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Probleme, Probleme, Probleme! Problem 1: Ein Erzähler auf der Suche nach einer Hauptfigur für seine Liebesgeschichte. Doch all die Kandidaten und Kandidatinnen wollen nicht so, wie er will. Was kann er da am Ende nur tun? Problem 2: Ein Mann und eine Frau. Wiederholt zufällige Begegnungen im Nirgendwo der Großstadt. Was werden die beiden am Ende daraus nur machen?? Problem 3: Einem jungen, aufstrebenden Anwalt in Berlin stirbt die Mutter. Sie hinterlässt einen Brief. Er liest den Brief und findet sich mit einer Vergangenheit konfrontiert, von der er nichts wusste und die sein geordnetes Leben zu zerstören droht. Soll er sich ihr stellen??? Für all diese Probleme sucht der vorliegende Band mit Texten David Jordans aus dem Jahr 2016 nach Lösungen, nein! Happy Endings.
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Seitenzahl: 125
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Und nun?
IN
MEMORIAM
Mechthild Heede
&
Reinhold Badziong
&
Edith König
&
Ilse Wagenschütz
Exposition
Danach
Komplikation
Familienwahrheiten. Ein Anfang
Peripetie
Davor
Retardation
Das ist die Geschichte von Mike. Sie sehen ihn hier, wie er an seinem Schreibtisch in dem Großraumbüro der Firma sitzt, die ihn beschäftigt. Sie sehen ihn hier, wie er gerade gewissenhaft seiner Arbeit nachgeht, dieser pflichtbewusste Angestellte, der er ist.
Oder Sie sehen es auch nicht, denn gerade eben schloss Mike seine Augen. Hallo, Mike? Das war hier nicht der Plan!
Ist er etwa eingeschlafen? Ist sein Job wirklich so langweilig, wie er aussieht?
Jetzt fällt auch noch sein Kopf nach vorne und knallt volle Kanne auf die Schreibtischplatte. AUA! Na, wenn das nicht ein Wachruf ist, dann weiß ich auch nicht!
Er wacht nicht auf. Da schlägt er voll auf und pennt einfach weiter. Wie ist das nur möglich? Ist der Job wirklich so scheißlangweilig? Hallo, Mike! Wach auf! Du wirst gebraucht. Das hier ist deine Geschichte. Ohne dich geht hier gar nichts, verstehst du das denn nicht?
Hallo, Mike? Mike! Ich bin`s, dein bester Freund, dein einziger, den du hast. Genug davon! Wach auf, erheb dich, arbeite, erwarte das Schicksal, das ich dir zugedacht habe.
Nichts zu machen, er hört mich nicht. Da müssen wir wohl zu anderen Mitteln greifen! Gehen wir zu ihm hin und rütteln ihn wach. So kann das hier nicht mehr weitergehen.
Was aber seh ich da? Sehen Sie es auch? Er atmet nicht. Mike atmet nicht mehr.
Auf was für Ideen kommst du da nur, Mike? Das geht so nicht. So gar nicht geht das. Ich verstehe ja, dass dein Job sterbenslangweilig ist. Ich weiß ja, dass deine Ehe schon lange wie ein toter Fisch kieloben im Wasser treibt. Aber das sind alles keine Gründe, hier jetzt den toten Mann zu machen. Gerade jetzt, wo die Firma beschlossen hat, dich freizusetzen, die Nachricht ist schon auf dem Weg zu dir. Und ausgerechnet jetzt, wo deine Frau Kind und Kegel in ihren SUV verfrachtet, um sich zu ihren Liebhaber aufzumachen, um dich für immer zu verlassen. Sicher alles keine guten Neuigkeiten, gewiss, aber du musst das positiv sehen! Du verlierst nicht deine Existenz, du gewinnst deine Freiheit wieder. Du verlierst nicht Heim und Herd, nein, du entkommst endlich der Kerkerhaft deiner Ehe und wirfst deine Ketten ab. Alles gute Gründe, zu leben!
Schau doch nur, Mike! Die junge Frau, die da an deinem Tisch vorbeiläuft und gar nicht bemerkt, wie du da so tot rumhängst, weil sie nur Augen für ihr Smartphone hat. Das ist Kim.
Sieht sie nicht gut aus? Die hättest du haben können, wenn du dich nicht vorzeitig aus völlig lächerlichen Gründen der Langeweile und Hoffnungslosigkeit dazu entschieden hättest, dem Leben Lebewohl zu sagen und den Löffel abzugeben, der aus purem Gold war (relativ gesehen).
Schau sie dir doch nur an, Mike: dieses Fahrgestell, diese Frontpartie, dieser Heckspoiler. Ein feuchter Traum für jeden Autonarr, diese Kim. Wär das denn nichts?
