Francsikó und Pinta - Péter Esterházy - E-Book

Francsikó und Pinta E-Book

Péter Esterházy

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Beschreibung

»Fancsikó und Pinta, der Produktionsroman, und Harmonia Cælestis sind Variationen über ein und dasselbe Bild, alle drei sind Familienromane.« (Péter Esterházy) Wer Harmonia Cælestis gelesen hat, glaubt mit Recht, »die Familie« zu kennen. Ja, wir kennen schon diese Mutter und diesen Vater in Fancsikó und Pinta, sie ist »meine Mutter« und er ist »mein Vater«. Oder nicht? Es gibt nur eine Mutter und einen Vater. Wir kennen sogar das »So lernte mein Vater meine Mutter kennen«. Aber den Blick des jungen Autors, den kennen wir nicht. Das Buch wurde 1972—74 geschrieben und erschien 1976 in Ungarn als erste Veröffentlichung des damals 26-jährigen Péter Esterházy. Wir sehen die fünfziger Jahre, die sechziger, diese Familie, alles kommt einem vertraut vor — nur die Beleuchtung ist eine andere, neue. Viele kleine Erzählpartikel von einer bis maximal drei Seiten fügen sich zu einem Tableau, auf dem der Vater mit seinen schönen Händen zu sehen ist, die Mutter, wie sie ihrem Sohn Waschanweisungen gibt oder auf Fotos die Geliebten des Vaters wegschnippelt, wie die Eltern lachend zuschauen, wenn der Sohn zusammen mit Fancsikó und Pinta, den beiden ungebärdigen Buben, ein Marionettenspiel vom treulosen Vater zur Aufführung bringt. »Fancsikó und Pinta, die Titelhelden, die zwei Clowns, altklug und dumm, wie es sich gehört, kommen sie aus der Phantasie oder existieren sie wirklich? Das ist keine relevante Frage: die Wörter existieren. Wo Phantasie und Wirklichkeit noch eins sind, da ist das Terrain der Unschuld. Das Buch ist, wie vielleicht jedes erste Buch, der Verlust der Unschuld.« (Péter Esterházy)

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Veröffentlichungsjahr: 2010

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PÉTER ESTERHÁZY

FANCSIKÓ UND PINTA

Geschichtenauf ein Stück Schnur gefädelt

 

Aus dem Ungarischen vonZsuzsanna Gahse

 

 

 

 

 

 

Berliner Taschenbuch Verlag

EINIGE WORTE,DIE DER SOHN IN DER MASKE EINESVORWORTS SAGT

Fancsikó und Pinta habe ich das erste Mal 1951 erfunden. Ein Stuhl hatte sich der Wand zugewandt. An der Armlehne war die weiße Farbe aufgeplatzt, als sei sie beleidigt. Ich stand auf dem Stuhl und lispelte der Welt drei Wörter zu: fancsikó, kalokkagatijja, pinta. Die drei Wörter kullerten weg wie drei Glasmurmeln, und die Erwachsenen lächelten, wenn sie Zeit hatten. Ich glaube aber, daß diese Geschichten schon damals in den schönen Glaskugeln steckten.

Fancsikó, Pinta und ich lebten jahrelang als unzertrennliche Freunde, als kluge, faule und dumme, begeisterte kleine Kerle, die mal erzählen, mal lügen, die Eltern zusammenstauchen, sie zur Not auch demütigen oder ihnen zur Not mal das Gesicht streicheln, und das alles nur, um zwei Leben im Gleichgewicht zu halten, denn dazu sind die Erwachsenen durch ihre VIELSEITIGEN BESCHÄFTIGUNGEN nicht in der Lage.

Fancsikó und Pinta waren meine Freunde, dabei sind sie nichts anderes als zwei Pole meiner damaligen Denkweise, meiner Wünsche und Anstrengungen – in der Verzerrung meines heutigen Wissens und im Licht meines Unwissens.

