fünf vor zwölf - David Baldacci - E-Book + Hörbuch

fünf vor zwölf Hörbuch

David Baldacci

4,5

Beschreibung

Kings und Maxwells schockierendster Fall

Der Ex-Nachrichtendienstmitarbeiter Edgar Roy ist des Mordes angeklagt - zu Unrecht, wie er beteuert. Roys Anwalt bittet das Duo King und Maxwell um Hilfe. Doch dann wird er ermordet. Wer hat den Anwalt getötet? Und ist Roy wirklich ein Mörder? Je tiefer King und Maxwell in Roys Vergangenheit graben, desto mehr Halbwahrheiten entdecken sie. Ihre Hartnäckigkeit bringt sie schließlich auf Kollisionskurs mit den finstersten Winkeln der Macht - und in einer furchterregenden Konfrontation könnte das Duo für alle Zeit getrennt werden.

Packende Thriller-Unterhaltung von Bestsellerautor David Baldacci - Der fünfte Band um das Ermittler-Duo King und Maxwell.

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Zeit:6 Std. 35 min

Sprecher:

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Inhalt

Cover

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Prolog

Neun Monate später

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Danksagung

David Baldacci, geboren 1960, war Strafverteidiger und Wirtschaftsanwalt, ehe er 1996 mit Der Präsident seinen ersten Roman veröffentlichte, der sofort zum Bestseller wurde; ebenso wie alle folgenden Romane, die weltweit regelmäßig unter den Top 10 zu finden sind. David Baldacci lebt mit seiner Familie in der Nähe von Washington, D. C.

David Baldacci

FÜNF VORZWÖLF

Thriller

Aus dem amerikanischen Englisch vonDr. Arno Hoven

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

»fünf vor zwölf«: Copyright © 2011 by Columbus Rose, Ltd.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: »The Sixth Man«

Originalverlag: Grand Central, Hachette Book Group

»Todeszeiten«: Copyright © 2011 by Columbus Rose, Ltd.

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»No Time Left«

Für die deutschsprachige Ausgabe von:

Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Wolfgang Neuhaus

Titelillustration: © plainpicture/Kimmo von Lüders

Umschlaggestaltung: Kirstin Orsenau

E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-5403-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für meine Freunde David Young und Jamie Raab, dasdynamische Verlagsduo.

»Es gibt nur eines, was schlimmer ist, als den Waldvor Bäumen nicht zu sehen:die Bäume wegen des Waldes nicht zu sehen.«

Anonymus

Prolog

Aufhören! Bitte, hört auf …«

Der Mann war über den kalten Metalltisch gebeugt. Sein Körper wand sich krampfhaft, die Augen waren fest zusammengepresst, seine Stimme überschlug sich, und er atmete abgehackt, als wäre jeder Atemzug sein letzter. Durch Kopfhörer wurden seine Gehörgänge von einer Druckwelle aus Wörtern angefüllt, die anschließend sein Hirn überschwemmte. In einer schweren Gurtkonstruktion, die man ihm um den Oberkörper geschnallt hatte, waren mehrere Sensoren befestigt. Außerdem trug er eine Kappe mit Elektroden, die seine Hirnströme maßen. Der Raum war hell erleuchtet.

Bei jedem Audio-Stich, jeder Video-Attacke krampfte der Körper des Mannes sich zusammen, als wäre er vom Schlag eines Schwergewichtlers getroffen worden.

Dann brach der Mann in Tränen aus.

In einem angrenzenden, abgedunkelten Raum beobachtete eine kleine Gruppe das Geschehen fasziniert durch einen Einwegspiegel.

In dem Raum mit dem gepeinigten Mann hing ein großer Monitor, zweieinhalb Meter breit und knapp zwei Meter hoch. Die digitalisierten Bilder zeigten streng geheime Daten und Aufnahmen, die nur sehr wenige Personen in der Regierungsspitze kannten und die geheime Aktivitäten rund um den Globus enthüllten. Es gab gestochen scharfe Bilder von verdächtigen Truppenbewegungen in Korea entlang des achtunddreißigsten Breitengrades und Satellitenbilder von Bauvorhaben im Iran, die unterirdische Raketensilos zeigten, zusammen mit aufwallenden thermischen Silhouetten eines Atomreaktors in vollem Betrieb.

Überwachungsfotos aus großer Höhe enthüllten die Nachwirkungen einer von Terroristen verursachten Explosion auf einem pakistanischen Markt, wo zerfetztes Gemüse und Körperteile den Boden bedeckten.

Es gab ein Echtzeitvideo von einem Konvoi schwerer Militärfahrzeuge in Russland, die sich auf einer Mission befanden, durch die ein dritter Weltkrieg ausgelöst werden konnte.

Aus Indien gingen Daten über eine Terroristenzelle ein, die in dem Bemühen, regionale Unruhen auszulösen, zeitgleiche Angriffe auf sensible Ziele plante.

In New York City waren verfängliche Fotos von einem bedeutenden Politiker entstanden, die ihn zusammen mit einer Frau zeigten, die nicht seine Ehefrau war.

Aus Paris ging eine Flut von Zahlen und Namen ein, die Geheimdienstinformationen über die Finanzen krimineller Unternehmungen enthüllten. Die Daten bewegten sich so schnell, dass sie wie eine Million Sudoku-Spalten erschienen, die mit Hyperspeed übermittelt wurden.

Aus China schließlich kamen geheime Informationen über einen möglichen Staatsstreich gegen die Führung des Landes.