Aber ich seh schon: Mit dir ist es hoffnungslos. So nimm es mir aber auch nicht übel, wenn ich mich von nun an Kim widme. Wer nicht will, hat bekanntlich schon.
Fortsetzung folgt.
Er wusste nicht, warum er der Frau, die er nicht kannte, in den Schnee hinaus folgte. Der Frau, die er nicht mehr kannte. Aber was hieß das schon heute noch? Was bedeutete schon Entfremdung, wenn es da immer noch eine körperliche Reaktion gab? Und die musste es zweifelsohne geben. Es musste da immer noch eine gewisse Anziehung geben, warum sonst sollte er ihr hier hinaus in den Schnee folgen?
„Ich kann das nicht mehr“, dachte er bei sich, sprach es aber nicht laut aus.
„Dann lass es“, sagte sie mit einem Lächeln in der Stimme, ohne sich umzudrehen. Sie kannte ihn.
Unbeirrbar stapfte sie auf den Wald vor ihnen zu.
Er folgte ihr.
„Warum kannst du mich nicht gehen lassen?“ fragte sie, ohne sich umzudrehen. „Ich denke, es liegt daran, dass da noch zu viel ist, das unbekannt ist. Da ist noch zu viel Fremdes, das du kennen lernen möchtest“, beantwortete sie dann selbst die Frage.
Der Schnee lag hier höher. Zudem setzte auf einmal Schneefall ein. Er wusste nicht mehr weiter. Also folgte er ihr in den Wald. Sie hatte ja Recht, eigentlich kannten sie sich nicht, weil sie sich gekannt hatten.
Er blieb stehen.
„Welchen Sinn soll das Ganze hier haben? Sag es mir oder ich gehe zurück.“
„Zurück? Zurück wohin? Zurück zu wem? Vergiss nicht, es ist meine Geschichte“, sagte sie und drehte sich dann um. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht feuerte sie einen Schneeball auf ihn ab, der ihn mitten auf seine dicke Winterjacke traf.
Für einen Moment überlegte er, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, doch dann entschied er sich dazu, durch den Schnee zu stürmen und sich auf sie zu stürzen.
Lachend landeten beide im Schnee. Sie unter ihm. Er zögerte einen Moment. Er schaute ihr in die Augen. Erwartungsvoll sah sie ihn an.
Er küsste sie.
Sie versteifte sich einen Augenblick lang, doch dann entspannte sich ihr Körper wieder und sie küsste ihn zurück, bis sie plötzlich zu lachen anfing.
Er war davon so überrascht, dass er sich von ihr in den Schnee wälzen ließ, so dass sie nun obenauf war.
Sie lachte ihn an und beugte sich dann runter, um ihn zu küssen.
Als sie sich für einen Augenblick löste, fragte er: „Wohin soll das Ganze führen?“
Sie sah ihn an, lächelte: „Immer gleich ums Große-Ganze besorgt. Frag doch lieber, wohin ich dich jetzt führen werde.“
„Wohin?“ fragte er.
Sie lächelte, stand auf, ergriff eine Hand von ihm. Er ließ sich von ihr hochziehen.
„Komm“, sagte sie freudig lachend. „Lass es uns herausfinden.“
„Das soll es also sein?“ fragte er, als sie endlich vor einer fast vollkommen zugeschneiten Hütte stehen blieb.
„Ja“, sagte sie.
„Hilf mir, den Eingang freizumachen“, sagte sie und begann mit ihren Armen, einen Berg Schnee vor der Tür der Hütte wegzuschieben.
Er folgte ihrer Aufforderung und bald schon war der Eingang der Hütte freigeschaufelt.
„Was ist so Besonderes hier?“ fragte er schwer atmend.
„Lass es uns herausfinden“, sagte sie ebenso schwer atmend und zerrte dann am Türgriff.
Die Tür der Hütte rührte sich zuerst überhaupt nicht. Erst als er ebenfalls mit am Türgriff zog und zerrte, öffnete sie sich langsam und widerstrebend widerspenstig Millimeter um Millimeter unter einem durch Mark und Bein gehenden Kratzgeräusch von Metall auf Stein.
Schließlich war die Tür weit genug geöffnet, dass sie beide hindurchschlüpfen konnten.
Die Tür wieder zuzuziehen, erwies sich dann erstaunlicherweise einfach. Es war fast, als fiele die Tür von alleine zu.
„Und jetzt?“ fragte er, als sie beide in der Mitte der dunklen Hütte standen.
„Woher soll ich das wissen? Lassen wir uns überraschen“, antwortete sie.
