eine Fülle von Fehlfunktionen aus.«

»Trotzdem«, beharrte Lemonde. »Fünftausend Lichtjahre, das ist entschieden zu viel für ein Rettungsboot.«

»Sag das nicht!«, fiel ihm die Kommandantin ins Wort. »Keinesfalls aus eigener Kraft, da pflichte ich dir bei. Aber den Schäden nach zu urteilen, die der Diskus aufwies, erscheint es durchaus denkbar. Offenbar wurde er während einer Überlichtetappe von einer Energiewoge erfasst und erst im Aldeera-System wieder freigegeben.«

»Ein Hypersturm?«

Diana Rossfeldt zuckte die Schultern. »Hast du eine bessere Erklärung?«

»Für ein derartiges Ereignis stehen die Chancen eins zu einer Million. Oder noch unwahrscheinlicher.«

»Was ist schuld am Verschwinden der Frachter?«, platzte Ramirez heraus. »Piraten? Damit rechnen heutzutage die wenigsten.«

Die Kommandantin hob den Blick. Die Brauen leicht zusammengekniffen, musterte sie den Waffentechniker.

»Piraten oder jedenfalls kriminelle Plünderer gab es zuletzt vor einem halben Jahrhundert. Der Flottenstab scheint der Ansicht zu sein, dass damals gründlich mit dem Gesindel aufgeräumt wurde, andernfalls hätte man nicht uns, sondern ein Dutzend Schlachtschiffe auf das Problem angesetzt.«

»Aber was …?«

Diana winkte ab. »Das sollen wir herausfinden. Und das Bordbuch ist zweifellos eine wichtige Spur. Bislang gibt es keine Analyse.« Sie hob die Schultern und lächelte vage. »Die Feinarbeit wurde großzügig wieder einmal uns überlassen. – Das war’s in aller Kürze.«

Sie wandte sich zu dem hufeisenförmigen Kommandoplatz in der Mitte der geräumigen Zentrale um. Abschätzend wog sie die Kassette in der Hand, legte sie in die Lesevorrichtung und nahm die Bild-Ton-Haube zur Hand, die eine dreidimensionale Wiedergabe der Aufzeichnungen erlaubte.

»Die nächste Etappe ist programmiert?«, fragte sie.

»Sprung erfolgt in fünfzehn Minuten«, bestätigte Duncan Lemonde. »Distanz zweihundert Lichtjahre. Wir werden im Randbereich der Wolke materialisieren, ziemlich genau fünf Lichtwochen von den letzten Koordinaten der XB-18 entfernt.«

Diana Rossfeldt gab ihr Okay-Zeichen, dann setzte sie sich die Haube auf und widmete sich den Aufzeichnungen. In mehr oder weniger kurzen Abschnitten klinkte sie sich ein, überging von Störungen verzerrte Passagen und zwei Hyperetappen des Frachters.

Nach gut zehn Minuten fand sie einen Abschnitt, der ihre Aufmerksamkeit fesselte.

 

*

Die Bildschirme in der Zentrale des Frachters zeigten jenes monotone, scheinbar in unaufhörlicher Bewegung befindliche Grau, das typisch war für den Flug innerhalb einer Dunkelwolke. Aufflammende Farbreflexe, für Sekunden nur und Wetterleuchten gleich, mussten als Energieentladungen im Entstehen begriffener Sterne erklärt werden.

»Restfahrt bei fünfzigtausend.«

»Konstante Beschleunigung und nächsten Hypersprung programmieren! Belastung des Schutzschirms?«

»Energiezufuhr ausreichend für Eintauchgeschwindigkeit. Die Dichte der Wolkenmaterie liegt weit unter der kritischen Konzentration.«

Routinemäßig der Ablauf der folgenden Minuten, das Summen der Konverter und der Triebwerke, die das Schiff auf die zur Transition erforderliche Geschwindigkeit beschleunigten. Dann eine erste vage Veränderung, ein Schatten, der über die Bildschirme huschte und Irritationen auslöste. Gleich darauf das Heulen des Alarms, ausgelöst vom Ersten Offizier der XB-18, der mitsamt seinem schweren Sessel herumfuhr und durch den Raum schrie: »Sprungvorbereitung abbrechen! Sofort!«

Der Pilot reagierte ohne jede Rückfrage, drosselte die Energieerzeugung und löschte mit einer hastigen Wischbewegung über sein Kontrollpult die angezeigten Zielkoordinaten.

