Fragen an die Pädagogik -  - E-Book

Fragen an die Pädagogik E-Book

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Beschreibung

Standortbestimmung der Pädagogik Die Pädagogik ist eine Disziplin, die mit komplexen Methoden und Theorien eine Vielzahl gesellschaftlich relevanter Probleme und Fragen bearbeitet. Die Erwartung, dass die Pädagogik Antworten auf zentrale Fragen findet, ist groß. Schon seit längerem ringt sie um eine Standortbestimmung und sucht Positionen innerhalb der eigenen Disziplin zu klären. Dieses Buch will das teils undurchsichtige Dickicht von offenen Fragen und Positionen ein wenig lichten. Fragen an die Pädagogik hat dazu über 20 namhafte WissenschaftlerInnen zu Wort kommen lassen, die leidenschaftliche und persönliche Antworten auf drängende Fragen geben - und damit der Pädagogik auch einen neuen Umriss: Was zeichnet einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin aus? In welche Richtung entwickelt sich die Jugend? Wie verändern Medien die Kindheit? Wie soll die Pädagogik sozialer Ungleichheit begegnen? Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Was bedeuten die demografischen Umbrüche für die Pädagogik? Folgende WissenschaftlerInnen kommen zu Wort: Sabine Andresen, Dietrich Benner, Manuela du Bois-Reymond, Hans Brügelmann, Micha Brumlik, Ludwig Duncker, Peter Fauser, Hannelore Faulstich-Wieland, Heide von Felden, Hermann Giesecke, Ingrid Gogolin, Marianne Horstkemper, Heinz-Hermann Krüger, Hans Merkens, Arnd-Michael Nohl, Thomas Rauschenbach, Klaus-Jürgen Tillmann, Werner Thole, Jochen Wissinger

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Seitenzahl: 435

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum

Sabine Maschke, Ludwig Stecher (Hrsg.) Fragen an die Pädagogik In der Reihe Bildung kontrovers

1. Auflage 2015

Das vorliegende eBook folgt der Buchausgabe: 1. Auflage 2014

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu §52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen. Fotomechanische oder andere Wiedergabeverfahren nur mit Genehmigung des Verlages.

© 2014. Kallmeyer in Verbindung mit Klett Friedrich Verlag GmbH D-30926 Seelze Alle Rechte vorbehalten.www.friedrich-verlag.de

Redaktion: Dirk Haupt, Leipzig

Einleitung

Sabine Andresen

Weiterführend ist der Blick auf die Brüche der Pädagogik

Dietrich Benner

Auf dem Weg von der Philosophie zur PädagogikundErziehungswissenschaft

Hans Brügelmann

An der Seite der Kinder

Micha Brumlik

„Vom Jugendleiter zum Pädagogikprofessor“

Manuela du Bois-Reymond

Alte und neue Illusionen

Ludwig Duncker

Einsichten in die relative Autonomie pädagogischer Theorie und Praxis

Hannelore Faulstich-Wieland

Reflexive Erziehungswissenschaft und soziales Engagement

Peter Fauser

„Die Einbildungskraft, sie ist unser letztes Heiligtum“

Heide von Felden

Jean Jacques Rousseau, der Bildungsbegriff und die Bedeutung für die Pädagogik

Hermann Giesecke

Anmerkungen zum pädagogischen Zeitgeist

Ingrid Gogolin

Über Pädagogik und Heterogenität

Marianne Horstkemper

Unterrichtsforschung, Schulentwicklung und Lehrer(innen)bildung verknüpfen

Heinz-Hermann Krüger

Erziehungswissenschaft zwischen Disziplin und Profession

Hans Merkens

Herausforderungen an die Erziehungswissenschaft aus Gesellschaft und Praxis

Arnd-Michael Nohl

Skepsis in der Erziehungswissenschaft

Thomas Rauschenbach

„Ich denke, die Pädagogik wird gleichermaßen überschätzt wie unterschätzt“

Werner Thole

Schlicht und einfach: Pädagogik kann erfolgreich sein, aber auch scheitern

Klaus-Jürgen Tillmann

„Die Schule forschend verändern“

Jochen Wissinger

Einleitung

Die Pädagogik ist eine Disziplin, die mit komplexen Theorien und Methoden eine Vielzahl gesellschaftlich relevanter Probleme und Fragen, die unser aller Zukunft berühren, bearbeitet. Was können wir tun gegen soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit? Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Was bedeuten die zu erwartenden demografischen Umbrüche für die Bildung und deren Institutionen? Wie lassen sich die Bedingungen des Aufwachsens für Kinder und Jugendliche verbessern? Die Erwartung, dass die Pädagogik Antworten auf diese und weitere zentrale Fragen findet, ist groß.

Gleichzeitig muss die Pädagogik, die seit Längerem um eine Standortbestimmung ringt, auch Positionen innerhalb der eigenen Disziplin klären. Da geht es u.a. um die Frage, was die Pädagogik mit der Erziehungswissenschaft und (den) Bildungswissenschaften gemein hat. Oder ob der empirische Weg dem theoretischen vorzuziehen ist bzw. Bildungsforschung und Bildungstheorie unvereinbare Gegensätze bilden müssen. Vielen, die mit Pädagogik zu tun haben oder sich dafür interessieren, fällt es gegenwärtig schwer, den Überblick zu behalten.

Diese Situation haben wir gemeinsam mit Fritz Seydel vom Friedrich Verlag zum Ausgangspunkt für eine Publikation genommen, in der renommierte Wissenschaftler(innen) des Faches zu Wort kommen. Wir haben die Themen, die dabei in den Blick gerückt werden sollen, auf einige zentrale fokussiert, die wir – in fünf Fragen gefasst – allen Wissenschaftler(inne)n gleichlautend stellten1:

1. Durch welche Vorbilder aus der Pädagogik bzw. Untersuchungen oder Schriften sind Sie in Ihrer eigenen Arbeit beeinflusst worden?

2. Was hat sich aus Ihrer Sicht durch die Pädagogik oder den Einfluss von Pädagog(inn)en in der Welt zum Besseren gewandelt? Wo liegen die „Grenzen“ der Pädagogik?

3. Was sind die wichtigsten Zukunftsaufgaben der Pädagogik? Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der Schule oder außerschulischer Bildungsinstitutionen und -angebote?

4. Was zeichnet einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin aus? Und: Was kann eine professionelle Ausbildung dazu beitragen bzw. wie sollte sie gestaltet sein?

5. Welche Bedeutung hat die Moral- und Werteerziehung in der Pädagogik heute, bspw. bezogen auf die Medien und deren Nutzung?

Zusätzlich konnten noch bis zu zwei weitere Fragen, die den Wissenschaftler(inne)n sozusagen „unter den Nägeln brennen“ bzw. die eigenen Schwerpunktsetzungen hervorheben, selbst ausgewählt werden.

„Fragen an die Pädagogik“ sollte – so unser Ziel – durch die Frage-Antwort-Struktur eher einem lebendigen Gespräch als einer fachwissenschaftlichen Abhandlung ähneln. Dies ist über weite Strecken gelungen. Allerdings war das keine ganz einfache Übung. Ingrid Gogolin bringt dies auf den Punkt, indem sie schreibt: „Die Einladung zu diesem Gespräch habe ich gern angenommen – in der Illusion, es sei ein Leichtes, Fragen zu beantworten, die in engem Zusammenhang mit meiner alltäglichen beruflichen Praxis stehen. Nun aber, im Gespräch selbst, verfliegt die Leichtigkeit.“ Umso mehr möchten wir uns bei allen Autor(inn)en sehr herzlich bedanken, dass sie diese etwas ungewöhnliche Herausforderung angenommen haben. Entstanden ist eine Sammlung wissenschaftlicher und persönlicher Positionen und Auseinandersetzungen, die eine lebendige und spannende Lektüre verspricht.

Vielleicht empfinden Sie, liebe Leserin und lieber Leser, die in diesem Buch präsentierte Auswahl an Pädagog(inn)en bzw. Erziehungswissenschaftler(inne)n (zu dieser Zu- und Einordnung gleich mehr) als recht unvollständig. Ein Blick auf das Inhalts- und Namensverzeichnis bestätigt diesen Eindruck. Ja, es ist richtig, wir haben nicht alle namhaften (deutschen) Pädagog(inn)en und Erziehungswissenschaftler(innen) zwischen diesen Buchdeckeln versammelt. Wir bedauern es, wenn Sie einen Namen (oder mehrere) erwartet haben – aber nicht fündig geworden sind. Zum einen war es uns gar nicht möglich, alle führenden Vertreter(innen) zu Wort kommen zu lassen. Dazu würde es einer mehrbändigen Publikation bedürfen. Zum anderen konnten wir auch nicht alle ausgewählten Pädagog(inn)en und Erziehungswissenschaftler(innen) zum Mitmachen und Schreiben bewegen. Wenn auch die hier versammelten Autor(inn)en die Pädagogik nicht in ihrer Gänze repräsentieren, sind wir uns dennoch sicher, dass mit ihnen ein großer Teil aktueller Positionen in der Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft abgedeckt ist.

