Fülle - Die schöpferische Kraft der Natur - Maria Anna Leenen - E-Book

Fülle - Die schöpferische Kraft der Natur E-Book

Maria Anna Leenen

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Beschreibung

"Schöpfung ist ein solch grandioses Füllhorn an Schönheit, Vielfalt und überquellendem Formenreichtum." Maria Anna Leenen Als Einsiedlerin erlebt Maria Anna Leenen die Fülle von Leben, Lebendigkeit, Wachsen und Reifen in der Natur hautnah. Sie erzählt von ihren Beobachtungen, Erfahrungen und Emotionen und stellt diese in Zusammenhang mit Gottes Schöpfung. Dabei schildert sie den Jahreslauf, beginnend mit dem Aufbrechen des Frühlings und entwickelt ein Panorama von poetischer Kraft., in dem nichts verniedlicht oder banalisiert wird. Sie zeigt Chancen einer natürlichen Bewirttschaftung, aber auch Bedrohungen durch Klimawandel und Artensterben auf und schlägt den Bogen zu der Frage, was den Menschen antreibt, ihn aufblühen und Früchte tragen lässt. Abgerundet durch eine stimmungsvolle Schöpfungsmeditation ist das Buch Inspiration und Kraftquelle.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Die Autorin wird gefördert durch:

© 2022 Bonifatius GmbH Druck | Buch | Verlag, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des

Verlags wiedergegeben werden, denn es ist urheberrechtlich geschützt.

Umschlaggestaltung: Weiss Werkstatt München, werkstattmuenchen.com

Titelbild: mamita/shutterstock

Satz- & Innengestaltung: Melanie Schmidt, Bonifatius GmbH, Paderborn

ISBN 978-3-89710-912-4

eISBN 978-3-89710-965-0

Weitere Informationen zum Verlag:

www.bonifatius-verlag.de

Stefan Kraus ofsin dankbarer Freundschaftgewidmet

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Geleitwort

Vorfrühling – Erstfrühling – Vollfrühling

1.Neustart! Aufbruch!

2.Verborgener Beginn, kein Rückschritt!

3.Wachstum heißt auch: Leben weitergeben

4.Wasser ist Leben – Im Wasser ist Leben

5.Schöpfungsbetrachtung als Frage nach dem Menschen?

Frühsommer – Hochsommer – Spätsommer

6.Eine Farbe mit tausend Nuancen

7.Wie Hände, die schützen

8.Vibrieren, bürsten, mauern, verkleben: Wildbienen, Hummeln und Co.

9.Das köstliche Wachs der Honigbienen

10.Schatten in der Nacht

11.Mal kugelig, mal kantig: Früchte Früchte Früchte

12.Vielfalt ist Leben pur

Frühherbst – Vollherbst – Spätherbst

13.Eine Fülle, die mit einem großen Versprechen vergeht

14.Dieses berauschende Farbenspiel und seine Vielfalt an leuchtenden Nuancen

15.Von Herzwurzeln, Baumhäuten und unterirdischen Handelsnetzen

16.Eine Stille ohne Erwartung?

17.Rückzug – Verweigerung oder Bereitschaft zur Veränderung?

Winter

18.Winterruhe – Winterstarre – Winterschlaf

19.Winterspuren und Wintergäste

20.Kennenlernen – wertschätzen – schützen – Eine Meditation über Schöpfung ist Meditation über die Welt an sich

Literaturhinweise

Zur Autorin

Endnoten

„So wie eine Liebendeden Körper des Geliebtenbis ins kleinste kennt und erinnert,so drängt es auch unsLiebhaber der Erde,ihre Geheimnisse zu ergründenund auszuloten;eine Art neuer Weltfrömmigkeitfür die Schöpfungentwickelt sich vor unseren Augen.Die Erde ist heilig.“