Von Tausenden Geheimdienstverbindungszentren, über die gesamten Vereinigten Staaten verteilt, strömten Informationen über verdächtige Aktivitäten, die entweder von Amerikanern durchgeführt wurden oder von Ausländern, die im Inland operierten. Von den Five-Eyes-Verbündeten – den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland – kam eine Zusammenstellung streng geheimer Meldungen von immenser Wichtigkeit.

Unablässig strömten aus aller Welt die Daten ein, übermittelt in High-Definition-Qualität. Wäre es ein Spiel für Xbox- oder PS3-Konsolen gewesen, wäre es das aufregendste und schwierigste Spiel aller Zeiten gewesen. Doch was auf dem Bildschirm gezeigt wurde, war kein Spiel. Es ging um Menschen, die wirklich lebten, wirklich starben – in jeder Sekunde, an jedem Tag. In den höchsten Rängen der Spionagewelt war diese Übung als die »Mauer« bekannt.

Der über den Metalltisch gebeugte, schluchzende Mann war klein und schlank. Seine Haut war hellbraun, sein Haar kurz und schwarz, seine Augen groß und rot von Tränen. Er war einunddreißig Jahre alt, sah aber aus, als wäre er in den vergangenen vier Stunden um zehn Jahre gealtert.

»Bitte, hören Sie auf«, jammerte er. »Ich stehe das nicht durch … Ich kann das nicht …«

Bei dieser Bemerkung rührte sich der größte Mann hinter dem Spiegel. Peter Bunting war siebenundvierzig Jahre alt. Und dies hier war sein Betätigungsfeld. Er lebte es, atmete es. Zumindest ein Teil seines Gehirns dachte nie an etwas anderes. Sein Haar war im Verlauf der letzten sechs Monate ergraut – aus Gründen, die unmittelbar mit der »Mauer« zusammenhingen.

Buntings Jackett, sein Hemd und die Hose waren maßgeschneidert. Obwohl er den Körperbau eines Athleten besaß, hatte er niemals Leistungssport betrieben. Doch er war ehrgeizig und hochintelligent. Mit neunzehn Jahren hatte er das College abgeschlossen, besaß ein Stanford-Diplom und war Rhodes-Stipendiat gewesen. Sein Markenzeichen war eine perfekte Mischung aus strategischem Weitblick und Cleverness. Obendrein war er vermögend und hatte gute Beziehungen, obgleich die Öffentlichkeit ihn nicht kannte. Er hatte allen Grund, zufrieden mit sich zu sein, wäre nicht dieser Mann hinter der Scheibe gewesen.

Bunting schaute auf den Tablet-Computer, den er in der Hand hielt. Er hatte dem Mann zahlreiche Fragen gestellt; die Antworten mussten irgendwo in dem Datenfluss verborgen sein. Doch er hatte keine einzige Antwort erhalten.

Ein älterer Mann in einem zerknitterten Anzughemd breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus. »Das Problem ist, dass er als ein E-Fünfer eingestuft ist, Mr. Bunting.«

»Offensichtlich bringt dieser Fünfer es nicht«, blaffte Bunting zurück.

Sie drehten sich um und schauten ein weiteres Mal durch den Spiegel, als der Mann im angrenzenden Raum sich die Kopfhörer herunterriss und schrie: »Ich will raus, verdammt noch mal! Sofort! Niemand hat mir gesagt, dass es so ist!«

Bunting legte seinen Tablet auf einen Tisch und lehnte sich gegen die Wand. Der Mann im Nachbarraum hieß Sohan Sharma. Er war ihre letzte und größte Hoffnung gewesen, die Stelle des Analysten auszufüllen – eine einzigartige, herausragende Position.

»Sir?«, fragte der jüngste Mann in der Gruppe. Er war knapp dreißig, doch sein langes, widerspenstiges Haar und seine Gesichtszüge ließen ihn viel jünger erscheinen. Sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab.

Bunting rieb sich über die Schläfen. »Ich höre, Avery.« Er hielt inne, um geräuschvoll ein paar Tums-Pastillen zu zerkauen, um sein Magenbrennen zu unterbinden. »Erzählen Sie aber nur das Wesentliche. Ich bin ziemlich gestresst, wie Sie sehen können.«

»Sharma ist ein echter Fünfer, Sir. Erst als er an die ›Mauer‹ kam, ist er zusammengebrochen.« Er blickte auf die Reihe von Computermonitoren, die Sharmas Vital- und Gehirnfunktionen überwachten. »Seine Theta-Wellen haben die Grenze überschritten, die klassische Folge extremer Informationsüberflutung. Es begann ungefähr eine Minute, nachdem wir die Datenflussleistung der ›Mauer‹ auf das Maximum hochgefahren hatten.«

»Ja, so viel habe ich selbst schon herausgefunden.« Bunting zeigte mit der Hand auf Sharma, der nun weinend auf dem Boden lag. »Aber ein echter Fünfer – und das ist das Ergebnis? Wie ist das möglich?«

»Das Hauptproblem ist«, antwortete Avery, »dass es exponentiell mehr Daten gibt, mit denen der Analyst überschüttet wird. Zehntausend Stunden Videofilme. Einhunderttausend Meldungen. Vier Millionen Verzeichnisse für Zwischenfälle. Der tägliche Eingang von Satellitenbildern macht ein Vielfaches an Terabytes aus, und zwar nachdem sie gefiltert worden sind. Die erfasste Signalaufklärung beträgt Tausende von Stunden. Jeden Tag strömen in jeder Sekunde Meldungen aus einer Million unterschiedlicher Quellen herein. Verglichen mit den zur Verfügung stehenden Daten vor nur zwanzig Jahren ist es so, als würde man einen Fingerhut Wasser nehmen und ihn in eine Million Pazifische Ozeane verwandeln. Beim letzten Analysten hatten wir aus der Not heraus den Datenfluss in einem beträchtlichen Ausmaß heruntergefahren.«

»Und was wollen Sie mir damit sagen, Avery?«, fragte Bunting.

