FREI DAY - Margret Rasfeld - E-Book

FREI DAY E-Book

Margret Rasfeld

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Beschreibung

»Margret Rasfeld zeigt, wie man ein Schulsystem (...) verwandeln kann. Die Idee ist verblüffend einfach!« Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor und Koordinator der Pisa-Studien Digital durchgefallen, Umweltwissen mangelhaft, Zukunftskompetenz verbesserungswürdig: Unser Bildungssystem braucht dringend ein Update, das hat spätestens die Coronapandemie gezeigt. Die langjährige Schulleiterin Margret Rasfeld plädiert für regelmäßige Freiräume, in denen ein anderes Lernen erprobt werden kann und Schüler*innen eigene Projekte verfolgen. Das bereitet sie nicht nur deutlich besser auf die Arbeitswelt vor, sondern lässt sie auch erfahren, welches Können und welche Interessen in ihnen stecken. So sind aktuelle Themen nicht mehr Problem, sondern Programm!

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Margret Rasfeld
FREI DAY
Die Welt verändern lernen!Für eine Schule im Aufbruch
Unter Mitarbeit vonIlona Koglin und Marek Rohde
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2021 oekom verlag, Münchenoekom – Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Infografiken Innenteil: Ilona KoglinLektorat: Uta Ruge, Laura KohlrauschInnenlayout & Satz: Ines SwobodaKorrektorat: Petra Kienle
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-96238-831-7
Vorwort von Gerald Hüther
PrologAus Friday wird FREI DAY
Kapitel 1Warum es so nicht weitergehen kann
Kapitel 2Auf was es jetzt in Schulen ankommt
Kapitel 3Warum ketten wir uns an das alte System?
Kapitel 4FREI DAY – einfach mal anfangen!
Kapitel 5Wie wir Grenzen überwinden können
Kapitel 6Von digitaler Bildung zu digitaler Mündigkeit
Kapitel 7Schulen, die loslegen
Kapitel 8Vom Musterbruch zur Normalität
Anmerkungen
Dank
Vorwort
von Gerald Hüther
»Zukunftsdialog« hieß die Initiative des Bundeskanzleramts, die mich mit Margret Rasfeld vor einigen Jahren zusammenbrachte. Dort sollten (wieder einmal) innovative Ideen zur Zukunft des Lernens entwickelt und vorgestellt werden und auch dabei ging es (wie immer) um die Verbesserung der Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler und die dazu erforderlichen Veränderungen unseres Schulsystems. Unsere damals gemachten Vorschläge reichten von der Stärkung selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und selbstmotivierten Lernens bis zur Abschaffung der Schulpflicht. Sie wurden allesamt als nicht umsetzbar eingestuft. Aus dieser recht frustrierenden Erfahrung ist damals zweierlei entstanden: eine feste Freundschaft, die Margret und mich seither verbindet, und eine wertvolle Erkenntnis, die unsere Bemühungen um Veränderungen des gegenwärtigen Bildungssystems seither bestimmt. Wir haben nämlich gelernt, dass es nicht möglich ist, einen anderen Menschen zu verändern, wenn sie oder er das nicht selbst will. Deshalb kann es auch nicht gelingen, ein historisch gewachsenes Schulsystem mit all seinen Einrichtungen, seinen Organisations- und Verwaltungsstrukturen zu verändern, solange diejenigen, die in dieses System eingebunden sind und es bisher aufrechterhalten haben, eine solche Veränderung abwehren. Sie alle, auch die Eltern und die Schülerinnen und Schüler, müssten sich selbst und damit ihre bisherigen Vorstellungen, Überzeugungen und inneren Einstellungen selbst verändern wollen. Sonst geht es nicht. Aber dazu kann man niemanden zwingen. Nicht durch Anordnungen und Gesetze, nicht durch Belohnungen oder Bestrafungen, auch nicht durch Belehrungen und Ermahnungen. All das erzeugt nur Widerstand, Auflehnung oder eine erzwungene Anpassung – und die geht immer mit Unterdrückung einher, mit der Unterdrückung der jedem Menschen angeborenen Freude am eigenen Entdecken und gemeinsamen Gestalten.
Angesichts dieser im Grunde banalen, inzwischen aber mit neurobiologischen Befunden objektivierbaren Erkenntnis stellt sich die Frage, was denn einen Menschen dazu bringen kann, sich selbst verändern zu wollen. Ja, genau! Sie oder er müsste bereit sein, sich auf eine neue Erfahrung einzulassen. Es müsste eine Erfahrung sein, die der betreffenden Person gefällt, die ihr das Leben erleichtert, die ihr gut tut und die in ihr zunächst das Gefühl und dann auch die Überzeugung weckt, dass es tatsächlich anders als bisher und anders als von ihr gedacht gehen kann und etwas auf diese Weise sogar leichter wird und mehr Freude macht. Aber einfordern oder erzwingen lässt sich das nicht. Zu solch einer neuen Erfahrung kann man andere Menschen nur einladen, ermutigen und inspirieren. Und genau das macht Margret Rasfeld in diesem Buch und mit ihrem Vorschlag, einen FREI DAY an unseren Schulen einzuführen.