DIE SCHNURIST AUS ZWEI STRÄNGEN GEZWIRBELTDER ERSTE STRANG

(SCHLEIER)

Ein kleiner Junge steht vor einem mit weißem (sehr weißem) Tischtuch gedeckten Tisch. Auf dem Tisch ein leeres Senfglas, das als Wasserglas benutzt wird. Auf dem Tisch ein weißes, frisch gebügeltes Tischtuch, man sieht, die Schranktür (jene, die sich näher zur Küche befindet als zum Badezimmer, wo der Duschhahn nicht in Ordnung ist) wurde erst unlängst geöffnet, und eine Frauenhand hatte dort genestelt. Vor dem kleinen Jungen steht ein Tisch mit weißer Haut, darauf ein Wasserglas und ein Buch. Neben dem als Wasserglas gebrauchten Senfglas liegt ein großes schmales Buch. Der kleine Junge betrachtet das Buch mit dem schwarzen Umschlag. Ein schwarzes geschlossenes Buch liegt auf dem mit einem Tuch bedeckten Altar, vor dem ein kleiner Junge steht, an seinem Knie,

ich habe die Schneckenlinien verraten, die wirren, gebrochenen, einander überschneidenden, einander überfallenden Linien mit ihren Bögen, die sich verjüngen, ich habe verraten, daß ich mit ihnen rechne, mit ihren immer kürzer werdenden Strahlen, mit den neuen, einander zugeneigten Schichten, und nachdem ich laut ins Schneckenhaus geschrien habe, presse ich erwartungsvoll ein Ohr auf die Schneckenlinien

an seinem Knie klafft eine Wunde mit rosaroten Rändern. Wie alle kleinen Jungen hat auch er eine rosarote Wunde am Knie. Der kleine Junge setzt das Wasserglas, das Senfglas, das Buch, das große Buch, das schwarze geschlossene Buch, das schmale Buch mit dem schwarzen Umschlag und die rosafarbene jukkende Wunde nebeneinander. Der kleine Junge schließt mit einer (woher bekannten?) Andacht die Augen, und während der Blick, der etwas ausloten wollte, von den zwei Hautlappen wieder abgelenkt wird, schwimmen die Dinge, die in der Praxis zusammengehören, wieder ineinander: die zwei Gläser und die vier Bücher.

die man nicht zu unterscheiden braucht, sie liegen zusammengepreßt wie breite Blätter im Spätherbst, und daß meine Nägel wachsen, ist überflüssig und doof: die kaum zu unterscheidenden, beinahe gleichen Linien haften bäuchlings mit einer schäbigen großen Liebe

Der kleine Junge öffnet die Augen. Das Licht der blauen Augen blitzt hervor. Der dichte Wimpernvorhang hebt sich langsam, das Zimmer wird von einer blauen Dämmerung erfüllt. Auf allen Gegenständen spiegelt sich die leuchtende Iris. Der kleine Junge dreht sich um. Jetzt steht er mit dem Rücken zum Altar. Weich drehen sich seine Sohlen auf dem Teppich, hinter ihm dreht sich der Altar. Er steht mit dem Rücken zum Altar, mit dem Buch in der Hand.

wenn es einen Zirkel gibt: Das werden die kleinen runden Geschichten sein, aber wer würde heutzutage schon Kreisen vertrauen, ein Kreis hat keine Glaubwürdigkeit; er ist übermäßig und unwirklich rund; die Konstruktion wird durch die zuvorkommende Hilfestellung von Vielecken mit wachsenden Seitenzahlen

Das Buch befindet sich an der linken Seite der Brust. Der abgewinkelte Arm des kleinen Jungen

als ein Band fixiert

drückt das Buch an die Brust. Das Buch befindet sich über seinem weißen Nachthemd. Der kleine Junge hält das Buch über seinem Herzen. Seine Finger liegen hinter dem schmalen Buch, zu sehen sind sein Handgelenk und die Adern. Man sieht die bleiche, feine Zeichnung der Adern. Die bläuliche Zeichnung der Adern scheint durch die Haut. Aus der Küche sickern Stimmen ins Zimmer. Aus der Küche, die durch so etwas wie einen kurzen Flur mit dem inneren Zimmer verbunden ist, schweben weiße Seidenfäden von Stimmen.

aus den schmuddeligen Schneckenlinien steigt ein monotones Summen, im Schädel verstärkt sich der Lärm, und wer könnte schon die plötzlich wachsenden Seitenzahlen verhindern