»Möglicherweise sind wir an die Grenzen des menschlichen Geistes gestoßen.«

Bunting schaute reihum auf die anderen. Keiner von ihnen konnte ihm in die Augen schauen. In der feuchten Luft, die vom Schweiß auf ihren Gesichtern hervorgerufen wurde, schienen elektrische Entladungen zu knistern.

»Es gibt nichts Machtvolleres als ein menschliches Hirn, dessen Leistungsfähigkeit ausgeschöpft wird«, erklärte Bunting mit ruhiger, bedächtiger Stimme. »Ich würde keine zehn Sekunden gegen die ›Mauer‹ bestehen, weil ich vielleicht zehn Prozent meiner grauen Zellen benutze. Doch ein E-Fünfer lässt sogar Einsteins Hirn wie das eines Fötus aussehen. Nicht einmal ein Cray-Supercomputer kommt dem nahe. Ein solches Gehirn ist ein Quantenrechner aus Fleisch und Blut. Es kann linear, räumlich und geometrisch arbeiten – in jeder Dimension, in der wir es benötigen. Es ist das perfekte analytische Instrument.«

»Ich verstehe, Sir, aber …«

»Das wurde durch sämtliche Untersuchungen bewiesen, die wir jemals gemacht haben.« Buntings Stimme wurde schneidender. »Das ist das Evangelium, auf dem alles beruht, was wir hier tun. Und was noch wichtiger ist: Es ist das, was wir gemäß unserem Zweieinhalb-Milliarden-Dollar-Vertrag zur Verfügung stellen müssen und wovon jeder Mistkerl in der Welt der Geheimdienste abhängt. Das habe ich auch dem Präsidenten der Vereinigten Staaten deutlich gemacht und jedem, der sich in der von ihm ausgehenden Befehlskette politischer Macht befindet. Und jetzt sagen Sie mir, das ist alles nicht wahr?«

Avery blieb standhaft. »Das Universum mag zwar ständig expandieren, aber allem anderen sind Grenzen gesetzt.« Er wies auf den Raum hinter dem Spiegel, wo Sharma immer noch weinte. »Und genau das ist es vielleicht, worauf wir im Augenblick schauen. Die ultimative Grenze, die sich nicht überschreiten lässt.«

»Wenn es stimmt, was Sie sagen«, entgegnete Bunting, »sind wir im Arsch. Die ganze zivilisierte Welt. Wir sind erledigt. Geschichte. Fertig. Die bösen Jungs werden siegen. Dann können wir alle nach Hause gehen und auf Armageddon warten. Glückwunsch, Taliban und El Kaida, ihr Scheißkerle. Spiel, Satz und Sieg. Ihr gewinnt.«

»Ich verstehe Ihren Unmut, Sir, aber wir dürfen das Offensichtliche nicht ignorieren.«

»Dann besorgen Sie mir einen Sechser!«

Der junge Mann schaute Bunting verwundert an. »So etwas wie einen Sechser gibt es nicht.«

»Unsinn! Das dachten wir auch über einen Fünfer.«

»Trotzdem …«

»Finden Sie einen verdammten Sechser! Keine Diskussionen! Tun Sie es einfach, Avery.«

»Jawohl, Sir.«

»Was passiert mit Sharma?«, wollte der ältere Mann wissen.

Bunting drehte sich um und schaute auf den schluchzenden Analysten. »Führen Sie das Ausstiegsverfahren durch. Lassen Sie ihn die üblichen Dokumente unterschreiben. Und machen Sie ihm klar, dass man ihn wegen Hochverrats anklagen und er den Rest seines Lebens in einem Bundesgefängnis verbringen wird, wenn er zu irgendjemandem auch nur ein Sterbenswort über das hier sagt.«

Während Bunting den Raum verließ, wurde Sohan Sharma zu einem wartenden Transporter geführt, in dem drei Männer warteten. Kaum war Sharma eingestiegen, schlang einer von ihnen, ein muskulöser Kerl, einen Arm um Sharmas Hals, den anderen um seinen Kopf. Dann riss er beide Arme ruckartig in verschiedene Richtungen. Mit hörbarem Knacken brach Sharmas Genick.

Der Transporter fuhr mit der Leiche davon.

Neun Monate später

1

Das kleine Düsenflugzeug setzte hart auf der Landebahn in Portland, Maine, auf, erhob sich sogleich wieder in die Luft und setzte erneut auf, diesmal noch härter. Selbst der Pilot fragte sich wahrscheinlich, ob er den Fünfundzwanzig-Tonnen-Jet auf dem Asphalt halten könnte. Wegen eines Sturms hatte er sich an eine extrem steile Flugbahn und eine höhere Geschwindigkeit herangewagt. Doch eiskalte Scherwinde hatten an den Tragflächen des Jets gezerrt. Immerhin hatte der Copilot die Passagiere vorgewarnt, dass die Landung holprig und mehr als nur unbequem sein würde.

Er hatte recht behalten. Die stürmische und steile Flugbahn hatte dazu geführt, dass die meisten der vier Dutzend Passagiere sich krampfhaft an die Armlehnen klammerten. Manche bewegten die Lippen in lautlosem Gebet, andere griffen nach den Kotztüten. Als die Radbremsung und die Schubumkehr einsetzten und die Geschwindigkeit der Maschine sich merklich verlangsamte, atmeten die Passagiere auf.

