Frühling - Rainer Maria Rilke - E-Book

Frühling E-Book

Rainer Maria Rilke

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Beschreibung

Rainer Maria Rilke liebte den Frühling – und er war ein genauer Beobachter der Jahreszeit: vom ersten Schmetterling an einem Apriltag über einen auf den Rücken gefallenen Marienkäfer bis zu den Stiefmütterchen im Beet, die beizeiten zu früh aus der Erde kommen, „wie Kinder, die ausgeschlafen haben und durchaus nicht mehr im Bett bleiben wollen“. Er hörte genau hin, wenn Amsel, Fink, Meise, Lerche und Nachtigall freudig die neue Jahreszeit begrüßen. Die schönsten Texte des Dichters über den Frühling präsentiert dieses Buch.

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Seitenzahl: 120

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Rainer Maria Rilke liebte den Frühling – und er war ein genauer Beobachter der Jahreszeit: vom ersten Schmetterling an einem Apriltag über einen auf den Rücken gefallenen Marienkäfer bis zu den Stiefmütterchen im Beet, die beizeiten zu früh aus der Erde kommen, »wie Kinder, die ausgeschlafen haben und durchaus nicht mehr im Bett bleiben wollen«. Er hörte genau hin, wenn Amsel, Fink, Meise, Lerche und Nachtigall freudig die neue Jahreszeit begrüßen.

Rainer Maria Rilke, geboren am 4. Dezember 1875 in Prag, ist am 29. Dezember 1926 in Val-Mont (Schweiz) gestorben. Zuletzt im insel taschenbuch erschienen: Weihnachten mit Rainer Maria Rilke (it 3641), Hiersein ist herrlich

Rainer Maria Rilke

FRÜHLING

Umschlagabbildung: akg-images

eBook Insel Verlag Berlin 2012

© Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2007

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Quellennachweise am Schluß des Bandes

Frühling

Blättert zurück in euren Tagebüchern! War da nicht immer um die Frühlinge eine Zeit, da das ausbrechende Jahr euch wie ein Vorwurf betraf? Es war Lust zum Frohsein in euch, und doch, wenn ihr hinaustratet in das geräumige Freie, so entstand draußen eine Befremdung in der Luft, und ihr wurdet unsicher im Weitergehen wie auf einem Schiffe. Der Garten fing an; ihr aber (das war es), ihr schlepptet Winter herein und voriges Jahr; für euch war es bestenfalls eine Fortsetzung. Während ihr wartetet, daß eure Seele teilnähme, empfandet ihr plötzlich eurer Glieder Gewicht, und etwas wie die Möglichkeit, krank zu werden, drang in euer offenes Vorgefühl. Ihr schobt es auf euer zu leichtes Kleid, ihr spanntet den Schal um die Schultern, ihr lieft die Allee bis zum Schluß: und dann standet ihr, herzklopfend, in dem weiten Rondell, entschlossen mit alledem einig zu sein. Aber ein Vogel klang und war allein und verleugnete euch. Ach, hättet ihr müssen gestorben sein?

Vielleicht. Vielleicht ist das neu, daß wir das überstehen: das Jahr und die Liebe. Blüten und Früchte sind reif, wenn sie fallen; die Tiere fühlen sich und finden sich zueinander und sind es zufrieden. Wir aber, die wir uns Gott vorgenommen haben, wir können nicht fertig werden. Wir rücken unsere Natur hinaus, wir brauchen noch Zeit. Was ist uns ein Jahr? Was sind alle? Noch eh wir Gott angefangen haben, beten wir schon zu ihm: laß uns die Nacht überstehen. Und dann das Kranksein. Und dann die Liebe.

Werke VI (Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge), 925 f.

Wie ein Ton, der in Spiegel schaut,klang im November ein Amsellautoder als rührte ans eigene Haareiner, weil's einmal geliebkost war.

Aber am Morgen im Februardarf es ein Fink schon wagenetwas was kein Erinnern waroffen ins Jahr zu sagen.

Werke II, 485

VORFRÜHLING

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonungan der Wiesen aufgedecktes Grau.Kleine Wasser ändern die Betonung.Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.Wege gehen weit ins Land und zeigens.Unvermutet siehst du seines SteigensAusdruck in dem leeren Raum.