Der kleine Junge schaut zum Fenster, und niemand weiß, ob sein Blick an dessen Innen- oder Außenseite hängenbleibt oder ob er, wie eine Fliege, an der Fensterscheibe auf und ab kriecht. (Blickeinschluß im Glas.) Die Tür öffnet sich um einen Spalt, herein schwebt ein weißes Seidenband; der Kleine rührt sich nicht, nur an seiner Stirn ringelt sich wütend die Haut. Seinem ursprünglichen Plan getreu spricht er. Meine Brüder in Christo. So spricht er. Meine Brüder in Christo. Mit der Rechten preßt er das Buch an sich, mit der anderen Hand kratzt er das juckende Knie. Aus der Küche strömen weiße Schleier eines Streites herbei. Ein weißer Schleier des Komm-nicht-damit-schon-wieder-meine-Teure. Der weiße Schleier eines unterdrückten Weinens. Der weiße Schleier des Du-weißt-sehr-wohl. Der Junge rührt sich nicht, zu seinen Füßen häuft sich die Seide. Meine Brüder in Christo, hört meine heutige Rede. Mitten im Gesicht des kleinen Jungen – dort, wo rosapausbäckige Kerlchen rosa sind – spannen sich die Muskeln bei jedem Satzende. (Das ist der Punkt.) Meine Brüder in Christo, liebet die Erdbeeren ohne Sahne und seid nicht blöd. Er überlegt, ob er sich umdrehen oder noch etwas sagen sollte. Er errötet ein wenig:

um Himmels willen, sicher

nicht aus Verlegenheit, sondern wegen der ehrlichen Anstrengung, ob er sich umdrehen oder noch HEUTE etwas sagen sollte. Also, meine Brüder in Christo, liebet und seid nicht blöd. Er nickt zufrieden, als er sich umdreht, verknäult sich die Seide unter seinen Fersen und wickelt sich um seine Knöchel. Die heilige Messe dauert noch an. Die weißen Seidenschleier der Flüche und Schmähungen. Der Schleier der zuknallenden Küchentür – die die Küche von einer Art Flur trennt. Meine Brüder in Christo. Der Schleier des Halt-doch-endlich-den-Mund-verfluchter-Kerl.

ob denn unsere Aufgabe darin besteht, den Mittelpunkt des Kreises zu bezeichnen, und in geschwätziger Stimmung auch den in Zentimetern angegebenen Radius des Kreises zu verraten?; steht der Mittelpunkt nach Zeichnung des ersten Vielecks fest?; sollen wir einfach zeichnen?; zum Teil ist es die Müdigkeit, die den den Mittelpunkt suchenden Blick lähmt, zum Teil tut es gut, unsere Hand zu sehen, den Schwung des Unterarms, die Biegung des Handgelenks, die rätselhafte Vielseitigkeit der Hand, die unnachgiebige Geradheit des Bleistifts, die wachsenden Seiten der Vielecke, die stacheligen Bleilinien

Die wachsende Schar der Schleier um den kleinen Jungen herum. Die Schleier sind wie ein wildes Schneetreiben und immer dichter. (Die Kälte vom Schnee.) Die wachsende Schar der Schleier fließt durch den winzigen Spalt zwischen der Oberkante des Türflügels und dem Türrahmen. Meine Brüder in Christo, liebet die Erdbeeren ohne Sahne und seid nicht blöd.

bis zu den Knöcheln, den Knien und so weiter; kann sich uns sogar zufällig um den Hals wickeln, wie gutmütiger Tang, und dann, oder auch wenn das Zimmer BIS ZUM RAND mit aufquellenden, gedehnten, rauschenden, seidigen Schneeflocken gefüllt ist, ist es schwer, auf den Takt des richtigen Atmens zu achten, und zum Takt des richtigen Atmens kann man zum Beispiel den Takt des fehlenden Atmens nicht zählen

Der uninteressante Schleier des Wer-hat-schon-wieder-die-verdammte-Dusche-kaputtgemacht.

(DIE UMSTÄNDE VON FANCSIKÓSUND PINTAS GEBURT, LEICHTÜBERTRIEBEN UND MIT HERRN STEIN,DER UNSERE ABNEIGUNG GEGENGEWEHRKOLBEN VERKÖRPERT, BISMAN IHN DANN UMBRINGT)

Der Mann schmeißt die Tür hinter sich zu, und während die Tür zuknallt, wirft er seinen Mantel auf den Kleiderhaken. (Der Mantel fällt runter, er hebt ihn auf.) Die Frau, die Frau des Mannes, hantiert in der Küche, wäscht ab, während auf einer der Herdplatten das Essen kocht.