Eltern, Lehrerteams, Schulleitungen und für die Schulen verantwortliche Personen werden zu einer kleinen, aber wirksamen Veränderung eingeladen. Die tut nicht weh, die raubt niemandem etwas, die bedeutet keine zusätzliche Belastung. Die muss auch niemand machen, der es nicht will, aber es dürfen alle ausprobieren, die Lust darauf haben. Es geht nur darum, den Unterricht so zu organisieren, dass den Schülerinnen und Schülern ein Freiraum in Form von vier Stunden geboten wird, also nur ein wenig freie Zeit, die sie nutzen können, um sich um etwas zu kümmern, das den meisten von ihnen tatsächlich am Herzen liegt – ihre Zukunft. Margret Rasfeld beschreibt sehr anschaulich und anhand praktischer Beispiele, was in dieser Zeit alles möglich ist, und sie berichtet von den ersten begeisterten Rückmeldungen durch Eltern, Lehrpersonen und Schulleitungen, die das Experiment gewagt und sich auf diese neue Erfahrung eingelassen haben.
Plötzlich lässt sich vor Ort beobachten, was alles möglich wird und wozu Heranwachsende imstande sind, wenn sie allein, selbstbestimmt und in eigener Verantwortung die für ihre Zukunft relevanten Nachhaltigkeitsthemen bearbeiten und sich um die Umsetzung ihrer neuen Erkenntnisse kümmern können. Sie erleben sich als Konstrukteure ihres eigenen Lernprozesses. Viele spüren in dieser nicht von Lehrplänen und Unterricht bestimmten Zeit, wie ihre verlorengegangene Freude am Entdecken und Gestalten wiedererwacht. Sie erleben, was es heißt, selbstwirksam zu sein und gemeinsam mit anderen sich für etwas einzusetzen, das ihnen allen am Herzen liegt. Es geht nicht darum, besser zu sein als andere, es geht in dieser selbst gestalteten »Freizeit« vielmehr darum, gemeinsam die besten Lösungen zu finden. So lernen sie ganz nebenbei, wie gut es ist, dass jeder und jede etwas anderes kann und weiß, wie wichtig die Vielfalt in einer Gemeinschaft ist und dass die in solchen co-kreativen Prozessen gefundenen Lösungen immer besser sind als alles, was sie sich als Einzelkämpfer ausdenken können.
Es ist kein Wunder, dass die in dieser freien Zeit gemachten Erfahrungen anschließend im »normalen« Unterricht nachwirken und sogar für die Lehrer als Erleichterung ihrer Arbeit spürbar werden, denn die einzelnen Schüler und Schülerinnen und ihr Zusammenhalt in der Klasse sind gestärkt worden. Und auch die Eltern werden sich freuen, wenn ihre Kinder in der Schule etwas lernen, das sie wirklich interessiert, weil es für sie und ihre Zukunft bedeutsam ist.
Wie oft haben wir schon davon gehört, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Japan sich so aufschaukeln kann, dass daraus in Florida ein Orkan werden kann. Ich verstehe, was damit gemeint ist. Aber dass es auch praktisch geschieht, konnte ich mir nie so recht vorstellen. Inzwischen aber erscheint mir vollkommen einsichtig, dass eine so winzige Veränderung wie die Einführung eines FREI DAY an unseren Schulen unser gesamtes Schulsystem in Bewegung bringt und es nachhaltig verändern wird.
Gerald Hüther, im Sommer 2021      
Prolog
Aus Friday wird FREI DAY
Es ist bitterkalt draußen, aber mir ist warm ums Herz. Ich stehe mit rund 700 Schüler*innen auf dem Willy-Brandt-Platz in Leipzig. Um mich herum ist es lebendig und bunt. Die Stimmung ist voller Hoffnung: »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«, rufen die Kids aus vollen Kehlen. Es ist der 18. Januar 2019 und mit uns sind an diesem Freitag Hunderttausende von Fridays-for-Future-Aktivist*innen in Deutschland und weltweit auf der Straße. Sie tun genau das, was wir von Schüler*innen eigentlich erwarten: Sie informieren sich über wichtige Themen, die ihre Zukunft betreffen. Sie machen sich Gedanken und hinterfragen unsere Welt. Sie arbeiten in Teams kreativ zusammen und mischen sich demokratisch ein. Sie tun, was sie eigentlich in der Schule lernen sollten. Mit einem entscheidenden Unterschied: Sie nennen es Schulstreik.
