Fünfzehn Arten eines Wunders - Stephanie Butland - E-Book
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Fünfzehn Arten eines Wunders E-Book

Stephanie Butland

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Beschreibung

Ein herzzerreißend schöner Roman über zweite Chancen und die Liebe zum Leben: Ein Spenderherz rettet ein Leben – auf mehr als eine Weise Seit ihrer Geburt leidet die 27-jährige Ailsa an einer Herzkrankheit, die sie beinahe getötet hätte. Gerade noch rechtzeitig hat sie nun ein Spenderherz erhalten. Eigentlich wäre es also höchste Zeit, sich endlich kopfüber in dieses Abenteuer namens Leben zu stürzen – doch Ailsa weiß einfach nicht, wie. Wie entscheidet man, welchen Beruf man ergreifen will? Oder auch nur, welches neue Hobby? Jetzt, wo es um so viel mehr geht als nur um den nächsten Tag, hat Ailsa vor allem eines: Angst. Also lässt sie die Follower des Blogs, den sie im Krankenhaus geführt hat, die Entscheidungen für sie treffen. Dabei ist Ailsas neues Herz nicht nur stark, es ist auch mutig. Sie müsste ihm einfach nur zuhören. Denn da draußen wartet jemand darauf, dass Ailsa den Mut findet, ihr neues Herz zu verschenken … »Fünfzehn Arten eines Wunders« ist der zweite Roman der Engländerin Stephanie Butland über eine ganz besondere Heldin - lebensbejahend, Mut machend und einfach wunderschön erzählt. »Ich liebe diesen Roman – er ist bewegend, witzig und romantisch. Er hat mich von Anfang bis Ende in seinen Bann gezogen […] Einfach nicht wegzulegen!« Katie Fforde

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Seitenzahl: 492

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Stephanie Butland

Fünfzehn Arten eines Wunders

Roman

Aus dem Englischen von Heike Reissig

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

 

 

Über dieses Buch

Wie geht das eigentlich: leben? Ein Spenderherz hat Ailsa nach 27 langen Jahren davor bewahrt, an einem angeborenen Herzfehler zu sterben. Nun sollte sie sich voller Freude in dieses Abenteuer namens Leben stürzen – und weiß einfach nicht, wie. Also lässt sie die Follower des Blogs, den sie im Krankenhaus geführt hat, die großen und kleinen Entscheidungen des Lebens treffen. Dabei ist Ailsas neues Herz nicht nur stark, es ist auch mutig. Sie müsste ihm einfach nur zuhören. Denn da draußen wartet jemand darauf, dass Ailsa den Mut findet, ihr neues Herz zu verschenken …

Inhaltsübersicht

Widmung

Erster Teil

BlueHeart-Blog

9. Oktober 2017

BlueHeart-Blog

12. Oktober 2017

15. Oktober 2017

BlueHeart-Blog

2. November 2016

Zweiter Teil

BlueHeart-Blog

6. Februar 2018

10. Februar 2018

BlueHeart-Blog

14. Februar 2017

14. Februar 2018

Dritter Teil

BlueHeart-Blog

London, 18. März 2018

Promi-News Online

Promi-News Online

Guardian Online News

25. März 2018

25. März 2017

25. März 2018

BlueHeart-Blog

Vierter Teil

BlueHeart-Blog

8. April 2018

20. April 2017

18. April 2018

Guardian Online News

21. April 2018

BlueHeart-Blog

Fünfter Teil

11. Mai 2018

BlueHeart-Blog

24. Mai 2018

24. Mai 2017

The Sun

2. Juni 2018

Sechster Teil

BlueHeart-Blog

1. Juni 2017

9. Juni 2018

9. Juni 2018

Edinburgh Journal

23. Juni 2018

BlueHeart-Blog

Siebter Teil

BlueHeart-Blog

Promi-News Online

2. Juli 2018

7. Juli 2017

BlueHeart-Blog

Achter Teil

11. Juli 2018

BlueHeart-Blog

21. Juli 2018

The Sun

22. Juli 2017

23. Juli 2018

23. Juli 2018

BlueHeart-Blog

Neunter Teil

30. Juli 2018

31. Juli 2018

The Mirror

31. Juli 2018

The Scotsman

11. August 2018

Zehnter Teil

BlueHeart-Blog

15. Oktober 2018

Dank

 