Ein Mann jedoch hatte tief und fest geschlafen und erwachte erst, als das Flugzeug von der Landebahn auf das Rollfeld zum kleinen Terminal wechselte. Die große, dunkelhaarige Frau, die neben ihm saß, blickte müßig aus dem Fenster. Sie schien völlig unbeeindruckt vom turbulenten Anflug und der holprigen Landung.

Nachdem sie am Gate angekommen waren und der Pilot das Triebwerk abgeschaltet hatte, erhoben sich Sean King und Michelle Maxwell und holten ihre Taschen aus dem Gepäckfach über ihnen. Als sie sich zusammen mit den anderen Passagieren durch den engen Mittelgang bewegten, sagte hinter ihnen eine Frau, der sichtlich übel war: »Das war aber eine holprige Landung!«

Sean blickte sie an, gähnte und rieb sich den Nacken. »Finden Sie?«

Die Frau schaute ihn verwundert an und richtete den Blick dann auf Michelle. »Macht er Witze?«

»Wenn Sie im Bauch einer C-17 bei niedriger Flughöhe mitten in einem Gewittersturm auf Notsitzen gehockt haben und dabei alle zehn Sekunden dreihundert Meter nach unten gesackt sind – und wenn dabei direkt neben ihnen vier gepanzerte Fahrzeuge angekettet sind und Sie sich Gedanken darüber gemacht haben, ob eines davon sich gleich lösen, durch die Seite des Flugzeugrumpfes krachen und Sie mit sich in die Tiefe reißen wird –, war diese Landung hier ziemlich harmlos.«

»Warum in aller Welt haben Sie das getan?«, erkundigte sich die Frau mit weit aufgerissenen Augen.

»Das frage ich mich selbst jeden Tag«, erwiderte Sean.

Er und Michelle hatten Reisetaschen dabei, die als Handgepäck durchgingen. Dennoch mussten sie bei der Gepäckausgabe warten, um einen fünfzig Zentimeter langen, verschlossenen Hartschalenkoffer abzuholen. Er gehörte Michelle. Sie nahm den Koffer auf und schob ihn in ihre Reisetasche.

Sean betrachtete sie mit amüsiertem Gesichtsausdruck. »Du bist die Königin des kleinsten kontrollierten Koffers aller Zeiten.«

»Bis es so weit ist, dass man verantwortungsvolle Menschen mit geladenen Schusswaffen in Flugzeuge lässt, muss dieser Trick reichen. Besorg den Mietwagen. Ich bin in einer Minute zurück.«

Sean wurde bleich. »Du machst Scherze.«

»Keine Bange«, erklärte Michelle, klappte ihre Brieftasche auf und zeigte ihm eine Karte. »Ich habe eine Lizenz.«

»Wie hast du das hingekriegt? Wir arbeiten erst seit ein paar Tagen an diesem Fall. So schnell konntest du keine Lizenz bekommen. Man muss einen Berg Papierkram erledigen und sechzig Tage auf die Antwort warten.«

»Stimmt. Aber mein Dad ist ein guter Freund vom Gouverneur. Ich habe ihn angerufen, und er hat den Gouverneur angerufen.«

»Wie nett.«

Michelle ging zur Damentoilette, öffnete den verschlossenen Koffer und lud rasch ihre Pistole. Dann steckte sie die Waffe ins Holster und ging zum Parkhaus, das sich neben dem Terminal befand; hier hatten die Mietwagenfirmen ihre Büros. Dort fand sie Sean, der gerade die Formulare für den Wagen ausfüllte, den sie für den nächsten Abschnitt ihrer Reise brauchten. Michelle zeigte ebenfalls ihren Führerschein, da sie die meiste Zeit am Steuer sitzen würde.

»Kaffee?«, sagte sie. »Da gibt es ein nettes Plätzchen im Terminal.«

»Du hattest doch diesen riesigen Becher, den du mit in den Flieger genommen hast.«

»Das ist lange her. Und von hier aus ist es eine lange Fahrt bis zu unserem Ziel. Ich brauche den Schuss Koffein.«

»Ich habe geschlafen. Ich kann fahren.«

Sie riss ihm die Schlüssel aus der Hand. »Glaub das ja nicht.«

»Hey, ich hab The Beast gefahren, schon vergessen?«, entgegnete er. The Beast war eine interne Bezeichnung für die gepanzerte Limousine des US-Präsidenten.

Michelle richtete den Blick auf das Anhängeschildchen am Mietwagenschlüssel. »Dann wäre der Ford-Hybrid, den du gemietet hast, keine Herausforderung für dich. Wahrscheinlich werde ich den ganzen Tag brauchen, um ihn auf hundert Sachen zu bringen. Ich werde dir das Leid und die Demütigung ersparen.«

Sie bestellte sich einen extragroßen schwarzen Kaffee, Sean einen Donut mit Streusel. Er aß noch, als er auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Anschließend wischte er sich die Hände ab und schob den Sitz nach hinten, soweit es in dem Kompaktklasse-Wagen möglich war. Dennoch blieb seine einsachtundachtzig große Gestalt in einer ungemütlich gekrümmten Haltung. Letztlich endeten seine Bemühungen damit, dass er die Füße aufs Armaturenbrett legte.

Als Michelle es bemerkte, sagte sie: »Der Airbag knallt raus. Er wird deine Füße direkt durch das Glas schmettern und sie dir amputieren, wenn sie gegen das Metalldach prallen.«

Sean blickte sie an, und sein sonst so entspanntes Gesicht verdüsterte sich. »Dann tu nichts, was den Airbag zur Explosion bringt.«

»Auf andere Fahrer habe ich keinen Einfluss.«

»Du hast darauf bestanden, der Mann am Steuer zu sein … Entschuldigung, die Person am Steuer. Also tu dein Bestes, um mich sicher und bequem zu kutschieren.«

»In Ordnung, Herr und Gebieter«, spöttelte sie.

