Fremde Feinde - Helmut Ortner - E-Book

Fremde Feinde E-Book

Helmut Ortner

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Beschreibung

Am 15. April 1920 überfallen Banditen im Staate Massachusetts einen Lohntransport, töten beide Wachmänner und flüchten mit der Beute. Schon bald konzentrieren sich die Ermittlungen auf die beiden italienischen Einwanderer Nicola Sacco und Bartholomeo Vanzetti. Sie sind Ausländer, Atheisten – und Anarchisten. Obschon die Beweise dürftig sind, werden die beiden angeklagt und in einem fragwürdigen Indizienprozess trotz weltweiter Proteste zum Tode verurteilt. Schuldig oder nicht? Bis heute ist diese Frage nicht endgültig beantwortet, aber allein die Zweifel und das ungerechte Verfahren reichen aus, um den Fall zu einer Legende zu machen. 1977 werden Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti von Michael Dukakis, Gouverneur von Massachusetts, rehabilitiert. Eine Untersuchung ergibt, dass der Staatsanwalt absichtlich "unfaire und irreführende Beweise" vorgelegt hat. Helmut Ortner schildert spannend und einfühlsam Leben, Kampf und Tod der beiden Einwanderer. Eine erschütternde Geschichte - ein Lehrstück gegen Fremdenfeindlichkeit, ein Buch von großer Aktualität. "Ortners Buch ist ein Lehrstück für alle, die mit Andersdenkenden und Außenseitern zu tun haben. Wir alle." Frankfurter Allgemeine Zeitung

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nomen

Helmut Ortner

Fremde Feinde

Sacco und Vanzetti – Ein Justizmord

nomen

© Helmut Ortner und Nomen Verlag, Frankfurt am Main 2015 Alle Rechte vorbehalten

www.nomen-verlag.de

Umschlaggestaltung: Marko Röthlingshofer, Neustadt an der Weinstraße

ISBN 978-3-939816-25-6 eISBN-978-3-939816-32-4

Inhalt

Erstes Kapitel

Die Schüsse von Bridgewater und South Braintree

Zweites Kapitel

Aufbruch ins Gelobte Land

Drittes Kapitel

Jagd auf Rote und Radikale

Viertes Kapitel

Die Falle schnappt zu

Fünftes Kapitel

»Mindestens zwölf Jahre …«

Sechstes Kapitel

Als Staatsfeinde abgestempelt

Siebtes Kapitel

Im Käfig von Dedham

Achtes Kapitel

Die »heilige« Entscheidung

Neuntes Kapitel

Die juristische Verschwörung

Zehntes Kapitel

Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Elftes Kapitel

Das Geständnis

Zwölftes Kapitel

»Sie töten zwei Unschuldige!«

Dreizehntes Kapitel

Freiheit oder Tod

Vierzehntes Kapitel

Letzte Rettungsversuche

Fünfzehntes Kapitel

Das Ende einer Tragödie

Epilog

Quellen- und Literaturhinweise

Ich war wild darauf zu kommen in dieses Land, weil ich gemocht freies Land…

NICOLA SACCO

Ich muß leiden, weil ich ein Radikaler bin, und ich bin in der Tat ein Radikaler; ich muß leiden, weil ich ein Italiener bin, und ich bin in der Tat ein Italiener…

BARTOLOMEO VANZETTI

Erstes Kapitel

Die Schüsse von Bridgewater und South Braintree

Dieser Winter war besonders hart in New England, der schneereichste seit Jahren. Am kalt-feuchten Morgen des 24. Dezember 1919 war der Zahlmeister Alfred Cox mit Lohngeldern von mehr als dreißigtausend Dollar von der Bridgewater Trust Company zu seiner Firma, der L. Q. White Shoe Company in Bridgewater, Bundesstaat Massachusetts, unterwegs. Cox saß mit dem Rücken zu seinem Fahrer Earl Graves auf einer großen, verzinkten Eisenkiste, in der sich das Geld befand. Neben Graves, der das schwerfällige Gefährt, einen Ford mit Segeltuchdach und dicken Gummireifen, wegen vereinzeltem Glatteis sehr vorsichtig steuerte, saß der Wachtmeister Benjamin Bowles.