Dorothee Sölle 19851

Dieses Buch ist kein Biologiebuch. Es ist auch kein Naturführer oder ein Pflanzenlexikon. Es ist meine persönliche Sicht auf Schöpfung, meine Freude und mein Staunen über ihren berauschenden Reichtum an Schönheit und Offenbarung, den ich mit diesem Buch erzählen und weitergeben möchte. Schöpfung kann außerordentlich faszinierend sein, wenn sich der Blick einmal nicht nur auf die Kräutertöpfchen im Discounter richtet oder auf den Blumenstrauß, der zum Geburtstag verschenkt wird. Nichts gegen Geburtstagsblumensträuße! Aber Schöpfung ist ein solch grandioses Füllhorn an Schönheit, Vielfalt und überquellendem Formenreichtum, dass ein Geburtstagsblumenstrauß bei allem Anziehenden nur einen Hauch davon vermitteln kann.

Mein Blick ist verständlicherweise sehr persönlich und er ist überwiegend geprägt von den Erfahrungen mit der Schöpfung im begrenzten Umfeld der Klause St. Anna, in der ich seit 18 Jahren als Eremitin leben darf. Ein Blick, der tagtäglich über Wiesen und Felder gleitet und in große und wunderbare Waldgebiete schaut, die durchzogen sind von Bächen und kleinen Flüssen mit den dazugehörenden Teichen und Seen. Mein Blick ist subjektiv, natürlich. Das bedeutet für dieses Buch unter anderem auch, dass nicht alle Bereiche und Elemente der Schöpfung hier vorkommen, sondern meist nur sozusagen das, was vor der Haustür lebt und wächst. Das Meer zum Beispiel fehlt dementsprechend fast vollständig in diesen überwiegend meditativen Ausführungen. Und ebenso logisch ist, dass viele Gedanken und Impulse aus meinem Leben in Stille und Gebet erwachsen sind.

Seit ich bewusst denken kann, habe ich Naturvorgänge beobachtet. Mit dem Beginn meines geistlichen Lebens vor jetzt fast 36 Jahren war dies auch in zunehmendem Maß mit den verschiedenen Formen von Meditation verbunden. Über die Jahre nahm dabei nicht nur mein Wissen um Abläufe und Formen des Zusammenspielens in der Schöpfung zu. Immer mehr wurde Schöpfungsmeditation zu einer Art Spiegel, der mir mich selbst und mein Leben auf manchmal verblüffende Weise reflektierte, vieles zurückspiegelte. Nicht ohne mich ab und zu auch zu konfrontieren mit zum Beispiel falschen geistlichen Wegen. Was auch zur Folge hatte, dass ich Schöpfungsmeditation als eine Weise erfahren durfte, die nicht nur durch die Wahrnehmung der Schöpfungsschönheit Freude und Entspannung schenkte und schenkt, sondern auch mein inneres Leben intensivierte und die Kraft für die Bewältigung des Alltags verstärkte und immer wieder erneuerte. In diesem Sinne kann das stille, nachdenkliche Schauen auf einen Grashalm, der zwischen den Pflastersteinen vor der Haustür wächst, einen starken und Mut machenden Impuls geben. Einen Impuls, der zu einer Art Unterrichtsstunde in Lebensfreude wird.

Ich gehe in den hier vorliegenden Texten entlang des Phänologischen Kalenders, der anders als der astronomische Kalender die Jahreszeiten nach den Erscheinungen, den Phänomenen in der Pflanzenwelt einteilt, wie zum Beispiel Austrieb, Blüte und Frucht. Diese Vorgehensweise scheint mir passender zu sein für ein Buch über Schöpfung, bei dem sich wie hinterlegt mit einer Folie oder einem Film immer wieder die Frage stellt nach dem, was den Menschen selbst antreibt, welche (im übertragenen Sinne) Blüte und Frucht es in und mit seinem Leben geben könnte. Der phänologische Kalender gibt aber nicht nur (zumindest in Deutschland seit 1951) Aufschluss zum Beispiel über die passenden Termine für Aussaat und Pflanzenschutz. Immer mehr weist er vor allem auf die Auswirkungen des Klimawandels hin. In den letzten Jahren haben diese von uns Menschen gemachten gravierenden Veränderungen mit dem beängstigenden Ausmaß des Artensterbens und zusammen mit dem daraus folgenden zwingend notwendigen Einsatz für den Umweltschutz auf breiter Front an öffentlichem Interesse zugenommen. Schöpfungsmeditation bekommt auch dadurch einen neuen und hohen Stellenwert. Die Verbindung des notwendigen Nachdenkens bezüglich Umweltschutz und Klimaschutz mit einer wie auch immer gearteten Form der Schöpfungsmeditation könnte unter anderem auch einen Impuls geben in breitere gesellschaftliche Schichten. Einen Impuls, tiefer dem Sinn menschlicher Existenz auf diesem riesigen Geschenk Planet Erde nachzuspüren.

