fouND - Andi Rock - E-Book

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Andi Rock

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Beschreibung

Megacity Metro Manila, Stadt der Widersprüche. Bitterste Armut herrscht in den berüchtigten Slums. Tausende obdachlose Kinder streifen durch die Straßen, die von Gangs dominiert werden. Sie alle träumen von Downtown Manila, die Glitzerwelt der Reichen, deren Wolkenkratzer und Glasfassaden symbolisch zum Himmel ragen.Die Jugendbande der PEAKS um ihren Anführer Rey versucht sich mit Kleindelikten über Wasser zu halten. Währenddessen tobt auf den Straßen ein Kampf. Rivalisierende Clans ringen um die Vorherrschaft im Drogenhandel und der Prostitution. Gewalt und Mord sind an der Tagesordnung. Auch die PEAKS können sich nicht dem gnadenlosen Verdrängungskrieg entziehen. Bei einer Kollision mit den MAD DOGS, den heimlichen Herrschern der Stadt, brechen diese eine tödliche Vendetta vom Zaun. Auf Rache sinnend, bereiten sich Rey und seine Freunde auf den Tag der Abrechnung vor.Todbringende Tsunami, brodelnde Vulkane, wütende Taifune. Andi Rock nutzt für den ersten Teil seines zweiteiligen Thrillers @fouND die atemberaubende Naturkulisse der Philippinen als Schauplatz einer Geschichte um Leben und Tod, um Sex und Gewalt, aber auch um Liebe und Hoffnung.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL 1 - PEAKS

Mittwoch, 21. März 2001

Samstag, 24. März 2001

Sonntag, 25. März 2001

Dienstag, 27. März 2001

Sonntag, 01. April 2001

Dienstag, 03. April 2001

Donnerstag, 05. April 2001

Freitag, 06. April 2001

Sonntag, 08. April 2001

Freitag, 13. April 2001

Sonntag, 15. April 2001

Mittwoch, 18. April 2001

Samstag, 28. April 2001

Dienstag, 01. Mai 2001

Samstag, 12 Mai 2001

Samstag, 26. Mai 2001

Montag, 28. Mai 2001

Donnerstag, 31. Mai 2001

Sonntag, 3. Juni 2001

Dienstag, 5. Juni 2001

Dienstag, 12. Juni 2001

KAPITEL 2 - PACIFICO

Montag, 1. November 2004

Montag, 15. November 2004

Donnerstag, 09. Dezember 2004

Samstag, 18. Dezember 2004

Sonntag, 26. Dezember 2004

Dienstag, 28. Dezember 2004

Freitag, 31. Dezember 2004

Samstag, 01. Januar 2005

Samstag, 08. Januar 2005

Sonntag, 09. Januar 2005

Donnerstag, 13. Januar 2005

Freitag, 14. Januar 2005

Samstag, 15. Januar 2005

Montag, 17. Januar 2005

Donnerstag, 20. Januar 2005

KAPITEL 3 - ANGELES CITY

Juni 2001 – Dezember 2004

Donnerstag, 10. Mai 2005

Freitag, 11. Mai 2005

Samstag, 12. Mai 2005

Samstag, 19. Mai 2005

Samstag, 16. Juli 2005

Donnerstag, 04. August 2005

Freitag, 02. September 2005

Dienstag, 06. September 2005

Mittwoch, 14. September 2005

Samstag, 01. Oktober 2005

Sonntag, 02. Oktober 2005

Montag, 03. Oktober 2005

KAPITEL 4 - DURIAN

Dienstag, 01. August 2006

Donnerstag, 03. August 2006

Donnerstag, 10. August 2006

Samstag, 12. August 2006

Montag, 14. August 2006

Samstag, 19. August 2006

Samstag, 26. August 2006

Mittwoch, 06. September 2006

Samstag, 07. Oktober 2006

Montag, 16. Oktober 2006

Montag, 27. November 2006

Mittwoch, 29. November 2006

Donnerstag, 30. November 2006

Freitag, 01. Dezember 2006

Samstag, 02. Dezember 2006

Sonntag, 03. Dezember 2006

Samstag, 09. Dezember 2006

KAPITEL 5 - MASSAKER

Sonntag, 15. November 2009

Sibuyan

Donnerstag, 19. November 2009

Mindanao

Sibuyan

Mindanao

Sibuyan

Freitag, 20. November 2009

Sibuyan

Samstag, 21. November 2009

Mindanao

Sonntag, 22. November 2009

Mindanao

Montag, 23. November 2009

Mindanao

++ GMA TV – Evening News: Mindanao

Dienstag, 24. November 2009

++ GMA TV – Morning News: Mindanao

++ GMA TV – Daily News: Mindanao

Mittwoch, 25. November 2009

Sibuyan

Mindanao

Donnerstag, 26. November 2009

Mindanao

Freitag, 27. November 2009

Samstag, 28. November 2009

Mindanao.

Sonntag, 29. November 2009

Montag, 30. November 2009

Mindanao

Samstag, 05. Dezember 2009

Mindanao

KAPITEL 6 - HYDRA

Donnerstag, 10. Juni 2010

Freitag, 11. Juni 2010

Samstag, 12. Juni 2010

Sonntag, 13. Juni 2010

Dienstag, 15. Juni 2010

Mittwoch, 16. Juni 2010

Donnerstag, 17. Juni 2010

Freitag, 18. Juni 2010

Samstag, 19. Juni 2010

Sonntag, 20. Juni 2010

Donnerstag, 24. Juni 2010

Dienstag, 29. Juni 2010

Samstag, 03. Juli 2010

Sonntag, 04. Juli 2010

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6:21 Uhr

EPILOG

PROLOG

»Und wie willst du ihn kaltmachen«, fragte der ältere Mann den Jungen.

Der Junge zog ein Messer aus der Tasche und klappte es aus. Die Klinge blitzte beeindruckend auf und die Morgensonne spiegelte sich darin so intensiv, dass er für einen Moment die Augen geblendet zukneifen musste. Keine Frage, wenn das Opfer diesen Stahl ins Herz getrieben bekam, dann war die letzte Sekunde seines Lebens eingeläutet. Allerdings beantwortete das Messer allein nicht die Frage.

»Dazu musst du aber zuerst an ihn herankommen?«, legte der ältere Mann nach.

»Ich habe einen Plan«, antwortete der Junge.

»Und der ist sicher?«

»Todsicher«, bestätigte der Junge und lächelte den älteren Mann aus seinen fünfzehnjährigen Augen schüchtern an. Sein Blick wirkte so unschuldig, kein Außenstehender würde böse Arglist hinter diesen Augen vermuten. Dazu musste man ihn kennen.

Der ältere Mann war beeindruckt von der scheinbaren Gefühllosigkeit des Jungen. Er selbst war im letzten Jahr gerade erst dreißig Jahre alt geworden, aber wenn er die heutigen Berufseinsteiger sah, fühlte er sich wie ein Relikt. Er verfügte über jahrelange Erfahrung bei der Ausübung von Auftragsmorden, aber eine solch reuelose Kälte, wie sie dieser Teenager vor ihm ausstrahlte, hatte er nie empfunden. Es machte ihm etwas Angst. Die kompromisslose Skrupellosigkeit der heutigen Jugend musste über kurz oder lang in der Gesellschaft eskalieren. Aber das sollte seine Sorge heute nicht sein.

Er war Profi und als solcher war er jetzt überzeugt, dass der heikle Job in den richtigen Händen lag. Er griff in seine Tasche, zog ein Bündel Peso hervor, zählte einen Betrag ab und reichte die Scheine dem Jungen.

»Den Rest bekommst du, wenn der Job erledigt ist.« Der Junge schnappte sich ohne Widerspruch das Geld und schob es gleichgültig in seine Jackentasche.

»Wann schlägst du zu?«

»Heute Nachmittag sehe ich mir das Ziel an. Nach der Schule«, antwortete der Junge, drehte sich um und betrat den Schulhof. Die Pause war beendet.

Das Gelände des Golfklubs zu betreten war normalerweise unkompliziert. Zwar gab es eine Pforte, an der jedes Fahrzeug automatisch vor der Schranke anhalten musste, aber der Pförtner erwartete keine feste Buchung, um den Weg freizumachen. In der Regel genügte es, die Absicht auf eine spontane Golfrunde zu äußern und schon hob sich der Schlagbaum wie von Zauberhand bewegt. Das Problem lag eher darin, von wem diese Worte kamen. Einem ausländischen Gast mit eigenem Fahrzeug wurde freundlich bei der Durchfahrt gegrüßt, aber einem minderjährigen Jungen, der zu Fuß an der Pforte erschien, wurde der Zutritt grundsätz lich verwehrt, es sei denn, er hatte eine plausible Geschichte zu erzählen.

»Hast du dich verirrt?«, fragte der Pförtner durch die geöffnete Scheibe, als der Junge an sein Häuschen trat.