Werke II, 158

O erster Ruf wagrecht ins Jahr hinein –,die Vogel-Stimmen stehn.Du aber treibst schon in die Zeit dein Schrein,o Kukuk, ins Vergehn –

Da: wie du rufst und rufst und rufst,wie einer setzt ins Spiel,und gar nicht baust, mein Freund, und gar nicht stufstzum Lied, das uns gefiel.

Wir warten erst und hoffen … Seltsam querdurchstreift uns dieser Schrei;als wär in diesem Schon ein Nimmermehr,ein frühestes Vorbei –

Werke II, 126 f.

Der Kukuk erinnert mich so sehr an die Vorfrühlingstage auf dem Schönenberg, daß ich Ihnen rasch einen Gruß schicken muß, verehrte Freundin, an dem Tage, da ich ihn zum ersten Mal wiederhöre. Heute.

Eben.

Er erschien ganz unerwartet nach dem Schneefall des Vormittags und widerlegte ihn, widerrief ihn in den lauen Regennebel hinein, in seiner eifrigen, dabei etwas zerstreuten, verschwenderischen Art. – Oh ich kenn ihn gut –

Schweizer Freunde (Dory Von der Mühll, 19. 4. 1921), 217

Schon kehrt der Saft aus jener Allgemeinheit,die dunkel in den Wurzeln sich erneut,zurück ans Licht und speist die grüne Reinheit,die unter Rinden noch die Winde scheut.

Die Innenseite der Natur belebt sich,verheimlichend ein neues Freuet-Euch;und eines ganzen Jahres Jugend hebt sich,unkenntlich noch, ins starrende Gesträuch.

Des alten Nußbaums rühmliche Gestaltungfüllt sich mit Zukunft, außen grau und kühl;doch junges Buschwerk zittert vor Verhaltungunter der kleinen Vögel Vorgefühl.

Werke II, 160

Neue Sonne, Gefühl des Ermattensvermischt mit hingebendem Freuen;aber noch mehr fast ergreift mich die Unschuld des neuenSchattens.

Schatten des frühesten Laubes, das du durchhellst,Schatten der Blüten –: wie klar!Wie du dich, wahres, nirgends verstellst,offenes Jahr.

Unser Dunkel sogar wird davon zarter,genau so rein war vielleicht sein Ursprung.Und einmal war das alte Schwarz aller Marterso jung.

Werke II, 124

Ja, Sonntag, was war das für ein – beinah Sommer, also bei Ihnen auch –, ich trank auch meinen Caffée auf dem Balkon und mußte mir meinen Hut holen, so warm war die Sonne im Schein und im Widerschein der alten Mauern. Was wir dort, in tausenden von Spalten und Rissen, für Miether und Überwinterer gehabt haben, das zeigt sich erst jetzt. Chère, dich an der Balkonthür, rechts von ihr, im Heraustreten, eine herrliche Hummel-Garage mit ganz glatt gefahrenem Ausgang. Manchmal fährt die großartige Carosserie drin (im Ganzen hat die ›Maschine‹ die Länge etwa meines halben kleinen Fingers!) bis eben an den Ausgang vor: dann sieht man, vorn, die zwei riesigen ovalen Laternen spiegeln, rechts und links, es riecht ein bischen nach Lack …, dahinter, über den Motor, ist eine kostbare Pelzdecke gebreitet. – Das ist nur ein Beispiel für die Welt unserer Untermiether –, sie sind Legion. Die Marienkäfer zwischen den Scheiben multiplizieren sich wie rasend miteinander, – nun sind die einzelnen viel weniger gut gemacht, es kommt ihnen kaum noch darauf an, zu der rothgrundigen oder schwarzgrundigen Vasenfamilie zu gehören, es geht alles durcheinander und die Punkte sind ihnen durchaus egal. Auch komm ich, was die auf den Rücken fallenden angeht, mit dem Umdrehen beim besten Willen nicht mehr nach, bei zweihundert ist das schon mehr das Amt eines Waisenhausvaters. Ich überlasse sie der Natur …, die ja immer mehr in ihre Rechte tritt (ob es gleich die letzte Nacht feige und fleißig geschneit hat!)

Wunderly II (3. 3. 1922), 683 f.