Servusmeinschatz, Servusmeinschatz.

Der Mann stößt einen Stuhl mit den Knien in Richtung Fenster. Auf der Vorderseite ist der Stuhlbezug zerrissen: wie ein weit aufgerissener Mund. Der Mann setzt sich, wendet sein Gesicht dem Licht zu. (Das Licht reagiert nicht auf das leicht stoppelige Gesicht, es leuchtet nur und wärmt. Sonst nichts.) Er streckt die Beine aus, dann reibt er sich mit beiden Händen die Schläfen.

Am Schädel gibt es mehrere Risse, eine merkwürdig scharfe, tiefe Furche durchquert ausgerechnet die Schläfen; es ist nicht auszumachen, wo sie beginnt und wo sie endet, weil sie überall mit anderen Rissen zusammenhängt, und die wiederum münden in wieder andere Risse rund um den Schädel herum – als wäre der Kopf durch diese Brüche bandagiert. Mit geschlossenen Augen sonnt er sich, das Licht (dasselbe wie zuvor) zuckt vor den scharfen Kanten zurück.

Seine Frau kommt herein, setzt sich ihm gegenüber, und obgleich sie die Hände im Schoß hält und sich daher mit den Armen weitgehend verdeckt, sieht man den großen Riß an ihrem Körper (und ihrem Kleid), der sich von einer Schulter quer über die Brust und über den Bauch bis zum oberen Ende jenes schaukelnden Schenkels erstreckt, der sich gegenüber der vorerwähnten Schulter befindet. Da sitzen zwei stumme Typen aus Porzellan.

(Wie die zwei Porzellantypen, die lange schon unbescholten im Schaufenster von Herrn Steins Einzelhandelsgeschäft stehen, eines Tages aber wird die Glasscheibe mit einem Gewehrkolben zertrümmert [man hat die Augen des Schaufensters eingedrückt], und da, obwohl nicht geschrien wird, weder schreit jemand verkommener Jude noch verkommener Kommunist, noch verkommener Bourgeois, stößt der Kolben der Flinte, während er in der Luft herumtanzt, die beiden Figuren um, und auf dem Boden, vor den Füßen und Stiefeln, brechen sie beinahe in Stücke. Eine der Töchter von Herrn Stein, die Agnes, die mit den ach so großen, man glaubt kaum, mit was für Brüsten, erblickt den kreisenden Gewehrkolben, auch sie dreht sich zweimal, doch der mit den Stiefeln – und dem Gewehr – versteht sie falsch und schießt. Das Mädchen ist tot. Ihre Brüste auch. Mtatta, mtatta.)

Es ist still. Das Zimmer ist durch die Töne schmutziger Streitigkeiten verziert. In den Rissen blüht die Müdigkeit wie Salpeter. Vielleicht hat die Frau etwas bemerkt, denn sie erhebt sich, und weder verärgert noch freundlich streckt sie eine Hand aus, zu dem Mann hinüber, mit ausgestreckten Fingern nähert sie sich seiner Stirn, um dort eine Spinnwebe zu entfernen. Der Mann, von dieser unverständlichen und unbegründeten Bewegung überrascht, springt auf.

»Bist du wahnsinnig?« Er starrt die Frau an.

»Da, in deinem Gesicht …«, ihre Hand fällt zurück, aber den großen Riß an ihrem Körper hat man trotzdem sehen können.

»Dein Kleid«, sagt der Mann sachlich und wendet sich dem Fenster zu.

(Herr Stein fürchtet sich sehr. Trotzdem verbietet er sich solche Manieren mit zitternder Stimme, im Namen der Menschlichkeit. Das Pferdegebiß des Hohngelächters reißt den Laden, Herrn Stein und dieses gesamte Bild in Stücke, und am weißen Hals des Vergleichs rinnt ein Blutstreifen als Halsschmuck. Was für ein Gelächter!)

[Hier fehlt eine Zeile, was aber nicht besonders auffallen soll. ]

Ich saß lange im Dunkeln, bohrte eine Weile in der Nase, kaute an den Fingernägeln, was eine scheinbar angenehme Beschäftigung war, aber als mir die Nase zu bluten begann und unter den Nägeln das rohe Fleisch hervorschaute, mußte ich notwendigerweise Schluß machen und mich auf andere Arbeiten verlegen.