»Ich soll mich eine halbe Stunde vor zehn Uhr hier melden«, antwortete der Junge selbstsicher. »Einer dieser reichen Kerle benötigt einen Caddie.«

Der Pförtner musterte den Jungen. Der Golfklub verfügte über eine ausreichende Anzahl an qualifizierten Caddies, allerdings kam es immer wieder vor, dass ein Job an Personen außerhalb des Klubs vergeben wurde. Gewisse exklusive Kreise bevorzugten einen Service, der über die Dienstleitung eines angestellten Caddies hinausging. Bisher waren es allerdings immer junge Mädchen gewesen, die dafür engagiert wurden. Einen Jungen hatte er in dieser Angelegenheit noch nie beobachtet und zu Fuß erschien in seiner Schicht bisher auch noch keiner. Normalerweise wurden die externen Kräfte in einem unauffälligen Fahrzeug angeliefert und später darin wieder abgeholt.

»Wieso kommst du nicht mit den anderen?«

»Ich weiß nichts von anderen. Man hat mir gesagt, ich soll mich hier melden, also mache ich das.« Der Junge schaute ihn gelangweilt an.

Der Pförtner zögerte einen Moment. Er war informiert worden, dass am Morgen Gäste den Klub besuchten, für die externe Caddies bestellt waren und er wusste, was dies bedeutete. Was sollte er tun? Sollte er sich noch mal rückversichern, ob auch ein Junge erwartet wurde? Er konnte die Peinlichkeit vor Augen sehen, die diese Frage auslösen würde.

»Soll ich wieder gehen und meinem Auftraggeber mitteilen, dass es Probleme gegeben hat?«, riss ihn der Junge aus seinen Überlegungen.

Der Pförtner verdrängte seine Zweifel. »Nein. Du kannst durchgehen, immer den Weg entlang. Melde dich am Klubhaus.« Er deutete mit den Armen ins Gelände.

Der Junge brummte als Zeichen, dass er verstanden hatte, und lief am Empfangshäuschen vorbei ins Gelände des Golfklubs. Wie angewiesen folgte er dem Weg. Der Pförtner sah ihm noch einige Sekunden nach. Ein Bild schoss ihm durch den Kopf, bei der Vorstellung daran musste er ungewollt grinsen. »Würde mich interessieren, um wessen Bälle sich der Junge kümmern muss.«

Obwohl das Gelände eines Golfplatzes riesig ist, war es alles andere als einfach, sich über mehrere Stunden darin zu verstecken. Aber damit musste der Junge klarkommen. Die Alternative wäre gewesen, erst kurz vor Ende der Golfrunde zu erscheinen, aber dann wäre er nicht auf das Gelände gekommen. Nein, er musste sich vor Beginn der Golfrunde anmelden, um den Pförtner hinters Licht zu führen. Er hoffte nur, dass der Mann an der Pforte nicht über die exakte Anzahl der jugendlichen Besucher informiert war und wenn doch, dass er das Innere des Fahrzeugs der anderen Caddies nicht näher prüfen würde, sonst hätte er die zahlenmäßige Ungleichheit schnell entdeckt. Allerdings hatten ihm Mädchen zuvor bestätigt, dass sie noch nie genauer kontrolliert wurden, und darauf baute er auch heute. Zu Recht, wie sich zeigte. Der Pförtner wurde oberflächlich über den Besuch informiert, Details nannte man ihm keine. Wozu auch?

Anfangs versuchte der Junge, die Zeit auf dem weiten Gelände des Golfplatzes zu überbrücken. Was zuvor einfach erschien, entwickelte sich zu einem echten Problem. Egal wo er sich befand, menschenleer war es an keiner Stelle. Alle paar Minuten kam eine Gruppe Golfer an ihm vorbei, die seine Anwesenheit skeptisch betrachteten, sodass er immer schnell das Weite suchte. Noch kritischer waren die Greenkeeper, die anscheinend nichts Besseres zu tun hatten, als mit ihren großen Rasenmähern alle Winkel des Platzes nach Plan abzufahren. Der eine oder andere rief ihm etwas hinterher, worauf er etwas zurückrief, was sie durch den Lärm ihrer Maschinen nicht hören konnten. Dann entfernte er sich schnell, bevor einer der Angestellten auf die Idee kam, ihn näher zu befragen. Das größte Problem aber waren die Angestellten, die er nicht schon von Weitem an ihrem Lärm ausmachen konnten. In regelmäßigen Abständen fuhren Platzaufsicht und Verpflegungswagen die Bahnen entlang, deren Elektrofahrzeuge akustisch kaum wahrnehmbar waren. Er gab sich alle Mühe, unauffällig zu bleiben, was aber selbst auf einem fünfzig Hektar großem Golfplatzgelände nahezu aussichtslos war.

Nach einer Stunde Dauerflucht über den Platz entschloss er sich, in der Nähe des Klubhauses einen Unterschlupf zu finden. Er versteckte sich auf dem Parkplatz hinter einem der abgestellten Fahrzeuge und beobachtete das Treiben hinter dem Klubhaus. Alle fünf Minuten erschienen Golfer, die dort einen zuvor bereitgestellten Buggie in Empfang nahmen und sich auf die Runde machten. Zwischen den einzelnen Gruppen entstand immer eine Pause von etwa zwei bis drei Minuten, an denen niemand zu sehen war.

Der Junge probierte es. Direkt nachdem eine Gruppe zur ersten Golfbahn losgefahren war, lief er vom Parkplatz zum Gebäude und betrat den Eingang, der mit »locker room« beschriftet war. Vorsichtig lief er in den Flur und betrat den Raum, der für die Herren reserviert war. Als er die Schwingtür öffnete, lief er einem Golfer direkt in die Arme. Erschrocken zuckte er zusammen, aber der Mann nickte ihm zu.

»In den Duschen fehlen Handtücher«, sagte er zu dem Jungen und lief an ihm vorbei, ohne ihm einem weiteren Blick zu gönnen.

Der Junge atmete auf. Er blickte sich um und erkannte die Toiletten. Schnell betrat er die linke hintere Kabine, verriegelte hinter sich die Tür und setzte sich auf den heruntergeklappten Toilettensitz. Zum ersten Mal auf dem Golfplatzgelände fühlte er sich unsichtbar.

»Hast du heimlich trainiert?« Der Oberst blickte ungläubig dem Ball seines Mitspielers hinterher, der hoch über den künstlichen See flog, als würde er die Gesetze der Schwerkraft einfach ignorieren. Zu seinem Überdruss landete er mitten auf dem Grün, hatte aber noch so viel Fahrt, dass er an der Fahne vorbei bis zum hintern Rand rollte.

Der Oberst schöpfte Hoffnung, da er um die Gefahren hinter dem Grün wusste, doch der Ball verlor immer mehr an Tempo und blieb vor einem der beeindruckend tiefen Grünbunker liegen, die eigentlich die Fahne verteidigen sollten. Dieses Mal jedoch sollte der Bunker beschäftigungslos bleiben. Der Oberst wusste, was dies bedeutete. Da dies erst der dritte Schlag auf der letzten Bahn war und seinem Mitspieler noch zwei Schläge zum Putten übrig blieben, lag der Ball aussichtsreich zum Par.

»Heute ist das Glück mal auf meiner Seite«, rief sein Mitspieler übermütig. Dabei beugte er seinen Kopf zu dem Mädchen, das neben ihm im Cart saß und ließ sich zur Belohnung für den guten Schlag einen flüchtigen Kuss geben.

Der Oberst ärgerte sich etwas. Normalerweise gewann er die Matches gegen seinen Dauerrivalen. Heute jedoch lief es von Anfang an schief. Es half nichts, die Rechnung für ihre zwei weiblichen Caddies würde er heute begleichen müssen.

»Dann will ich wenigstens etwas von meinem Geld haben«, dachte der Oberst. Mit seiner Hand griff er nach dem jungen Mädchen, das neben ihm saß und suchte nach der richtigen Stelle. Als er sie gefunden hatte, streichelte er an der Innenseite ihrer Schenkel entlang, wie er es immer wieder in den letzten vier Stunden getan hatte. Willig spreizte sie etwas die Beine, um seinen Fingern den Zugang zu erleichtern. Der Oberst grunzte zufrieden. Am Anfang der Runde fühlte es sich noch anders an. Erschrocken über seine neugierigen Finger presste das Mädchen die Beine zusammen, aber eine Ohrfeige an der sechsten Bahn zeigte ihr, was von ihr erwartet wurde. Obwohl er anfangs etwas verärgert über ihre ablehnende Haltung war, änderte der Schlag sein Befinden. Es war ein gutes Gefühl gewesen, diesem jungen Mädchen die harte Hand zu zeigen, und er freute sich schon, dies nach der Runde in privater Umgebung zu wiederholen. Der Gedanke daran war so stark, dass er die anbahnende Niederlage erträglich machte.

Nach der Finalisierung gratulierte er seinem Mitspieler zum Sieg und versteckte seine Wut darüber hinter einem falschen Lächeln. Neben dem achtzehnten Grün stiegen sie in ihre Buggies und fuhren zurück zum Klubhaus. Zwei Bedienstete übernahmen die Carts und lösten die Golfbags aus ihrer Halterung. Sie würden später mit sauber geputzten Golfschlägern am Bag Drop auf sie warten.

Die beiden Männer betraten den »locker room«, holten ihre Taschen aus einem der Schließfächer und liefen zurück zum Ausgang. Sie hatten nicht vor, die öffentliche Dusche des Umkleideraumes zu benutzen.