Er setzte sich daraufhin auf einen Schemel und versuchte, sich im dämmrigen Licht der Hütte zu orientieren. Sie setzte sich auf eine Bank ihm gegenüber und sah ihn erwartungsvoll an.
_ _
Hatte sie ihn damals auch so erwartungsvoll angesehen? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Es war Sommer gewesen. Er war in der U-Bahn. Da sah er sie das erste Mal. Er stand mit dem Rücken zum Gang und konnte so im Fenster all die Leute sehen und gänzlich unbemerkt studieren, die sich während der Fahrt durch die dunklen Tunnel darin spiegelten. Sie saß auf der Bank in seinem Rücken, etwas schräg von ihm. Dank des ‚Spiegels‘, den das Fenster bot, hatte er volle Sicht auf sie. Sie war ihm nicht sofort aufgefallen. Nachdem er sie jedoch bemerkt hatte, ließ er seinen Blick immer wieder zu ihr, das heißt: zu ihrem Spiegelbild gleiten. Er merkte, wie sie ihm von Mal zu Mal besser gefiel. Ihm wurde bewusst, dass aus seinem Blickegleiten und Blickeschweifen und Blickewerfen hier und da ein permanentes und immerwährendes Starren wurde. In gewisser Weise war es ihm schon fast peinlich. Aber, so sagte er sich, er starre in Wirklichkeit nicht sie an, sondern nur ihr Spiegelbild, ja, in Wirklichkeit nicht einmal das, sondern auf die Haltestelle, in die die U-Bahn jetzt einfuhr.
Als der Zug aber wieder in die Dunkelheit des Tunnels eintauchte, sah er erneut ihr Spiegelbild, das, so schien es, in seine Richtung zu blicken schien. Schnell wand er den Blick ab. Sah sie ihn wirklich an? Oder nur sein Spiegelbild im Fenster? Er wagte einen Blick auf ihr Spiegelbild. Es schien wirklich so, als sah sie sein Spiegelbild an. Aber warum sollte sie das tun? Was hatte sie davon? Und tat sie es denn wirklich und wahrhaftig? Ihn packte auf einmal das Verlangen, sich umzudrehen und sich davon zu überzeugen, dass er sich nichts einbildete.
Als er sich jedoch endlich dazu durchgerungen hatte, hielt die U-Bahn schon in der nächsten Haltestelle. Die Türen öffneten sich und ein gigantischer Menschenpulk strömte in den Wagen. In wenigen Sekunden war alles voller Menschen zugestellt, so dass er sie nicht mehr als Spiegelung im Fenster sehen konnte, wenn die U-Bahn durch die Tunnel eilte.
Ein paar Stationen weiter lichtete sich der Wagen aber dermaßen, dass er wieder freie Sicht auf die Sitzbank in seinem Rücken hatte. Doch sah er sie dort nicht mehr sitzen. Selbst als er sich jetzt endlich umdrehte, um sich nicht mehr mit dem Spiegelbild abgeben zu müssen, blieb sie verschwunden. Sie musste irgendwann irgendwo vorher von ihm unbemerkt ausgestiegen sein.
Das zweite Mal, es war Herbst, hätte er sie fast übersehen. Er saß müde zu später Stunde in einem Zug der gleichen U-Bahn-Linie. Er ließ seine Blicke hier und da über die anderen Fahrgäste wandern, doch sah er nicht wirklich jemanden, da er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Doch plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er schaute von seinen Händen auf und ließ seinen Blick über die Leute im Wagen gleiten.
Wirklich! Da starrte ihn eine Frau geradezu ganz unverfroren an, während sie an ihrem Handy mit jemandem quasselte. Er schaute schnell wieder weg. Und schaute schnell wieder hin. Die Frau hatte den Blick nicht von ihm abgewandt. Ja, es erschien ihm, als sei er sogar noch durchdringender geworden. Warum nur? Was schaute sie ihn überhaupt an? Es schmeichelte ihm zwar, dass sie ihn nicht so feindlich anstarrte, wie viele andere – vor allem sehr junge – Frauen das in der U-Bahn zuweilen taten, aber so besonders war er doch auch nicht. Kannte sie ihn etwa? Kannte er sie? Er versuchte sich daran zu erinnern, wo er sie schon einmal getroffen oder gesehen haben könnte. Er brauchte die Entfernung zwischen drei Haltestellen, bis er endlich darauf kam. Während dieser Zeit warf er immer nur kurze Blicke in ihre Richtung, während sie ihm weiterhin unverhohlen voll ins Gesicht starrte, dabei aber weiterhin unablässig in ihr Handy quatschte.