Warum die jungen Leute zu Tausenden den Unterrichtsstunden fernbleiben, ist bekannt. Sie machen sich ernsthafte Sorgen um ihre und unser aller Zukunft. Wie ihr Vorbild Greta Thunberg aus Schweden haben sie sich über die globalen Folgen der Klimakrise schlau gemacht und sind zutiefst betroffen. Sie haben sich erkundigt, was Politik und Wirtschaft unternehmen, um wenigstens die schlimmsten Auswirkungen abzuwenden und die stetige Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Und sie sind wütend, als sie feststellen: Das ist viel zu wenig! Würden wir mit dem »Klimaschutz« so weitermachen wie bisher, würden wir bis Ende des Jahrhunderts bei einer noch positiv geschätzten Erwärmung von zirka 3 Grad landen, meint das UN-Umweltprogramm.1 Es gibt Wissenschaftler*innen, die noch pessimistischer sind. Aber schon diese Klimaveränderung hätte auf der einen Seite zahlreiche Hitzewellen und Dürren zur Folge, auf der anderen mehr und mehr Überschwemmungen. Viele Ökosysteme würden von unserer Erde verschwinden und mit ihnen unzählige Tier- und Pflanzenarten sowie die sogenannten »Ökosystemdienstleistungen« wie sauberes Wasser oder gute Luft. Das alles hätte ebenso katastrophale wirtschaftliche Folgen. Ganz zu schweigen von den sozialen Verwerfungen, etwa durch Millionen von Klimaflüchtenden und den zunehmenden gesundheitlichen Risiken für alle.2
Es ist also berechtigt, besorgt zu sein. Ja, es ist sogar dringend notwendig, wesentlich mehr Anstrengungen für den Klimaschutz zu fordern. Und ich bin berührt und beeindruckt, dass die jungen Menschen genau das tun. Jeden Freitag bestreiken sie in diesem Jahr den Schulunterricht. Unermüdlich, ohne klein beizugeben. Bei Wind und Wetter, bis in die Nachmittage hinein. Viele Erwachsene haben das verstanden. Sie haben Unterstützer*innengruppen gegründet wie Parents for Future, Scientists for Future oder auch Teachers for Future. Es gab aber auch Ablehnung, herablassende Kommentare und sogar Empörung: »Die wollen sich doch nur vor der Schule drücken«, meinten die einen. Andere empfahlen, das Thema Klimaschutz doch lieber den Expert*innen zu überlassen … Es gab sogar Lehrer*innen, die Klausuren extra auf den Freitag legten, um die jungen Klimaaktivist*innen in Schwierigkeiten zu bringen und für ihre Initiative sogar noch zu bestrafen. Während uns also die Jugendlichen zeigten, wie man Verantwortung übernimmt, Zivilcourage übt und Demokratie tatsächlich lebt, begegneten ihnen manche Erwachsene mit einer grotesken Missachtung ihres ernsten Anliegens. Diese Herabsetzungen und arroganten Verurteilungen waren es, die mich am meisten schmerzten und ärgerten. Denn mir war klar: Sich einzumischen, informiert zu werden und sich aktiv informieren zu können, sind internationale Kinderrechte. Seit 1989 sind sie in der UN-Kinderrechtskonvention verankert, die auch Deutschland ratifiziert hat.
Es sollte uns zu denken geben, dass unsere Kinder Schulen bestreiken, wo diese ihnen die Themen der FFF-Bewegung doch eigentlich vermitteln und ihnen Raum zum Handeln geben sollten. Es sollte uns beunruhigen, dass genau diese Art Schule, wie wir sie bisher kennen, viel zu vielen Schüler*innen die Freude am Lernen nimmt. Das zeigte sich beim Distanzlernen während der Corona-Lockdowns mehr als deutlich. Lehrer*innen und Eltern stehen verzweifelt vor der Frage, wie sie die Kinder dazu bringen können, den Stoff, der ihnen entgangen ist, zuhause nachzuholen. Und schnell finden manche ihre Erklärung: Die Schüler*innen seien eben demotiviert und könnten nicht selbständig lernen – als sei das ihr Fehler. Dabei ist es genau dieser »normale« Unterricht, der die Grundvoraussetzungen des Lernens abtötet: Begeisterung, Lernfreude, Tatkraft und das Vertrauen in die Selbstwirksamkeit.