 

 

 

Für Ned und Joy – danke für eure Ehrlichkeit und Warmherzigkeit

 

Erster Teil

Oktober 2017Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt

 

BlueHeart-Blog

6. Oktober 2017
Kaum zu ertragen

Es ist drei Uhr morgens, hier auf der Herz-Thorax-Station.

Momentan kann ich nur dösen, grübeln und wieder dösen. Mein Herz wird immer schwächer, mein Körper immer blauer. Leute, die ich lange nicht gesehen habe, schauen plötzlich vorbei. (Schön, euch zu sehen, Emily, Jacob, Christa! Bald trinken wir wieder Martinis!) Wir tun alle so, als käme ein Abschied nicht infrage. So scheint es am leichtesten. Aber wenn meine Mutter glaubt, dass ich schlafe, weint sie. Vielleicht ist es doch an der Zeit, mir einzugestehen, dass ich wohl ziemlich bald das Zeitliche segne.

Ich sollte dankbar sein. Wäre ich ein paar Jahre früher zur Welt gekommen, hätte ich als Baby mit Hypoplastischem Linksherzsyndrom nur wenige Tage überlebt. Doch inzwischen bin ich achtundzwanzig Jahre alt, und die meiste Zeit war ich sogar bei vollem Bewusstsein. (Ich hatte viel mehr OPs als Normalsterbliche wie ihr und entsprechend viele Narkosen. Da könnt ihr nicht mithalten, ha!) Okay, ich wohne noch immer bei meiner Mutter, war noch nie arbeiten und laufe ständig blau an, weil mein Körper nicht genug Sauerstoff bekommt. Aber …

Nein. Kein aber. Falls ihr heute Abend damit gerechnet habt, dass BlueHeart im Angesicht der Katastrophe ihre üblichen Witzchen reißt, müsst ihr euch leider eine andere Bloggerin suchen.

Mein Herz wird bald versagen. Ich kann geradezu spüren, wie es in meiner Brust zittert. Manchmal warte ich nervös, ob es noch einmal schlägt. Seit vier Monaten bin ich fast nonstop in der Klinik, weil es zu Hause nicht mehr geht. Ich hänge an einem Tropf, der Elektrolyte in mein Blut pumpt, und ich habe einen Sauerstoffschlauch im Gesicht. Ich werde rund um die Uhr von Leuten versorgt, die versuchen, mich so weit stabil zu halten, dass mir ein Herz transplantiert werden kann, falls eines auftaucht. Ich achte auf jedes Zucken, selbst auf das kleinste Anzeichen von Schmerz oder Erschöpfung in meinem Körper, weil es bedeuten könnte, dass sich die Lage verschlimmert. Ja, ich lebe, und ja, es gibt noch immer die Hoffnung, dass ich gerettet werden könnte, aber heute Abend fällt es mir sehr schwer, daran zu glauben. Denn die Wahrscheinlichkeit ist wirklich gering. Und ich weiß nicht, ob ich noch genug Energie habe, weiter zu warten.

Vielleicht sollte ich wütender sein, aber für Wut ist heute Abend kein Platz (mein Einkammerherz hält das nicht aus). Ich habe Angst.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich zu schwach sein werde, um eine Transplantation zu überleben, und kein Herz mehr bekommen darf, weil es nicht verschwendet werden soll. Jemand, der etwas fitter ist als ich und mehr davon hätte, wird mich von meinem Spitzenplatz auf der Liste verdrängen, und ich werde auf die Palliativstation verlegt. (Sie ist gut und hat ein Superteam, aber ich will nicht dahin. Vielleicht, wenn ich achtundneunzig bin. Oder achtundvierzig. Aber doch nicht mit achtundzwanzig.)