Als er endlich darauf kam, wo er sie schon einmal gesehen hatte, wusste er zunächst nicht weiter. War ihr Starren ihre Rache für sein Starren zuvor? Oder starrte sie einfach nur so gedankenverloren vor sich hin, während sie in ihr Handy plapperte? Oder war sie vielleicht etwa an ihm interessiert? Wirklich interessiert.
Er wagte einen weiteren kurzen Blick in ihre Richtung. Und schaute sofort wieder weg. Hatte sie da etwa gerade einladend eine Augenbraue gehoben?
Er rang mit sich, was zu tun sei und was er tun solle.
Da fuhr die U-Bahn in die nächste Haltestelle ein. Die Türen gingen auf. Unter den wenigen zusteigenden Fahrgästen war ein junger Mann, der lächelnd und winkend auf die Frau zukam und sich zu ihr beugte, um ihr vor all den anderen Fahrgästen genau auf den Mund einen Kuss zur Begrüßung zu geben, als er sich endlich dazu durchgerungen hatte, in Aktion zu treten. So sah er, wie die Frau und der Mann sich küssten.
Mit niedergeschlagenem Blick ließ er sich in seinen Sitz zurückfallen, so dass er gar nicht mitbekam, wie sie ihn ansah. So, als wolle sie sagen: Selbst schuld!
Auch wenn es viele freie Sitzplätze in der Bahn gab und seine Haltestelle noch einige Stopps entfernt war, stand er in einer der Türen. Auf der Seite, auf der sie bei seiner Haltestelle aufgehen würde. Es war Winter. Er stand da und dachte an nichts Besonderes, bis er plötzlich fühlte, wie jemand neben ihm stand. Er warf einen kurzen Blick in die Fenster der Türen, die in den dunklen Tunneln wie Spiegel wirkten.
Da er die Person aber auf diese Weise nicht richtig sehen konnte, warf er kurzentschlossen einen kurzen Seitenblick auf sie.
Sein Blick traf auf einen Blick, der auf den seinen nur gewartet hatte.
Hastig wollte er sich schon abwenden. Doch da war dieser Blick, den ein Lächeln begleitete, wie er es schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Meinten der Blick und dieses Lächeln etwa ihn?
Er zwang sich, den Blick nicht abzuwenden, sondern den anderen Blick zu erwidern.
„Erinnerst du dich? Zweimal hattest du die Chance. Zweimal hast du sie nicht genutzt. Nun will ich aber meine Chance nutzen und das hier zu meiner Geschichte machen“, sagte die Frau.
Er verstand sofort, was sie meinte, denn er hatte sie sofort erkannt. So sah er sie nun zum dritten Mal! Aber er wusste nicht, wie er auf das, was sie soeben gesagt hatte, reagieren sollte.
Aber das brauchte er auch gar nicht, denn als sich plötzlich die Türen der Bahn auf seiner Seite öffneten, ergriff sie seine Hand und zog ihn mit sich fort.
_ _
Es war kalt in der kleinen Hütte. Er schaute sich in ihr um. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das Halbdunkel. Er entdeckte einen Kamin. Einen Stapel Holzscheite daneben. Er stand auf und ging zum Kamin, um Feuer zu machen. Dann stellte er sich vor den Kamin und hielt seine Hände wärmend gegen das Feuer.
Einen Augenblick später stand sie neben ihm und hielt ihre Hände ebenfalls wärmend gegen das Feuer.
„Und jetzt?“ fragte er und schaute sie an.
„Was jetzt?“ fragte sie zurück und sah ihn an.
„Wie geht sie zu Ende, deine Geschichte?“ fragte er.
Sie sah ihn lächelnd an, bevor sie ihn in ihre Arme zog und an sich drückte: „Soll es wirklich nur meine Geschichte bleiben? Ist es das, was du möchtest?“
„Nein“, erwiderte er, ohne zu zögern, bestimmt.
„Dann ist es von jetzt an unsere Geschichte“, sagte sie und lächelte ihn an. „Aber wenn es sich hier um unsere Geschichte handelt, dann lautet die Frage nicht, wie sie endet, sondern wie sie weitergeht.“
„Wie geht unsere Geschichte weiter?“ fragte er.
„Was weiß ich? Lassen wir uns überraschen“, sagte sie und küsste ihn lächelnd.
Sie lag, die Arme auf seiner Brust verschränkt, auf ihn. Sie sah ihn an, der den Kopf gegen die Wand hinter sich gestützt hatte.
„Warum so nachdenklich?“ fragte sie. „Du denkst doch nicht etwa über die Zukunft nach?“
Sie lachte.
Er richtete seinen gedankenverlorenen Blick auf sie: „Was wäre daran so falsch, wenn es denn so wäre?“