Die Uhr zeigte zwanzig Minuten vor acht, als Graves in die Summer Street einbog, um kurz danach die Broad Street hinunterzufahren. In der Mitte der Straße verliefen dort Straßenbahnschienen, und Graves verlangsamte deshalb das Tempo auf kaum zehn Meilen in der Stunde, denn er wußte, wie tückisch solche Schienen bei Glätte sein konnten. Als sich der Lastwagen etwa hundert Meter hinter einer Straßenbahn befand, die in gleicher Fahrtrichtung unterwegs war, bemerkte Graves, wie an der Ecke Haie Street ein Personenwagen abrupt bremste. Drei Männer sprangen heraus und kamen dem Lastwagen entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde ahnte Graves, daß etwas nicht stimmte. Der vorderste der drei Männer trug keine Kopfbedeckung, hatte einen dunklen Schnurrbart und war mit einem langen schwarzen Mantel bekleidet. Graves sah, daß er eine Flinte in der Hand hielt. Die beiden anderen Männer hatten Handfeuerwaffen. Plötzlieh kniete sich der Mann mit dem Schnurrbart nieder und zielte auf die Front des Lastwagens.

»Ein Überfall!« schrie Graves. Er wußte nicht, ob er bremsen oder Gas geben sollte. In diesem Augenblick eröffneten die beiden anderen Männer das Feuer. Kugeln prasselten gegen die Bleche des Lastwagens. Bowles und Cox erwiderten das Feuer mit zwei Schüssen, während Graves nun doch kräftig auf das Gaspedal drückte und über die Schienen hinweg auf die andere Straßenseite fuhr. Doch auf der vereisten Straße verlor er die Kontrolle über den Wagen; da half es auch nicht, daß Bowles ihm ins Steuer griff. Schleudernd prallte der Lastwagen gegen einen Telegrafenmast. Blech krachte, Scheiben klirrten, Rauch stieg aus dem Motor auf.

Kurz nach dem Aufprall rannten die drei Banditen zu ihrem Wagen zurück. Ein vierter Mann, von großer Gestalt, hatte während des Überfalls am Steuer sitzend auf sie gewartet. Hastig rissen sie die Türen auf und sprangen in den Wagen, der mit quietschenden Reifen durch die Haie Street davonfuhr.

Der demolierte Lastwagen war mittlerweile von vielen Schaulustigen umringt. Gestenreich schilderten sie, was sie gesehen hatten oder gesehen zu haben glaubten. Bowles, Graves und Cox steckte der Schreck noch tief in den Gliedern. Bleich im Gesicht dankten sie Gott, daß keiner von ihnen getroffen und keiner verletzt worden war. Auch die Kiste mit den Lohngeldern war unversehrt geblieben.

Noch am selben Tag beauftragte die White Shoe Company die Detektivagentur Pinkerton mit den Ermittlungen. Ein Pinkerton-Agent befragte zunächst die drei Beteiligten sowie mehrere Zeugen, die den Überfall miterlebt hatten. Seine ersten Recherchen blieben jedoch dürftig und widersprüchlich. Doch das war der Pinkerton-Mann von anderen Fällen schon gewohnt. Augenzeugen von Verbrechen waren häufig unzuverlässig. So etwas geht zu schnell, jede Person nimmt nur einen Teil des Verbrechens wahr, und viele sehen häufig nur, was sie sehen wollen, und nicht, was tatsächlich geschah.

So gab Frank Harding, ein Verkäufer von Auto-Ersatzteilen, zu Protokoll, er habe beim Anblick der Schießerei zunächst gedacht, es würde ein Film gedreht. Als er zur Haie Street kam, seien die Gangster gerade zu ihrem Wagen gerannt. Vielleicht sei es ein Hudson gewesen, in jedem Fall ein schwarzer Wagen, daran könne er sich erinnern. Und an das Zulassungszeichen: 01173 C.

Ein anderer Zeuge, ein junger Arzt mit dem Namen Dr. John Murphy, sagte aus, er habe sich gerade angezogen, als er die Schüsse hörte. Sofort habe er das Fenster geöffnet, doch nur noch einen Personenwagen gesehen, der davonraste. Ja, der Wagen sei schwarz gewesen. Immerhin, dachte der Pinkerton-Agent, diese Farbe wurde auch von Harding genannt. Und noch etwas gab der Arzt zu Protokoll: Er sei, so diktierte er dem Detektiv in den Block, später von seiner Wohnung in der Broad Street dorthin gegangen, wo der Lastwagen gegen den Mast geprallt war. Dort habe er eine Patronenhülse gefunden, aufgehoben und eingesteckt. »Haben Sie die Hülse dabei?« fragte der Detektiv ungeduldig. Der junge Arzt griff in seine Jackentasche und gab sie ihm.

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