In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern nicht nur viel Freude beim Lesen, sondern hoffe, dass Sie es einmal versuchen mit der Schöpfungsmeditation. Es versuchen mit dem Erfahren, mit dem Nachspüren, mit dem meditativen Blick, welche Blüte und Frucht Ihr persönliches Leben haben könnte und sollte, um damit auch neu und vertieft zu begreifen, welches unglaubliche Geschenk das Leben für alle und alles ist.

Pax et BonumMaria Anna Leenen

Wahrnehmen – bilden – handeln

Die „Fülle der Schöpfung“ als Einladung zur Schöpfungsspiritualität

In den letzten Jahren erfahren wir immer mehr die Bedrohtheit der Schöpfung, so viele Arten sind bereits gestorben, die für das Weltklima lebenswichtigen Regenwälder werden abgeholzt, und die Klimakrise rückt uns ganz nah, wenn wir an die verheerenden Überschwemmungen im Westen Deutschlands, in Belgien und den Niederlanden denken, an die Waldbrände in Griechenland, der Türkei, in Nordafrika, den USA und Kanada. Unsere „Schwester“, die „Mutter Erde“ „schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat“ (LS 1), so Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato sí“, und dies tritt uns immer mehr vor Augen. Der Mensch der Moderne, der sich über die technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen die Erde „untertan“ gemacht hat, ist derjenige, der die Veränderungen des Planeten Erde und aller Ökosysteme zu verantworten hat; darum sprechen wir heute vom sogenannten „Anthropozän“. Der Mensch ist zum „Macher“ geworden, und er hat vergessen, dass er nur existieren kann in einer achtsamen Verbundenheit mit der ganzen Schöpfung; vor allem hat er vergessen, dass er selbst „Geschöpf“ ist, der „Erdling“ (Gen 2,7), der allem Leben auf der Erde, Pflanzen und Tieren, verbunden ist, und dass er als „Bild“ Gottes (Gen 1,27) Verantwortung für das Lebenshaus trägt.

Angesichts der immensen ökologischen Herausforderungen ruft die am 29. Juni 2000 veröffentlichte „Erdcharta“ die Menschheit auf, „einen neuen Anfang zu wagen“. „Lasst uns unsere Zeit so gestalten, dass man sich an sie erinnern wird als eine Zeit, in der eine neue Ehrfurcht vor dem Leben erwachte.“ Genau darum beendet Papst Franziskus seine Enzyklika auch mit einem Kapitel zur ökologischen Erziehung und Spiritualität. Ehrfurcht vor dem Leben kann dann wachsen, wenn ich mich als Geschöpf zu erfahren lerne, und das heißt, aus meiner „Selbstbezogenheit“ (LS 208) aufzubrechen, achtsam zu werden „den anderen und der Umwelt“ (LS 208) gegenüber und einen „ruhigen Einklang mit der Schöpfung wiederzugewinnen“ (LS 225).