Die Konverter reagierten jedoch nicht auf die Schaltungen. Obwohl die Triebwerke ausliefen, arbeitete die Versorgung unverändert auf Volllast. Dutzende von Kontrollanzeigen schnellten in den Warnbereich – ein flackerndes Stakkato griff um sich.

»Keine Reaktion!«, meldete der Pilot. »Völliger Kontrollverlust!«

»Ich übernehme die Notschaltung!«

Für Sekunden ebbte der Alarm ab, als der Kapitän alle Funktionen übernahm. Ein Aufatmen der Zentralebesatzung wäre trotzdem zu früh gekommen. Auf sämtlichen Schirmen erschien die blutrot blinkende GAU-Warnung.

110 Sekunden bis zum Zusammenbruch aller Abschirmungen im Maschinenraum der XB-18 und Freisetzung enormer Energiemengen.

»Raus!«, brüllte der Kapitän. »In die Beiboote!«

104 Sekunden …

Zwei Männer waren aufgesprungen, ließen sich jedoch wieder in ihre Sessel sinken. Ihnen musste klar geworden sein, dass sie es nicht schaffen konnten. Selbst wenn sie die Beiboote erreichten, würden sie kaum schnell genug ausschleusen können, um dem alles verzehrenden Glutball der Explosion zu entkommen.

Unerbittlich schmolz die Zahl auf den Schirmen. Eben noch 60 Sekunden, im nächsten Moment nur mehr 20 …

Der Kapitän schlug auf die Schaltflächen vor ihm ein, dann gab er auf und ließ sich im Sessel zurücksinken.

10 Sekunden …

Die Anzeige blieb konstant.

10 …

»Eigentlich …«, sagte jemand bebend.

Die Zahl erlosch.

»Wir leben noch?« Das klang eher fragend, keineswegs wie eine Feststellung.

Der Kapitän stemmte beide Hände auf die Armlehnen seines Sessels und richtete sich steif auf. Sein Blick sprang im Zickzack über das Kontrollpult.

»Alles nahezu normalisiert!«, rief er. »Die Energie fließt ab. Keine Ahnung, wohin. Da kommen Messungen: Ein Hyperkraftfeld umgibt uns. Unbestimmbare Intensität.«

Die Beleuchtung erlosch flackernd. Alle Bildschirme fielen ebenfalls aus. Nur der fahl grüne Schimmer der fluoreszierenden Notlichter ließ die Zentrale des Frachters nicht in völliger Schwärze versinken.

»Die Ausdehnung des Kraftfelds?«, erkundigte sich der IO.

Der Kapitän hob hilflos die Schultern. »Keine Ahnung«, antwortete er. »Ich sehe nur, dass wir offenbar mittendrin stecken.«

»Da, was ist das …?«

Diana Rossfeldt konnte in der Wiedergabe der Aufzeichnung weder erkennen, wer in der Zentrale des Frachters die Frage gestellt hatte, noch weshalb.

»Es kommt auf uns zu! Ortung?« Das war auf jeden Fall die Stimme des Kapitäns.

»Keine Ortung. Die Sensoren scheinen völlig irrsinnige Werte anzumessen.«

Eine heftige Erschütterung lief durch die XB-18. »Kursabweichung!«, krächzte die Kunststimme des Bordrechners. Zugleich wurde die Zentrale in düster rotes Licht getaucht, das von den Bildschirmen ausging.

Die optische Wiedergabe ließ erkennen, dass Strukturrisse den Schutzschirm des Frachters schwächten. Die schnellen Schaltungen des Kapitäns setzten aber keine zusätzliche Energie frei, die Belastungsanzeige stieg in den kritischen Bereich.

Erneut wurde die XB-18 wie von einer Titanenfaust geschüttelt.

Die Aufzeichnungen des Bordbuchs setzten vorübergehend in einem Schwall von Störungen aus. Minutenlang gab es nur ein wildes Durcheinander undefinierbarer Schatten und ein kreischendes Stakkato.

Diana Rossfeldt verzichtete darauf, die Wiedergabe schneller ablaufen zu lassen. Sie überzeugte sich allerdings mit einem schnellen Blick auf die Kontrollen davon, dass die CIMARRON die eingeleitete Überlichtetappe bereits hinter sich gebracht hatte. Sofort widmete sie sich wieder der Aufzeichnung.