Und draußen, Chère, (oh ich weiß, daß der Winter nicht vorüber ist) aber »es lernt« schon Anfangs-Gründe des Frühlings. Hörten Sie die Vögeleinfälle! Und heute ist der Hummel zum ersten Mal aus der Garage gefahren, splendide, je vous dis, und oben an das kleine Schlafzimmerfenster an … Es liegt viel Schnee, aber die Losung heißt: ›Thauen!‹, und die Sonne hat schon da und dort eine braune Stelle gegenüber, die schlaftrunken antwortet, – nicht mehr cette lumineuses absence blanche et unie. Wie sind wir doch gebunden in alles dies, mein Gott, wie gehts uns an!

Wunderly II (6. 2. 1923), 869

Ich lese schon Correctur und glaube, dass man das Buch noch im Laufe dieses Frühlings erscheinen lassen will. –

Dieses Frühlings: er hebt jetzt an. Zwischen Regentagen, die wie szenische Verwandlungen auf offener Bühne sind, kommt es immer wieder dieses Leuchten, Freuen, Leichtsein und Lächeln. Und der ganze Garten ist erfüllt von der Gebärde, mit welcher die kleinen Wiesenblumen sich täglich aufthun und schließen …

Key (3. 3. 1904), 57

Fliegen sieht man eigentlich nichts, aber es piept und stimmt an und übt, der Sonntag war von der strahlendsten Wärme, meine Fensterthür stand offen bis in den Abend hinein und zum ersten Mal empfand man dieses Hereinwirken der Jahreszeit ins merkwürdig erweiterte Zimmer, das Raum von draußen hereinnahm, statt sich, wie bisher, um die Ofenecke zusammenzuziehen. Da war schon eine von den dunkleren Vogelstimmen dabei, eine reifere, schon innerlich gesungene, die zu den anderen sich verhielt wie ein Gedicht zu ein paar Vokabeln –, wie glänzte sie zu Gott, schon, schon, wie gläubig war sie, wie von sich selber voll, eine Liedknospe noch in den Deckblättchen ihres Klanges, aber schon bewußt ihrer unaufhaltsamen Fülle, vor-seelig und vor-bang. Oder eigentlich, die Bangheit war schon völlig in ihr, der gemeinsame Schmerz der Kreatur, der sich nicht theilen läßt und der genau so ein-fältig ist, wie drüben, jenseits aller Überwindungen, die Seeligkeit.

Wunderly I (24. 2. 1920), 161 f.

Wahrscheinlich wars der große Wechsel von Luft und Umgebung, jetzt geht es viel besser, auch nimmt sich alles schon zu so fortgeschrittenen Tagen zusammen, die Bäume kommen hoch, rasch, rasch, beinah wie Milch im Aufkochen, man wagt kaum wegzugehen. Vorgestern war ich in Versailles den ganzen Tag, (übrigens mit dem endlichen kleinen Buch Gebsattels, das ich Ihnen kommen lasse –), mir kommt vor, als hätte die Welt lange keinen Frühling so stark aus sich herausgetrieben, die Athmung all dieses Grüns macht die Luft doppelt.

Vollmoeller (25. 4. 1911), 85

… .Wie sich die gestern noch stummenRäume der Erde vertonen;nun voller Singen und Summen:Rufen und Antwort will wohnen.             … … . .

Werke II, 163

Nun bin ich, liebe Lou, in meinem kleinen Garten-Haus und es ist nach vieler Unruhe die erste stille Stunde darin; nun hat alles in dem schlichten Raum seine Stelle, wohnt und lebt und läßt sich Tag und Nacht geschehen; und draußen, wo so viel Regen war, ist ein Frühlingsnachmittag, sind die Stunden irgend eines Frühlings, der vielleicht morgen nichtmehr sein wird, der aber jetzt ist wie von Ewigkeit her: so sehr im Gleichgewichte ist der leichte schlanke Wind, dem sich die Blätter nachbewegen, des Lorbeers glänzende Blätter und die unscheinbaren Blätterbündel in den Steineichen-Büschen, so getrost sind die kleinen röthlichen Knospen an den kaum leergewordenen Bäumen und so groß ist der Duft, der aufsteht aus dem lichtgraugrünen Narzissenfeld in meinem stillen Gartenthal, das ein alter Brückenbogen nachdenklich überspannt. Ich habe von meinem flachen Dach die schweren Reste des Regens gefegt und welke Eichenblätter zur Seite geräumt und das hat mich warm gemacht und nun, nach der kleinen wirklichen Arbeit, klingt mir das Blut wie in einem Baum. Und mir ist, zum allerersten Mal nach langer Zeit, ein ganz klein wenig frei und festlich zu-muth und so, als ob Du bei mir eintreten könntest …