Vielleicht kehrt mein Optimismus ja zurück, wenn die Sonne aufgeht. Wir sind hier allerdings in Edinburgh, und es ist Oktober. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne aufgeht, ist also ungefähr so groß wie die Chance, dass ich ein neues Herz bekomme.

Meine Mutter redet nicht über Wahrscheinlichkeiten. Sie sagt: »Wir brauchen bloß das passende Herz. Das ist alles.« So, wie sie es sagt, klingt es, als wollte sie es dem erstbesten Fremden, der ihr draußen über den Weg läuft, persönlich aus der Brust reißen. Irgendwie ist es auch unpassend, von Wahrscheinlichkeiten zu sprechen, denn selbst wenn meine Überlebenschance bei zwanzig Prozent liegt, wird das, was mit mir passiert, ja zu hundert Prozent passieren. Mit anderen Worten: Nächste Woche um diese Zeit bin ich vielleicht zu hundert Prozent tot.

Gute Nacht.

BlueHeart xxx

 

PS: Ich fände es wirklich total klasse, wenn jemand von euch sich zwei Goldfische, Kätzchen, Hundewelpen oder meinetwegen auch Pferde anschafft und sie Herz und Thorax nennt. Hundewelpen fände ich am schönsten. Denn falls ich Weihnachten nicht mehr erleben sollte, gefällt mir die Vorstellung, dass irgendwo da draußen in der Winterlandschaft jemand seine zwei hechelnden Spaniels von der Leine lässt und »Herz! Thorax!« ruft, wenn sie davonrasen und hinter einem Hügel verschwinden, um irgendein armes Schaf aufzuscheuchen. Es würde mir gefallen, so in Erinnerung zu bleiben.

9. Oktober 2017

Ailsa ist allein, als es passiert.

»Wir haben ein Herz für dich.« Bryony, die Transplantationskoordinatorin, strahlt. Das tut sie sonst nie. Kein Wunder, denn bisher konnte sie immer nur verkünden, dass es leider nichts Neues gibt.

Ailsa legt unwillkürlich die Hände vor die Brust, als wollte sie das, was darin ist, schützen, es halten, bevor es stirbt. Sie zwingt sich, die Hände zurück in den Schoß zu legen. Sie zittern. Ihre Stimme zittert auch.

»Ein neues Herz?« Und dann spürt sie auf einmal, wie das kranke, zusammengeflickte Herz, das sie hat, die Kraft aufbringt, sich hoffnungsvoll zu weiten, als wäre es einverstanden.

Ein Wirrwarr von sachlichen, aber auch schrecklichen Gedanken schießt ihr durch den Kopf. Sie muss nüchtern sein – wann hat sie zuletzt gegessen? Wo steckt ihre Mutter? Ein neues Herz – das heißt zugleich, dass irgendwo jemand gestorben ist.

Da taucht auch schon Ailsas Mutter hinter Bryony auf; sie ist ganz außer Atem und hat einen Schwall von kalter Luft und Zigarettenrauch im Gefolge, der sich einen Moment lang gegen die Stickigkeit des Zimmers auflehnt, bevor er von ihr absorbiert wird. »Die Schwestern haben mir gesagt, ich soll sofort herkommen. Was ist denn passiert?« Sie eilt zu ihrer Tochter ans Bett und nimmt ihre Hand. Ailsa kann ihr nur zunicken und ihren Händedruck erwidern, weil ihr Mund trockener als sonst ist und ihre Kehle wie zugeschnürt. Sie würde ihr so gern sagen: Ich wünschte, du wärst dabei gewesen, als Bryony hereinkam. Du hättest es zusammen mit mir erfahren sollen. Aber das ist albern und unwichtig, und außerdem kann man sich solche Dinge ohnehin nicht aussuchen. Man kann sie nur nehmen, wie sie sind.

»Die OP ist in drei Stunden«, sagt Bryony. »Du hast noch genug Zeit, dich vorzubereiten.« Sie nimmt die Krankenakte, die am Fußende von Ailsas Bett befestigt ist, und heftet sie in den Ordner, den sie mitgebracht hat. Und so fängt es an.