»Da du heute bezahlst, werde ich mir besonders viel Zeit mit der Kleinen lassen«, lachte sein Mitspieler.

Der Oberst hatte die Niederlage verschmerzt und fieberte stattdessen selbst dem privaten Treffen mit seinem Mädchen entgegen. »Welchen Raum hast du?«

»Ich habe die Nummer drei bekommen.«

»Ich bin in Nummer eins«, antwortete der Oberst, wohl wissend, dass sein Raum mit der größten Dusche der drei verfügbaren Gästezimmer ausgestattet war. Wenigstens damit hatte er heute Glück gehabt.

Nachdem das Geräusch der Dusche ertönte, wartete der Junge weitere sechzig Sekunden. Er sprach ein leises Gebet, dann drückte er die Klinke herunter. Die Tür öffnete sich, sie hatte wie angekündigt kein Schloss. Er schlüpfte hinein und schloss sie schnell hinter sich. In dem Moment, in dem sich die Tür schloss, hörte er ein leises Wimmern aus dem Badezimmer. Es war weder ungewöhnlich laut noch besonders auffällig, allerdings konnte der Junge deutlich heraushören, dass die Laute keine Freude ausdrückten, sondern ihren Ursprung in qualvollen Scherzen hatten.

Eigentlich wollte er sich hinter dem Sofa verstecken, bis der Mann zurück ins Schlafzimmer kam, aber der offene Eingang zum Badezimmer machte ihn neugierig. Was ging darin vor?

Er schlich an die Schwelle und spickte um die Ecke. Zuerst sah er das Mädchen nicht, nur den Rücken des Mannes, doch plötzlich hob der Oberst sein rechtes Bein an und stemmte es gegen die hintere Duschwand. Jetzt entdeckte der Junge das Mädchen. Sie kniete vor dem Oberst, ihr Kopf kreiste sich unruhig um die Stelle, an der sich der Penis des Mannes befinden musste. Plötzlich erkannte er den Grund für ihre Unruhe. Der Mann hielt den Nacken des Mädchens mit seiner rechten Hand fest und presste ihr Haupt gegen seinen Unterleib. Das Mädchen versuchte zu keuchen, anscheinend bekam sie nicht ausreichend Luft in dieser Stellung und sie versuchte sich daraus zu befreien. Der Oberst gewährte ihr, den Kopf zwei oder drei Zentimeter von ihm zurückzuziehen, worauf sie gurgelnd nach Luft schnappte. Dann packte er sie wieder fest im Nacken und drückte ihren Mund zurück zu der Ausgangsstellung, bis das Mädchen anfing zu würgen.

Der Junge fragte sich, ob der Oberst ihre Not überhaupt wahrnahm, doch dann sah er das Lächeln auf dessen Gesicht. Der Mann wusste ganz genau, was er tat. Das Gesicht des Mädchens lief rot an, sie befand sich im Überlebenskampf gegen die drohende Erstickung. Als ihre Arme panisch um sich schlugen, lockerte der Oberst den Griff und er erlaubte dem Mädchen erneut, ihren Mund zu befreien.

Der Junge hatte jetzt freie Sicht auf den nackten Unterkörper des Obersts und plötzlich verstand er die Not des Mädchens. Das Gemächt des Obersts reckte sich vor ihren Augen senkrecht in die Höhe und ragte dabei sogar über ihren Haarschopf hinaus. Der Mann war zwar schon im mittleren Alter, er verfügte dennoch über einen austrainierten Körper und sein Glied erschien im erigierten Zustand riesig. Kein Wunder, dass das Mädchen keine Luft mehr bekam.

Erneut packte er sie im Nacken und führte sie zu seinem besten Stück. Sie öffnete den Mund und brutal rammte er ihr sein Riesending in den Rachen. Der Junge konnte nur ahnen, an welcher Stelle sich die Eichel des Mannes befand. Im Mundraum des Mädchens konnte sie unmöglich sein.

Die Prozedur wiederholte sich eins zu eins wie zuvor. Erst als das Mädchen nahe am Ersticken war, erlöste sie der Oberst von ihrer Not.

»Genug geblasen. Jetzt wird gevögelt.«

Er zog das Mädchen auf die Beine und drehte sie herum. Während sie sich mit den Händen an der Duschwand abstützte, versenkte der Mann sein riesiges Glied in ihrer Vagina. Es verschwand völlig in ihr, was sie zwar mit einem Schmerzschrei begleitete, aber der Junge fragte sich dennoch, wie dieser riesige Prügel in ihrer viel zu kleinen Öffnung verschwinden konnte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit.

Der Oberst hielt sich nicht lange mit Kuschelsex auf. Er stieß den schmalen Körper des Mädchens von hinten so heftig, dass ihr Becken bei jedem Stoß dem Druck nachgab und gegen die Duschkabinenwand schlug. Ihre Oberschenkel klatschten dabei laut auf die Kacheln und das Mädchen begann erneut qualvoll zu jammern.

»Na, das gefällt dir«, missverstand der Oberst ihre Schmerzenslaute und stieß nur noch heftiger zu. Aber er bemerkte schnell, dass dies nicht die optimale Stellung für seine finale Erlösung war. Ihr nachgebendes Becken und der fehlende Gegendruck, ließen seine Stöße weitestgehend verpuffen und nach einer Minute stellte er die Penetration ein.

»Ab aufs Bett«, befahl er.

Der Junge erschrak. Er stand nach wie vor an der Schwelle des Badezimmers und spickte auf die Duschkabine. Leise schlich er zurück ins Zimmer und nahm seinen vorgesehenen Platz hinter dem breiten Sofa ein, dass an der Wand stand. Er legte sich so, dass er einen freien Blick auf den gegenüberliegenden Spiegel hatte, auf dem er das weitere Geschehen verfolgen konnte.

Es dauerte nicht lange, bis der Oberst mit dem Mädchen erschien. Sie hatte sich abgetrocknet und in ein Handtuch gehüllt, während er nackt im Raum stand und stolz seinen riesigen Penis wie einen Pokal vor sich hertrug.

Er schubste das Mädchen auf das Bett und riss ihr das Handtuch vom Körper. Er griff ihre Beine an den Knöcheln, legte sie sich auf die Schultern, je ein Bein rechts und links von seinem Haupt und rammte sein Monsterglied erneut in sie. Bisher hatte der Junge sie nur gehört, jetzt konnte er im Spiegel zum ersten Mal ihr Gesicht sehen. Das Mädchen war jung, bestimmt nicht älter als er selbst. Ihre Gesichtszüge waren schmerzverzerrt, was den Oberst anzuspornen schien, denn er beobachtete jede ihrer Regungen genau. Anscheinend hatte er jetzt die richtige Stellung gefunden, denn er begann seinerseits zu stöhnen. Seine Stöße wurden heftiger, sein Stöhnen ging in ein leises Brüllen über und der Junge war sich sicher, dass der Akt kurz vor dem Abschluss stand.

Doch plötzlich zog er sich aus dem Mädchen zurück. Er packte ihre Beine und drehte ihren Körper, bis sie vor ihm in der Hundestellung kniete. Erneut rammte er sein Glied in sie und fing an, sie zu stoßen, doch dieses Mal schien er es sanfter zu tun. Anscheinend war der Schmerz nicht mehr so übermächtig, denn das Mädchen wimmerte nur noch leise. Fast erleichtert ließ sie es einfach geschehen. Doch ihre Erleichterung sollte nur von kurzer Dauer sein.

Der Oberst griff nach seiner Hose, während er sie freihändig von hinten nahm und zog seinen Gürtel aus der Schlaufe. Dann faltete er das Leder und hielt den Gürtel an der Schnalle fest. Gerade als sich das Mädchen etwas entspannte, schlug er zu. Völlig überrascht stieß das Mädchen einen spitzen Schrei aus. Der Oberst lächelte und forcierte wieder das Tempo seiner Stöße. Erneut schlug er sie mit dem Lederriemen auf den Rücken, diesmal etwas fester, sofort zeichnete sich ein roter Striemen auf ihrer Haut ab. Das Mädchen schrie auf, was den Oberst erst so richtig wild machte. Jetzt gab er Vollgas. Ein weiterer Schlag, der ihre Haut an einer Stelle platzen ließ, versetzte ihn endgültig in Ekstase. Er stieß noch dreimal fest zu, dann zog er hektisch seinen Penis aus ihr. Er erhob sich über sie und begann seinen Schwanz über ihr stehend zu reiben. Mit einem lauten Schrei kam es ihm und er verströmte sich auf ihrer nackten Haut. Sein Sperma schoss auf sie herab, er verrieb es in der offenen Wunde, die der Lederriemen hinterlassen hatte.

Triumphierend blickte er auf sie herab und rieb sein Glied, bis er das letzte Tröpfchen aus sich herausgepresst hatte. Mit einem heiseren Lachen ließ er sich neben sie auf das Bett fallen. »Na, das doch Spaß gemacht, oder?«

Das Mädchen nickte unter Tränen, doch dem Oberst war ihre Reaktion egal. Er hatte mit sich selbst geredet, das Mädchen spielte keine Rolle.

