Friedrich Rückert - Annemarie Schimmel - E-Book

Friedrich Rückert E-Book

Annemarie Schimmel

4,4

Beschreibung

Zum 150. Todestag von Friedrich Rückert am 31. Januar 2016: Die Neuausgabe von Annemarie Schimmels grundlegender Biographie. Der Dichter und Orientalist Friedrich Rückert (1788-1866) war einer der frühesten Vermittler arabischer und persischer Dichtung in Deutschland. Als Gelehrter und Übersetzer nah- und fernöstlicher Lyrik hat er der deutschen Sprache »einen Schatz geschenkt, den keine andere Sprache besitzt" (Annemarie Schimmel). Auch Rückerts eigenes poetisches Werk ist erstaunlich: Sein (aus dem Nachlass veröffentlichtes) Liedertagebuch ist das größte Poesiewerk des 19. Jahrhunderts. Gustav Mahlers Vertonung der berührenden Kindertotenlieder machte diese Gedichte zum deutschen Kulturerbe. Die Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel hat die Stationen von Rückerts Lebens nachgezeichnet und sein Werk für heutige Leser erschlossen.

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Annemarie Schimmel

Friedrich Rückert

Lebensbild undEinführung in sein Werk

Herausgegeben vonRudolf Kreutner

Inhalt

Einleitung

Das Leben des dichtenden Gelehrten

Das Werk des gelehrten Dichters

Bibliographische Hinweise

Rückerts Werke

Sammlungen

Weiterführende Literatur

Einleitung

Wer Philolog und Poet ist in Einer Person, wie ich Armer,

Kann nichts besseres tun, als übersetzen wie ich …

Was philologisch gefehlt ist, vergibst du poetischer Freiheit,

Und die poetische Schuld schenkst du der Philologie.

Mit diesen Versen, die Friedrich Rückert zu seiner Übertragung der »Makamen des Hariri« schrieb, hat er seine Größe und seine Grenzen angedeutet – die Doppelbegabung als Dichter und Sprachgelehrter hat es ihm versagt, auf jedem der beiden Gebiete den Ruhm zu erlangen, den er verdient hätte.

Im Bewußtsein deutscher Leser – sofern die heutige Jugend ihn überhaupt noch kennt – ist er als reimfroher Sänger ansprechender, gemütvoller Liebeslieder und weitverbreiteter Stammbuchverse eingegangen; auch kannte man ihn früher als patriotischen Dichter der »Geharnischten Sonette« in den Freiheitskriegen von 1813 bis 1814. Manche seiner Gedichte sind fast Volkslieder geworden. Wer weiß noch, daß einige der reizendsten Kinderlieder von Rückert stammen, so das »Sommerlied von den grünen Vögelein« und die Geschichte »Vom Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt«? In der Schule sang man in früherer Zeit wohl noch »Der alte Barbarossa« und in der Kirche das schöne Adventslied »Dein König kommt in niedern Hüllen«. Fast zersungen wurde das in Italien gedichtete Schwalbenlied »Aus der Jugendzeit«, in Chidhers Zitat:

Und aber nach fünfhundert Jahren

Kam ich desselbigen Wegs gefahren,

wurde ebenso sprichwörtlich wie:

Es ging ein Mann im Syrerland,

Führt’ ein Kamel am Halfterband …

Unter den Orientalisten aber gibt es manch einen, der Rückerts unerhörte Leistung poetischer Übertragungen aus einem halben Hundert Sprachen als schöngeistig abtut oder Einzelheiten bekrittelt, die sich aus der damaligen Lage orientalistischer Studien ergaben, ohne zu begreifen, daß Rückerts Übersetzungsleistung dem Deutschen einen Schatz geschenkt hat, den keine andere Sprache besitzt. Manche werden bedauern, daß Rückert – wie er seine Poesie in Zehntausende von Gedichten zersplitterte – auch in der Wissenschaft kein geschlossenes Werk veröffentlicht hat, etwa eine Poetik der orientalischen Sprachen, oder daß er seine aus zahllosen Anmerkungen zu seinen Übertragungen erkennbare Kenntnis islamischer Geschichte und indischer Kultur nicht zu kulturhistorischen Werken zusammengefaßt hat. Wer die Vertonungen Rückertscher Lieder durch Schubert, Schumann, Loewe und Mahler – um nur die wichtigsten zu nennen – liebt, wird bedauern, daß seine fast unübersehbare literarische Produktivität es schwer, fast unmöglich macht, die Perlen in seiner Lyrik zu finden und recht aufleuchten zu lassen. Und noch liegen gewaltige Konvolute wissenschaftlicher Arbeiten und Übertragungen in Rückerts winziger Handschrift in seinem Nachlaß, Arbeiten, die in einer heute von technischen Erleichterungen wie Schreibmaschine und Xerographie, von Möglichkeiten von Forschungsstipendien und Studienreisen verwöhnten Gesellschaft als Wunderwerke wissenschaftlicher Askese erscheinen müssen.