Oder so hört es auf, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet.

BlueHeart-Blog

9. Oktober 2017
Der Countdown läuft!

Es ist da! Das Herz ist da! Jetzt werdet ihr eine Weile nichts mehr von mir hören. (Keine Panik. In den kommenden Wochen ist das ein gutes Zeichen.)

Gleich werde ich mich in meine Kompressionsstrümpfe zwängen und irgendetwas zu meiner Mutter sagen, das auf gar keinen Fall nach Abschied klingt. Ich werde euch nicht verraten, wie mir zumute ist, wenn ich an den bevorstehenden Eingriff, die Risiken, die Angehörigen des Spenders oder meine Mutter denke, weil ich keine Ahnung habe, was passieren würde, wenn ich auch nur einen kurzen Blick auf diese Gefühle werfe – ich weiß nur, dass es nicht gut wäre.

Vor einem Monat habe ich mir eine Umfrage ausgedacht. Ich habe sie aber bisher nicht gepostet, weil ich das Schicksal nicht herausfordern wollte. Doch eben sind die Würfel gefallen, und deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen. Also, ihr Lieben, hier kommt die erste Umfrage für mein neues Leben. Wir sehen uns wieder, Hand aufs Herz! Vielen Dank schon jetzt fürs Mitmachen, für eure Kommentare und für eure tolle Unterstützung.

Was soll ich machen, wenn es mir gut geht?

 

Irgendwo hochsteigen. Nicht auf eine Leiter, sondern auf einen Hügel oder Berg. Einen, der mindestens tausend Meter hoch ist. Einen, von dessen Gipfel aus ich meilenweit sehen kann, wo es Wolken und Felsen gibt und hier und da ein Schaf. Manchmal, wenn es mir richtig schlecht geht, schließe ich die Augen und stelle mir diesen Ausblick vor.

Einen Schreck bekommen. Ins kalte Wasser springen! Achterbahn fahren! Einen fiesen Horrorfilm anschauen! Bungeejumping! Mein neues Herz wird vor nichts Angst haben. Das Herz, das ich jetzt habe, kriegt dagegen schon die Flatter, wenn ich bloß an das Wort »Achterbahn« denke.

Tanzen lernen. Seit ich zum ersten Mal Strictly Ballroom gesehen habe, träume ich davon, Tango zu lernen.

Mein Handy ausschalten. Mal stundenlang ohne Telefon sein. Wenn ich voll funktionsfähig bin, braucht sich ja niemand mehr Sorgen um mich zu machen. Versteht mich nicht falsch, Handys sind super. Aber bevor ich in die Klinik kam, musste ich rund um die Uhr erreichbar sein, für den Fall, dass ein Herz reinkommt.

Für irgendetwas Schlange stehen. Ich könnte zum Beispiel nach London fahren und mich sechs Stunden für Wimbledon-Tickets anstellen. Ich wäre bestimmt die Einzige, die sich überhaupt nichts aus Tennis macht und nur wegen des Anstehens käme. Weil ich dann ein Herz habe, das so stark ist, dass es mich stundenlang auf den Beinen hält.

 

Ich dachte, mir fallen bestimmt tausend Sachen ein, die ich gern machen würde, wenn ich körperlich dazu imstande bin, inklusive Eiffelturm und Taj Mahal. Aber das erscheint mir gerade doch zu weit hergeholt. Ich habe ja noch nicht mal einen Reisepass.

Am wichtigsten ist eigentlich, dass ich dann endlich tun kann, wozu ich Lust habe! Ich brauche mir keine Sorgen mehr darüber zu machen, ob ich dazu in der Lage bin, was alles schiefgehen könnte oder worauf ich alles achten muss. Ich werde spontan sein. Frei! (So weit jemand, der Medikamente gegen Abstoßungsreaktionen nehmen muss, spontan und frei sein kann.) Ich werde endlich normal sein.