»Und jetzt zieh dich an und hau ab.«

Als die Tür ins Schloss fiel, legte sich der Oberst zurück auf das Laken. Er fingerte sich eine Zigarette aus der Packung, die auf der Ablage neben dem Bett lag und zündete sie an. Gierig zog er daran und saugte den Rauch tief in die Lungen, wo er ihn so lange behielt, bis er kurz vor einem Hustenanfall stand. Mit einem Lächeln im Gesicht blies er den Rauch genüsslich ins Zimmer, dann führte er die Zigarette erneut an seine Lippen, worauf das Spiel von vorne begann. Der Oberst war entspannt und zufrieden. Obwohl er den Preis für den lauschigen Nachmittag selbst leisten musste, hatte sich jeder Peso gelohnt.

Nachdem er die Zigarette zu Ende geraucht hatte, erhob er sich fast widerwillig aus seiner bequemen Lage und lief ins Badezimmer. Der Junge hinter dem Sofa spickte ihm hinterher. Der Schweiß auf dem nackten Körper des Mannes glänzte in den spärlichen Sonnenstrahlen, die durch die Lücken des nachlässig verdunkelten Fensters am späten Nachmittag einfielen. Es war leicht zu erraten, wonach sich der Oberst sehnte.

Sekunden später drangen Geräusche aus dem Badezimmer zu dem Jungen. Es waren bekannte Tropfgeräusche, die allerdings nicht von der Duschkabine stammten. Der Oberst schlug sein Wasser ab. Mit einem Seufzer der Erleichterung verstummten die immer leiser werdenden Geräusche nach kurzer Zeit vollständig. Sekunden später wurde das Wasser der Dusche eingeschaltet.

Dies war das Kommando, auf das der Junge gewartet hatte. Er erhob sich aus seiner Position hinter dem großen Sofa und schlich zur Schwelle des Badezimmers. Er hörte, wie der Oberst in die Kabine stieg und kurz danach einen Fluch ausstieß. Das Wasser schien zu heiß zu sein und er trat einen Schritt aus dem Wasserstrahl zurück. Er fummelte an den Armaturen herum, bis die Temperatur seinen Wünschen entsprach, dann stellte er sich erneut unter die Brause. Aus einem bereitgestellten Seifenspender entnahm er Flüssigseife und begann damit seinen Oberkörper einzureiben. Danach vollzog er dasselbe mit seinen Haaren und seinem Gesicht. Er schloss die Lider, damit die Seife nicht in seine Augen laufen konnte.

Der Moment war gekommen. Der Junge zückte das Messer und schlich ins Badezimmer. Der Oberst war damit beschäftigt, seine Haare von der Seife auszuspülen und ahnte nicht, was in seinem Rücken auf ihn lauerte. Er konnte den Jungen nicht sehen und es war niemand da, der ihn vor der Gefahr warnte.

Der Junge hatte sich Gedanken gemacht, wo er das Messer am effektivsten einsetzen konnte. Es musste tödlich und nahezu geräuschlos sein, ein vor Schmerz brüllender Oberst war das letzte, was er gebrauchen konnte. Sein Auftraggeber hatte ihm die Stelle gezeigt, die dafür am besten geeignet war. Das Messer musste an der linken Niere im Mittelkörper in den Körper eindringen und nach oben zur Milz getrieben werden. Die Stelle bot zwei Vorteile. Der Eintritt der Klinge befand sich an einer weichen Stelle im Oberkörper und konnte nicht durch Knochen behindert werden. Dies sorgte auf der einen Seite für Durchführungssicherheit, aber genauso wichtig war die effektive Wirkung. Das Opfer wurde unmittelbar in einen Schockzustand versetzt, was ihn für eine kurze Zeit lähmte und reaktionsunfähig machte. Der Zustand hielt nicht dauerhaft an, aber lange genug, um dem Mann den Rest zu geben.

Als der Junge in Reichweite des Obersts war, hatte er das Attentat vor seinem inneren Auge ablaufen lassen und so gab es keinen Anlass, länger zu zögern. Das anvisierte Zielgebiet auf der linken Körperseite befand sich praktischerweise auf seiner Seite und ansatzlos rammte er dem Oberst das Messer in den Leib. Gleichzeitig zog er dessen Kopf zu sich, sodass der Oberst sein Gewicht instinktiv verlagerte und so kraftlos nach hinten in die Duschkabine stürzte.

Der Aufprall des Körpers war lauter, als es der Junge befürchtet hatte. Mit einem dumpfen Knall schlug der schwere Körper des Obersts auf den Fliesen der Duschkabine auf. Der Junge hatte keine Zeit, sich mit den Auswirkungen des Aufschlags zu beschäftigen, denn sein Job war erst zur Hälfte erfüllt. In wenigen Sekunden würde der Oberst die Gewalt über einige Körperfunktionen zurückerhalten, dann war er in der Lage, um Hilfe rufen. Er musste schnell handeln. Mit einem Ruck zog er das Messer aus dem Rumpf des Obersts, der ihm mit aufgerissenen Augen dabei zusah, unfähig etwas dagegen zu unternehmen. Der Junge konnte sehen, dass der Oberst bei Bewusstsein war und nicht verstehen konnte, warum sein Körper ihm nicht mehr gehorchte. Er kämpfte dagegen an.

Mit einer Hand packte er die seifenverschmierten Haare des Obersts und riss den Kopf in den Nacken, sodass der Hals frei zugänglich vor ihm lag. Der Junge setzte das Messer an die Kehle an und verzögerte eine Sekunde.

»Ich soll ihnen einen schönen Gruß von Pepe ausrichten«, flüsterte der Junge dem Oberst zu. »Die Lieferung, die sie beschlagnahmt und auf eigene Rechnung verkauft haben, gehörte ihm.«

Er wartete noch einige Sekunden, bis er sicher war, dass der Oberst seine Botschaft verstanden hatte. Dann stach er zu. Als das Messer in der Gurgel steckte, riss er die rasiermesserscharfe Klinge zur anderen Seite des Halses. Er schlitzte dem Oberst die Kehle auf und durchtrennte dabei die Luftröhre. Der Mann begann zu röcheln. Sein Körper zitterte, dann bäumte er sich auf, aber seine Bewegungsunfähigkeit endete zu spät. Blut schoss auf seinem Hals und besudelte die weißen Kacheln. Röchelnd schlug er einige Sekunden um sich, bis er schließlich an seinem eigenen Blut erstickte. Dann bewegte er sich nicht mehr.

Ein Gefühl von Euphorie machte sich in dem Jungen breit. Er hatte es geschafft. Der wichtige Auftrag war erledigt. Es würde sich in Quezon City herumsprechen wie ein Lauffeuer. Schon bald würde er sich vor weiteren Aufträgen nicht mehr retten können. Seine Zeit in den Armenvierteln ging dem Ende zu, der Aufstieg auf die nächste Stufe war vollzogen.

Aber zuerst war es an der Zeit zu verschwinden. Der Junge wandte sich von der Leiche des Obersts ab und drehte sich um. Aus den Augenwinkeln nahm er plötzlich eine Bewegung wahr. Sie kam von einer Person, die am Durchgang zum Zimmer stand. Panisch riss er seinen Kopf herum und seine Augen bohrten sich in den ungeplanten Beobachter. Der Junge blickte in die Augen des jungen Mädchens, das vor wenigen Minuten den Oberst verlassen hatte. Als sie das Blut auf den Kacheln und die Leiche am Boden sah, begann sie zu lächeln.

KAPITEL 1 - PEAKS

Mittwoch, 21. März 2001

»Wehr dich, Romel!«

Romel versuchte mit aller Kraft den Körper, der über ihm lag und ihn wie in einer Zange festhielt, von sich herunterzudrücken, aber er war einfach zu schwer. Zwei starke Arme umklammerten ihn so fest, dass er keine Luft mehr einatmen konnte. Romel bekam es mit der Angst zu tun.

»Romel, Romel …« Tausend Kehlen schienen ihn anzufeuern. Romel wusste aber, dass nur drei Personen zusahen, wie er den Kampf verlor. Aber das war sein kleinstes Problem. Das größere Problem war der Junge, der ihn umklammert hielt. Er war einige Jahre älter und viel schwerer. Dazu war er erfahren im Kämpfen, während er sich noch nie ernsthaft wehren musste. Bis heute.

»Los Romel, sonst tötet er dich«, hörte er eine dumpfe, aufmunternde Stimme im Hintergrund, aber er konnte spüren, wie seine Kräfte schwanden. Er bekam jetzt überhaupt keine Luft mehr und Panik erfasste ihn. Romel ahnte, dass er gleich das Bewusstsein verlieren würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Mit letzter Kraft, versuchte er sich seitlich herauszuwinden, aber es wurde nicht mehr als ein kläglicher Versuch. Er war am Ende seiner Kräfte und hörte auf, sich zu wehren. Romel schloss seine Augen und sprach leise ein Gebet.

»So, das reicht«, vernahm Romel eine ihm bekannte Stimme leise im Hintergrund. Sie hörte sich weit entfernt an.

Plötzlich ließ der Druck auf seiner Brust nach. Es wurde leicht über ihm und Romel schnappte instinktiv nach Luft, die wieder zischend in seine Lungen strömte, so als hätte jemand die Sperre mit einem Schalter aufgehoben. Er öffnete die Augen und sah, wie Rey den großen Jungen über ihm schnappte und von ihm herunterzog, als wäre er eine Spielzeugpuppe. Er schüttelte sich, richtete seinen Oberkörper auf und blickte besiegt zu Rey und seinem Gegner.