Kurz zur Ordnung der Beiträge. Eigentlich eine triviale Frage, die uns jedoch einiges Kopfzerbrechen bereitet hat: Macht eine Sortierung nach spezifischen Themen, bspw. die Ordnung der Beiträge nach theoretischer vs. empirischer Orientierung, Sinn? Davon haben wir aus guten Gründen rasch Abstand genommen. Eine solche kategoriale Zuordnung hätten wir nicht ohne allzu schlichte Vereinfachungen vornehmen können. Wie sieht es mit der Ordnung der Beiträge nach dem Alter der Autor(inn)en aus? Ein im ersten Moment reizvoller Gedanke, der den Fokus auf generationale Aspekte gelegt hätte. Letztendlich aber auch eine Ordnung, die auf einige ebenfalls voraussetzungsvolle Vorannahmen setzt. Wir haben uns zu guter Letzt für das bewährte Prinzip der alphabetischen Namensordnung entschieden. Dies umgeht die Problematik inhaltlicher Zuordnungen und hat den Vorteil, die jeweilige Autorin, den jeweiligen Autor schnell im Band aufzufinden.

Schließlich müssen wir noch die Auswahl unserer Fragen begründen. Gibt es da nicht drängendere?, mag sich der/die eine oder andere vielleicht fragen. Oder: Hätte man nicht ganz anders fragen können? Sicher, bestimmt gibt es noch andere, vielleicht auch spannendere Fragen. Unser Anliegen war es jedoch, Fragen zusammenzustellen, auf die alle Autor(inn)en – unabhängig von ihren fachlichen Spezialisierungen und den jeweiligen Arbeits- und Wissenschaftsgebieten – Antworten geben können. Allzu differenzierte Fragen zu spezifischen Forschungs- und Wissensbereichen schieden also von vornherein aus. Die Fragen sollten auch eine gewisse Offenheit vermitteln und den Autor(inn)en die Möglichkeit bieten, ihre Fachexpertise und ihre Vorstellungen zu einem Thema einbringen zu können. Ganz wichtig war uns die Vergleichbarkeit der Antworten – und damit der Positionen und Begründungen der Befragten.

Ein zentraler Punkt: Pädagogik und/oder Erziehungswissenschaft?

Bevor wir uns mit den Fragen und Antworten beschäftigen, möchten wir uns erst einmal einem Punkt zuwenden, der von fast allen Autor(inn)en angesprochen und aus unterschiedlichen Positionen heraus diskutiert wurde: Um was geht es hier eigentlich? Um Pädagogik und/oder Erziehungswissenschaft?

Eine Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Für Arnd-Michael Nohl2 bspw. gilt Pädagogik „gemeinhin – aber nicht unumstritten – als ein Begriff, der einerseits auf die pädagogische Praxis verweist, andererseits auf eine wissenschaftliche Disziplin. Bei letzterer wird häufig an eine geisteswissenschaftliche Ausrichtung gedacht, während für neuere, sozialwissenschaftlich fundierte Ansätze der Beschäftigung mit pädagogischen Fragen ja auch der Begriff der Erziehungswissenschaft genutzt wird.“

Im Mittelpunkt der Überlegungen der Autor(inn)en in diesem Band stehen Fragen nach dem zentralen Gegenstand, dem Erkenntnisinteresse und den Aufgaben zwischen Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Für Hans Merkens stellen sich das Verhältnis und die Aufgabenteilung zwischen Pädagogik und Erziehungswissenschaft z.B. folgendermaßen dar: „Während in der Pädagogik in der geisteswissenschaftlichen Tradition implizit davon ausgegangen worden ist, dass Theorie und Praxis in einem engen Verhältnis stehen – dieses Verhältnis aber kaum näher expliziert worden ist – ,wird in der Erziehungswissenschaft die wissenschaftliche Erforschung und Theoriebildung vorangetrieben.“

Schauen wir uns an, woran sich Pädagogik und Erziehungswissenschaft orientieren, gerät eine zentrale und gemeinsame Orientierungskategorie rasch in den Blick – Bildung. Um diese Kategorie wird in den letzten Jahren heftig gerungen, am offensichtlichsten in der Diskussion um Bildungstheorie und/vs. Bildungsforschung.

Die Bildungstheorie regt Diskussionen und kritische Reflexionen über die pädagogische Praxis an. Sie lässt sich überwiegend der präskriptiv-normativen und verstehenden (hermeneutisch orientierten) Pädagogik zuordnen (vgl. Koller 2010, S.200). Normativ deshalb, weil Bildung immer und grundsätzlich mit einer (positiven) Wertung einhergeht: „Bildung soll stattfinden bzw. ermöglicht werden“ (Koller 2012, S.9). Der Bildungstheorie, in Gestalt etwa der Allgemeinen Pädagogik und einer theoretisch (und philosophisch) weitestgehend verselbstständigten Disziplin, wird vorgeworfen, sie baue auf einen Begriff mit einer über 200Jahre alten Bedeutungsgeschichte – Bildung gibt hier eine „konservative Figur“ ab, so etwa Dieter Lenzen (1997, S.949).

Der Bildungsforschung, oft ist auch von der empirischen Bildungsforschung oder Erziehungswissenschaft die Rede, geht es darum, „die Bildungswirklichkeit zu verstehen und zu verbessern“ (Prenzel 2006, S.73). Sie folgt überwiegend einem deskriptiven und erklärenden Modell. Vorgeworfen wird ihr, sie verfehle ihren Gegenstand, da sie ja ganz ohne tiefergehende theoretische Analysen auskomme; man könne sie auch in eine „Lern- und Qualifikationsforschung“ (Gruschka 2004, S.9) umtaufen. Hans Brügelmann spricht davon, dass sie sich „in den letzten Jahren immer mehr zu einer Variante pädagogischer Psychologie entwickelt“ habe. Ludwig Duncker verweist auf das „Diktat der empirischen Bildungsforschung“, unter dem die „wissenschaftstheoretische und methodologische Pluralität“ gefährdet zu sein scheint. Hermann Giesecke fordert gar die „Befreiung der Pädagogik aus der Gefangenschaft ihrer ,Hilfswissenschaften‘“ – dazu zählt er auch die „(empirische) Lern- und Bildungsforschung“.

Soweit die – zugegebenermaßen verkürzte – Darstellung beider Positionen.

Wir finden also eine Situation vor, in der Bildungsforschung und Bildungstheorie – und damit auch in gewisser Weise die Begriffe Pädagogik und Erziehungswissenschaft – miteinander konkurrieren.

Gibt es Ansätze zur Annäherung dieser unvereinbar scheinenden Positionen? Mit Dietrich Benner bspw. lässt sich über Möglichkeiten einer reflexiven und innovatorischen Bildungsforschung nachdenken. Er mahnt an, dass man den Streit, „den gegenwärtig Erziehungs- und Bildungsphilosophen und empirische Bildungsforscher gegeneinander führen“, eher konstruktiv und „im Wettstreit um tragfähige Antworten“ austragen sollte.

Thomas Rauschenbach will nichts „gegen eine Hinwendung der Erziehungswissenschaft zu empirischen Fragestellungen sagen“ und ist sich sicher, „dass diese notwendig war und ist […] und dass die letzten Jahre mit ihrer Umorientierung dem Fach wirklich gut getan haben“. Er warnt jedoch davor, „die hermeneutischen Entwicklungsstränge und Traditionen jetzt vollends zu kappen“, denn „dort existiert eine Wertschätzung der begrifflichen Präzision und des analytischen Denkens, auf die eine Disziplin wie die Erziehungswissenschaft nicht verzichten sollte. Man kann das vielleicht mit den Worten eines Kollegen zum Ausdruck bringen, der seine Lehrjahre an zwei pädagogischen Lehrstühlen verbracht hat, an einem geisteswissenschaftlichen und einem empirischen. Bei ersterem, so hat er mal erzählt, habe er das kritische Denken gelernt, bei letzterem das empirische Forschen. Ich denke, eine zeitgemäße Erziehungswissenschaft braucht beides.“

Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: In diesem Buch geht es um beides, um Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Statt Fragen an die Pädogik zu richten, hätten wir den Titel des Buches auch Fragen an die Erziehungswissenschaft nennen können. Wir hatten jedoch eine erweiterte, nicht allein auf ein Fachpublikum begrenzte, Leserschaft im Sinn – und haben uns deshalb für den in der Öffentlichkeit präsenteren und weiter verbreiteten Begriff der Pädagogik entschieden.

1. Durch welche Vorbilder aus der Pädagogik bzw. Untersuchungen oder Schriften sind Sie in Ihrer eigenen Arbeit beeinflusst worden?

Mit der Frage, durch welche Vorbilder aus der Pädagogik bzw. Untersuchungen oder Schriften die Autor(inn)en in ihrer Arbeit beeinflusst wurden, wollten wir uns den Professions-Biografien der hier versammelten Pädagog(inn)en und Erziehungswissenschaftler(innen) annähern. Wir wollten nicht nur erfahren, welche beruflichen „Stationen“ im Rückblick von Bedeutung für die aktuelle berufliche Position und den wissenschaftlichen Standpunkt sind, sondern auch, inwieweit sie von signifikanten Vorbildern und Weggefährten, von Kolleg(inn)en, Lehrkräften, Doktorvätern und -müttern, durch ihr wissenschaftliches Leben begleitet wurden. Verbunden haben wir damit auch die Vorstellung, dass Vorbilder Entwürfe, Paradigmen und Modelle darstellen (vgl. Prisching 2014, S.98), die zur Nachahmung anregen können, aber auch dazu, es ganz anders machen zu wollen als das Vorbild. Neben realen Personen-Vorbildern hatten wir auch pädagogische Klassiker(innen) aus der Literatur vor Augen.