Alles das fand ich dagegen beim Sommerkongress der Fridays-for-Future-Kids im August 2019 in Hülle und Fülle. Mehr als 1.500 Jugendliche waren zusammengekommen, um sich zum Teil das erste Mal überhaupt persönlich zu treffen. Über Monate hinweg hatten sie sich mit Hilfe von Social Media und Telefonkonferenzen lokal, national und international hoch professionell organisiert. Es war faszinierend, sie da alle friedlich und ernsthaft diskutierend auf der Wiese sitzen zu sehen. Alle halfen mit. Das Programm, das die jungen Leute in ihren Landesgruppen auf die Beine gestellt und zu dem sie mich für einen Workshop eingeladen hatten, beeindruckte mich tief. Und was für eine tolle Diskussionskultur die Jugendlichen haben, sieht man, wenn sie in einer Talkshow auftreten. Die Aktivist*innen der FFF-Bewegung haben mehr als eindrücklich gezeigt, wie viel junge Menschen selbständig lernen können, wenn sie wirklich motiviert sind: Wo finde ich das Wissen, das ich brauche? Wie melde ich eine Demo an? Wie mache ich einen Flyer oder eine Website? Wie rede ich mit Polizist*innen oder Journalist*innen? An solchen Aufgaben wachsen die Kinder und Jugendlichen ungemein. Das lässt sich natürlich schlecht beziffern. Es passt auch nicht in unser herkömmliches Bildungssystem mit seinen Noten, Stundenplänen und Arbeitsblättern. Aber lebensnahes Projektlernen wie dieses bereitet unsere Kinder sehr viel besser auf das Leben vor, als unsere konventionellen Schulen das bisher tun – zumal auf ein Leben, das mit Herausforderungen wie Klimawandel, Migration, Digitalisierung und Globalisierung sehr viel unsicherer und unvorhersehbarer sein wird, als es bislang der Fall war.
Deshalb brauchen wir neue Lernformate. In mir reifte die Vorstellung von einem freien Tag pro Woche für alle Kinder und Jugendlichen unseres Landes. Ein Tag, der für Zukunft-Lernen (extra so geschrieben) reserviert ist. Was für eine Wirkkraft hätte ein solcher Tag, wenn er in allen unseren Schulen stattfinden würde! Die Zeit ist mehr als reif für einen echten Paradigmenwechsel in unserem Bildungssystem. Noch halten zu viele am Alten fest. Wir stecken fest. Der FREI DAY ist in dieser Situation genau die Brücke zwischen Alt und Neu. Eine Brücke, die jede, wirklich jede Schule beschreiten kann, die das möchte. Von diesen riesigen Potenzialen einer neuen, zukunftsorientierten Bildung und Mut machenden Perspektive für unsere Kinder und Jugendlichen erzählt dieses Buch.
Kapitel 1
Warum es so nicht weitergehen kann
Wir sollten Achtung haben vor den Geheimnissen und Schwankungen der schweren Arbeit des Wachsens! Wir sollten Achtung haben vor der gegenwärtigen Stunde, vor dem heutigen Tag. Wie soll das Kind imstande sein, morgen zu leben, wenn wir ihm heute nicht gestatten, ein verantwortungsvolles, bewusstes Leben zu führen. … Entsagen wir also der trügerischen Sehnsucht nach vollkommenen Kindern.
Janus Korczak
Auf meinem Schreibtisch liegt der Bericht des Club of Rome von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman. »Wir sind dran«, steht in dicken, weißen Lettern drauf. Dazu ein Foto unseres blauen Heimatplaneten. Und etwas kleiner, darunter: »Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen.« Ich betrachte das Cover und denke an den ersten Bericht des Club of Rome aus dem Jahre 1972. Dieser Zusammenschluss von Expert*innen unterschiedlichster Disziplinen aus mehr als 30 Ländern wurde 1968 gegründet und setzt sich seither für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit ein. Unter dem mittlerweile berühmten Titel »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlichte die Organisation ein Buch, das mit 30 Millionen verkauften Exemplaren zu einem Weltbestseller wurde und unser Denken auf den Kopf stellte. Denn er machte klar, dass unsere Ideologie des unendlichen »Schneller, Höher, Weiter« in Wahrheit kein Fortschritt ist, sondern nur immer rasanter und tiefer in die Krise, ja, in die Katastrophe führt.

Warum Lernen Ethos braucht

Innovatives Lernen war bereits 1979 für den Club of Rome der Schlüssel, um aus unseren selbstgemachten Krisen wieder herauszukommen. Die wesentlichen Merkmale dieses Lernens sollten demnach Partizipation und Antizipation sein. Partizipation, weil es um die Zukunftsaufgaben geht, die wir nur mit einer Haltung bewältigen können, die durch Kooperation, Dialog und Empathie gekennzeichnet ist. Antizipation, weil wir uns unserer Generation und unseren Nachfahren zugehörig fühlen müssen. Nur dann werden wir echte Verantwortung übernehmen.1 Damit zeichnet sich innovatives Lernen also vor allem durch die ethische Dimension aus. Die Ethik solle Wissen und Können dabei nicht nur vervollständigen, so der Club of Rome damals. Sie müsse sie steuern und durchdringen. Welch kluge Weitsicht bereits vor 40 Jahren!