Der Hauptbildschirm des Frachters war ausgefallen. Diana konnte deshalb nicht erkennen, was mit dem Frachter geschah. Indes deutete einiges darauf hin, dass die von den Konvertern bereitgestellte Energie nicht mehr abfloss.

»Wenn wir die Schirmfeldprojektoren länger derart hoch belasten, brennen sie aus.« Das war wieder der Kapitän. »Verrate mir einer, was das für Gebilde sind. Womit haben wir es zu tun?«

»Zehn, nein, zwölf inzwischen!«, rief der Erste Offizier. »Sie hängen fest wie die Kletten.«

Erneut verschlechterte sich die Qualität der Aufzeichnung. Energieüberschläge zuckten durch die Zentrale des Frachters. Dichter Qualm trübte die Aufzeichnung. Das Dröhnen überlasteter Aggregate und das Rauschen der Luftumwälzung, die gegen den Rauch ankämpfte, untermalten die Szenerie.

»Weitere Emissionen!«, gellte ein Aufschrei. »Da kommen mehr dieser Dinger. Mindestens zwanzig …«

Alles Weitere ging im erneuten Aufheulen des Alarms unter.

 

*

Nur langsam fand die Kommandantin in die Gegenwart der CIMARRON zurück. Mit einem schnellen Blick sah sie sich in der Zentrale des Forschungskreuzers um. Das schrille Heulen hielt an. Es kam nicht mehr von der Aufzeichnung.

Distanzalarm auf der CIMARRON!

Diana reduzierte die Intensität. »Ursache?«, fragte sie.

»Eine Strukturerschütterung, wenige Lichtminuten voraus«, antwortete Duncan Lemonde.

»Ein Raumschiff?«

»Anzunehmen, wenngleich die aufgefangenen Impulse äußerst schwach sind. Wir müssen die Auswertung abwarten.«

Diana nickte flüchtig. Auch wenn sie es sich keinesfalls eingestanden hätte, irgendetwas beunruhigte sie. Da war eine Ahnung heraufziehender Gefahr, die nur mit dem ungeklärten Schicksal der XB-18 zu tun haben konnte.

Die CIMARRON näherte sich der letzten bekannten Position des verschollenen Frachters, aber noch waren einige Billionen Kilometer zu überwinden.

Ein optisches Signal kündigte das Ende der Computeranalyse an. Duncan Lemonde nahm den ausgeworfenen Datenstreifen an sich. Während er las, weiteten sich seine Augen in ungläubigem Erstaunen.

»Was immer die Strukturerschütterung ausgelöst hat, ein Raumschiff war es bestimmt nicht«, sagte er dann, eher zu sich selbst, als für die anderen bestimmt.

»Duncan, was ist?« Die Kommandantin funkelte ihn verärgert an.

»Schwer zu definieren. Für einen Strukturriss, der sich über etliche tausend Kilometer erstreckt, habe ich keine Erklärung.« Lemonde erhob sich von seinem Platz, drückte Diana den Datenstreifen in die Hand, und zwängte sich in die Kontrollnische der überlichtschnellen Ortung zwischen seinem Terminal und dem Funk- und Ortungsplatz.

Er schaffte es nicht, Detailmessungen vorzunehmen. Eine zweite starke Erschütterung des Raum-Zeit-Kontinuums wurde angezeigt, ein punktuelles Aufreißen der übergeordneten Dimension. Diesmal in unmittelbarer Nähe der CIMARRON.

Der Forschungskreuzer glich einem welken Blatt im Wind, weil die Woge der freigesetzten Energie über ihn hinwegflutete. Nur dem aktivierten Schutzschirm war es zu verdanken, dass schwere Schäden ausblieben.

Das Schiff wurde aus dem Kurs gerissen. Die Absorber reagierten den Bruchteil einer Sekunde zu spät, und die durchschlagenden Beharrungskräfte waren extrem. Ohne den bestehenden Alarm wären wohl viele der Besatzung schwer verletzt worden. Da jedoch alle die Gurte geschlossen hatten, gab es nur leichtere Blessuren.

»Was um alles in der Welt war das?« Diana Rossfeldt starrte auf den Hauptbildschirm, der eine Flut irrlichternder Entladungen zeigte, die rings um die CIMARRON tobten.

Der Weltraum war zum Hexenkessel geworden, und mitten durch dieses entfesselte Inferno raste der Kreuzer. Jedes Molekül kosmischen Staubes schien aufzuflammen und andere in einer nicht enden wollenden Kettenreaktion mit sich zu reißen.