 

Meine Frage an euch lautet: Wobei werde ich mich am lebendigsten fühlen?

beim Bergsteigen

wenn ich einen Schreck bekomme

beim Tanzen, Tanzen, Tanzen

wenn ich mein Handy ausschalte

wenn ich in einer langen Schlange anstehe

 

Ich lasse die Umfrage eine Woche lang offen und schaue mir das Ergebnis an, wenn ich von meiner Transplantationsreise zurück bin. Hand aufs Herz!

Bis bald,

BlueHeart xxx

 

 

32 Mal geteilt

256 Kommentare

 

Ergebnisse:

beim Bergsteigen 25%

wenn ich einen Schreck bekomme 19%

beim Tanzen, Tanzen, Tanzen 36%

wenn ich mein Handy ausschalte 14%

wenn ich in einer langen Schlange anstehe 6%

12. Oktober 2017

Das Bewusstsein ist wie Flüssigkeit hinter Glas; es schwappt herum, lässt sich nicht greifen. Wenn Ailsa die Augen schließt, geht der starke Schwindel zwar nicht weg, aber er ist leichter zu ertragen. Sie schläft wieder ein.

»Wie geht es dir?«, wird sie alle paar Sekunden gefragt, oder zumindest kommt es ihr so vor. »Ailsa? Ailsa? Kannst du mich hören? Wie fühlst du dich?«

Sie möchte sagen: Ich fühle mich, als hätte mich ein Pferd ins Herz getreten. Ich will hier raus. Gebt mir meine Schuhe. Gebt mir meinen Kajalstift. Gebt mir einen Kalender, der für die nächsten fünf Jahre reicht.

Aber ihre Zunge ist schwer wie Blei, und ihre Zähne kleben zusammen, sie bekommt sie einfach nicht auseinander. Irgendetwas tut ihr im Hals weh. Ein Schlauch? Sie befiehlt ihrem Arm, sich zu bewegen, um zu ertasten, ob sie einen Schlauch im Mund hat. Doch ihr Arm gehorcht ihr nicht.

Sie öffnet die Augen. Sie sieht lächelnde oder fragende Gesichter, aber der Gedanke, sich auf sie zu konzentrieren und einzuordnen, welche Augen wem gehören, oder zu verstehen, was die Münder sagen, erscheint noch unmöglicher als fliegen. Obwohl: Ans Fliegen erinnert sie sich; sie könnte fliegen, wenn es ihr nur gelänge, sich von der Bettdecke und den Geräuschen zu befreien, dann könnte sie schweben. Eben hat sie doch geschwebt, oder?

Ihre Finger haben sich in Babyfinger zurückverwandelt, die bei jeder Berührung unwillkürlich zugreifen.

Und dann schläft sie wieder ein, aber die Zeit scheint gar nicht zu vergehen, und wenn sie aufwacht, geht alles von vorn los.

15. Oktober 2017

»Na endlich«, sagt Hayley, Ailsas Mutter, als ihre Tochter zum ersten Mal die Augen öffnet und sie nicht sofort von allein wieder zugehen. »Ich dachte schon, du wachst überhaupt nicht mehr auf.« Hayley lächelt, aber sie ist kreidebleich und hat diesen schrecklich vertrauten Ich-hab-geheult-aber-wenn-du-mich-drauf-ansprichst-streite-ich-es-ab-Blick. Ailsa kann nur Hayleys Gesicht sehen, ihr Haar und den goldgelben Seidenschal, den sie um den Hals trägt. Einer ihrer Lieblingsschals; Ailsa hat ihn ihr vorletztes Jahr zu Weihnachten geschenkt.

»Hat es …?« Mehr kriegt sie nicht heraus. Ihre Stimme ist so kratzig wie Schmirgelpapier.

»Alles ist gut«, sagt Hayley. »Die OP ist sechs Tage her. Die ersten vierzig Stunden warst du völlig hinüber, aber seitdem geht es langsam aufwärts.«

Ailsa nickt beziehungsweise, sie will es, aber ihr Kopf spielt nicht mit. Ihre Haare scheinen am Kissen festzukleben. »Mum«, krächzt sie.