Vorweg ist zu sagen, dass sich am Begriff des „Vorbilds“ die Geister scheiden. Vielleicht, weil wir in einer Welt leben, die jeder und jedem den Auftrag mitgibt, einzigartig und authentisch sein zu sollen; Vorbilder passen mit unserem Anspruch nach Individualität schlecht zusammen (vgl. ebd., S.95). Und vielleicht ist auch grundsätzlich Vorsicht geboten gegenüber der „pädagogischen Inanspruchnahme von Vorbildern […], weil das, was wir eben als vorbildlich ansehen, morgen diskreditiert werden kann“ (Winkler 2014, S.78).

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff des Vorbilds bei einigen Autor(inn)en deutlich ablehnende Reaktionen hervorruft. Für Peter Fauser bspw. klingt im Vorbild das „Nachbild“ mit. Aus seiner Sicht wird das Vorbild zum „leuchtenden“ Vorbild, zum „auratischen übermenschlichen Idol“, das die Fähigkeit zur „kritischen Distanz und Freiheit“ beschneidet.

Für manch einen ist der Begriff des Vorbilds auch vorbelastet und stark ideologisch aufgeladen. Statt des Vorbild-Begriffs werden deshalb teils andere Begriffe gewählt – Werner Thole etwa spricht lieber von der „Inspiration“.

Trotz der Skepsis und der Vorsicht gegenüber dem Begriff des Vorbilds ist doch am Ende bei vielen eine (teils auch recht persönliche) Rückschau auf das bisherige berufliche Leben herausgekommen. Den Leser(inne)n gewähren diese Rückschauen Einblicke in die Hintergründe beruflicher Etappen und Entwicklungen, die oftmals keine geradlinigen waren und die von verschiedenen Menschen, Handlungen, Gedanken und Ideen begleitet wurden, deren Bedeutung oft erst nach einer gewissen Zwischenzeit deutlich wird.

Arnd-Michael Nohl schildert rückblickend, dass es „von Zeit zu Zeit“ Menschen gab, die er als „besonders nachahmenswert“ angesehen hat. „Zum Glück“, resümiert er, ist das „heute nicht mehr so“. Er sieht heute deutlicher, „dass jede Stärke einer Person auch mit bestimmten Schwächen einhergeht und ohnehin nur in der jeweiligen historischen Situation zur Geltung kommt“. Allerdings hat er von einigen Personen viel gelernt, „von manchen gar mehr, als ich dies in Worten adäquat ausdrücken könnte“.

Vorbilder werden teils auch in negativer oder abschreckender Form reflektiert. Hans Brügelmann bspw. erinnert sich an negative Vorbilder: „Meine Pädagogik lebt stark aus negativen Vorbildern. Anders als viele Erwachsene hatte ich nie Sehnsucht, wieder Kind zu sein.“

Andere Autor(inn)en in diesem Buch berichten von (berufs-)biografisch bedeutsamen Vorbildern. Davon, dass reale Personen für die eigene biografische Entwicklung von Bedeutung waren, dass diese vielleicht sogar Einfluss auf (Lebens-)Entscheidungen hatten. Klaus Jürgen Tillmann schreibt z.B., dass es Menschen gibt, die ihn durch ihre Arbeit „beeinflusst und beeindruckt“ haben. Jochen Wissinger streicht heraus, dass vor allem „einzelne Personen“ von Bedeutung waren und Thomas Rauschenbach bringt zum Ausdruck, dass er während seines Studiums einem Menschen begegnet ist, der ihn „mit seiner Art, seinem Wissen, seiner Strahlkraft und seiner Art mit Studierenden umzugehen, nachhaltig beeindruckt hat“. Marianne Horstkemper fallen auf die Frage nach Vorbildern zuerst „partout weder lebende Menschen noch papierene Produkte ein“. Sie erinnert dann doch eine Person, ihre ehemalige Klassenlehrerin, deren „lebendiges Vorbild“ sie weitertragen wollte. Aber auch durch literarische pädagogische Klassiker (und solche aus benachbarten Disziplinen) können sich neue Weltsichten eröffnen; für Heide von Felden ist Rousseau ein solcher Klassiker – mit weitreichender Relevanz für ihr wissenschaftliches Denken und pädagogisches Handeln. Auch anderen eröffneten sich durch die Lektüre neue Sichtweisen auf die Welt, Rauschenbach wurde von einzelnen Autor(inn)en geradezu „elektrisiert“.

2. Was hat sich aus Ihrer Sicht durch die Pädagogik oder den Einfluss von Pädagog(inn)en in der Welt zum Besseren gewandelt? Wo liegen die „Grenzen“ der Pädagogik?

Folgt man etwa Wolfgang Brezinka (vgl. 1972, S.26), so ist Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft sowohl teleologisch als auch normativ ausgerichtet. Sie strebt eine Veränderung der Erziehungswirklichkeit an, die nicht nur auf ein erfolgreich „erzogenes“ Individuum, sondern auch auf eine bessere, vernünftigere Gesellschaftsorganisation als Ganze zielt. Diese Perspektive auf Pädagogik/Erziehungswissenschaft haben wir mit der Frage aufgenommen, ob sich durch die Pädagogik etwas zum Besseren in der Welt gewandelt habe und wo die Grenzen dessen liegen, was die Pädagogik hier erreichen kann.

In einigen Antworten auf die erste Frage kommt zum Ausdruck, dass diese Frage für sich genommen die Pädagogik „überfordert“. So bewertet Klaus Jürgen Tillmann die Frage nach der Weltverbesserung als zu „pathetisch“, Hannelore Faulstich-Wieland als „in gewisser Weise ‚schräg‘“, oder Jochen Wissinger versteht sie als eine „Selbstüberschätzung“ der Profession. Wieder andere Autor(inn)en betonen, dass uns die Vergleichsmaßstäbe fehlen, um diese Frage beantworten zu können. So weist etwa Werner Thole darauf hin, dass die Frage, „wie sich die Welt ohne Pädagogik entwickelt hätte“, gar nicht „seriös“ beantwortet werden kann. Ähnlich sieht dies auch Arnd-Michael Nohl, der auf die Historizität pädagogischer Errungenschaften hinweist, wenn er schreibt, dass uns eine „pädagogische Neuerung“ heute als Verbesserung erscheinen mag, dass wir aber bereits morgen „eines Besseren belehrt“ werden können. Auch Sabine Andresen merkt kritisch an, dass „keine Disziplin allein“ etwas „in der Welt zum Besseren“ verändern könne.

Trotz dieser Kritik an der grundsätzlichen Aufgabe und Möglichkeit der Pädagogik, die Welt zu verbessern, bringen einige Autor(inn)en klar zum Ausdruck, dass sich durch den Einfluss der Pädagogik durchaus etwas zum Besseren gewandelt hat, dass, wie Heinz-Hermann Krüger es formuliert, „durch das engagierte pädagogische Handeln professioneller Pädagog(inn)en ein kleiner Beitrag zur ,Verbesserung der Welt‘ geleistet werden“ kann. Hans Brügelmann bspw. geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche „heute häufiger und stärker als eigenständige Personen wahr- und ernst genommen [werden]. Das zeigt sich in normativen Veränderungen, z.B. im Verbot der körperlichen Züchtigung durch das Gesetz über gewaltfreie Erziehung aus dem Jahre 2000, und ist im Familien- und Schulalltag durch sie befördert worden.“ Micha Brumlik sieht eine deutliche Veränderung darin, „dass die nun seit mehr als vierzig Jahren umstrittene ‚antiautoritäre‘ Pädagogik mitsamt ihren Kinderläden der wesentliche kulturelle Faktor beim Wandel der Bundesrepublik Deutschland von einer postnazistischen Angst- und Schuldgesellschaft zu einer doch alles in allem liberalen und weltoffenen demokratischen Gesellschaft gewesen ist“. Auch Marianne Horstkemper kann für die Pädagogik auf der „Habenseite“ verbuchen, dass das „Interesse an der Beschäftigung mit pädagogischen und bildungspolitischen Fragen in der Öffentlichkeit“ deutlich gestiegen ist.

Wo liegen die Grenzen der Pädagogik?, lautete die zweite (Teil-)Frage. Zum einen sicher darin, wie es Heide von Felden ausdrückt, dass es „keine eindeutige Gewähr“ dafür gibt, dass die pädagogischen Bemühungen erfolgreich sind. Zum anderen in den gesellschaftlichen Bedingungen und Begrenzungen selbst, die, wie Ludwig Duncker ausführt, verdeutlichen, dass „die Pädagogik nicht alle Probleme lösen kann, die gesellschaftliche Ursachen haben und die bspw. auf politischem Wege gelöst werden müssen“. Teilweise werden der Pädagogik von der Politik oder der Wirtschaft Aufgaben „aufgebürdet“, so Arnd-Michael Nohl, „die sie selbst nicht zu erledigen in der Lage waren, aber hätten gewesen sein sollen“. Grenzen liegen aber auch im raschen gesellschaftlichen Wandel selbst begründet, „in der Wucht und Geschwindigkeit gesellschaftlichen Wandels und seinen strukturbildenden Wirkungen auf Kindheit und Jugend“, so Jochen Wissinger, die wir pädagogisch kaum einholen können.