Ich hole so weit aus, weil mich diese Einsichten als junge Chemie- und Biologie-Lehrerin tief bewegt und aufgerüttelt haben. Gleichzeitig habe ich schon damals beobachtet, wie die Schüler*innen in ihrem Unterricht ihre Neugier und Gestaltungslust verlieren. Wie ihr Potenzial darauf reduziert wird, Dinge von der Tafel abzuschreiben oder Arbeitsblätter auszufüllen. Ich selbst habe versucht, anders zu arbeiten, denn ich durfte schon früh erleben und lernen, was Kinder auf die Beine stellen, wenn ihnen etwas wirklich am Herzen liegt. Wenn sie zum Beispiel ein Problem sehen und etwas dagegen unternehmen wollen, wenn sie Feuer fangen. Dann legen sie los und lassen auch nicht locker. Kinder und Jugendliche können viel mehr, als die meisten Erwachsenen ihnen zutrauen. Sie sind in einer Weise mitfühlend und kreativ, wie wir es nur noch selten sind. Das hat mich stark geprägt. Das Wichtige ist, dass wir – Eltern und Pädagog*innen – an die Kinder glauben, ihnen zuhören, sie beteiligen, ihnen den Raum öffnen und sie unterstützen, wenn Hilfe erforderlich ist. Auf unsere Haltung kommt es an. Ich selbst habe dies zum Glück schon als junge Lehrerin entwickeln dürfen. Die Berichte des Club of Rome, viele andere Forschungen sowie meine Erfahrungen mit jungen Menschen haben mich von Beginn an dazu gebracht, über den üblichen Unterricht hinauszudenken. Gemeinsam mit den Schüler*innen haben wir Projekte verwirklicht, die manchmal die ganze Schule erfassten oder sogar den ganzen Stadtteil. Für die Kinder und mich bedeutete das vor allem sehr viel Freude und Sinnhaftigkeit beim Lernen. Für die Gesellschaft hieß das, dass hier junge Menschen heranwachsen, die erlebt haben, dass es sich lohnt, Verantwortung zu übernehmen – junge Menschen, die gespürt haben: »Ich bin wichtig. Auf mich kommt es an. Ich kann einen positiven Beitrag für die Welt um mich herum leisten.« Das zu wissen und zu können ist in unserer heutigen Zeit wichtiger denn je. Und genau das wollte und will ich bei den Kindern und Jugendlichen fördern. Dies ist die eigentliche Aufgabe von Schule. Erst das gibt Schule ihren eigentlichen Sinn – ihren Ethos.

Bildung kann die Welt verändern – wenn wir es wollen

Zwanzig Jahre später schien die ganze Welt erkannt zu haben: Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Im Jahr 1992 fand die Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro statt. »Die großen Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen – und zwar in einer globalen Partnerschaft, die auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist«, so lässt sich die Präambel des Abschlussdokuments Agenda 21 zusammenfassen. In 40 Kapiteln ist beschrieben, was wir weltweit tun müssen, um diese nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert zu erreichen. Im Anschluss an die Konferenz erhielt eine internationale Kommission rund um den französischen Politiker Jacques Delors den Auftrag zu erforschen, wie sich die Schulbildung verändern muss, damit wir die Agenda 21 verwirklichen können. Das Ergebnis war der UNESCO-Bericht zur Bildung für das 21. Jahrhundert. Darin plädieren die Autor*innen für eine Neuausrichtung und Neuorganisation des Curriculums entlang der vier Säulen:
• Lernen, Wissen zu erwerben
• Lernen, zusammenzuleben
• Lernen, zu handeln
• Lernen, zu sein
Die ethische Dimension, die der Club of Rome bereits zwanzig Jahre früher angemahnt hatte, durchdringt auch diesen Bericht. Die Kommission war überzeugt: »Bildung muss die Saat eines neuen Humanismus werden. Eines Humanismus, der deutlich durch eine ethische Komponente charakterisiert ist und sein Gewicht auf Wissen von und Respekt vor anderen Kulturen und spirituellen Werten verschiedener Zivilisationen legt. Lernen soll mithelfen, ein aktives Gemeinwesen aufzubauen. Dabei soll es jedem ermöglicht werden, seinen Teil an Verantwortung in der Gemeinschaft und für das Gemeinwohl zu übernehmen«. Die Kommission sah »in Bildung weder ein Wundermittel noch eine magische Formel, die die Pforten zu einer von Idealen erfüllten Welt eröffnet […], aber eines der wichtigsten verfügbaren Werkzeuge für eine umfassendere und harmonischere Art der menschlichen Entwicklung.«2 Bildung hat also das Potenzial, die Welt positiv zu verändern.