»Du hattest deinen Kampf und du hast gewonnen. Jetzt geh nach Hause«, sagte Rey zu dem großen Jungen.

»Okay. Belassen wir es dabei«, antwortete der Junge. Er wandte sich an Romel, der noch auf dem dreckigen Boden saß. »Aber wenn du noch einmal meine Schwester belästigst, dann komme ich wieder. Und dann wird kein großer Bruder dabei sein, der dich rettet.« Er richtete seine Faust in Romels Richtung, damit seine Nachricht auch definitiv bei ihm ankam.

»Hast du mich verstanden?«

»Ich habe dich verstanden«, sagte Romel kleinlaut, der wusste, dass er heute verloren hatte.

Der Junge nickte Rey zu und lief davon. Sie blickten ihm hinterher, bis er an der nächsten Straßenecke verschwunden war. Rey ging zu Romel und zog ihn vom Boden herauf auf seine Beine.

»Komm kleiner Bruder. Jetzt klopfen wir dir erst mal den Staub aus deiner Kleidung, sonst wird dir Mutter die Leviten lesen.«

Die drei Jungs gingen zu Romel und begannen damit, ihm Shirt und Hose mit der flachen Hand zu reinigen.

»Nicht so fest«, schrie Romel, dem die Schläge wehtaten, aber die Jungs lachten nur laut.

»Genug, Jungs«, sagte Rey und die drei hörten sofort auf. Rey nahm Romel in seine Arme und drückte ihn tröstend an sich.

»Ich bin stolz auf dich kleiner Bruder«, sagte Rey und kniff Romel an der Backe.

»Wieso stolz? Ich habe verloren.«

»Ich bin stolz, dass du überhaupt gekämpft hast. Du bist erst zwölf Jahre alt, der andere war bestimmt drei Jahre älter und einen Kopf größer. Es war ein ungleicher Kampf. Trotzdem bist du nicht davongelaufen, sondern hast gekämpft.«

»Er ist sogar vier Jahre älter«, antwortete Romel kleinlaut.

»Du bist ein Held«, sagte jetzt auch Diego und klopfte ihm auf die Schulter.

»Ich wäre um mein Leben gerannt«, mischte sich Joriz ein und legte seinen Arm um seine andere Schulter.

Jetzt begann Romel aufzuhorchen. »Meint ihr das ehrlich?«

»Und ob«, übernahm wieder Rey. »Jeder andere wäre vor diesem Riesen weggelaufen. Aber du nicht. Du hast das Herz eines Tigers.«

Romel begann zu lächeln und mit einem Male fühlte er sich nicht mehr müde und geschlagen. Er fühlte sich wie ein Held.

»Aber …«, setzte Rey erneut an, brach dann aber ab.

»Aber was?«

»Aber es macht mir auch Angst. Einen so aussichtslosen Kampf einzugehen ist nicht besonders klug. Irgendwann bist du alleine und dann solltest du besser abwägen, wann sich ein Kampf lohnt und wann nicht. Du musst lernen, deine Chancen realistisch abzuschätzen, sonst lebst du nicht lange. Verstehst du mich?«

Romel nickte nachdenklich. Rey war sein großer Bruder und er war schlau. Deshalb liebten ihn alle seine Freunde, aber deshalb hatten auch alle seine Feinde Angst vor ihm. Er war selten impulsiv und wenn, dann wusste er, dass er nicht verlieren konnte.

»Wenn du diese Lektion gelernt hast, dann war es ein wertvoller Tag. Und ich denke, dann spricht auch nichts mehr dagegen, dass du ab sofort Mitglied bei den PEAKS bist. Was meint ihr, Jungs?«

Diego und Joriz nickten zustimmend.

»Ihr nehmt mich in die Gang auf?«, rief Romel euphorisch.

»Eigentlich bist du viel zu jung, aber du hast es dir heute verdient.« Rey lächelte ihm zu. »Du musst nur noch den Treueschwur ablegen.«

Rey streckte seine rechte Hand aus, Diego und Joriz legten ihre Hände über seine. Romel strahlte und tat es ihnen gleich. Als sich alle vier Jungs an den Händen hielten, sagte Romel laut.

»Ich schwöre, ab dem heutigen Tag bis zu meinem Tod den PEAKS die Treue. Ich werde alles tun, was nötig ist, um die Gruppe zu beschützen, und zu verteidigen.«

Er sah die anderen an. »War es das?«

»Noch nicht ganz«, sagte Joriz. Er zog eine Flasche hervor.

»Du musst noch deinen Schwur mit einem tiefen Schluck Wein bekräftigen.«

Lächelte er oder grinste er? Egal, Romel nahm die Flasche und schnupperte daran. Es roch nach Kokosmilch. Er setzte an und nahm wie gefordert einen tiefen Schluck. Als der erste Tropfen die Kehle herunterlief, riss er entsetzt die Augen auf und zog sich die Flasche vom Mund. Er bekam keine Luft mehr, was immer das in der Flasche war, es brannte wie flüssiges Höllenfeuer. Romel hustete und versuchte so, die Flüssigkeit wieder aus seinem Magen zu bekommen, aber alles, was er fühlte, war ein atemloser Schmerz, der sich von seiner Zunge bis tief in den Magen bohrte. Er schnappte hektisch nach Sauerstoff, so wie er es vor einigen Minuten schon beim Kampf gemacht hatte. Aber es entging ihm natürlich nicht, dass die anderen drei Jungs sich vor Lachen krümmten.

»Wollt ihr mich gleich am ersten Tag umbringen«, schrie Romel entsetzt, als er wieder etwas Luft bekam, aber seine drei Freunde lachten nach wie vor.

»Was war das für ein Zeug?«

»Das ist Lambanog, eine Mischung aus Kokosnuss und Wodka. Vorsicht, das Zeug kann scharf sein«, erwiderte Diego, der der Erste war, der sich etwas beruhigte.

»Danke für die Warnung«, hechelte Romel und hielt sich nach wie vor den Bauch. Glücklicherweise ließ das Brennen etwas nach.

»Sei nicht böse kleiner Bruder, das ist unser Aufnahmeritual. Da muss jeder durch«, sagte Rey und legte seinen Arm um Romels Schulter.

Jetzt musste auch Romel lachen. »Dann habe ich es wohl bestanden.«

»Heute hast du alles bestanden«, sagte Rey. Sie liefen die Straße entlang.

»Eine Frage habe ich trotzdem noch. Was hast du mit Rubylyn angestellt, dass ihr Bruder so sauer auf dich war?«

»Ich habe sie nur gefragt, ob sie meinen Schwanz lutschen will.«

»Und wollte sie?«

»Erst nicht. Aber als ich ihr eine Tüte Eiscreme versprochen habe, hat sie es gemacht.« Romel grinste frech. »Doch dann kam ihr kleiner Bruder ins Zimmer und hat uns überrascht. Wahrscheinlich hat er uns bei ihrem großen Bruder verpfiffen.«

Rey, Joriz und Diego kriegten sich vor Lachen fast nicht mehr ein.

»Wie bist du denn auf den Trick gekommen?«

»So etwas Ähnliches habe ich in einem Film gesehen. Da war es aber ein Sahnetörtchen. Ich hatte nur Eiscreme, aber es hat trotzdem funktioniert. Erst hat sie mich und danach das Eis geleckt.«

»Zwölf Jahre alt und lässt sich schon seinen Schwanz lutschen? Wie kommst du nur auf solche dumme Ideen?«

»Durch dich natürlich. Ich schaue oft heimlich ins Zimmer, wenn du mit deinen Freundinnen alleine bist.«

Joriz prustete laut. »Und hat es dir gefallen?«

»Keine Ahnung. War ganz okay. Die Tüte Eiscreme wäre mir aber lieber gewesen.«

Romel lag in seinem Bett und konnte nicht einschlafen. Der Tag war wirklich aufregend für ihr gewesen.

»Rey, bist du noch wach?«

»Hmm«, brummte es von der anderen Seite des Zimmers.

»Wieso nennen wir uns eigentlich die PEAKS?«

»Das weißt du nicht?«

»Nein.«

»Nun, weil wir nicht ewig im Dreck liegen wollen. Wir wollen den Gipfel erklimmen und irgendwann an der Spitze stehen. Wir wollen der Peak sein, an dem sich alle messen lassen müssen. Deshalb heißen wir so. Unser Name ist unser Ziel.«

Romel verstand dies. Die PEAKS gab es seit zwei Jahren, Rey hatte sie zusammen mit Diego und Joriz gegründet und sie waren auch die einzigen Mitglieder. Damals gingen sie noch in dieselbe Schulklasse, heute war nur noch Diego auf der Schule, während Rey und Joriz versuchten, sich auf der Straße durchzuschlagen.