Die Statements auf diese Frage zeigen alles in allem, dass eine gewisse Bescheidenheit mit Blick auf die Aufgaben und Ziele der Pädagogik angeraten ist und dass sie nicht allein die Bürde der Welt zu tragen vermag. Vielmehr ist die Pädagogik (die Erziehungswissenschaft denken wir mit) in einen gesellschaftlichen Funktionszusammenhang eingebunden, der viele Akteure kennt und der ihr den Handlungsrahmen vorgibt. Dass Pädagogik – im Rahmen dieser Begrenzungen – jedoch wirkungslos sei, findet sich in keiner der Antworten.

3. Was sind die wichtigsten Zukunftsaufgaben der Pädagogik? Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der Schule oder außerschulischer Bildungsinstitutionen und -angebote?

Wie bereits eingangs formuliert, sind Pädagogik und Erziehungswissenschaft gefordert, Ideen für eine moderne Bildung und Erziehung zu entwickeln und damit die Zukunft unserer Gesellschaft wesentlich mitzugestalten. Wie sehen die Zukunftsaufgaben, die sich daraus für die Pädagogik ergeben, aus?

Erst einmal ist festzuhalten, dass die Autor(inn)en die Pädagogik nicht zu einer Art „Leitdisziplin“ erheben, die es vermag, die drängenden gesellschaftlichen Fragen und Aufgaben allein zu lösen. Dies klang ja bereits in den vorhergehenden Antworten an.

Auch ist es nicht Aufgabe der Pädagogik und Erziehungswissenschaft, wie Dietrich Benner es formuliert, „nachwachsende Generationen ,zukunftsfest‘ oder gar ,zukunftsfähig‘ zu machen“. Vielmehr besteht seiner Auffassung nach die Aufgabe darin, „Voraussetzungen für ein Aufwachsen, Lernen, Leben und Handeln in der modernen Welt zu sichern und dazu beizutragen, dass Kinder und Jugendliche in die Lage versetzt werden, die moderne Welt in ihrer historisch-gesellschaftlichen Gewordenheit zu verstehen, in dieser ein individuelles Leben zu führen und am öffentlichen Leben in all seinen Dimensionen und Handlungsfeldern zu partizipieren“.

Viele der Autor(inn)en beziehen sich bei der Frage nach den Zukunftsaufgaben auf den Begriff der Bildung. Dabei wird ein vielschichtiger und weiter Bildungsbegriff umrissen, der an Diagnosen zur Entwicklung der Gesellschaft und der Welt, in der wir leben, anknüpft und sich der Verengung auf reinen Nutzen, Leistung und Kompetenz und die Anpassung des Menschen an ökonomische Ziele widersetzt. Hannelore Faulstich-Wieland bspw. empfiehlt in diesem Sinne, den pädagogischen Blick auf die „Entwicklung der Subjekte zu richten, deren Entfaltung Ziel von Bildung ist“. Dieses Ziel gilt es ihrer Auffassung nach zukünftig „zu verteidigen gegen eine immer stärker werdende Reduktion der Menschen auf das Modell konkurrierender Individuen, d.h. auf ein neoliberales, primär an ökonomischer Entwicklung ausgerichtetes Menschenbild“. Arnd-Michael Nohl fragt, wie Menschen auf eine Gesellschaft vorbereitet und in ihr pädagogisch begleitet werden können, „in der Wissen (aber keineswegs Können) immer vergänglicher, zugleich aber die zum Aufbau des Wissens benötigte Information immer leichter zugänglich wird“.

Bildung, bei aller Vorsicht gegenüber ihrem normativen Gehalt, wird auch als wichtige Regulierungs- und Orientierungsgröße verstanden. Heide von Felden plädiert z.B. dafür, „orientierende Bildungsziele“ zu entwerfen, die Menschen auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten sollen. Auch die Öffnung gegenüber „Fremdem“ gehört dazu; Heide von Felden zählt dazu „das Verständnis für andere Kulturen und für Fremdes allgemein sowie ein Umgehen mit den Bedrohungen gegenüber der natürlichen Umwelt“. In eine vergleichbare Richtung argumentiert auch Micha Brumlik, wenn er anführt, dass es ein „menschenrechtliches Bewusstsein“ zu wecken und zu entwickeln gilt. „Konventionelle politische Moralvorstellungen in gefestigte, postkonventionelle Überzeugungen und Handlungsdispositionen fortzubilden“, so Micha Brumlik, „ist eine der vornehmsten Aufgaben von Erziehung und Bildung in Gesellschaften unseres Typs“.

Armut und soziale Ungleichheit sind weitere wichtige Zukunftsthemen. Nach Sabine Andresen ist die Pädagogik „mit Armut und Mangelerfahrungen in Kindheit und Jugend konfrontiert und muss sich dazu ‚verhalten‘“. Es fehlt der Pädagogik jedoch „an einem sensiblen Umgang mit Kindern und ihren Familien in Armut“; häufig verstärkt die Pädagogik sogar noch die Erfahrungen von Ausgrenzung „und positioniert sich nicht gegen die Prekarisierung im Prozess des Aufwachsens. Außerdem muss sie sich fragen, wie sehr sie selbst mit dazu beiträgt, zu beschämen.“ Das Ziel vor Augen, soziale Ungleichheit zu bekämpfen, geht es nach Thomas Rauschenbach „zukünftig mehr denn je darum, die viel zu hohe Herkunftsabhängigkeit der Lebenschancen der nachwachsenden Generation abzubauen. Jedes Kind hätte eigentlich eine ‚Stunde null‘ verdient, müsste die faire Chance auf einen eigenen Start ins Leben haben.“ Auch für Ingrid Gogolin zählt zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben der Pädagogik die „Klärung von Ursachen für die Herkunftsabhängigkeit von Bildungschancen“.

Mit Blick auf die Schule (und ihr Verhältnis zur außerschulischen Bildung) wird fast durchgehend die Ganztagsschule angesprochen bzw. als Zukunftsziel formuliert. Dabei ist das Spektrum der Empfehlungen und Überlegungen weit: Ingrid Gogolin beschreibt die Gestaltung eines Bildungsganztags, „in dem die Frage, ob ein Angebot ‚schulisch‘ oder ‚außerschulisch‘ ist, unbedeutend ist“. Heinz-Hermann Krüger bringt die Forderung nach einer „,echten‘ Ganztagsschule mit einem formen- und inhaltserweiternden Bildungsangebot“ ein und für Manuela du Bois-Reymond bedeutet Ganztagsschule „außerschulische Ressourcen auf[zu]schließen und für Lernvorgänge [zu] nutzen, und Schüler(innen) in neue Erfahrungsbereiche ein[zu]führen und darin [zu] begleiten“. Micha Brumlik spricht von „sozial inklusiven Schulen“ und überlegt, „ob die staatliche Förderung privater Schulen sinnvoll ist“. Angesprochen werden dabei auch Fragen zur (unterrichtlichen) Gestaltung von Schule, bspw. bezogen auf die Bedeutung ästhetischer Bildung (Ludwig Duncker), oder einer „Schule des Verstehens“ (Peter Fauser).

Für Hans Merkens spielt in diesem Zusammenhang auch der Jugendhilfebereich eine große Rolle; hier gilt es, „neue Formen sozialen Lernens zu implementieren und in ihrem Prozess zu beobachten“.

Ein weiteres bedeutsames, vor allem auch in den Medien jüngst diskutiertes, Thema wirft Sabine Andresen auf, indem sie die Klärung der Ursachen sexuellen Missbrauchs zu einer der drängenden Zukunftsaufgaben der Pädagogik zählt. Dabei geht es nicht nur um den Blick etwa auf die Familie, sondern auch um sexuellen Missbrauch in pädagogischen Institutionen und dabei auch um die Frage, ob und inwieweit die Pädagogik selbst hierbei eine Mitschuld trägt: „Spätestens seit 2010 [wissen wir] sehr viel mehr über das Ausmaß sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend und den Anteil, den ,die‘ Pädagogik daran hat. Warum konnte an der Odenwaldschule sexuelle Gewalt über einen so langen Zeitraum stattfinden, warum wurde den Betroffenen lange kein Glauben geschenkt, warum war der Pädagogik und der Öffentlichkeit der Schutz der Institution wichtiger als der Schutz der Kinder? Wie konnte es geschehen, dass angesehene Vertreter(innen) der Erziehungswissenschaft entweder schwiegen oder nicht genau hinschauten?“

4. Was zeichnet einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin aus? Und: Was kann eine professionelle Ausbildung dazu beitragen bzw. wie sollte sie gestaltet sein?

In den vorangegangenen beiden Fragen haben wir uns mit der Pädagogik/Erziehungswissenschaft aus professionstheoretischer Perspektive beschäftigt. Mit der Frage, was einen guten Pädagogen bzw. eine gute Pädagogin auszeichnet, wollen wir einen Teil der Praxisebene erschließen; dies vor allem mit Blick auf die Ausbildung.