Das Buch „Fülle. Die schöpferische Kraft der Natur“ ist Ausdruck einer solchen Schöpfungsspiritualität. Maria Anna Leenen stellt in ihren Überlegungen die Vielfalt und den überquellenden Formenreichtum der Schöpfung vor Augen, vom kleinsten Staubkörnchen der Erde zum Flügelschlag der Eule in der Nacht und dem quirligen Leben eines Bienenstocks. Ihre Überlegungen gründen in ihrer konkreten Erfahrung als Eremitin in der Abgeschiedenheit des Osnabrücker Landes; sie ist in den letzten 27 Jahren in eine Symbiose mit der sie umgebenden Natur hineingewachsen, ohne diese zu romantisieren; ein Leben in der Abgeschiedenheit der Klause „auf dem Land“ bedeutet auch, mit allen Unbilden von Kälte, Nässe und Regen zu kämpfen; aber dieses Leben schärft die Wahrnehmung für die „Umwelt“ und lässt sie zur „Mit-Welt“ werden. Maria Anna Leenen gibt den Leserinnen und Lesern des Buches Anteil an diesem Prozess, in dem sie dieser Mit-Welt Namen gibt: dem Windhauch, der die kleinsten Grashalme bewegt, dem den Tagzeiten entsprechend changierendem Licht über den Feldern, dem Fest der Blütenfarben im Sommer, dem Nachtflug der Eulen und Fledermäuse, dem komplexen Universum der Bienen, dem vielfältigen Spiel von Lauten, Tönen und Gerüchen in der Abfolge der Jahreszeiten und darin dem Aufbrechen und Vergehen von Leben.

Die Wahrnehmung dieser Mit-Welt, die aus dem Berührtwerden durch diese, durch Licht und Schatten, Farben und Geräusche, erwächst, bringt sie in einer präzisen, nüchternen und darin doch poetischen Weise ins Wort. Und genau damit möchte sie die Leserin und den Leser einladen, in einer ähnlichen – und doch sicher je eigenen – Weise diese „Fülle der Schöpfung“ wahrzunehmen. „Die uns umgebende Schöpfung“, so schreibt sie, „ist mehr als Pausenraum und Urlaubskulisse, mehr als Hintergrundbild für Selfie und Schnappschuss. Schöpfung hat für den, der seine Sinne öffnet und öffnen will, einen Aufforderungscharakter. Indem sie uns berührt, uns auf vielfältige Weise anspricht, wird sie Bild und Gleichnis, wird sichtbar, dass sie uns auffordert zu fragen, nachzuspüren und nachzudenken.“ Genau dieses Nachdenken wird dahin führen können, die Verbundenheit allen Lebens neu zu erfahren, zu erfahren, was es heißt, dass die Erde unser „gemeinsames Haus“ ist, wie Papst Franziskus schreibt. Alles was uns umgibt, die Natur – vom kleinsten Grashalm bis zur Schleiereule und dem Bienenstock – bildet ein Haus, in das wir eintreten, und in dem wir Schutz finden und leben können. Wenn wir dies neu erfahren, wird umso mehr vor Augen treten, wie die Menschheit dieses gemeinsame Haus zerstört und ihren Auftrag verfehlt, „Hüterin“ der Schöpfung zu sein.