Nachdem sie anderthalb Kilometer schweigend gefahren waren, sagte Michelle: »Wir reden wie ein altes Ehepaar.«

Er schaute sie wieder an. »Wir sind nicht alt, und wir sind auch nicht verheiratet. Es sei denn, du hast mir tatsächlich etwas untergejubelt.«

Sie zögerte. Schließlich sprach sie es aus: »Wir haben miteinander geschlafen.«

Sean wollte etwas erwidern, schien sich dann aber eines Besseren zu besinnen.

»Es verändert die Dinge«, fügte Michelle hinzu.

»Wieso?«

»Es ist nicht mehr bloß eine berufliche Angelegenheit. Es ist persönlich. Eine Grenzlinie wurde überschritten.«

Sean setzte sich auf und zog die Füße aus der gefährlichen Reichweite des Airbags. »Und jetzt bedauerst du es? Du hast den ersten Schritt getan, wenn ich mich recht entsinne. Du hast dich nackt vor mir ausgezogen.«

»Ich habe ja nicht gesagt, dass ich irgendwas bedaure, denn so ist es nicht.«

»Ja. Es ist passiert, weil wir beide wollten, dass es passiert.«

»Und wie stehen wir jetzt da?«

Sean lehnte sich im Sitz zurück und blickte aus dem Fenster. »Ich bin mir nicht sicher.«

»Großartig. Genau das, was ich hören wollte.«

Er schaute zu ihr und bemerkte ihre angespannte Miene.

»Nur weil ich nicht sicher bin, wohin das alles führt, wird das, was zwischen uns geschehen ist, doch nicht herabgesetzt. Die Sache ist kompliziert.«

»Ja«, sagte Michelle. »So ist es immer. Für den Kerl.«

»Wenn es für die Frauen einfach ist, dann sag mir, was wir deiner Ansicht nach tun sollten.«

Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Sollen wir davonrennen, einen Priester suchen und es offiziell machen?«

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. »Meinst du das im Ernst?«

»War bloß so ein Gedanke. Da scheinst du ja keine zu haben.«

»Möchtest du heiraten?«

»Möchtest du?«

»Das würde die Dinge wirklich ändern.«

»Ja.«

»Vielleicht sollten wir es langsam angehen lassen.«

»Vielleicht.«

Sie klopfte aufs Lenkrad. »Tut mir leid, dass ich wegen der Sache so plötzlich auf dich losgegangen bin.«

»Kein Problem. Außerdem haben wir gerade Gabriels Leben mithilfe einer großartigen Familie in Ordnung gebracht. Auch das war eine große Veränderung. Es langsam anzugehen ist im Augenblick das Richtige. Gehen wir zu schnell vor, machen wir möglicherweise einen Fehler.«

Gabriel war ein elfjähriger Junge aus Alabama, den Sean und Michelle zeitweilig in ihre Obhut genommen hatten, nachdem seine Mutter getötet worden war. Derzeit lebte er bei der Familie eines FBI-Agenten, den sie beide kannten. Es war bereits ein offizielles Adoptionsverfahren eingeleitet worden, damit der Agent und seine Frau Gabriel an Kindes statt annehmen konnten.

»Okay«, pflichtete Michelle ihm bei.

»Und jetzt müssen wir einen Job erledigen. Darauf sollten wir uns konzentrieren.«

»Das ist also deine Prioritätenliste? Das Berufliche steht über dem Privaten?«

»Nicht unbedingt. Aber wie du gesagt hast: Es ist eine lange Fahrt. Und ich möchte darüber nachdenken, warum wir zum einzigen bundesstaatlichen Hochsicherheitsgefängnis für Unzurechnungsfähige unterwegs sind, um einen Kerl zu treffen, dessen Leben auf dem Spiel steht.«

»Wir fahren dorthin, weil sein Anwalt und du sich seit Langem kennen.«

»Ja. Hast du dich in den Fall Edgar Roy eingearbeitet?«

Michelle nickte. »Beschäftigter im öffentlichen Dienst, der alleine im ländlichen Virginia lebte. Sein Leben war ziemlich durchschnittlich, bis die Polizei die Überreste von sechs Menschen entdeckte, die in seiner Scheune vergraben waren. Die Beweise gegen ihn scheinen erdrückend zu sein.«

Sean nickte ebenfalls. »Roy wurde in seiner Scheune gefunden. Er hielt eine Schaufel in der Hand, hatte Dreck an der Hose und stand vor den Überresten von sechs Leichen, die in einem Loch begraben waren, an das er augenscheinlich letzte Hand legte.«

»Ein wenig schwierig, darauf vor Gericht herumzutanzen«, meinte Michelle.