Während beim Thema Weltverbesserung durch Pädagogik (siehe oben) die Vorstellung von der pädagogischen Einflussmacht kritisiert wurde, wird die Figur des guten professionellen Pädagogen bzw. der guten professionellen Pädagogin von den meisten Autor(inn)en als grundsätzlich bestimm- und beschreibbar angesehen. Und unstrittig ist für die meisten Autor(inn)en ebenfalls, dass eine – adäquate – Ausbildung zur Professionalisierung erfolgreich beitragen kann (wenngleich dies nicht heißt, dass wir ein entsprechendes Ausbildungsniveau in allen Fällen schon erreicht hätten). Trägt man die verschiedenen Aspekte zusammen, die nach Ansicht der Autor(inn)en einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin auszeichnen, kristallisiert sich Reflexivität als zentraler Aspekt heraus. Reflexivität erscheint etwa bei Dietrich Benner als die Notwendigkeit „Distanz zu jener pädagogischen Praxis [zu] gewinnen, an der [wir] nicht als pädagogischer Akteur, sondern als Kind und Jugendlicher, als Schüler und als zu Erziehender teilgenommen und partizipiert“ haben. Bei Micha Brumlik manifestiert sich Reflexivität ähnlich als „Einsicht in das eigene Gewordensein“. Auch Jochen Wissinger bindet Reflexivität im Besonderen an selbstreflexive Prozesse. Zum „Kern der professionellen Persönlichkeit bzw. des professionellen Selbst“ zählt für ihn die „selbstreflektierende und selbstkritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln“.

Mit Hans Merkens können wir zur professionellen Reflexivität auch die Fähigkeit zählen, „analytisch forschend“ tätig zu sein oder mit Ingrid Gogolin auch das „Erkennen von Misserfolg“. Reflexivität bildet aus dieser Sicht die Grundlage dafür, wie Werner Thole beschreibt, den „beruflichen Alltag zu planen, durchzuführen und zu evaluieren“.

Darüber hinaus wird noch eine Vielzahl weiterer Aspekte als Kennzeichen eines guten Pädagogen/einer guten Pädagogin aufgeführt; genannt werden etwa Diagnosefähigkeit, Humor, Geduld, Empathie, Authentizität und Respekt bzw. Interesse an Kindern und Jugendlichen. Sabine Andresen fordert eine Auseinandersetzung mit der Frage: „,Interessiere ich mich eigentlich für Kinder und Jugendliche?‘ Das ist die erste Frage, die sich diejenigen stellen müssen, die planen, als Pädagogin bzw. Pädagoge zu arbeiten. Wer darauf keine klare Antwort hat, kein eindeutiges Gefühl entwickelt, sollte ernsthaft über einen anderen Berufswunsch nachdenken.“

Trotz der vielen Aspekte, die einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin ausmachen, warnt Hannelore Faulstich-Wieland gleichzeitig vor dem, was sie „pädagogische Krankheit“ nennt: „Die Vorstellung nämlich, als Pädagoge/Pädagogin wüsste man, was gut und richtig sei und deshalb müssten diese für Kinder entscheiden.“

Grundsätzlich einig sind sich die Autor(inn)en darin, dass die von ihnen genannten Aspekte, die einen guten Pädagogen bzw. eine gute Pädagogin auszeichnen, in der universitären Ausbildung erlernt und gelehrt werden können. Grenzen zeigen sich dort auf, wo es um die (Un-)Möglichkeit der Vermittlung eines basalen Interesses am Kind und Jugendlichen geht und um die Distanz zur Praxis in der universitären Ausbildung. Hermann Giesecke konstatiert: „Man kann dort [an der Universität; Anm. d. Hrsg.] nicht lernen wie man mit Kindern umgeht, weil es dort keine Kinder gibt.“ Zudem wird kritisiert, dass die universitäre Ausbildung aufgrund der vielfältigen Aufgaben der Lehrenden ihre Aufgaben nicht vollständig wahrnehmen und erfüllen kann.

5. Welche Bedeutung hat die Moral- und Werteerziehung in der Pädagogik heute, bspw. bezogen auf die Medien und deren Nutzung?

Mit der letzten der fünf standardisierten Fragen nehmen wir einen weiteren Aspekt, die Aufgaben der Pädagogik betreffend, in den Blick. Zugleich zielt diese Frage auf die interne Verfasstheit von Pädagogik und ihr Selbstverständnis im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang.

Einige Autor(inn)en sehen die Auseinandersetzung mit Werten und Normen als essentiellen Teil der Pädagogik an, da eine Pädagogik ohne normative Ausrichtung schwerlich denkbar sei. Für Arnd-Michael Nohl bspw. gibt es keine „Erziehung, die nicht auf Moral und Werte zielen würde. Denn Erziehung verstehe ich als Zu-Mutung von Orientierungen.“ Auf der anderen Seite sollte die Pädagogik aber in einer pluralistischen Gesellschaft, wie Manuela du Bois-Reymond dies ausdrückt, „zurückhaltend sein, Moralimperative zu formulieren bzw. aus der öffentlichen Diskussion zu übernehmen, wie z.B. die vielzitierten ,abendländisch-christlich-(jüdischen) Werte‘. So etwas geht immer schief, weil es vorbeigeht an der widerständigen Wirklichkeit dessen, was für Lehrkräfte, Schüler(innen), Eltern und Schulpolitiker(innen) aus je verschiedener Perspektive handlungsleitend ist.“ Hinzu kommt, wie Hans Merkens ausführt, „dass die Vorstellungen über Moral und Werte in der Gesellschaft einem Wandel unterliegen und es immer weniger verlässliche Moralsysteme gibt. Einige, die existieren, werden als ideologisch diskriminiert. Das gilt insbesondere für religiös fundierte.“

Hinsichtlich dieses schwierigen Spannungsfeldes in der Werteerziehung lassen sich drei mögliche Konsequenzen für die Pädagogik ableiten:

– Erstens muss sie, wie Hans Merkens betont, selbst in den gesellschaftlichen Diskurs über die Gültigkeit bestimmter Normen und Werte eingreifen.

– Zweitens besteht, dies hebt Marianne Horstkemper hervor, der „Anspruch an reflektierte professionelle Pädagog(inn)en [bzw. an die Ausbildung von diesen; Anm. d. Hrsg.] […] darin, dies nicht in Form affirmativer Anpassung zu tun, sondern den Aufbau zunehmender Kompetenzen bei den Lernenden zu unterstützen, sich mit Werten und Normen kritisch auseinanderzusetzen, Regeln für den Umgang miteinander auszuhandeln, die eigene Selbstbestimmung zu behaupten und gleichzeitig die Ansprüche anderer auf Wertschätzung und respektvolles Verhalten anzuerkennen.“

– Und drittens gilt es, übergeordnete Prinzipien zu suchen und zu formulieren, die einen Diskurs über die Angemessenheit von Normen und Werten in einer pluralistischen Gesellschaft erlauben. Mit Peter Fauser könnten wir im Begriff der Verständigungsorientierung ein solches übergeordnetes Prinzip formulieren: „Verständigung ist aus dieser Sicht ein übergeordneter Wert oder ein Prinzip für Erziehung und Demokratie gleichermaßen, weil sie nicht nur ein Ziel, sondern auch eine Bestandsvoraussetzung für Wertebildung und Demokratie darstellt.“

Werteerziehung kann damit, wie Thomas Rauschenbach schreibt, als „ein Dialog, ein gemeinsames Erarbeiten und Erstreiten von Werten“ verstanden werden. Diesen Gedankengang überträgt er auf die Mediennutzung: „Moralische Verdikte entwickeln in einer Gesellschaft, die auf Verhandlungsprozessen gründet, wenig argumentative Kraft; pädagogisch ertragreicher kann es sein, wenn über Medienkonsum und Mediennutzung gesprochen und verhandelt wird.“ Und ähnlich konstatiert Manuela du Bois-Reymond mit Blick auf die Medien und ihren Zusammenhang zur Werte- und Normerziehung: „Viel wichtiger erscheint mir, ‚media literacy‘ auch in der Schule zu einem Pflichtfach zu machen und es zum Anlass zu nehmen, um Schüler(inne)n (und Lehrkräften) Begriffe und konkrete Anschauungen über die Funktion und das (Dis-)Funktionieren der Hauptmedien (Fotografie, TV, Internet, soziale Medien) zu vermitteln. Dann kommt Moral- und Werteerziehung nicht als Verkündigung von oben, sondern entwickelt sich im Hin und Her lebhafter Diskussionen innerhalb und außerhalb der Schule mit offenem Ausgang.“

Zusätzliche Perspektiven

Die Autor(inn)en hatten die Möglichkeit, ein bis zwei Fragen ihrer Wahl zu formulieren und zu beantworten. Die Meisten machten Gebrauch von diesem Angebot.

Die frei gewählten Fragen und Antworten geben in direkter Weise Einblick in Themen, die den Pädagog(inn)en / Erziehungswissenschaftler(inne)n sozusagen „unter den Nägeln“ brennen. Von besonderer Brisanz sind vor allem die Themen rund um die Ausgestaltung und Zukunft der Disziplin, gefolgt von (weiterführenden) Gedanken zur Schule und/oder zur Ausbildung der Lehrkräfte.