»Ich werde auch die Schule verlassen«, beschloss Romel. »Dann kann ich mit euch Geld verdienen gehen.«

»Das lässt du schön bleiben«, antwortete ihm Rey sofort. »Ein Batisto braucht eine gute Schulbildung und dafür kommst nur noch du infrage.«

»Wofür soll das gut sein?«

»Hör mir zu, Romel. Nur wer etwas im Kopf hat, bringt es auch zu etwas. Deshalb ist es wichtig, dass du die Hochschule abschließt und danach auf ein College gehst. Nur so werden wir langfristig nach oben kommen.«

»Pah! Ein College werden wir uns nie leisten können. Wir haben jetzt schon nichts, wo soll denn das Geld dafür herkommen. Mutter verdient kaum genug für unser Essen.«

Auch Rey wusste, dass ihre Mutter schon jetzt nicht genug Geld von der Arbeit nach Hause brachte. Immer wenn es besonders eng wurde, verschwand sie für einige Tage, danach hatte sie wieder das Nötigste zusammen. Aber spätestens ein oder zwei Monate später war es wieder so weit. Rey fragte seine Mutter nie, wohin sie zum Geldverdienen ging. Er hatte eine Ahnung, aber er wollte es auch gar nicht so genau wissen. Sie hatten es schwer genug, seit Vater die Familie vor drei Jahren verlassen hatte.

»Das lässt du meine Sorge sein. Ich, Reynante Batisto, verspreche dir, dass du das College besuchen wirst. Du wirst der erste Batisto werden, der es zu etwas bringt, und du wirst Mutter und mich stolz machen. Verstanden? Und jetzt schlaf.«

Rey hatte oft eine große Klappe, so wie auch diesmal. Das gehörte auf der Straße dazu, wo Bescheidenheit fehl am Platze war. Romel wusste das und war froh, dass Rey für seine Ankündigung glücklicherweise noch ein paar Jahre Zeit hatte, um das nötige Geld dafür aufzutreiben. Er hatte ihn schon ein paarmal gefragt, was er den ganzen Tag auf der Straße macht, aber Rey war dem immer ausgewichen. Aber in letzter Zeit hatte er immer öfter Geld dabei, wenn er nach Hause kam. Also musste er eine Arbeit haben.

»Ich habe dich noch nie danach gefragt, aber jetzt bin ich Mitglied der PEAKS und du musst mich einweihen, wie wir unser Geld verdienen.« Romel blickte in die Dunkelheit zu Rey, der reglos in seinem Bett lag.

»Ich werde dich einweihen, aber nicht mehr heute Nacht. Jetzt halt den Mund und schlafe.«

Samstag, 24. März 2001

Rey bewegte sich lautlos in der Nacht. Diese Fähigkeit hatte er sich in den letzten Monaten antrainiert und er fühlte sich wohl damit. Andere trampelten durch die Straßen und waren mehrere Blocks weit zu hören. Rey dagegen lief langsam und bewusst, er achtete auf seine Schritte und vermied jedes unnötige Geräusch. Im Laufe seiner Übungen perfektionierte er diese Fähigkeit immer weiter. Er stahl sich passende Sportschuhe mit weichen, leisen Gummisohlen, mit denen er fast nicht zu hören war. Alle hundert Meter hielt er an und lauschte in die Dunkelheit. Immer konnte er dabei etwas hören. Es war verwunderlich, wie viele Geräusche um einen herum waren, wenn man sich darauf konzentrierte. Am Tag war das nicht so, da war vor lauter Lärm überhaupt nichts anderes wahrnehmbar. Aber in der Nacht konnte man jede Stecknadel fallen hören, wenn man seine Sinne schärfte.

Nach wenigen Sekunden lief er weiter, genauso langsam und bedächtig wie zuvor. Er verlor dabei zwar Zeit, die er aber für seine Sicherheit gern opferte. Früher hatte er sich keine Gedanken darum machen müssen, aber seit er die Schule verlassen hatte, bewegte er sich in Kreisen, wo gut trainierte Sinnesorgane überlebenswichtig sein konnten.

Rey hörte Schritte von vorne kommen und verharrte bewegungslos im dunklen Schatten einer Hauswand. Er wich zwei Meter zurück zu einem finsteren Hauseingang, in den er sich notfalls weiter zurückziehen konnte. Die Schritte wurden lauter. Rey griff in seine Tasche und zog sein Messer heraus, das er immer bei sich hatte. Lautlos klappte er die Klinge heraus, dann drückte er sich gegen die Wand und lauschte.

»Ein Mann«, ordnete Rey die Geräusche ein. Er konnte zu einhundert Prozent erraten, ob die Schritte zu einem Mann oder einer Frau gehörten. Beide klangen völlig verschieden, was durch das unterschiedliche Schuhmaterial noch deutlicher wurde. Er konnte sogar einen Mann und eine Frau exakt unterscheiden, wenn sie die gleichen Schuhe trugen, und er verstand nicht, dass andere das nicht konnten. Mittlerweile hatte er sein Gehör so gut trainiert, dass er herausfinden konnte, ob es sich um einen jungen oder alten Mann handelte und ob er groß oder klein war. Er lag an der Frequenz der Schritte. Junge Männer hatten in ihrer normalen Laufgeschwindigkeit eine viel höhere Frequenz als ältere Männer, bei großen Männern war das Geräusch beim Auftreten kraftvoller, als bei kleineren Männern, die aufgrund ihres geringeren Gewichts sanfter auftraten.

Die Geräusche waren jetzt so laut, die Person konnte nur noch wenige Meter entfernt sein. Die Frequenz war hoch, die Schritte verhalten, es war ein junger Mann, nicht allzu groß. Der Fremde war nur noch wenige Schritte vom Hauseingang entfernt und lief selbst an der dunklen und nicht beleuchteten Häuserwand entlang. Auch er wollte nicht gesehen werden. Dass er sich nur vor fremden Augen schützen wollte und dabei fremde Ohren völlig vernachlässigte, war ein Fehler, den viele machten. Rey duckte sich ganz nach hinten, er wusste, so war er nahezu unsichtbar.

Ein Schatten erschien auf der Straße. Plötzlich blieb er direkt vor dem Hauseingang stehen, und Rey konnte den Atem des Mannes hören. Er griff sein Messer fester und schlich sich lautlos von hinten heran. Als er einen Meter hinter dem Mann war, sprang er plötzlich wie eine Raubkatze hervor, umfasste den Mann von hinten und hielt ihm seine Klinge an die Kehle. Der Mann erschrak, wusste aber sofort, dass er verloren hatte, und er leistete keine Gegenwehr. Rey ging mit seinem Mund an das Ohr des Fremden und sagte in normaler Lautstärke: »Hallo Joriz, schön dass du gekommen bist.«

»Verdammt, Rey«, schrie jetzt Joriz etwas zu laut, sodass es weit in der Nacht zu hören war. »Hör auf damit, mich so zu erschrecken. Irgendwann falle ich tot um dabei.«

Rey ließ ihn los und begann zu lachen.

»Was kann ich dafür, dass du so trampelst. Man kann dich zehn Blocks weit hören.«

Joriz atmete heftig vor Schreck, aber jetzt beruhigte er sich langsam. Er sah Rey an, der sich immer noch amüsierte.

»Ich bin wirklich froh, dass du mein Freund bist. Zum Feind möchte ich dich nicht haben.«

Plötzlich verstummte Rey. Er hielt seinen Zeigefinger vor seine Lippen, als Zeichen für Joriz still zu sein, und zog ihn lautlos in den dunklen Hauseingang.

»Was ist?«, flüsterte Joriz erschrocken.

»Hörst du es nicht?«

»Ich höre gar nichts«, sagte Joriz resignierend.

Rey verhielt sich völlig still und lauschte in die Nacht. »Diego kommt. Mal sehen, ob er auch so schreckhaft ist.«

Sonntag, 25. März 2001

»Wow, ein Sharp J-SH04. Die gibt es eigentlich nur in Japan. Wo habt ihr denn dieses gute Stück her?«

»Ist es wertvoll?«, fragte Rey zurück.

»Wertvoll nicht, aber es ist das erste Mobiltelefon mit eingebauter Foto-Kamera. Von daher ist es hier etwas Besonderes.«

»Dann ist aber doch wertvoll«, meinte Diego.

»Eher nicht. Nokia hat das 7650 angekündigt, das erste Foto-Handy aus Finnland. Das ist billiger, besser und vom Weltmarktführer.«

»Wir haben auch zwei Nokia«, fügte Joriz an.

Der Mann prüfte die beiden Geräte. »Ein Nokia 7110, das gibt es schon ein paar Jahre, aber okay, kann man verwenden … das andere ein Nokia 8310 … das ist das neue Teil mit integriertem Radio … ja, das ist klasse.«

»Dann muss aber richtig was herausspringen?«

Der Mann überlegte. »Für das Nokia 7110 gebe ich euch fünfhundert Peso, das ist viel Geld für dieses alte Stück. Für das Nokia 8310 und das Sharp gebe ich je tausend.«

»Zweitausendfünfhundert für alle drei!« Rey war enttäuscht, er hatte mit deutlich mehr gerechnet, aber er wusste auch, dass der Hehler versuchte, sie zu übervorteilen.

»Ich kenne jemanden, der gibt uns fünftausend«, versuchte er zu bluffen.

»Dann solltest du zu ihm gehen. »Der Mann fiel nicht darauf herein.

»Gib wenigstens dreitausend, damit jeder von uns tausend verdient hat«, bettelte Joriz.