»Was für ein Pech, dass Roy kein Politiker ist.«

»Wieso?«

Sean lächelte. »Wäre er Politiker, könnte er diese Geschichte umdrehen und behaupten, er sei in Wirklichkeit dabei gewesen, die Opfer aus dem Loch auszugraben, um sie zu retten.«

»Jedenfalls wurde er verhaftet und fiel bei einer Vernehmung durch, bei der man seine Zurechnungsfähigkeit überprüft hat«, sagte Michelle. »Dann wurde er nach Cutter’s Rock geschickt. Aber wieso nach Maine? Hat Virginia keine geeigneten Einrichtungen?«

»Aus irgendeinem Grund wurde es eine Bundesangelegenheit. Dadurch kam das FBI ins Spiel. Und wenn Unzurechnungsfähigkeit festgestellt wird, landet man in der Regel in einem Hochsicherheitsgefängnis des FBI. Einige davon haben psychologische Abteilungen, doch in Edgar Roys Fall wurde entschieden, dass das nicht ausreichte. Das St. Elizabeth’s in Washington wäre das Richtige gewesen, aber es wurde verlegt, um Platz für ein neues Hauptquartier des Heimatschutzministeriums zu machen, und den neuen Standort hielt man nicht für sicher genug. Daher war Cutter’s Rock die einzige Möglichkeit.«

»Warum dieser eigenartige Name? ›Fels des Kutters‹?«

»Dort ist es nun mal felsig. Kutter bezeichnet einen Schiffstyp, und Maine ist ein Seefahrerstaat.«

»Ich vergaß, dass du mal Seebär warst.« Michelle schaltete Radio und Heizung ein und schauderte. »Mann, ist das kalt. Dabei ist noch nicht mal Winter.«

»Wir sind hier in Maine. Hier kann es zu jeder Jahreszeit kalt sein. Überprüf mal, auf welchem Breitengrad wir sind.«

»So was lernt man, wenn man lange Zeit in abgeschlossenen Räumen verbringt.«

»Jetzt klingen wir tatsächlich wie ein altes Ehepaar.«

Sean drehte die Lüftung ganz auf, zog den Reißverschluss seines Anoraks hoch und schloss die Augen.

2

Wie üblich fuhr Michelle mit Bleifuß. Der Ford jagte die Interstate 95 entlang, an den Orten Yarmouth und Brunswick vorbei und auf Augusta zu, der Hauptstadt des Bundesstaates. Sobald sie Augusta hinter sich gelassen hatten, ging es durch ausgedehnte Wälder, denen der Vollmond einen silbrigen Glanz verlieh. Sie passierten ein Hinweisschild, das vor Elchen warnte, die den Highway überquerten.

»Elche?«, rief sie und blickte auf Sean.

»Der Elch ist das landestypische Tier in Maine«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen. »Wäre besser, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Die wiegen mehr als dieser Ford. Und sie können ganz schön mies drauf sein. Bringen dich im Nu um.«

»Woher weißt du das? Bist du jemals mit einem Elch aneinandergeraten?«

»Nein, aber ich bin ein großer Fan von Animal Planet.«

Sie fuhren noch eine Stunde weiter. Michelle behielt die Umgebung ständig im Auge – eine Angewohnheit, die ihr beim Secret Service eingedrillt worden war und die sie nach dem Ausscheiden nicht hatte abschütteln können. Doch als Privatdetektivin wollte sie diese Gewohnheit auch gar nicht ablegen. Beobachtungen führten dazu, dass man vorgewarnt war. Und vorgewarnt zu sein war ratsam, besonders, wenn jemand einen zu töten versuchte, was gewisse Leute ziemlich oft mit Michelle Maxwell und Sean King vorhatten.

»Irgendwas fehlt hier«, stellte Michelle nach einer Weile fest.

Sean öffnete die Augen. »Und was?«

»Wir sind auf der Interstate 95. Sie verläuft von Florida nach Maine. Sehr lange Asphaltstrecke. Eine große Reiseroute. Transportweg für Urlaubsgäste an der Ostküste.«

»Und weiter?«

»Na, wir sind das einzige Auto seit mindestens einer halben Stunde, und zwar in beiden Richtungen. Was ist passiert? Hat es einen Atomkrieg gegeben, und niemand hat es uns gesagt?« Sie drückte mit der Fingerspitze auf die Sendersuchlauftaste des Radios. »Ich brauche Nachrichten. Ich brauche Zivilisation. Ich muss wissen, dass wir nicht als Einzige überlebt haben.«

»Entspann dich. Es ist sehr abgeschieden hier. Jede Menge Platz, aber nicht jede Menge Menschen. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in der Nähe der Küste – in Portland, von wo wir hergekommen sind. Der Rest des Bundesstaates hat viel Land und wenige Menschen zu bieten. Maine ist so groß wie alle anderen Neuenglandstaaten zusammen. Sobald wir an Bangor vorbei sind und nach Norden fahren, wird es sogar noch einsamer. Die Interstate endet nahe der Stadt Houlton. Dann nimmst du die Route 1 für den Rest der Strecke hinauf zur nördlichen Spitze der kanadisch-amerikanischen Grenze.«

»Was gibt’s da?«

»Orte wie Presque Isle, Fort Kent und Madawaska.«

»Und Elche?«

»Nehme ich an.«

»Hätten wir nicht nach Bangor fliegen können? Die haben doch einen Flughafen.«

»Aber keine Direktflüge. Die meisten Flüge haben zwei oder drei Zwischenlandungen. Wir hätten auch von Baltimore aus starten können, wären dann aber auf einen Anschlussflug in LaGuardia angewiesen, und das ist immer riskant. Und wir müssten immer noch mit einem Wagen nach Baltimore, und die 95 kann ein Albtraum sein. Es ist schneller und sicherer, so zu reisen.«

»Du bist wirklich eine Quelle nützlichen Wissens. Bist du schon oft in Maine gewesen?«

»Einer der früheren Präsidenten, die ich beschützt habe, hat hier einen Sommersitz.«

»Meinst du das Anwesen von George Bush bei Walker’s Point?«

»Du hast es erfasst.«

»Aber das ist an der südlichen Küste von Maine. Kennebunkport. Wir sind darübergeflogen, kurz vor der Landung in Portland.«

»Wunderschöne Gegend. Wir folgten Bush in unserem Rennboot, konnten aber nie an ihm dranbleiben. Der Kerl kennt keine Furcht. Sein zehn Meter langes Schnellboot, die Fidelity III., hat mehr als achthundert PS, verteilt auf drei Honda-Außenbordmotoren. Der Mann liebte es, mit Vollgas auf den Atlantik hinauszubrettern. Ich fuhr im Bewachungsboot und versuchte, mit ihm mitzuhalten. Das war das einzige Mal, dass ich im Dienst gekotzt habe.«

»Aber die Gegend dort ist nicht so abgeschieden wie diese hier«, meinte Michelle.