Dieser Bericht hat mich fasziniert und zum Weitergehen ermutigt. Ich war damals gerade Schulleiterin einer Gesamtschule in Essen geworden und mir war klar: Ich wollte sie zu einer Agenda-21-Schule machen. Alle – Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern – haben den Gedanken begeistert aufgenommen. Und so haben wir die Gesamtschule mit der ganzen Schulgemeinschaft und verschiedenen Agenda-Gremien der Stadt, in denen die Schüler*innen mitwirkten, im Geist der Agenda 21 neu ausgerichtet. Auf diese Weise ist zum Beispiel das Fach Verantwortung entstanden, in dem wir als Schule unter anderem die Patenschaft für ein ganzes Tal übernommen und es gepflegt haben. Doch leider motivierte die Agenda 21 nicht alle. Mein Blick fällt einmal mehr auf den Bericht des Club of Rome vor mir auf meinem Schreibtisch. Was hat sich tatsächlich seitdem verändert? Leider muss ich feststellen: Weniger als gehofft. Weniger als geboten. Trotz Agenda 21 und UNESCO-Bericht muss ich einsehen, dass wir Menschen offenbar eher aus Katastrophen lernen als aus Einsichten. Wir brauchten womöglich erst eine Corona-Krise, um uns wirklich für Veränderungen zu öffnen. »Schock-Lernen« nannten das die Club-of-Rome-Autorinnen und -Autoren 1979 in ihrem Bericht »Das menschliche Dilemma«. Doch Schock-Lernen ist, wie auch das tradierte Lernen, für geschichtliche Umbrüche ungeeignet. Auch das zeigt die Corona-Pandemie: Wir hinken hinter krisenhaften Veränderungen her, anstatt die Transformation in eine nachhaltige und solidarische Gesellschaft aktiv zu gestalten. Wir flicken hier und reparieren dort, um notdürftig zusammenzuhalten, was längst schon am Auseinanderbrechen ist. Ja, wir nehmen immer mehr soziale und ökologische Katastrophen in Kauf, um uns bloß nicht aus unserer Komfortzone herauswagen zu müssen. Und das, obwohl diese längst einer Kampfzone gleicht. Unserem vermeintlich normalen Handeln liegt ein Wachstums- und Optimierungszwang zugrunde, der uns tiefer und tiefer in drei existenzielle Krisen treibt: die ökologische, die soziale und die Sinnkrise. Alle drei sind Ausdruck unserer Entfremdung. Der Entfremdung von Mensch und Natur, von Mensch und Mitmensch sowie von uns selbst, unseren Bedürfnissen, Träumen und Sehnsüchten.

Bei der Öko-Krise darf niemand sitzen bleiben!

Der Klimawandel ist nur eine von vielen Herausforderungen. Die zahlreichen, von Menschen entfachten ökologischen Krisen zeigen, dass wir nicht einfach weitermachen können, wenn auch unsere Kinder und Enkel noch ein gutes Leben haben sollen. Rund 100 Tier- und Pflanzenarten sterben durch unser Handeln täglich aus.3 30.000 Tonnen Plastik landen im Meer – jeden Tag. Schon heute schwimmen dort mehr Mikroplastikteilchen herum als Plankton, schätzen Wissenschaftler.4 Wie wir heute leben, hat tiefgreifend existenzielle und zugleich langfristige Folgen für alles Leben auf unserem Planeten. Die Weichen, die wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren stellen, entscheiden über das Wohl aller zukünftigen Generationen. Es macht mich immer wieder sprachlos, mit welcher Gleichgültigkeit wir auf diverse Kipppunkte zusteuern. Das bedeutet, dass die Ökosysteme der Erde in einen Zustand tiefgreifender, irreparabler und unumkehrbarer Veränderungen geraten: Zum Beispiel brennen die Regenwälder nieder oder die Permafrostböden tauen auf. Beides würde soviel CO2 freisetzen, dass ein unkontrollierbarer Klimawandel in Gang käme. Das wiederum könnte eine Kaskade weiterer Kipppunkte auslösen und zu einer Heißzeit mit über fünf Grad Erderwärmung führen, befürchten Wissenschaftler*innen.5 Unser planetares System könnte kollabieren. Wir zerstören damit momentan sehenden Auges die Lebensgrundlagen genau der Kinder, die wir dafür rügen, dass sie aus Sorge eben darum auf die Straße gehen. Ich halte das für verrückt, für Wahnsinn.