»Hm.« Der Hehler tat, als überlegte er, dabei hatte er einen Plan. »Habt ihr vielleicht noch etwas anderes für die fehlenden fünfhundert?«

»Das ist alles, was wir noch haben.« Diego legte einen ausländischen Pass und eine Kreditkarte auf den Tisch. Der Hehler unterdrückte sein Grinsen.

»Okay, mit dem Zeug hier will ich mal nicht so sein und gebe euch die Dreitausend.« Er griff unter seinen Schreibtisch, zog Geldscheine aus der Schublade und zählte dreitausend Peso ab.

»Hier habt ihr das Geld, Jungs.« Rey schnappte sich die Scheine, sie verließen den Laden und gingen zurück in ihr Versteck.

»Dann machen wir mal Kasse. Wie viel Bargeld haben wir gestern abkassiert?«

»Neunhundert Peso von dem Japaner und fünfhundert von dem schwedischen Pärchen«, antwortete Diego.

»Dann haben wir viertausendvierhundert Peso«, zählte Rey zusammen. »Ich mache euch einen Vorschlag. Jeder von uns bekommt tausendvierhundert Peso und die restlichen zweihundert gebe ich Romel. Auch wenn er nicht dabei war, so ist er doch ein Mitglied von den PEAKS.«

Diego und Joriz nickten zum Einverständnis.

»Will er eigentlich nachts nicht mit, wen du fortgehst?«

»Doch, aber ich nehme ihn nicht mit. Er ist erst zwölf und ich will ihn noch nicht mit auf Tour nehmen und wenn er noch so bettelt. Und ihr macht das auch nicht, verstanden? Meine Mutter würde mich umbringen.«

Diego und Joriz nickten erneut. »Für mich ist es völlig okay, ihm einen Teil abzugeben«, sagte Diego.

»Danke Jungs. Aber ich habe trotzdem eine Idee, wie er das Geld, das wir ihm geben, hereinwirtschaften kann.«

»Und was stellst du dir vor?«

»Erinnert ihr euch an Rubylyn?«

»Das war doch das Mädchen, das für eine Tüte Eis seinen Schwanz mit ihrer Zunge umwickelt hat?« Joriz grinste bei der Vorstellung.

»Genau. Romel soll mal mit ihr sprechen. Vielleicht findet Rubylyn Gefallen daran, regelmäßig Schwänze zu lutschen, und diesmal nicht nur für Eiscreme. Was meint ihr?«

»Man sollte sich neuen Geschäftsideen nie verschließen«, antwortete Joriz mit einem noch breiteren Grinsen.

»Aber was ist, wenn ihr Bruder das herausbekommt?«, warf Diego ein.

»Pah!« Rey spuckte aus. »Mit dem werde ich noch mit auf den Rücken gebundenen Armen fertig.«

Dienstag, 27. März 2001

Tondo, einer der Distrikte Manilas, war alles andere als eine privilegierte Wohngegend. Die Wohnbezirke im Tondo gehörten zu den ärmsten und unterentwickeltsten Bezirken der Philippinen, waren aber zugleich eines der am dichtesten besiedelten Gebiete. Die Armenviertel von Manila waren über die Landesgrenzen hinaus bekannt und ein Teil des Tondo galt als abschreckendes Musterbeispiel für eines dieser berüchtigten Slums. Die Lebensbedingungen waren für Außenstehende unvorstellbar, wer in Tondo wohnte, war am unteren Ende der sozialen Stufe angekommen.

Reys Familie, die neben seinem Bruder Romel nur aus seiner Mutter bestand, wohnte in einer Seitenstraße der Pampanga Street. Rey war gerade sechzehn Jahre alt geworden, als er die Schule verließ und seither kämpfte er energisch gegen die Armut an, die sich hartnäckig an seiner Familie festklammerte. Seine Mutter war vierunddreißig Jahre alt und musste einst eine schöne Frau gewesen sein, wovon wenig geblieben war. Zwei Kinder, schlechte Ernährung und ein Leben in Dreck und Elend hatten dafür gesorgt, dass aus dem hübschen hoffnungsvollen Mädchen, eine gebrochene, verbitterte Frau geworden war, wie man sie überall in den Straßen Manilas finden konnte.

Reys Vater hatte vor Jahren das Land verlassen und wanderte in irgendwelchen arabischen Ländern als Namenloser von einer Baustelle zur nächsten. Rey wusste, dass er niemals wieder zu ihnen zurückkommen würde.

Ihre Wohnung im zweiten Stock einer Hütte nahe der Mündung zur Pampanga Street, war typisch für die Behausungen im Distrikt Tondo. An der Frontseite zur Straße waren zwei Fenster, die so vor Dreck starrten, dass man nicht durch sie hindurchsehen konnte. Eines der Fenster gehörte zu dem kleinen Raum, den ihre Mutter für sich beanspruchte. Das zweite Fenster gehörte zum kombinierten Schlaf-, Ess- und Aufenthaltsraum, in dem Rey und Romel schliefen, die Familie aß oder sich aufhielt.

So schlecht Tondo als Wohnbezirk war, so gut war die Lage ihrer Wohnung dort. Die Francisco Benitez Elementary School, die Rey und Romel besucht hatten, lag nur einen kurzen Fußweg von ihrer Wohnung entfernt. Die President Sergio Osmena Highschool, die Rey im letzten Jahr verlassen hatte und Romel seit diesem Jahr besuchte, lag sogar nur einen Steinwurf entfernt. Das nächste Krankenhaus und die nächste Kirche waren mit einem kurzen Spaziergang erreichbar und zum Pampanga Markt, wo sie alles für den täglichen Gebrauch einkauften, konnten sie spucken.

Das Beste an ihrer Lage war, dass an der Kreuzung zur Luna Street ein Jollibee Restaurant eröffnet hatte, eine philippinische Fast-Food-Kette, die bei den Filipinos beliebter war als die großen amerikanischen Pendants.

Reys Abgang von der Schule lag nicht daran, dass er keine Lust hatte, etwas zu lernen und auch nicht daran, dass er nicht intelligent genug für die Schule war. Das sich seine Mutter für ihr ärmliches Leben abrackerte, war der normale Alltag, allen Familien ging es so. Aber Rey konnte es einfach nicht mehr mit ansehen, wie sie alle ein bis zwei Monate für mehrere Tage verschwand und immer wenn sie wiederkam, hatte sie zwar wieder Geld, sah aber jedes Mal ein Stückchen älter und gebrochener aus als zuvor. Rey hatte sie nie gefragt, wo sie die Tage verbrachte und wie sie das Geld verdiente, aber er konnte es sich denken. Es war ein unausgesprochenes Geheimnis in Tondo, dass Frauen für den Lebensunterhalt der Familie alles verkauften, bis sie nur noch sich selbst zu verkaufen hatten. Rey hatte beschlossen, dass es für ihn an der Zeit war, Verantwortung für die Familie zu übernehmen und seinen Teil zum Unterhalt beizutragen. Wichtig war nur, dass Romel auf der Schule bleiben konnte. Wer weiß, wenn er schlau genug war, konnte er im Anschluss vielleicht das College besuchen.

Rey wusste aber auch, dass es um andere Familien noch viel schlechter gestellt war. Oft zogen Eltern wie Nomaden durch die Straßen, auf der Suche nach Arbeit, die es nicht gab. Viele von ihnen waren von den Provinzen nach Manila gekommen, voller Hoffnung einen Job zu finden, die sich aber selten erfüllte. Mittellos und obdachlos lebten sie in völlig unzureichenden Zuständen. Sie errichteten sich überdachte Unterschlüpfe, indem sie Holzabfälle aufschichteten und hausten darin, wie die Ratten auf der Straße. Da sie oft kein Geld für Essen und Trinken hatten, verließen viele Kinder ihre Familie und versuchten, sich allein auf der Straße durchzuschlagen. Wer an diesem Punkt angekommen war, der fand nur schwer zurück in ein geordnetes Leben, mit der Chance auf Schul- oder Berufsausbildung. Der Weg führte über Drogenmissbrauch, direkt hin zu Gewalt und Kriminalität. Rey erkannte schon früh, dass dieser Weg die traurige Realität für viele heimatlose Kinder war.

Aus diesem Grund durfte er nicht riskieren, dass seine Mutter als einzig Verdienende ausfiel und der Weg ihrer Familie ebenso in der Obdachlosigkeit endete, wie bei den Tausenden Straßenkindern um ihn herum. Anfangs versuchte er, kleine Dinge zu verkaufen, wie Süßigkeiten und Zigaretten, die er am Tag zuvor gestohlen hatte. Dazu wartete er an einer großen Kreuzung, bis die Rotphase kam. Dann huschte er zwischen den stehenden Fahrzeugen umher und klopfte gegen die Autoscheiben, um auf sich aufmerksam zu machen. Aber andere Kinder und Jugendliche hatten dieselbe Idee und so waren auf jeder passenden Kreuzung mehrere von ihren unterwegs, die sich gegenseitig die Kunden wegschnappten. Er verdiente einige Peso, die sie gut gebrauchen konnten, aber die Arbeit war mühevoll und wenig einträglich.