Ich beschloß, ins Zimmer Der Erwachsenen zu gehen. Das Schloß lag unglaublich weit oben, aber ich erwies mich als geschickt, und die Kupferklinke neigte den Kopf vor diesem höheren Wissen.

Beim Eintreten sah ich Die Tante und Den Onkel dort sitzen. ICH HABE SIE IN EINEM ZIEMLICH NACHTEILIGEN ZUSTAND ANGETROFFEN. Sie lebten nicht. Das dachte ich jedenfalls. Ich ging ein bißchen auf und ab, wandelte vor allem zwischen Tisch und Küchentür mit einer Haltung, als wären Die Tante und Der Onkel nicht anwesend, doch war dieser Zustand mit der Zeit unhaltbar, denn Die Tante und Der Onkel waren da. Vorübergehend hielt ich es für angebracht, in die Küche zu gehen. Mir war nämlich eingefallen, daß es nicht gut wäre, wenn die beiden kreuz und quer von Rissen durchzogen wären. Nein.

Schließlich ging ich zu ihnen ins Zimmer, und bei meiner Mutter angelangt, flocht ich ihr aus dem mitgebrachten Krautgeruch einen Glorienschein um den Kopf. Ich rollte mein Lachen zum zerfurchten Schädel meines Vaters hinüber, strich mit der Hand über sein Gesicht, wo schwarzes, hartes Gras wuchs, dann schrie ich hell auf.

»Au.« Und ich kreischte.

Wir waren also auf dem besten Weg. Die Knie meines Vaters drückte ich fest an mich und wollte ihn so drehen, daß er meine Mutter anschauen konnte. Aber die Statue rührte sich nicht die Spur. (Natürlich nicht.)

Da ließ ich meinen Vater los und sprang nicht auf den Schoß meiner Mutter. Statt dessen ging ich in die Ecke – die von dieser Szene am weitesten entfernt lag – und kniete mich hin. Und dort in der Ecke erfand ich (ich persönlich und ganz allein) meine beiden Freunde Fancsikó und Pinta; mit aller Absicht hatte ich sie so erfunden, daß sie sehr stark waren.

Als ich mich wieder von den Knien erhob, winkte ich Fancsikó und Pinta (und ihnen beiden).

(SCHOKO, SCHOKO, SCHOKOLADE)

Fancsikó erhob sich, verneigte sich und hätte mir beinahe die Hand gereicht, wäre ihm Pinta nicht zuvorgekommen, um mir mit seiner kleinen Hand meine noch kleinere zu drücken. Fancsikó trug einen Frack, der ihn älter und zugleich jünger machte, Pinta hatte eine Klothhose an und Turnschuhe. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, ging ich in die Küche, um meiner Mutter bei der Arbeit zuzuschauen. Und um ihr von der ANGELEGENHEIT Fancsikó und Pinta zu erzählen. Die Küchentür konnte man nur schwer öffnen, weil … ich weiß nicht warum. Ich sah meine Mutter, die eisernen Bänder ihrer Schürze. Man konnte die Küchentür nur schwer schließen.

»Nun?« hörte ich, ohne daß sich der gekrümmte Rücken bewegt hätte.

»Bin hergekommen.«

Ich stellte mich neben sie, und indem ich mit dem Kopf ihren Ellbogen stupste, schaute ich mir an, was sie gerade machte. Da stand eine Pfanne oder was (war es vielleicht ein Topf?), jedenfalls streckte ich mich vergebens, ich konnte nicht hineinschauen.

»Warum mußt du mit der Tür so kreischen«, sagte sie unerwartet und stieß mich mit ihrem Unterarm leicht von der Pfanne (oder vom Topf) weg.

»Ich kreische nicht. Das sind sie.«

Ihre Hand hielt in der Bewegung inne (sie hatte in dem Dings da wohl irgendwas gerührt), und sie schaute mich an.

»Nun?«

»Soll ich es dir sagen?«

Mit gerötetem Gesicht wandte sie sich mir zu; weder war sie traurig, noch lachte sie, nur eine Haarsträhne klebte an ihrer Schläfe.

»Ist in Ordnung. Ich erzähle.«

Ich erzählte mit einer leichten Traurigkeit, weil ich ursprünglich etwas anderes sagen wollte, als ich sagte. ABER DAS IST JA IMMER SO.

»Fancsikó ging durch den Wald, hinter ihm Pinta.«