»Stimmt, da gibt’s viel mehr Menschen.« Sean schaute auf die Uhr. »Aber ist es schon spät. Die meisten Leute hier in der Gegend stehen wahrscheinlich bei Tagesanbruch auf, um zur Arbeit zu gehen. Das bedeutet, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt schon im Bett liegen.« Er gähnte. »Ich wünschte, das Gleiche würde auch bei mir zutreffen.«

Michelle überprüfte das Navigationssystem. »Bei Bangor verlassen wir die Autobahn und fahren nach Osten zur Küste.«

Sean nickte. »Zwischen den Städten Machias und Eastport. Direkt am Wasser. Gibt ’ne Menge Nebenwege. Gar nicht einfach, dorthin zu kommen. Aber das ist gut so, weil es dann auch nicht einfach ist, von da wegzukommen, wenn ein gemeingefährlicher Irrer es geschafft hat, aus der Anstalt auszubrechen.«

»Ist schon mal jemand aus Cutter’s Rock geflohen?«

»Nicht dass ich wüsste. Falls es wirklich jemandem gelungen sein sollte, hatte er zwei Fluchtmöglichkeiten: die Wildnis oder das kalte Gewässer des Golfs von Maine. Keines von beiden ist besonders angenehm. Außerdem können die Leute in Maine ziemlich rabiat sein. Nicht mal ein gemeingefährlicher Irrer würde sich wünschen, sie zu verärgern.«

»Heute Nacht schließen wir uns also Bergin an?«

»Genau. Im Martha’s Inn, wo wir übernachten.« Sean schaute auf die Uhr. »In ungefähr zweieinhalb Stunden. Edgar Roy sehen wir dann morgen Vormittag um zehn.«

»Wie hast du Bergin noch mal kennengelernt?«

»Er war mein Juraprofessor an der University of Virginia. Patenter Kerl. Hat vor seiner Hochschulkarriere als Rechtsanwalt gearbeitet. Ein paar Jahre nach meinem Abschluss hat er sein Praxisschild wieder rausgehängt. Offenbar hat er als Verteidiger gearbeitet. Besitzt eine Kanzlei in Charlottesville.«

»Wie ist es dazu gekommen, dass er einen Verrückten wie Edgar Roy vertritt?«

»Er ist auf hoffnungslose Fälle spezialisiert, nehme ich an. Aber ich weiß nicht, was für eine Verbindung er zu Edgar Roy hat. Ich schätze, er wird uns auch darüber ins Bild setzen.«

»Du bist niemals näher darauf eingegangen, weshalb Bergin uns engagiert hat.«

»Weil ich es nicht genau weiß. Er hat angerufen und gesagt, er mache Fortschritte im Fall Roy. Es sei aber notwendig, dass im Rahmen seiner Vorbereitungen, den Fall vor Gericht zu vertreten, Nachforschungen angestellt würden – von Leuten, denen er vertrauen könne.«

»Welche Fortschritte meint er? Als ich mir die Unterlagen angeschaut habe, hatte ich eher den Eindruck, dass die nur darauf warten, dass Roy wieder zu Verstand kommt, damit sie ihn verurteilen und hinrichten können.«

»Ich behaupte ja nicht, dass ich verstehe, was für eine Theorie Bergin hat. Am Telefon wollte er nicht darüber reden.«

Michelle zuckte die Achseln. »Ich nehme an, dass wir es bald herausfinden.«

Sie bogen von der Interstate ab. Michelle fuhr in östlicher Richtung auf Straßen, deren Belag immer schlechter und die zunehmend kurvenreicher wurden. Als sie sich der Atlantikküste näherten, drang der salzige Geruch des Meeres ins Auto.

»Fisch – mein Lieblingsduft«, bemerkte Michelle spöttisch.

»Gewöhn dich daran. Er gehört in dieser Gegend zum Alltag.«

Sie befuhren einen besonders einsamen Abschnitt der Landstraße – Michelle schätzte, dass sie eine halbe Stunde von ihrem Ziel entfernt waren –, als in der silberhellen Nacht ein anderes Paar Scheinwerferlichter erschien. Nur dass sie sich nicht auf der Straße befanden, sondern auf dem Seitenstreifen. Michelle verringerte das Tempo, während Sean das Seitenfenster herunterfahren ließ, um besser sehen zu können.

»Warnblinklichter«, stellte er fest. »Da hat jemand eine Panne.«

»Sollen wir ranfahren?«

»Ja. Könnte sein, dass es hier oben nicht mal ein Mobilfunknetz gibt.« Er reckte den Kopf zum Fenster hinaus, um das Fahrzeug besser erkennen zu können. »Sieht wie ein Buick aus. Ich bezweifle, dass jemand einen Buick benutzen würde, um arglose Autofahrer in eine Falle zu locken.«

Michelle berührte ihre Waffe im Holster. »Und ich bezweifle, dass wir als arglose Autofahrer durchgehen.«

Sie bremste ab, lenkte den Ford auf den Seitenstreifen und hielt hinter dem anderen Wagen. Die Warnleuchten blinkten immer wieder auf. In der schier unermesslichen Weite des Küstengebietes von Maine sah es einsam und verloren aus.