Die Filter schafften es kaum, die grelle Lichtflut zu dämpfen. Diana bemühte sich, sogar geblendet den Überblick zu behalten.

Die Materiedichte hatte sich bereits verzehnfacht und wuchs weiter an. Die Flugüberwachung zeigte deutlich, dass die Triebwerke gegen einen stärker werdenden Widerstand ankämpften.

»Was geschieht da?« Duncan Lemonde klang nervös. »Es hat den Anschein, als würden wir durch Sirup fliegen.«

Die CIMARRON beschleunigte kaum noch. Minuten später zeigten die Kontrollen bereits, dass der Kreuzer an Geschwindigkeit verlor. Doch als hätte gerade das eine Wende ausgelöst, wurde das Schiff wieder schneller.

Lemonde atmete hörbar auf. »Ein Messfehler?«, vermutete er. »Anders wäre es nicht erklärbar …«

»Es ist nicht erklärbar!«, fiel die Kommandantin ihm ins Wort. »Die Triebwerke liefern so gut wie keinen Schub mehr. Trotzdem werden wir wieder schneller.«

Duncan schüttelte den Kopf. »Ich sagte schon: falsche Messwerte.«

»Und ich bezweifle das. – Auf Gegenschub gehen!«, befahl Diana. »Gefechtspositionen einnehmen!«

»Was erwartest du? Piraten?«

Lemonde erhielt keine Antwort.

Die Bugdüsen wurden auf Volllast gefahren. Der Schub wäre stark genug gewesen, die CIMARRON zum relativen Stillstand zu bringen, jedenfalls zeigten die Verlaufskontrollen entsprechende Werte. Der Forschungskreuzer wurde dennoch weiter in die dichter werdende Materieballung hineingezogen.

»Dagegen kommen wir nicht an«, stellte Lemonde fest. »Hoffentlich halten die Schirme, bis wir durch sind. Eigentlich kann es sich nur um einen Ausläufer der Dunkelwolke handeln.«

»Die Schirme werden zusammenbrechen, bevor wir überhaupt das Zentrum der Ballung erreichen können.« Diana Rossfeldt zwang sich zur Ruhe. »Da: Es geht schneller los, als ich dachte …«

Entladungen zuckten durch die optische Überwachung. Blitze tanzten auf der Außenhaut der CIMARRON einen wilden Reigen. Ein Messgerät schrillte rhythmisch.

»Energie springt über, dringt ins Schiff ein!«, meldete José Ramirez.

Lemonde blickte fragend zur Kommandantin. Seine Miene gefror, weil er sah, dass sie die Notschaltung aktivierte.

»Nein!«, rief er. »Unsere Geschwindigkeit ist zu gering. Der Übertritt in den Überlichtflug wird uns in Stücke reißen.«

Diana sah kurz auf ‒ ihre Blicke trafen sich, ruhten für Sekunden ineinander. Vielleicht hast du recht, schien die Kommandantin zu denken, und Duncan nickte auffordernd. Womöglich hätte sie ihre Entscheidung rückgängig gemacht, hätte nicht erneut die Ortung angesprochen.

»Unbekannte Objekte auf Kollisionskurs!«, meldete Ruttloff.

»Distanz?«

»Zehn hoch fünf. ‒ Jetzt: neun.«

»Diana, was ist das?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Was auch immer, es könnte mit den verschollenen Frachtern zu tun haben. Jedenfalls bleibt uns keine andere Wahl. Mit der Sonne allein wären wir vielleicht klargekommen …«

»Sonne?« Lemonde verstand nicht.

»Was glaubst du, bedeutet die Materieballung? Ebenso die Energieentladungen und das starke Gravitationsfeld?«

Begreifen huschte über Duncan Lemondes Züge. Die Geburt einer Sonne! Gab es nicht Wissenschaftler, die alle Dunkelwolken als potentielle Sternenwiegen einstuften? Sicher dauerte es Jahrmillionen, bis die Staubmassen sich derart verdichteten, dass ein erster Fusionsprozess zündete. Und ringsum spielte sich erst der Anfang dieses langwierigen Prozesses ab …

Duncan Lemonde zuckte wie unter einem heftigen Schlag zusammen. Er öffnete den Mund zu einem Aufschrei, doch kein Laut drang über seine Lippen. Ein ungeheuerlicher Schmerz schwemmte jede Empfindung davon.

Mit einem letzten schwindenden Gedanken erfasste Duncan Lemonde, dass Diana die Überlichtetappe einleitete.