»Ich bin hier, Schatz. Ich war die ganze Zeit über bei dir.« Ihrer Mutter kommen die Tränen, und sie redet hastig weiter, um sie zu unterdrücken. »Ich hab allen gesagt, dass sie nicht kommen sollen, aber natürlich hat niemand auf mich gehört; hier ging es zeitweise zu wie im Taubenschlag. Du hast ganz viel Post bekommen und Schokolade, sogar eine Flasche Gin, aber damit wirst du wohl noch ein Weilchen warten müssen …«

»Mum«, sagt Ailsa wieder. Sie sind hier. Nach all den Jahren mit der Krankheit, nach dieser Ära der Atemnot, Schmerzen und Sorgen, nach all den Untersuchungen, Operationen und Gesprächen über die Unausweichlichkeit einer Transplantation, nach all den Einschränkungen, die sie ihr Leben lang hinnehmen mussten, weil Ailsa so wenig machen konnte, sind sie nun endlich hier, am Ziel ihrer Träume. Am liebsten würde sie auch weinen, aber sie traut sich nicht, weil sie Angst hat, dass das neue Herz ihr Schluchzen nicht aushält. Aber Hayley ist bei ihr, sie nimmt Ailsas Hand, und dann beugt sie sich zu ihr und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn, und alles ist da: der ganze Schmerz, den sie miteinander geteilt haben, die Angst, die Hoffnung.

Die Krankenschwester kommt. Hayley tritt zur Seite. Die Schwester leuchtet Ailsa in die Augen, prüft ihre Reflexe, stellt Fragen, befeuchtet ihr den Mund. Der Schlauch ist weg.

»Hatte ich keinen Schlauch im Hals?«, flüstert Ailsa.

»In den ersten Tagen«, sagt Hayley.

»Mir tut der Hals weh«, flüstert Ailsa. Die Untertreibung des Jahres, denn ihr tut buchstäblich alles weh. Ihre Knöchel sind wie Blei, die Beine ganz steif. Die Bettdecke liegt tonnenschwer auf ihren Zehen. Ihr Magen fühlt sich an, als wäre er bis oben voll mit irgendeiner dicken, dunklen Pampe, Teer oder verdorbenem Joghurt; sobald sie sich rührt, muss sie garantiert kotzen. Ihr Nacken ist völlig verspannt, sie hat stechende Kopfschmerzen, ihre Augen vertragen kein Licht mehr. Und was ihren Brustkorb angeht – an den will sie lieber gar nicht denken. Er fühlt sich nämlich genauso an, wie man sich das vorstellen muss, wenn einem das Brustbein durchtrennt, das Herz rausgenommen und ein anderes eingesetzt, die Knochen dann zurückgebogen und die Haut obendrüber wieder zugenäht wurde.

Nur dass die Realität die Vorstellung noch weit übertrifft. Denn zu den Schmerzen kommt die Verwirrung. Eine Erinnerung an etwas, das sie mal gelesen hat, schwebt vorbei: Bei einem der ersten Transplantationsversuche wurde der Kopf eines Hundes auf den Körper eines anderen Hundes verpflanzt. Genauso kommt sie sich vor. Das Herz in ihr spürt, dass irgendetwas passiert ist, weiß aber nicht, was – und dieses Gefühl der Verwirrung pulsiert jetzt mit jedem Herzschlag durch ihren Körper. Und ihr Brustkorb schreit: Das hätte nicht passieren sollen! Das wollte ich nicht! Ich bin eine Festung. Ich darf nicht geöffnet werden. Ich bin dazu da, das, was in mir ist, zu beschützen. Ihr könnt doch nicht einfach ein anderes Herz in mich reinstecken!