»Jemand ist auf dem Fahrersitz«, bemerkte Michelle, als sie den Gangwahlhebel des Fords in die Park-Position schob. »Die einzige Person, die ich sehen kann.«

»Vielleicht fürchtet er sich wegen uns. Ich steig aus und beruhige ihn.«

»Okay. Ich deck dir den Rücken, für alle Fälle.«

Sean schwang seine langen Beine nach draußen und näherte sich dem Wagen langsam von der Beifahrerseite. Der Kies, mit dem der Standstreifen spärlich belegt war, knirschte unter seinen Schuhen, und sein Atem bildete kleine Wölkchen in der kühlen Luft. Irgendwo zwischen den Bäumen hörte er den Schrei eines Tieres.

»Brauchen Sie Hilfe?«, rief er.

Keine Antwort.

Die Warnleuchten blinkten weiter.

Sean schaute auf sein Handy, das er in der linken Hand hielt. Auf dem Display waren kleine Balken zu sehen: Mobilfunkempfang gab es hier jedenfalls.

»Haben Sie eine Panne? Sollen wir einen Abschleppwagen rufen?«

Nichts.

Sean erreichte das Auto und klopfte an das Seitenfenster. »Hallo? Alles in Ordnung?«

Durch die Scheibe sah er die Silhouette des Fahrers. Es war ein Mann. »Alles in Ordnung, Sir?«

Der Mann rührte sich nicht.

Seans nächster Gedanke war, dass ein medizinischer Notfall vorlag. Vielleicht ein Herzinfarkt.

Nebel, der vom Meer kam, trübte das Mondlicht. Es war so dunkel im Wageninnern, dass Sean kaum Einzelheiten erkennen konnte. Er hörte, dass sich eine Wagentür öffnete, drehte sich um und sah, wie Michelle ausstieg, die Hand auf dem Griff ihrer Waffe. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.

»Ich glaube, der Mann braucht einen Arzt«, sagte Sean, ging um den Wagen herum zur Fahrerseite und klopfte ans Fenster. In der Dunkelheit waren die Umrisse des Mannes das Einzige, was er sehen konnte. Das pulsierende Licht der Warnblinker beleuchtete das Wageninnere und tauchte die Umgebung in geisterhaftes rotes Licht, bevor es wieder dunkel wurde, als würde das Auto sich in der einen Sekunde aufheizen und in der nächsten erkalten.

Wieder pochte Sean gegen die Scheibe.

»Sir? Alles in Ordnung?«

Keine Reaktion.

Sean legte die Hand auf den Türgriff. Sie war nicht abgeschlossen. Als er sie öffnete, kippte der Mann zur Seite; nur noch der Sicherheitsgurt hielt ihn im Wagen. Sean packte ihn an der Schulter und richtete ihn auf, während Michelle herbeigeeilt kam.

»Herzinfarkt?«, fragte sie.

Sean schaute ins Gesicht des Fremden. »Nein.«

»Woher weißt du das?«

Sean benutzte das Licht seines Handys, um die Schusswunde zwischen den Augen des Mannes zu beleuchten. Im Innern des Wagens waren überall Blut und gräuliche Spritzer von Hirnmasse zu sehen.

»Eine Kontaktwunde«, stellte Michelle nüchtern fest. »Man kann sehen, dass die Waffenmündung und die Visiermarkierung in seine Haut eingebrannt sind. Ich glaube nicht, dass ein Elch das getan hat.«

Sean sagte nichts.

»Schau in seiner Brieftasche nach irgendwelchen Ausweisen, Sean.«

»Das brauche ich nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil ich ihn kenne«, entgegnete Sean.

»Und wer ist das?«

»Ted Bergin. Mein alter Professor – und Edgar Roys Anwalt.«

3

Zuerst tauchte die Ortspolizei auf, ein Deputy des Washington County in einem verbeulten, verstaubten Wagen mit Achtzylinder-V-Motor. Das Auto war ein amerikanisches Fabrikat und mit einer ganzen Reihe von Kommunikationsantennen ausgestattet, die aus dem Kofferraum ragten. Mit einer Hand an der Dienstwaffe stieg er aus dem Streifenwagen; sein starrer Blick war auf Sean und Michelle geheftet. Vorsichtig kam er näher.

Sie erzählten ihm, was geschehen war. Der Deputy schaute sich den Leichnam an, murmelte »Verdammt« und rief sofort Verstärkung.

Fünfzehn Minuten später hielten zwei Streifenwagen der Maine State Police hinter ihnen. Die Polizisten jung, groß und schlank stiegen aus den aquamarinfarbenen Autos. Ihre blauen Uniformen schienen in dem schwachen, diesigen Licht wie farbiges Eis zu leuchten. Der Tatort wurde sichergestellt und eine Absperrung errichtet. Sean und Michelle wurden von den Troopers befragt. Einer von ihnen hackte die Antworten in einen Laptop-Computer, den er aus seinem Streifenwagen geholt hatte.

Als Sean ihnen erzählte, wer sie waren, was sie vorhatten, wer Ted Bergin war und dass er Edgar Roy vertrat, ging einer der Troopers zur Seite und sprach in sein Hand-Mikro. Vermutlich rief er Kollegen herbei.

Während sie auf die Verstärkung warteten, fragte Sean: »Ihr wisst über Edgar Roy Bescheid?«

»Jeder hier in der Gegend weiß über Edgar Roy Bescheid«, antwortete einer der Polizisten.

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