Dazu einige Beispiele. Wie bereits in der Diskussion um die Frage Pädagogik oder Erziehungswissenschaft, Bildungsforschung oder Bildungstheorie, quantitative oder qualitative Forschungsparadigmen etc. ausgeführt, nimmt das Nachdenken über die Standortbestimmung der Profession viel Raum ein. Für Hans Brügelmann bspw. wächst „zum Glück“ die Einsicht in die „prinzipielle Unzulänglichkeit einer jeden Form von Erkenntnis“. Methoden werden deshalb „zunehmend komplementär genutzt“. Aus seiner Sicht erbringt die methodisch kontrollierte Forschung gegenüber der Praxiserfahrung keine „höherwertige“, sondern eine „andersartige Form der Erkenntnis. […] Als Blick ‚von außen‘ und ‚mit anderen Mitteln‘ sollte sie als Korrektiv für die oft zufällige oder betriebsblinde Erfahrung der Praxis sein. Ersetzen kann sie sie nicht.“ Allgemeiner auf die Zukunftsperspektive der Disziplin bezogen, kommt es für Heinz-Hermann Krüger z.B. darauf an, „dafür zu sorgen, dass die erziehungswissenschaftliche Forschungslandschaft nicht in eine pädagogisch-psychologisch orientierte quantitative Bildungsforschung und eine ‚sonstige‘ erziehungswissenschaftliche Forschung zerfällt, sondern weiterhin durch eine gleichberechtigte Pluralität von quantitativen, qualitativen und vor allem auch historischen theoretischen und methodischen Zugängen gekennzeichnet sein wird“. Klaus-Jürgen Tillmann, der die Frage stellt „Wie normativ muss, wie normativ darf die Erziehungswissenschaft sein?“, plädiert dafür, dass die Reflexion über Normen „ein genuines Arbeitsfeld der Erziehungswissenschaft“ bleiben oder dies sogar gestärkt werden muss. Mit Blick auf die empirische Bildungsforschung (z.B. PISA) fordert er dazu auf, dass die dort tätigen Forscher(innen) „zukünftig ein Stück mehr Aufmerksamkeit auf die eigenen normativen Einfärbungen richten (und dadurch selbstreflexiver werden) [sollten], wenn sie sich mit Zielkonzepten wie z.B. Fachorientierung, Leistungssteigerung und Schulzeitbeschleunigung befassen“. Hermann Giesecke denkt fern der Diskussion um Bildungsforschung und/oder -theorie über die Frage nach, was eine „moderne“ Pädagogik ist. Er sieht „nur zwei pädagogische bzw. bildungspolitische Konzepte, die das Etikett ‚modern‘ wirklich verdienen: Die Idee der Allgemeinbildung vor allem in der Version Humboldts einerseits und das Duale System der Berufsausbildung andererseits.“

Mit Blick auf die Zukunft der Schule spricht Manuela du Bois-Reymond vom „Elend der Schule“, das aus ihrer Sicht „in dem Skandal der ungenutzten Ressourcen im weitesten Sinn“ besteht. Ein „kleines Quantum Optimismus“ bezieht sie jedoch aus Entwicklungen, „die Wege für eine Verbindung von schulisch vermittelten formalen und außerschulisch erwerbbaren Lernerfahrungen ebnen“. Sie selbst nimmt eine interkulturell-europäische Perspektive ein und plädiert für eine Nutzung der großen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Vielfalt für das Lernen. Für Manuela du Bois-Reymond sind es vor allem die „Widersprüche“, die sich in dieser Vielfalt manifestieren und die sie für eine „zeitgemäße Bildung und Erziehung“ einfordert. „Die Ganztagsschule, wie sie bis jetzt in Deutschland und anderen Ländern verwirklicht ist, leistet diese Arbeit nicht. Sie könnte aber vielleicht lernen, ihre Chancen besser zu nutzen.“

Bezogen auf Fragen der Lehrer(innen)ausbildung wird von Marianne Horstkemper z.B. empfohlen, „innovative Ansätze in der Lehrer(innen)-bildung“, bspw. zum „forschenden Lernen in Lehr-Forschungs-Projekten oder Forschungswerkstätten“ auszubauen und zu evaluieren. „Selbst bei eher pessimistischer Einschätzung der Realisierungschancen lohnt sich hier pädagogischer Optimismus.“ Zur aktuellen Situation der Lehrer(innen)ausbildung nimmt indirekt auch Ludwig Duncker Stellung. Aus seiner Sicht sind die „Widersprüche und Probleme“ offensichtlich: „Wäre nicht die Freude an der inhaltlichen Arbeit, das große Interesse an den Themen schulischer Bildung und Erziehung, wäre nicht immer wieder die Erfahrung, dass Wissenschaft auch eine Bereicherung für das eigene Leben sein kann, nicht zuletzt durch die verdichteten Möglichkeiten, im Rahmen des wissenschaftlichen Austauschs jungen Erwachsenen sowie Kolleginnen und Kollegen zu begegnen, mit denen ein interessanter Austausch und eine gemeinsame Forschungsarbeit gelingen kann, könnte man angesichts des Zustands der Universitäten und insbesondere der Lehrerausbildung manchmal am eigenen Beruf auch verzweifeln.“

Von einzelnen Autor(inn)en wird im Rahmen der freien Fragen die Orientierungsfunktion des Bildungsbegriffes herausgestrichen. Für Heide von Felden transportiert der Bildungsbegriff „die Bedeutung, sich der eigenen Normativität der pädagogischen Arbeit bewusst zu sein und sie danach auszurichten. Legt man den Bildungsbegriff der eigenen Forschungsarbeit zugrunde, so ist damit die Einordnung der Forschung in den gesellschaftlichen Rahmen und eine Reflexion der Forschung nach normativen Zielen intendiert.“ Eine weitere Fragestellung bringt Thomas Rauschenbach ein, indem er über das fiktive Projekt eines noch nicht erschienenen, aber wichtigen, Buches nachdenkt. Diese Buch würde sich mit der „Alltagsbildung“ beschäftigen: „Es wäre ein Buch, das der Frage nachgeht, wie wir uns in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt diese aneignen, wie wir junge Menschen dabei unterstützen, Zukunft zu denken und in der Gegenwart zu handeln und wie viel von diesen Aneignungsprozessen plan- und lehrbar ist.“

Eine „besondere“ Frage wirft am Ende Hans Brügelmann auf, in dem er sich selbst fragt, ob er, wenn er denn Gelegenheit dazu hätte, vor dem Hintergrund seiner Berufs- und Lebenserfahrung in der Erziehung einiges anders machen würde als noch vor einigen Jahrzehnten. Er resümiert: „Ändern würde ich im Umgang mit meinen Kindern allenfalls, dass sie sich an den anfallenden Hausarbeiten stärker beteiligen – aber nicht aus erzieherischen Gründen, sondern weil ich heute in der Beziehung zu anderen generell mehr auf die Respektierung meiner eigenen Bedürfnisse achte.“

Alles in allem entsteht in diesem Band das vielstimmige Bild einer Profession im Wandel, die – herausgefordert durch zahlreiche, teils konfligierende (Zukunfts-)Aufgaben – ihre Position (neu) zu bestimmen sucht.

Danksagungen

Am Ende möchten wir uns bei den Menschen bedanken, die dazu beigetragen haben, dieses Buch Wirklichkeit werden zu lassen. In erster Linie sind dies die Autor(inn)en, denen wir für ihre Bereitschaft danken, sich auf dieses doch etwas unübliche Text-Experiment eingelassen zu haben.

Bedanken möchten wir uns auch beim Friedrich Verlag, allen voran bei Fritz Seydel, der mit seiner spontanen Zustimmung und Begeisterung für dieses Projekt von Anfang an für den notwendigen Rückenwind sorgte. Dank gilt auch Gabriela Holzmann, für die professionelle Unterstützung über alle Phasen des Produktionsprozesses, sowie Dirk Haupt für das sorgfältige und kompetente Lektorat.

An der Justus-Liebig-Universität Gießen möchten wir uns bei Marie-Luise Dietz und Johanna Schmidt für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung bedanken.

Zum Schluss bleibt uns nur noch zu hoffen, dass Ihnen liebe Leserin, Ihnen lieber Leser die Lektüre dieses Bandes ebensoviel Freude bereitet, wie es uns gefreut hat, mit den Autor(inn)en für Sie dieses Buch zusammenzustellen.

  Gießen, September 2014 Sabine Maschke und Ludwig Stecher

Literatur

Brezinka, W. (1972). Von der Pädagogik zur Erziehungswissenschaft. Weinheim u.a.

Gruschka, A. (2004). Empirische Bildungsforschung – das muss keineswegs, aber kann die Erforschung von Bildungsprozessen bedeuten. Oder: Was lässt sich zukünftig von der forschenden Pädagogik erwarten? In: Pädagogische Korrespondenz, H. 32, S.5–35.

Koller, H.-C. (2010). Grundzüge einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. In: Liesner, A./ Lohmann, I. (Hrsg.). Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung. Stuttgart, S.288–300.

Koller, H.-C. (2012). Bildung anders denken. Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Stuttgart.

Lenzen, D. (1997). Lösen die Begriffe Selbstorganisation, Autopoiesis und Emergenz den Bildungsbegriff ab? In: Zeitschrift für Pädagogik, H. 43, S.949–968.