Als Friedrich Rückert 1866 starb, hatte sich das geistige Klima in Deutschland, das einer Begabung wie der seinen gewisse Entfaltungsmöglichkeiten bot, geändert; wer etwas von orientalischer Poesie lesen wollte, nahm Bodenstedts harmlos flache »Lieder des Mirza Schaffy« zur Hand, und die Orientalisten wandten sich historisch-kritischen Studien und Editionen von Texten zu; niemand aber hätte wagen können, beide Gebiete so zu beherrschen wie Rückert. So wurde er wenn nicht vergessen, so doch in den Hintergrund gedrängt durch die Entwicklung der deutschen Dichtung und der europäischen Philologie, die immer stärker zur Spezialisierung überging.

Rückert selbst wußte, daß es ihm an der Fähigkeit mangelte, ein großes, geschlossenes Gesamtwerk zu schaffen. Mit Recht hat er sein Leben, und das bedeutete für ihn auch sein Werk, mit einem Teppich verglichen:

Ein Teppich scheinet mir mein Leben,

Und immer sticket meine Hand;

An welcher Stell’ ich auch mag weben,

Am obern oder untern Rand;

Zuletzt, wo so viel Kleinstes

Sich still verband, entstand

Ein Großes Allgemeinstes.

In der Tat kann Rückerts wissenschaftlich-poetische Doppeltätigkeit wohl am besten unter diesem Bilde gewürdigt werden, das auch den orientalischen Vorstellungen sehr nahe ist, und leicht wird einen falschen Eindruck von seinem fast unübersehbaren Werk gewinnen, wer einzelne Fäden aus dem Teppich zieht und das Ganze aus den Augen verliert.

Dieses Büchlein möchte versuchen, vorsichtig den äußeren Mustern des Teppichs und den verschiedenen Kett- und Einschlagfäden nachzugehen, um eine der erstaunlichsten Gestalten der deutschen Geistesgeschichte der Vergessenheit zu entreißen und vielleicht dazu anzuregen, sein Werk von neuem zu lesen, sei es genießend, sei es wissenschaftlich forschend. Rückert verdient es.

Das Leben des dichtenden Gelehrten

Am 16. Mai 1788 wurde Friedrich Rückert in Schweinfurt, »der lieben Stadt mit dem garstigen Namen«, geboren – ein Jahr vor der Französischen Revolution, zwölf Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Amerikas, zu einer Zeit, da die deutsche Literatur ihren Höhepunkt erreicht hatte, da Goethe und Schiller wirkten und Herder, »der universellste poetische Sinn für alle Welt-Poesie«, wie Rückert ihn später nennen sollte, von der Weltliteratur träumte. Neue Impulse waren aus dem Orient nach Europa gekommen; nach Jahrhunderten blinden Hasses gegen den Islam hatte die Aufklärung zur Formung eines neuen Orientbildes mitgeholfen, und die französische Übersetzung der Märchen von 1001 Nacht durch Antoine Galland zu Beginn des 18. Jahrhunderts inspirierte ungezählte Dichter, Musiker und Maler, die nun von einem romantischen Morgenland träumten. Die Arbeiten der britischen Orientalisten von Fort William in Kalkutta ebenso wie die Übersetzertätigkeit der Wiener Orientalisten und die ersten sachlichen Studien arabischer Grammatik und Literatur durch J. J. Reiske in Deutschland und Silvestre de Sacy in Frankreich veränderten die geistige Welt ähnlich wie die Revolutionen die politische Umwelt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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