Die Geschwindigkeit der CIMARRON war für dieses Manöver viel zu gering.

Schwärze schlug über Duncan zusammen, eine tiefe Bewusstlosigkeit. Er nahm nicht mehr wahr, dass der Kreuzer in den Hyperraum eindrang.

 

 

2.

 

»Wir leben noch?«

Duncan Lemonde schien sich allen Ernstes zu fragen, weshalb die CIMARRON nicht explodiert war, als Wrack oder gar als halbmaterieller Impuls auf ewige Zeit durch die übergeordnete Dimension jagte. Sein Gesichtsausdruck sprach jedenfalls Bände.

Mühsam richtete er sich auf, doch ein Schwächeanfall ließ ihn taumeln. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren und rann ihm in die Augen. Er blinzelte dagegen an, dann hatte er sich endlich wieder gefangen.

Die CIMARRON befand sich wohl tief in der Dunkelwolke, die Gefahr schien vorerst gebannt zu sein.

Duncan stemmte sich aus seinem Sessel hoch. Zielstrebig, wenngleich unsicheren Schrittes, ging er zum Kursschreiber und rief die Aufzeichnung ab. »Eineinhalb Lichtjahre«, stellte er fest.

»Sind alle wohlauf?« Das war die Kommandantin. Sie schien am meisten von allen unter der Hyperetappe gelitten zu haben, ihre Blässe verriet das deutlich. Sie beugte sich über den Interkom: »Schadensaufnahme! Ausfälle melden!«

»Diana …«

»Serge?«

»Ich habe eigenartigen Funkempfang! Verstümmelte Symbolgruppen auf der Hyperwelle. Achtundzwanziger Band ‒ das heißt, der Sender kann nicht weit entfernt sein.«

»Ein Raumschiff?«

Serge Ruttloff antwortete mit einer Gegenfrage: »Wer würde auf einer Frequenz senden, die nur über wenige Lichtstunden empfangen werden kann?«

Duncan kam der Kommandantin zuvor. »Auf Lautsprecher umlegen, Serge!«, verlangte er.

Kurze, rhythmische Töne klangen gleich darauf durch die Zentrale. Sie wiederholten sich in gleichbleibendem Abstand und ergaben eine kleine Melodie …

»Ein Erkennungszeichen?«, fragte Diana verwundert. »Haben wir ein irdisches Raumschiff in der Nähe? Duncan, was sagen deine Instrumente dazu?«

Lemonde schaltete mit knappen Bewegungen. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf.

»Nicht der schwächste Reflex. Aber wenn du mich fragst: Das kann nicht normal sein.«

Diana sah ihn fragend und auffordernd zugleich an. »Du meinst, dort draußen ist mehr? Etwas Ungewöhnliches?«

»Als würden die Tasterstrahlen hängen bleiben.«

»Hyper- und Normalortung?«

Duncan Lemonde kratzte sich am Hinterkopf. »Die Normalortung zeichnet, bringt aber ebenfalls keine Ergebnisse herein.«

»Das hier dürfte von Interesse sein!« Serge Ruttloff schwenkte triumphierend einen Symbolstreifen. »Was da über Funk hereinkommt, stammt tatsächlich von einem unserer Schiffe. Und – haltet euch fest – es ist das Erkennungszeichen der XB-18.«

Diana Rossfeldt nickte keineswegs erstaunt. »Ziemlich genau das habe ich erwartet«, sagte sie. »Oder wenigstens erhofft. Wie auch immer.«

Als hätte es nur dieser Feststellung bedurft, die das Ziel der CIMARRON in scheinbar greifbare Nähe rückte, brach Sekunden später das Chaos über den Kreuzer herein. Es war, als würde der Weltraum aufreißen. Gleißende Helligkeit sprang von den Bildschirmen herab; ein gigantischer Blitz brach sich im Schutzschirm der CIMARRON und ließ die Belastung bis an die Toleranzgrenze hochschnellen.

Diana hatte Mühe, den zweihundert Meter langen, schlanken Kreuzer auf Kurs zu halten. Es gelang ihr nur unvollkommen, die CIMARRON war zum Spielball entfesselter Naturgewalten geworden.

Urplötzlich schwebte die erste Kugel vor dem Schiff …

Sie wirkte wie eine überdimensionierte, in allen Farben des Spektrums schillernde Seifenblase. Unbeweglich trotze sie dem tobenden Inferno. Niemand hätte zu sagen vermocht, woher diese Kugel gekommen war, und die CIMARRON trieb genau darauf zu.