Prenzel, M. (2006). Bildungsforschung zwischen Pädagogischer Psychologie und Erziehungswissenschaft. In: Merkens, H. (Hrsg.). Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung. Wiesbaden, S.69–79.

Prisching, M. (2014): Vorbilder: die anderen – wir – die richtigen – die falschen. In: Kalcher, A.M./ Lauermann, K. (Hrsg.). Vorbilder. Erziehen wohin? Salzburg, S.95 –116.

Winkler, M. (2014): Vorbild und Disziplin. Oder: Schwierigkeiten mit einem Thema. In: Kalcher, A.M./ Lauermann, K. (Hrsg.). Vorbilder. Erziehen wohin? Salzburg, S.74–94.

Anmerkungen

1  Einige Autor(inn)en weichen in ihren Beiträgen von dieser Reihenfolge ab; teils werden auch die Fragestellungen abgewandelt.

2  Falls nicht gesondert vermerkt, beziehen sich die Zitate auf die Autor(inn)en in diesem Band.

Sabine Andresen

Weiterführend ist der Blick auf die Brüche der Pädagogik

Sabine Andresen studierte an der PH Heidelberg Geschichte, Deutsch und Musik auf Lehramt mit der Absicht, später einen Aufbaustudiengang Sonderpädagogik zu absolvieren. Nach dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen folgte jedoch ein Aufbaustudium Diplompädagogik, weil sich im Laufe des Studiums, vor allem des Faches Geschichte, Interessen an der wissenschaftlichen Arbeit entwickelt hatten. Nach der Geburt einer Tochter 1994 erfolgte 1997 die Promotion bei Micha Brumlik in Heidelberg. Im Anschluss daran erhielt sie ein Margarete von Wrangell-Habilitationsstipendium und war als wissenschaftliche Assistentin in Heidelberg tätig, ab 2001 als Oberassistentin an der Universität Zürich, an der sie auch habilitierte mit einer Arbeit über „Kindheit und Politik. Sozialistische Kindheitskonzepte“. 2004 trat sie eine Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Bielefeld an. 2011 erfolgte der Wechsel auf eine Forschungsprofessur für Sozialpädagogik und Familienforschung an die Goethe-Universität Frankfurt a.M. Neben der historischen Forschung befasste sie sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Forschungen zu Kinderarmut, kindlichem Wohlbefinden, zu Familien und deren Passung zu pädagogischen Institutionen sowie zu sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend.

1. Durch welche Vorbilder aus der Pädagogik bzw. Untersuchungen oder Schriften sind Sie in Ihrer eigenen Arbeit beeinflusst worden?

Die historische Forschung hat mich in der Pädagogik in den ersten Jahren intensiv beschäftigt. Darum sei an dieser Stelle auf drei Lektüren und damit verbundene Erfahrungen oder Prägungen verwiesen. Eine intensive Auseinandersetzung fand mit der schwedischen Frauenrechtlerin und Reformpädagogin Ellen Key und ihren Schriften, vor allem ihrem Buch „Das Jahrhundert des Kindes“ (1902) statt. Auf sie war ich im Laufe des Studiums gestoßen. In meiner Diplomarbeit habe ich über die Freundschaft zwischen Key und der Schriftstellerin und späteren Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé und deren intellektuelles Umfeld gearbeitet. Dafür lagen mir u.a. sehr interessante Briefe von Lou Andreas-Salomé an Key vor. Beide verband eine Freundschaft mit Rilke, die Begeisterung für Nietzsche und Tolstoi und die persönliche Umsetzung verschiedener Elemente der damaligen Lebensreformen.

An der Reformpädagogik und einigen Vertreter(inne)n wie Ellen Key hat mich zunächst der historische Kontext mit seinen facettenreichen Überschneidungen fasziniert. Aber durch die intensive Arbeit an der Geschichte, ihrer Dogmen und die historische Rekonstruktion der Positionen Ellen Keys habe ich gelernt, dass und wie auf den ersten Blick scheinbar widersprüchliche Menschenbilder von einer Protagonistin der Frauenbewegung und Reformpädagogik vertreten wurden und Eingang in die Pädagogik fanden. Interessant war hier die Erkenntnis, dass diese Widersprüchlichkeit elementarer Bestandteil der gesamten Reformpädagogik war: So trat Ellen Key für die Demokratisierung der Generationen- und Geschlechterverhältnisse ein und nannte dafür durchaus kluge Argumente. Doch in demselben Buch plädierte sie 1902 für Eugenik, Rassengesetze und unter bestimmten Voraussetzungen auch für Euthanasie. Diese „Geschichte“ hat mich gelehrt, stärker auf die Widersprüche und Brüche zu achten, weniger nach Kontinuitäten zu suchen und in der Pädagogik nicht den Ort sozialer Bewegungen zu sehen.

Diese kritische Distanz fällt mir bei Siegfried Bernfeld deutlich schwerer. In den Arbeiten zur historischen Jugendforschung stieß ich auf den von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Marxismus geprägten Bernfeld. Dabei war es zunächst nicht seine Schrift „Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung“ (1925), die ich immer wieder heranziehe und auch Studierenden empfehle. Sie ist mir persönlich wichtig als kluge, scharfsinnige und dennoch zugewandte Mahnung an die Grenzen der Pädagogik, auch wenn die Lektüre nicht nur für Studierende teilweise mühsam ist. „Geprägt“ wurde ich durch Bernfelds jugendtheoretische Schriften und seine Ansichten zur Jugendpolitik. Große Teile der bürgerlichen Jugendbewegung konnten mit dem Wiener Bernfeld wenig anfangen, weil er zu Volkstum und Nationalismus auf Distanz ging und stattdessen ausschließlich etwas über die Jugend an sich erfahren wollte. In Wien hatte er die Zeitschrift der Jugendkulturbewegung „Der Anfang“ mit gegründet, er hatte Schülerhilfegruppen ins Leben gerufen und war am „Akademischen Comité für Schulreform“ (ACS) beteiligt. Für das ACS formulierte Bernfeld drei Arbeitsgebiete, nämlich erstens wissenschaftliche Fundierung von Begriff, Aufgaben und Technik der Jugendkultur, zweitens Verbreitung von Begriff und Gesinnung unter den Studierenden und drittens jugendkulturelle Veranstaltungen für die Schülerschaft. Das sind bis heute interessante Anliegen.

Bernfeld trat stets als aufmerksamer Vertreter der Jugendinteressen hervor und forderte von der Jugend, sich Gehör zu verschaffen, um eigene Rechte gegenüber den Eltern und der Schule zu erkämpfen und die eigenen kulturellen Werke wertzuschätzen und zu sammeln. Er forderte die prinzipielle Anerkennung der Jugend als einer eigenen und unvergleichlichen Lebensform. Die Gesellschaft habe deshalb die Pflicht, Menschen ihr Recht auf Jugend zuzugestehen und jugendliche Lebensformen ebenso wie Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Am Anfang seiner jugendbewegten Zeit stand Bernfeld auch dem heute sehr umstrittenen Reformpädagogen Gustav Wyneken nahe. Als dieser in den 1920er-Jahren wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht stand und in seiner Schrift „Eros“ voller Missachtung für die Opfer und voller Selbstmitleid über die Bedeutung des Eros in der Pädagogik schwadronierte, gab es bereits lange ein Zerwürfnis zwischen den beiden. Dieses hatte sich aber vor allem aus politischen Gründen und der Haltung gegenüber dem Ersten Weltkrieg ergeben.

Eine dritte Wissenschaftlerin, die ich an dieser Stelle gerne nennen möchte, weil sie meine Arbeiten zur Kindheitsforschung inspiriert hat, ist die Hamburger Psychologin und frühe Kindheitsforscherin Martha Muchow. Nicht nur ihre Lebensgeschichte und ihr wissenschaftlicher Werdegang in enger Zusammenarbeit mit William Stern in Hamburg, nicht nur ihre Studie „Der Lebensraum des Großstadtkindes“, sondern auch weniger umfangreiche Arbeiten sind markante Dokumente einer frühen, auch an internationalen Diskussionen orientierten, Forschung über Kinder und Kindheit. Der Blick Muchows auf Kinder und ihre Umwelt, ihre Herangehensweise und die darin sichtbare ethische und intellektuelle Haltung sind wegweisend.

2. Was hat sich aus Ihrer Sicht durch die Pädagogik oder den Einfluss von Pädagog(inn)en in der Welt zum Besseren gewandelt? Wo liegen die „Grenzen“ der Pädagogik?

Keine Disziplin allein kann etwas „in der Welt zum Besseren“ verändern. Und mit Bernfelds Skepsis im Hinterkopf sowie mit seiner Kritik an der Hybris der Pädagogik, große Veränderungen, eine „neue Welt“ oder den „neuen Menschen“ durch eine „neue Pädagogik“ hervorbringen zu können, lohnt es sich eher nach den Ursachen des Scheiterns zu forschen.