Der Bitte von Maria Anna Leenen, ein Geleitwort für ihr Buch „Fülle“ zu schreiben, bin ich sehr gerne nachgekommen. Während meiner Tätigkeit als Professorin für Dogmatik im Kloster Benediktbeuern (2001-2009) habe ich über die Arbeit der Salesianer Don Boscos im dortigen Zentrum für Umwelt und Kultur gelernt, den Schöpfungsgarten bewusster wahrzunehmen; meine theologische Auseinandersetzung mit der Frage nach Gott als Schöpfer aller Wirklichkeit habe ich immer stärker in einer Schöpfungsspiritualität begründen gelernt. Schöpfungsspiritualität ist zuallererst eine Wahrnehmungslehre, dann ein Bildungsprozess, für den die je neue Annäherung an die biblischen Texte, aber auch theologisches Arbeiten im Gespräch mit den Naturwissenschaften von Bedeutung ist, und Schöpfungsspiritualität soll schließlich zu konkretem Handeln führen. Maria Anna Leenens Überlegungen stehen für genau eine solche Schöpfungsspiritualität: „Schöpfungsmeditation“, so schreibt sie, „braucht nur offene Sinne, ein wenig Mut sich darauf einzulassen und vor allem ein Herz, das bereit ist sich zu öffnen und sich umgestalten zu lassen.“ Schöpfungsspiritualität öffnet die Augen für das, was uns umgibt, von dem leisesten Windhauch bis zum lauten Trommeln des Regens auf Dach und Blättern, und auf dem Hintergrund dieser Wahrnehmung findet Maria Anna Leenen zum Wort, das es möglich macht, die Namen von Pflanzen und Tieren neu zu entdecken. Sie erschließt die Zusammenhänge und die Fragilität in unserem Ökosystem, im Kreislauf allen Lebens, das den Menschen mit Luft, Wasser und Erde verbindet. Maria Anna Leenen schaut sehr genau hin, auf die kleinsten Dinge, die unser Leben mit anderem verbinden, und diese Aufmerksamkeit lässt genau das wachsen, was die Erdcharta „Ehrfurcht“ vor dem Leben nennt. So sind die vorliegenden Überlegungen ein beeindruckendes Zeugnis einer „Weltfrömmigkeit“ – ein Wort, das Maria Anna Leenen unter Rückgriff auf Dorothee Sölle ihrem Buch als Leitmotiv voranstellt.

Das Besondere an diesem Buch ist, dass Maria Anna Leenen jede Leserin und jeden Leser „mitnehmen“ kann; sicher, sie schreibt vor dem Hintergrund ihrer tief in den biblischen Texten verwurzelten christlichen Glaubensüberzeugung, aber sie schreibt kein Buch allein für Christen und Christinnen. Das Wort „Gott“ taucht so gut wie nie auf – auch wenn alles, die ganze Schöpfung von Ihm/Ihr spricht. So baut sie eine wichtige Brücke zwischen der säkularen Welt und einer religiösen Weltsicht, die – wie im christlichen Glauben – in Gott die schöpferische Kraft, den Ursprung und das Ziel allen Lebens sieht. Heiliges und Profanes sind in dieser „Weltfrömmigkeit“ nicht getrennt, und so lehrt das Buch, von Gott in einer säkularen Welt zu sprechen. Schöpfung ist in den letzten Jahren auch zu einem Begriff nicht-religiöser, naturwissenschaftlicher und umwelttheoretischer Analysen geworden; der präzise, nüchterne und doch poetische Blick von Maria Anna Leenen auf die Rhythmen des Lebens, den Zyklus der Jahreszeiten, das Wachsen, Blühen und Vergehen und die Einbettung des Menschen in diese Lebenskreisläufe hilft, den Graben zwischen einer naturwissenschaftlichen Weltsicht und einem religiösen Weltbild zu überwinden. Gerade darum wird das Buch hoffentlich viele Leserinnen und Leser ansprechen, die Umwelt als Mit-Welt sehen zu lernen, bewusster zu erfahren, wie alles miteinander atmet, vom kleinen Erdkorn und Grashalm über den Wassertropfen auf den Blütenblättern, dem quirligen Leben der Bienen bis zum Flug der Eulen und Fledermäuse. Der Mensch steht hier nicht im Zentrum, aber was er vermag: den Pflanzen und Tieren einen Namen zu geben, Fragen zu stellen und nachzudenken über sich selbst und seine Verbundenheit mit dieser Schöpfung. Wenn Maria Anna Leenen von der „Fülle der Schöpfung“ spricht, sind ihre Überlegungen genau so eine Antwort auf die wunderbaren Schöpfungserzählungen, die uns in den biblischen Texten Gen 1 und 2 vorliegen: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31)

Osnabrück, den 21. September 2021

Prof. Dr. Dr. h.c. Margit EckholtProfessorin für Dogmatik mit Fundamentaltheologieam Institut für katholische Theologieder Universität Osnabrück