In der Vergrößerung des Hauptbildschirms wirkte das schillernde Gebilde ungeheuer zerbrechlich ‒ und nahezu transparent.

Der Riss im All glühte unverändert. Eine lang gestreckte, brodelnde Verwerfung, die eine vage Vorstellung des Hyperraums entstehen ließ. Hier hatte er sich von selbst geöffnet. Der Anblick ähnelte den Szenen, die sich den Außenkameras beim Eintritt in eine Überlichtetappe boten, auch wenn jener Moment nur einen Sekundenbruchteil währte.

Inmitten des wesenlosen Wallens materialisierten mindestens zehn weitere Kugeln.

»Schockwelle!«, rief Duncan. »Wir …«

Ein Dröhnen, Zischen und Krachen erfüllte die Luft und machte jede Verständigung unmöglich. Von mehreren Seiten stießen die Kugeln auf die CIMARRON herab. Schon berührte die erste den Schutzschirm des Kreuzers. Doch statt in dem Abwehrfeld zu verdampfen, setzte sich die von intensiver werdenden Schlieren überlaufene Kugel zwischen den entstehenden Strukturrissen fest.

Flackernde Warnmeldungen. Ein jäher Energieabfall im Schutzschirm. Die Kommandantin reagierte gedankenschnell und schaltete die Feldprojektoren auf maximale Abgabe.

Drei weitere der jeweils mehrere Meter messenden Seifenblasen stießen auf die CIMARRON zu und hängten sich nacheinander an den Schutzschirm.

»Sie handeln gezielt, als hätten wir es mit denkenden Wesen zu tun«, überlegte Diana. »Dennoch fällt mir die Vorstellung schwer, dass Leben im Vakuum des Alls existieren und sogar die Barriere des Hyperraums überwinden kann. Eher haben wir es mit einer Naturerscheinung zu tun ‒ oder es handelt sich um eine Waffe.«

»Die Kugeln ziehen unsere Energie ab«, bemerkte Duncan nach einem Blick auf die Leistungsanzeige. »Die Bedrohung ist deutlich genug.«

»Solange nicht noch mehr kommen, hält der Schirm!«, rief Ramirez. »Maximal dreißig Minuten – für länger würde ich die Hand aber nicht ins Feuer legen.«

»Wir müssen dagegen vorgehen«, sagte Lemonde. »Was steckt hinter diesen schillernden Blasen? Ich halte sie für Ballungen einer uns unbekannten Energieform. Aber das sollte sich feststellen lassen.«

In einer Seitenwand der Zentrale verliefen die Zuleitungen zu den Schirmfeldprojektoren. Gemeinsam mit zwei Technikern entfernte der Erste Offizier die Abdeckungen und legte einige der schenkeldicken Kabelstränge frei. Alles verlief problemlos. Erst als er einen der Analysatoren für die Testverbindung einsteckte, gab es einen peitschenden Knall. Das handliche Gerät explodierte geradezu. Eine Flammenzunge stach aus dem Anschluss hervor und traf Duncan. Er wurde zur Seite geschleudert und blieb regungslos und mit verrenkten Gliedern liegen.

Diana Rossfeldt schrie auf. Ramirez beugte sich da schon über Lemonde und fühlte nach dessen Puls.

»Duncan lebt«, sagte der Waffentechniker aufatmend.

Ein Dröhnen hallte durch die CIMARRON. Von außen kommende Vibrationen pflanzten sich ins Schiffsinnere fort.

»Entladungen zwischen Schutzschirm und Rumpf!«, meldete Ruttloff. »Sie springen von den Kugeln über.«

Die Kommandantin nickte schwer. Nicht nur sie dachte in dem Moment an die Aufzeichnungen im Bordbuch der XB-18. Bestand ein Zusammenhang zwischen den schillernden Kugeln und dem Verschwinden des Frachters? Bislang war unbekannt, wer oder was die XB-18 angegriffen hatte, doch war es dort zu ähnlichen Erscheinungen gekommen.

Der Schutzschirm schimmerte mittlerweile in einem matten Grau. Zudem zog er sich enger um die CIMARRON zusammen.

Fast jeder in der Zentrale des Kreuzers starrte auf den Hauptbildschirm. Der Schutzschirm ließ kaum mehr Helligkeit durchdringen.