Interessant ist jedoch die Frage, an welchen konkreten Maßnahmen oder Denkrichtungen Pädagog(inn)en beteiligt waren. So ist bspw. Konrad Agadh zu Beginn des 20.Jahrhunderts ein wichtiger Protagonist im Streit um Kinderarbeitsschutzgesetze gewesen. Der polnische Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak hat in seinen Schriften die für die Pädagogik und den Blick auf pädagogisches Handeln und wissenschaftliches Herangehen an Erziehung wichtige systematische Unterscheidung zwischen Beobachten und Beschreiben vorgelegt und damit einen sehr aufschlussreichen phänomenologischen Zugang vorgeschlagen. Marie Baum und Alice Salomon haben mit den von ihnen herausgegebenen empirischen Studien über „Bestand und Erschütterung der Familien der Gegenwart“ Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre die Alltagsprobleme von Familien mit vielfältigen empirischen Methoden untersucht und auf strukturelle Probleme von Familien oder einzelnen Familienmitgliedern wie alleinerziehenden Müttern oder ungelernten Töchtern aufmerksam gemacht.

Die Versuche, über empirische Daten Wissen zu erzeugen und Kritik an strukturellen Rahmenbedingungen gut begründetet vorzubringen, findet sich bis heute in der Erziehungswissenschaft. Doch nicht nur die empirische Forschung ermöglicht den kritischen Blick auf die „Tatsachen“. Gleichrangig und wichtig sind nach wie vor historische Rekonstruktionen sowie bildungs- und erziehungsphilosophische Analysen in unserer Disziplin. Letztere öffnen den unverzichtbaren Blick auf die Möglichkeitsräume, ohne den langfristig die Beschreibung und Interpretation von Wirklichkeit schal werden würde.

3. Was sind die wichtigsten Zukunftsaufgaben der Pädagogik? Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Zukunft der Schule oder außerschulischer Bildungsinstitutionen und -angebote?

Ich möchte hier auf drei Aufgabenbereiche verweisen:

– Erstens ist die Pädagogik mit Armut und Mangelerfahrungen in Kindheit und Jugend konfrontiert und muss sich dazu „verhalten“. Pädagogik allein kann Armut nicht bekämpfen, aber es fehlt an einem sensiblen Umgang mit Kindern und ihren Familien in Armut. Pädagogik verstärkt häufig noch die Ausgrenzungserfahrungen und positioniert sich nicht gegen die Prekarisierung im Prozess des Aufwachsens. Außerdem muss sie sich fragen, wie sehr sie selbst mit dazu beiträgt, zu beschämen.

– Zweitens wissen wir spätestens seit 2010 sehr viel mehr über das Ausmaß sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend und den Anteil, den „die“ Pädagogik daran hat. Warum konnte an der Odenwaldschule sexuelle Gewalt über einen so langen Zeitraum stattfinden, warum wurde den Betroffenen lange kein Glauben geschenkt, warum war der Pädagogik und der Öffentlichkeit der Schutz der Institution wichtiger als der Schutz der Kinder? Wie konnte es geschehen, dass angesehene Vertreter(innen) der Erziehungswissenschaft entweder schwiegen oder nicht genau hinschauten? Inzwischen liegen Befunde zum Einfluss pädosexueller Netzwerke etwa auf den Deutschen Kinderschutzbund vor. Auch hier tauchen Namen aus der Pädagogik auf. Diese Zusammenhänge gilt es aufzuarbeiten und die Pädagogik bzw. die Erziehungswissenschaft müssen ein Interesse an einer unabhängigen Aufarbeitung haben.

Daneben ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation wirksamer Präventionskonzepte zu nennen. Diese sollten nicht nur auf das Verhalten von Kindern und Jugendlichen zielen, sondern auch die Erwachsenen, Eltern ebenso wie Pädagog(inn)en einbeziehen. Den Impuls, es nicht so genau wissen zu wollen, nicht so genau hinsehen zu wollen, im Zweifel dem Kind keinen Glauben zu schenken, gilt es professionell zu überwinden. Dazu gehört die Entwicklung von Schutzkonzepten in jeder Schule, in jeder Kita, in jeder Einrichtung, aber ohne der Illusion zu verfallen, man könne Kinder vor allem bewahren und schützen.

– Die dritte Zukunftsaufgabe sehe ich in der praktischen Etablierung der Kinderrechte, überall dort, wo Kinder und Jugendliche sich aufhalten und wo es um ihre Interessen geht. Die Pädagogik könnte zunächst mit zur Klärung beitragen, was unter den Kinderrechten tatsächlich verstanden wird, denn teilweise werden in verschiedenen Handlungsfeldern unterschiedliche Ziele verfolgt. Momentan zeigen sich mehrere Akzentuierungen. Mit den Kinderrechten wird die Wahrnehmung legitimer Interessen von Kindern und Jugendlichen im Sinne ihrer Angewiesenheit auf Schutz und Fürsorge verbunden, sodann geht es um die Etablierung von Verfahren, durch die garantiert ist, dass die Jüngsten sich einbringen können und ihre Anliegen berücksichtigt werden. Doch solche Verfahren, die den Willen des Kindes berücksichtigen, bedeuten in der Familie etwas anderes als in öffentlichen Einrichtungen. Geklärt werden muss deshalb, an wen genau sich welche Forderungen zur Etablierung der Kinderrechte richten: an den Staat, an die einzelnen Institutionen oder/und an die Familie. Schließlich muss man sich darüber verständigen, wer die Rechte für das Kind wahrnimmt, wenn es selbst nicht in der Lage ist, diese zu vertreten.

Hier wird deutlich, dass besonders das Recht auf Partizipation in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Partizipation ist ein zentrales Kinderrecht und unsere Ergebnisse in der dritten World Vision Kinderstudie (2013) weisen auf, in welchem Maße Kinder an Entscheidungen in der Familie partizipieren. Mittlerweile wird vermutlich kaum jemand in der Pädagogik ernsthaft bestreiten, wie wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, beteiligt und angehört zu werden. Schon Piaget hatte dazu aufgerufen, Kinder so früh wie möglich auch an Entscheidungen in der Grundschule zu beteiligen, weil dies nicht zuletzt ihr Gerechtigkeitsempfinden schärfen würde. Doch neben Partizipation ist das Recht auf Beratung zu nennen. Beratung und Beschwerdemöglichkeiten gelten als unverzichtbare Bestandteile, Kinder und Jugendliche besser als bislang vor Grenzverletzungen, Übergriffen sowie sexueller Gewalt zu schützen.

Damit stellt sich für die Pädagogik die Frage, ob sie bereit und in der Lage ist, die Unzufriedenheit von Kindern ernst zu nehmen, Kinder zu Beschwerden zu befähigen, zu ermuntern und dies insgesamt als Bildungsauftrag anzunehmen.

4. Was zeichnet einen guten Pädagogen/eine gute Pädagogin aus? Und: Was kann eine professionelle Ausbildung dazu beitragen bzw. wie sollte sie gestaltet sein?

„Interessiere ich mich eigentlich für Kinder und Jugendliche?“ Das ist die erste Frage, die sich diejenigen stellen müssen, die planen, als Pädagogin bzw. Pädagoge zu arbeiten. Wer darauf keine klare Antwort hat, kein eindeutiges Gefühl entwickelt, sollte ernsthaft über einen anderen Berufswunsch nachdenken. Warum ist es wichtig, Kinder und Jugendliche zu mögen, sich für sie zu interessieren, wenn man in der Schule, einer Kindertageseinrichtung, in der Heimerziehung oder der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig sein will? Erstens haben die Heranwachsenden ein Recht darauf, wertschätzend und im Prinzip wohlwollend von denjenigen behandelt zu werden, die täglich aufgrund ihres Berufes mit ihnen zu tun haben. Wertschätzung, Anerkennung, Toleranz und Gelassenheit, aber auch Leidenschaft dafür, Wissen zu vermitteln, Kindern und Jugendlichen etwas zu zeigen, zu erzählen, zu erklären, werden selbstverständlich, wenn man die Heranwachsenden mit ihren Stärken und Schwächen mag. Der Berufsalltag fällt leichter, wenn man sich für die Interessen, Themen und Ängste der jungen Menschen interessiert und sich von ihren Lachanfällen oder Wutausbrüchen, ihrem Bewegungsdrang und Wiederholungszwang allenfalls überraschen, aber nicht schockieren lässt. Ein „echtes“ Interesse an Kindern und Jugendlichen zu haben, halte ich demnach für eine Grundvoraussetzung dafür, pädagogisch tätig zu sein. Ich möchte behaupten, wir alle erinnern uns negativ an Lehrkräfte, die einem nie dieses Gefühl vermittelt haben.

Eine weitere Eigenschaft sei hier ebenfalls genannt: Humor, nicht zu verwechseln mit Zynismus, trägt sicherlich zum Gelingen pädagogischer Beziehungen bei. Über sich selbst, eine Situation, eine Antwort, einen Streit oder eine Ungeschicklichkeit auch lachen oder zumindest schmunzeln zu können, trägt erheblich zu einem ausgeglichen Umgang im Generationenverhältnis bei. Diese beiden Komponenten, „echtes“ Interesse und Humor, lassen sich jedoch nur bedingt im Rahmen eines Studiums oder einer Ausbildung erlernen. Humor kann vielleicht durch den Erwerb von Rollendistanz mit verstärkt werden, aber er gehört auch mit zu den Persönlichkeitsmerkmalen. An diesen beiden Beispielen zeigt sich wiederum eine Grenze der Pädagogik, denn nicht alles, was dem Beruf zuträglich ist, lässt sich durch Bildung, Aus- und Weiterbildung erwerben.