Doch diese scheinbare Gleichgültigkeit und Ignoranz angesichts der Umstände hat eine tiefere Ursache. Sie liegt in unserer Entfremdung von der Natur begründet. Wir haben verlernt, uns als Teil des Ökosystems Erde zu begreifen. Hier haben Schulen einen Auftrag. Denn es gibt Kinder, die nur noch Technik aus erster Hand erfahren. Es wächst eine Generation heran, die sich zwar mit Umwelt- und Klimaschutz beschäftigt und sich im Internet über die Abholzung des Regenwalds informiert. Sie erfährt aber nie oder zumindest immer seltener, wie es ist, ungestört und selbstmotiviert in der freien Natur zu spielen, zu staunen und zu entdecken. Natur fördert jedoch die Kreativität und Neugierde, sie schärft die Wahrnehmung und trägt dazu bei, dass ein Kind die in ihm angelegten Potenziale entdecken, spielerisch ausprobieren und entwickeln kann. Wer Zeit in der Natur verbringt, der weiß aus eigener, körperlicher Erfahrung ihren Wert zu schätzen. Der hat gespürt, gesehen, geschmeckt und gerochen, wie wundervoll sie ist. Wie sehr sie uns tief im Inneren berührt. Wo wir Natur aber nicht mehr erleben, da sind wir auch nicht mehr mit ihr verbunden. Da entsteht Entfremdung. Und wo wir entfremdet sind, kein Gespür mehr für Tiere, Pflanzen und Elemente haben, da behandeln wir die Natur nur noch als Ware.
So steuern wir auf einen ökologischen Kollaps unserer Erde zu, ohne uns zu fragen, wer die Rettungspakete für diesen ökologischen Zusammenbruch wird zahlen müssen. Stattdessen leben wir nach wie vor im wahrsten Sinne des Wortes auf zu großem Fuß. Das zeigt der sogenannte Erdüberlastungstag. Das ist der Tag im Kalender, ab dem wir Menschen mehr natürliche Ressourcen verbraucht haben, als die Natur in zwölf Monaten erzeugen kann. 1970 lagen wir mit 1,01 erstmals über der Reproduktionskapazität unseres Planeten. Fünfzig Jahre später – im Jahr 2020 – verbraucht die Menschheit 1,56 Erden. Das bedeutete, dass wir am 22. August alles aufgebraucht hatten, was uns unter nachhaltigen Bedingungen zur Verfügung stand. Und dies war ein »gutes« Jahr: Der Erdüberlastungstag war wegen der weltweiten Corona-Shutdowns um drei Wochen nach hinten gerückt.6
Der Erdüberlastungstag zeigt, an welchem Tag im Jahr die Menschheit die Ressourcen aufgebraucht hat, die das Ökosystem Erde in zwölf Monaten erzeugen kann. Jedes Jahr rückt dieses Datum weiter nach vorne. Nur 2020 gab es eine Erholung für die Natur – wegen der Coronapandemie. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Earth_Overshoot_Day
Doch war das ein Thema in unseren Schulen? Wissen Kinder und Jugendliche genug über die ökologischen Zusammenhänge, um die Auswirkungen dieser Entwicklung einschätzen zu können? Haben sie das politische Hintergrundwissen, um sich selbst einbringen und ihre eigene Zukunft mitgestalten zu können? Ich behaupte »Nein«. Und das, obwohl die Schulgesetze explizit fordern, dass Schüler*innen lernen sollen, Verantwortung für den Erhalt der Umwelt zu übernehmen. Obwohl die internationalen Kinderrechte uns Erwachsene in die Pflicht nehmen, junge Menschen über Entscheidungen zu informieren, die ihre Zukunft betreffen, und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich demokratisch einzumischen. Handlungsmut und Selbstwirksamkeitserfahrungen stehen in den meisten Schulen nicht im Lehrplan. Kein Wunder also, dass aus Kindern Erwachsene werden, die wegsehen. Sie fühlen sich zu klein und zu ohnmächtig für die komplexen Aufgaben unserer Zeit. So klein und ohnmächtig fühlen sie sich auch, weil sie sich alleine fühlen. Abgetrennt und losgelöst von anderen Menschen.

Solidarität steht nicht im Lehrplan

Benachteiligung, Ungleichheit, kulturelle und religiöse Intoleranz haben sowohl innerhalb von Gesellschaften als auch zwischen ihnen weltweit zugenommen.7 Sie sind die Folge unseres materialistischen Wertesystems, unserer verantwortungslosen Produktionsweisen, unseres Finanzsystems mit seinen Spekulationsblasen und unseres verschwenderischen Lebensstils. Wir missachten die von uns gesetzten Menschenrechte ebenso wie die unverrückbaren planetaren Grenzen. Und so stirbt in der Welt alle 13 Sekunden laut UNICEF ein Kind an Hunger, während wir Deutschen in der gleichen Zeit gut vier Tonnen Lebensmittel in den Müll werfen.8 Besonders kritisch ist das, wenn es sich dabei um tierische Produkte handelt, wie Fleisch, Wurst, Käse oder Joghurt.