Es ist noch nichts zu sehen. Nur mickrige, magere, gelbliche Grashalme, geknickt, zu Boden gedrückt, armselig. Dazwischen ein paar Stellen nackte Erde. Sie sind feucht vom letzten Rest des Schnees, dessen flächendeckende, strahlend weiße Haube sich zu einem letzten schmutzig-grauen Häufchen gefrorenen Wassers gewandelt hat. Nichts besonderes. Nichts, was die Aufmerksamkeit mehr als zwei Sekunden auf sich ziehen könnte. Der Himmel ist grau, die Bäume nebelnass und nur ein paar hungrige Buchfinken hoffen auf letzte Krümel der gehackten Erdnüsse. Es ist eine müde Winterendeimpression, mehr nicht. So müde, dass man annehmen könnte, Sonne, Wärme, Licht und Freude hätten sich auf einen anderen Planeten gerettet vor dem Trübsinn dieser Wochen. Es ist ja auch nichts zu spüren, zu sehen, es ist nichts wahrzunehmen an Lebendigkeit. Nur diese erschlaffte, diese ausgelaugte Trägheit und Mattigkeit. Also nichts. Oder? Doch, da ist doch etwas. Da sind plötzlich feine Risse in der Oberfläche des Bodens. Da leuchtet etwas kaum erkennbar, nur zu ahnen, sehr still, sehr verhalten aus dem Dunklen ins Helle. So verhalten, dass der Blick sich zu täuschen meint. Aber ja doch, da schiebt sich etwas empor, teilt die Erdoberfläche, teilt diese verletzliche Hülle, die vorher noch so ohne Leben, so verschlossen, so tot erschien.

Die Schöpfung beginnt das neue Jahr nicht mit Jubelschrei und blitzendem Böllerknall. Sie beginnt es still und verborgen, unscheinbar, ja unsichtbar und versteckt. In der obersten Schicht des Bodens wie in großen Tiefen; in Wurzelballen, Knollen und Zwiebeln wie in den langen Pfahlwurzeln der mächtigen Eichen, die bis zu vierzig Meter tief bis ins Grundwasser reichen können.

Es fällt kein Startschuss. Niemand gibt das Kommando. Aber was über Wochen und Monate abgedämmt, reduziert und runtergefahren war in Winterruhe und Winterschlaf, beginnt sich unmerklich zu regen. Eine verborgene Kraft, ein Ansporn, ein Impuls, tief und zuinnerst in allen Elementen der Schöpfung, treibt das Leben neu an. In jeder Knospe, jeder Wurzel, in Apfelkern und Grassamen ist es wie eine leise und doch kraftvoll zustimmende Antwort auf eine Art Ruf, erneut aufzuwachen aus Kälte und Starre zu Leben, zur Kraft, zum Wachstum und zur Fülle. Und auch wenn die Sonnenstrahlen noch zaghaft sind und ohne große Wirkung zu sein scheinen; auch wenn immer wieder Frost und letzte Winterstürme wie Gegner erscheinen, um den Impuls zu stoppen – nichts kann das allerorts beginnende Treiben und Drängen mehr verhindern. Alles gerät in Bewegung.

Noch ist es verhüllt, aber unbemerkt beginnt es vor allem unter unseren Füßen. Fast wie ein Spiegel des Universums darüber fängt es an im Boden zu arbeiten, wie ein Riesenapparat, wie ein unvorstellbar großer Organismus. Ein milliardenfaches Heer an Untergrundarbeitern stellt die Grundlagen zur Verfügung, um Wachstum zu ermöglichen. Diese Bodenbewohner zersetzen organischen Abfall, speichern Nährstoffe, filtern Schadstoffe heraus und wandeln sie zum größten Teil um in verwertbares Material. Springschwänze, Hornmilben, Regenwürmer, Asseln, Pilze, Amöben, Geißeltierchen, Tausendfüßler und Millionen und Abermillionen von verschiedenen Bakterien beleben, aktivieren, vitalisieren und fördern das neu aufbrechende Leben dieser ungemein kostbaren Haut des Planeten. Eine Haut, die sich in Prozessen von Millionen von Jahren gebildet hat.