Auch dieses glückliche Gefühl wird wieder vorübergehen und wer weiß, ob nicht hinter den fernen Bergen, eine Regennacht sich vorbereitet, die mein Dach wieder überschwemmt und ein zerrender Wind, der meine Wege wieder mit Welkem füllt –

Andreas-Salomé (15. 1. 1904), 127 f.

Verehrte Freundin,

wir sind in einem Nebelreich, wie ein Zauber auf der Bühne qualmte es herüber neulich in den hellsten Sonnenmittag, und seither ist alle Weite weg, die Schiffe tuten irgendwo im Unsichtbaren und haben Angst voreinander, nur die nahen Schifferkähne fangen in ihren Segeln das diffuse Licht und erhalten sich als Erscheinung eine Weile im vaguen grauen Weltraum. Von Zeit zu Zeit versucht sich das in einem leisen filigranen Regnen, und darüber und über der Stille der Tage kommt der Garten sachte ins Grünen, die gelben doppelten Narzissen an den übereilt vorgebeugten Stengeln drängen sich neugierig auf, und in allen den nicht wintergrünen Sträuchern kommt die feine helle Arbeit ans Licht, die im angestiegenen Saft geplant und vorbereitet war. Man hat das Unkraut weggerissen, die berechtigten Rosenpflanzen sind allein in dem warmbraunen nachdenklichen Erdreich, und es genügt, den Gärtner irgendwo gebückt zu sehen, um eine Spur Rührung zu empfinden, ganz als müßte das Einfache, Fleißige, was er dort thut, auch in Einem zur Geltung kommen und sich lohnen, als müßte auch dort etwas in sein Recht gerückt, ermuthigt, aufgebunden sein.

Taxis I (2. 3. 1912), 119 f.

Schon, horch, hörst du der ersten HarkenArbeit; wieder den menschlichen Taktin der verhaltenen Stille der starkenVorfrühlingserde. Unabgeschmackt

scheint dir das Kommende. Jenes so oftdir schon Gekommene scheint dir zu kommenwieder wie Neues. Immer erhofft,nahmst du es niemals. Es hat dich genommen.

Selbst die Blätter durchwinterter Eichenscheinen im Abend ein künftiges Braun.Manchmal geben sich Lüfte ein Zeichen.

Schwarz sind die Sträucher. Doch Haufen von Düngerlagern als satteres Schwarz in den Aun.Jede Stunde, die hingeht, wird jünger.

Werke I, 767 f.

An allen Dingen fühlt sich neu die Frühe.Der schöne Wind geht eitel durch den Hain.Oh sieh das Blühen: innen ist die Mühe;kaum tritt es aus, ist es ein Seligsein.

Werke II, 380

AUS EINEM APRIL

Wieder duftet der Wald.Es heben die schwebenden Lerchenmit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war, –aber nach langen, regnenden Nachmittagenkommen die goldübersonntenneueren Stunden,vor denen flüchtend an fernen Häuserfrontenalle die wundenFenster furchtsam mit Flügeln schlagen.

Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiserüber der Steine ruhig dunkelnden Glanz.Alle Geräusche ducken sich ganzin die glänzenden Knospen der Reiser.

Werke I, 371

Wasser berauschen das Land.Ein atemlos trinkender Frühlingtaumelt geblendet ins Grünund stößt seiner Trunkenheit Atemaus den Munden der Blust.

Tagsüber üben die Nachtigallnihres Fühlens Entzückungund ihre Übermachtüber den nüchternen Stern.

Werke II, 163

FORTSCHRITT

Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.Immer verwandter werden mir die Dingeund alle Bilder immer angeschauter.Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reicheich in die windigen Himmel aus der Eiche,und in den abgebrochnen Tag der Teichesinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.

Werke I, 402

EIN FRÜHLINGSWIND

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laßes kommen, all das Drängende und Blinde,