Rey wurde klar, dass er nicht groß genug dachte. Er musste wertvollere Dinge stehlen, die mehr einbrachten, wie beispielsweise Mobiltelefone, Geldbörsen und Uhren. Die konnte er natürlich nicht mehr an der Straße verkaufen, deshalb plante er, seine gesammelte Beute bei einem zentralen Aufkäufer abzugeben. Es gab einige in ihrer Gegend, die alles aufkauften, was zu Geld zu machen war und die sich nicht um die Herkunft der Ware scherten.

Plötzlich hatte Rey mehr Geld in der Tasche und dabei auch noch viel Zeit eingespart. Zusammen mit seinem ehemaligen Klassenkameraden Diego und dem ein Jahr jüngeren Joriz, machte Rey einen Plan. Am Abend zogen sie in die nobleren Stadtviertel von Manila, wo sich viele internationale Gäste aufhielten, und lauerten vor den Bars auf Einzelgänger, die nach Hause liefen. Wenn sie Glück hatten, trafen sie Betrunkene, die sich gegen die Jugendlichen kaum wehren konnten. Der Plan ging zunächst auf, Rey und seine Freunde verdienten plötzlich genug Geld und seine Mutter musste seit Reys Abgang von der Schule nicht mehr auf »Geschäftsreise« gehen. Allerdings sprach es sich schnell herum, dass man als Tourist nicht durchs nächtliche Manila streifen sollte. Rey und seine Freunde fanden immer seltener geeignete Opfer. Es war absehbar, dass sie bald ein neues Geschäftsmodell benötigten.

Oft, wenn es dunkel wurde, stand Rey am Fenster und blickte hinüber nach Makati City, wo fast im Monatsrhythmus ein neues supermodernes Hochhaus in der schillernden Skyline von Manila erschien. Gigantische beleuchtete Werbeplakate schienen aus dem Lichtermeer zu ihm herab und waren in der Nacht meilenweit zu sehen. Eines Tages beobachtete ihn Romel dabei, wie er gedankenversunken und fasziniert nach Makati blickte.

»Wieso siehst du immer dorthin?«, fragte er ihn.

»Sieh zu den Hochhäusern dort drüben und dann ganz nach oben. Siehst du es?« Rey deutete mit dem Finger in die Richtung.

Romel schaute angestrengt, wusste aber nicht, auf was Rey hinauswollte.

»Was ist dort?«

»Der Gipfel, Romel. Da werde ich eines Tages sitzen und nach unten schauen. Ganz oben, auf dem Gipfel.«

Rey hatte den perfekten Namen für ihre Gang gefunden.

Sonntag, 01. April 2001

Romel durfte diesmal mit. Am frühen Morgen verließen er und Rey die Wohnung und sie ließen ihre Mutter zurück. Es war Sonntag und heute fand der Gottesdienst statt, aber seit Rey regelmäßig Geld nach Hause brachte, bestand seine Mutter nicht mehr darauf, dass er sie dabei begleitete. Das jetzt aber auch Romel sie nicht mehr begleitete, war neu. Romel hatte kein schlechtes Gewissen deswegen, er war jetzt Mitglied der PEAKS und da musste er seine Prioritäten eben hin und wieder anders setzen. Am Abend nahm ihn Rey nie mit, da er Romel mit seinen zwölf Jahren einfach zu jung fand, um nachts mit den anderen loszuziehen. Aber am Sonntagmorgen sprach nichts dagegen.

Diego und Joriz kamen zu ihrem üblichen Treffpunkt. Sie hatten Geld in der Tasche und es war Sonntag. Sie liefen zu der Gallera, eine große Arena, die sich langsam mit Männern füllte. Rey bezahlte den Eintritt für alle vier, sie waren rechtzeitig da und fanden schnell einen Platz, von wo aus sie die Arena gut im Blick hatten. Frauen sah man hier so gut wie nie, aber die Männer, die hereinströmten, waren alle deutlich älter als Romel und er fühlte sich dadurch etwas unwohl. Aber der erste Eindruck änderte sich schnell. Romel entdeckte mehrere Jungs, die ihre Väter begleiteten. Er war aufgeregt, es war das erste Mal, dass er beim Sabong dabei war und er kannte diesen Sport auf Leben und Tod nur aus Erzählungen.

»Die Arena ist aber klein«, bemerkte Romel enttäuscht.

»Das ist Absicht. Die Tiere haben ein natürliches Revierverhalten. Durch die kleine Arena wird die eigentlich notwendige Distanz zwischen den Tieren absichtlich unterschritten. Da macht sie aggressiv und wenn man sie loslässt, beginnen sie von alleine zu kämpfen, ohne zusätzlich provoziert zu werden.«

»Die Hähne scheinen sich gegenseitig nicht besonders zu mögen.«

Rey lachte. »Nein, es sind schließlich Kampfhähne.«

»Bei vielen Menschen ist es ähnlich«, fügte Diego an.

Die Halle füllte sich immer mehr und Romel war froh, dass sie so früh gekommen waren. Plötzlich wurde es laut und Romel sah, wie zwei Männer zur Arena liefen. Beide trugen Hähne auf ihren Armen, die stolz und erhaben ihren Kopf hoben und sich in der Halle umblickten. Zwei weitere Männer traten zu den Betreuern und nahmen abwechselnd beide Vögel in ihre Hände und wogen sie ab. Dann nickten sie den Betreuern zu. Die ersten Kontrahenten waren ausgewählt.

»Was sind das für Männer?«, fragte Romel neugierig.

»Das sind die zwei Betreuer der Kampfhähne und die zwei Kampfrichter. Außer denen darf keiner in die Arena«, antwortete jetzt Diego.

Plötzlich wurde es laut. Überall schrien Männer durcheinander und winkten sich zu. Wetten wurden angeboten, manche wurden abgelehnt, andere akzeptiert. Hunderte Hände hoben sich, zusammengeknüllte Geldscheine flogen durch die Luft und die hektischen Schreie lenkten Romel von der Arena ab. Er sah um sich herum eine unkoordinierte Feilscherei um Wetteinsätze und Gewinnquoten, und das Geschehen zog Romel regelrecht in seinen Bann. Plötzlich schrie auch Rey etwas, dann Diego, ein Mann antwortete ihren und Geld wechselte den Besitzer. Es herrschte ein völliges Chaos und Romel verstand nicht, wie dieses Durcheinander funktionieren konnte.

»Was hast du gesetzt?«, fragte er Rey.

»Fünfhundert Peso«, antwortete dieser.

Romel konnte es fast nicht glauben. Für fünfhundert Peso konnten sie mehrere Tage leben. »Ist das nicht etwas viel?«

»Zweihundert Peso ist Mindesteinsatz«, antwortete Rey. »Hier ist es noch billig. Es gibt Wettkämpfe, da musst du mindestens tausend Peso und mehr setzen.«

Romel war bekannt, dass der Hahnenkampfsport eine lange Tradition auf den Philippinen hatte und das viel Geld dabei floss. Überall im Land gab es Kampfhahnzüchter und gute Kampfhähne waren eine echte Wertanlage. Deshalb wurden sie gut gehalten und die Vögel hatten bis zum Kampf ein angenehmes Leben. Zusammen mit Baseball war der Hahnenkampf die beliebteste Sportart der Inselrepublik. Viele Männer hatten schon beim Wetten ihre Familien ruiniert und Haus und Hof dabei verloren. Trotzdem büßte der Sport bei der Bevölkerung nichts an seiner Faszination ein, die ihn seit Jahrhunderten auszeichnete.

»Was machen sie jetzt?«, wunderte sich Romel. Er sah, wie die Betreuer etwas Gebogenes am Bein des Hahns befestigten, das nach hinten herausstand.

»Bevor sie aufeinander losgelassen werden, bekommen sie Klingen.«, antwortete ihm Joriz.

»Wieso das?«

»Ein Kampf ist vorbei, wenn eines der Tiere tot oder sterbend im Staub liegt. Unbewaffnet dauert das zu lange. Deshalb bekommen sie rasiermesserscharfe Klingen ans Bein befestigt, die die Kämpfe schnell machen«, erklärte Joriz weiter.

»Wissen die Hähne, dass es um Leben und Tod geht?«

»Ich denke, man hat es ihnen vorher gesagt«, witzelte Joriz und die anderen lachten.

Dann ging es los. Unter lauten Gebrüll und Anfeuern ließen die Betreuer die Tiere los. Beide blickten sich für einen Augenblick an, sie plusterten sich erhaben auf, hoben stolz ihren Kopf und fixierten drohend ihren Gegner. Dieses Abtasten hielt aber nur eine Sekunde an, dann fielen die beiden Vögel übereinander her. Romel sah, wie Federn flogen, und der anfeuernde Lärm der brüllenden Menge wurde ohrenbetäubend. Wenige Sekunden später war es vorbei, ein Hahn fiel zu Boden und blieb regungslos liegen, während der sandige Boden um den Kadaver vollgespritzt mit Hühnerblut war. Der zweite Hahn stand drohend über seinem Widersacher, bereit, die Attacke bei der geringsten Bewegung fortzusetzen.

»Was, schon vorbei?« Romel wunderte sich, der ganze Kampf hatte nur wenige Sekunden gedauert.

Der Betreuer des siegreichen Hahns riss seine Arme hoch. Er holte seinen Champion aus der Arena, dann kam er zurück und holte auch das tote Tier.