Denn für unseren Appetit auf derlei Lebensmittel müssen Menschen in den Ländern des globalen Südens hungern. Wo Futterpflanzen für den Export wachsen, lassen sich schließlich keine Nahrungsmittel mehr für den lokalen Verbrauch anpflanzen. Aber nicht nur der Hunger, auch Klimawandel, Lebensmittelspekulation und Krieg treiben immer mehr Menschen in die Flucht. Knapp 32 Millionen davon sind Kinder und Jugendliche, schätzt die UNO-Flüchtlingshilfe.9 Wie viele davon kommen zu uns? Und wie schaffen wir es, sie in unsere Schulen und unsere Gesellschaft zu integrieren? Schüler*innen haben auf diese Fragen mit dem Projekt Sprachbotschafter eine bemerkenswerte Antwort gefunden (mehr dazu im nächsten Kapitel). Statt die EU-Außengrenzen dicht zu machen, sollten wir uns lieber fragen: Wie schaffen wir für diese Kinder als Weltgemeinschaft eine echte Lebensperspektive?
Statt zusammenzurücken und gemeinsam kreative Lösungen zu finden, lassen wir zu, dass die soziale Krise die Menschheit immer tiefer spaltet. Global, wo laut der Organisation Oxfam mittlerweile nur acht weiße Männer so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.10 Aber auch national. Bei uns in Deutschland geht die Schere zwischen Arm und Reich nach wie vor immer weiter auf.11 Die Finanz- und Corona-Krisen haben diesen Trend noch verstärkt. Dazu kommt, dass wir Deutsche uns immer noch nicht ausreichend um Chancengleichheit für unsere Kinder kümmern. Eine Studie der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) aus dem Jahr 2016 hat erbracht, dass bei gleichen kognitiven Fähigkeiten und Lesekompetenzen Kinder aus der obersten Einkommensschicht eine fast vier Mal höhere Chance haben, eine Empfehlung für das Gymnasium zu bekommen, als Kinder von Facharbeiter*innen.12 Das bedeutet, dass wir viel zu viele Kinder durch eine unfaire Auswahl verlieren. Ungleichheit macht krank. Und zwar alle. Die oben auf der Statusleiter genauso wie die von unten.13
Dennoch halten wir seit Jahrzehnten an dem Irrglauben fest, dass Homogenität in den Schulklassen bessere Leistungen bringen würde. Wenn das stimmte, müssten wir bei den PISA-Studien der OECD längst Spitzenreiter sein. Das sind wir aber nicht. Und es hat sich hier in den letzten Jahren auch nichts verändert. Zudem lebt in unseren Schulen nach wie vor der Irrglaube an das Einzelexpertentum. Lehrer*innen sollen als Einzelne Wissen vermitteln. Dieser Logik folgt, dass die Kinder und Jugendlichen Einzelbewertungen in Einzelprüfungen sammeln. Wir nutzen eine Schulklasse also nicht als Fundgrube für die Weisheit und Kreativität der Vielen. Wir lassen die Kinder nicht erfahren, wie Solidarität und Kooperation funktionieren – Fähigkeiten, die wir in unserer Gesellschaft dringend brauchen. Stattdessen erziehen wir sie mit ständigen Vergleichen sowie dem Leistungs-, Optimierungs- und Konkurrenzdruck dazu, ihre natürliche Empathie und ihr Mitgefühl zu unterdrücken. Wir erklären ihnen mit Worten, wie gut helfen ist. Doch wer einer Freundin oder einem Freund bei einer Klassenarbeit eine kleine Hilfe geben will, wird bestraft. Wir bringen unsere Kinder sogar dazu, dass sie froh sind, wenn jemand anderes schlechter oder schwächer ist. Denn das bedeutet für sie: »Ich bin besser.« Doch Noten reduzieren Kinder auf Ziffern. Noten und Rankings sind ein Instrument des Wettbewerbs, sie prägen die junge Generation auf Vergleich und Konkurrenz – also das, was wir überwinden wollen. So verlassen viele junge Menschen die Schule mit einem guten Zeugnis und halten sich dennoch für nicht gut genug.
Das Vermögen ist in Deutschland so ungleich verteilt wie in keinem anderen europäischen Land. Die obersten 10 Prozent besitzen 67,3 Prozent des Vermögens – dem reichsten einen Prozent gehören alleine schon 35,3 Prozent. Die ärmsten 50 Prozent Deutschlands besitzen dagegen nur 1,3 Prozent des Vermögens (Stand: 2017/2019). Quelle: https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61781/vermoegensverteilung
Wenn wir jedoch junge Menschen in der Schule beteiligen und ihnen Freiraum geben, zeigen sie oft mehr Gerechtigkeitssinn, Empathie und Solidarität als viele Erwachsene. Ich habe das an der Schule in Essen als Schulleiterin erlebt, zum Beispiel als 2001 Klaus Werner-Lobo das Schwarzbuch der Markenfirmen