»Versuch, dich nicht zu bewegen, Ailsa«, sagt Hayley und legt ihr die Hand auf die Stirn. »Atme einfach nur. Du bist jetzt in Sicherheit. Du hast es geschafft.«

Doch das Atmen ist ja auch mit Bewegung verbunden, und es tut höllisch weh. Jedes Mal, wenn sie Luft holt, hat sie das Gefühl, dass die Nähte ihrer OP-Narbe sich überdehnen und gleich platzen. Sie versucht, so flach wie möglich zu atmen, aber die Monitore verraten sie sofort.

»Ich glaube, ich breche gleich auseinander«, krächzt sie. Ihre Mutter und die Krankenschwester lachen leise. Die Schwester heißt Nuala, und der Rosenduft ihres Parfüms ist so stark, dass er sogar den beißenden Geruch des Desinfektionsmittels überdeckt. Vielleicht sollte sie den beiden erklären, dass sie keinen Witz gemacht hat, aber sie will das bisschen Kraft, das sie hat, nicht vergeuden. Sie macht lieber die Augen zu.

»Alles ist genauso, wie es sein sollte«, sagt jemand in der Dunkelheit. Ailsa weiß, dass es einer der Krankenpfleger ist, Frankie; sie erkennt ihn an seinem Highlands-Akzent. Doch ihr ist, als hörte sie Lennox – den geliebten, schmerzlich vermissten Lennox, der vergeblich auf Rettung wartete. Sie denkt an die sechs Tage, die sie verloren hat. Oder besser gesagt: die sie eingetauscht hat gegen ein halbwegs normales Leben. Nur noch wenige Wochen, und sie wäre auch gestorben. Doch jetzt hat sie wie fast jeder andere Mensch die Chance, sechzig zu werden. Oder zumindest fünfzig. Es ist, als hätte sie plötzlich die Erlaubnis bekommen, aus einem Fenster zu schauen, das vorher tabu für sie war – und sie kann gar nicht fassen, wie weit der Blick reicht und wie herrlich die Aussicht ist.

Am nächsten Morgen setzt Ailsa sich im Bett auf und isst eine Banane. Ihre Mutter strahlt. Bis sie die Banane wieder auskotzt.

»Mach dir nichts draus«, sagt ihre Mutter. »Es kann nicht alles auf einmal klappen.«

BlueHeart-Blog

1. November 2017
Eine neue Freundin

Gestern hat Mum mir beim Packen geholfen, und dann haben wir das Krankenhaus verlassen und sind ins Auto meiner Ehrentante gestiegen, um mein neues Herz nach Hause zu fahren. Ich durfte vorher auch schon tagsüber raus; das Krankenhaus ist ja kein Gefängnis, auch wenn sie einen manchmal an Maschinen fesseln, sodass man nicht entkommen kann. Aber gestern wurde ich offiziell entlassen. Und das fühlte sich richtig gut an! Ich bin zwar noch nicht über den Berg und muss weiterhin dreimal pro Woche in die Klinik, aber ich will nicht meckern.

Als wir an der Wohnung ankamen, haben wir uns alle drei angeschaut und geseufzt, und es fühlte sich ein bisschen so an, als hätten wir den Atem angehalten – keine Ahnung, wie lange. Eigentlich wollten wir uns was zu essen bestellen, aber ich habe dann nur meine Medikamente genommen und bin ins Bett gegangen. Mum und Tante T haben Wein getrunken und so viel gelacht, dass ich dauernd aufgewacht bin. Aber es hörte sich gut an. (Als sie an der Uni waren, haben sie zusammengewohnt, und manchmal scheinen sie zu vergessen, dass das alles längst vorbei ist.)

Nun bin ich also wieder zu Hause. Der Krankenhausteil meines alten und neuen Lebens liegt hinter mir.

Jetzt kann das Leben endlich richtig losgehen.

Danke, dass ihr das mit mir durchgestanden habt! (Und dafür, dass ihr mir bei der Umfrage, was ich essen soll, Wackelpudding erspart habt.) Ihr seid mir sogar treu geblieben, als ich darüber berichtet habe, wie seltsam sich mein Körper nach der OP benimmt und wie komisch es ist, dass mir jetzt ein Bart wächst. Gut, dass es Gesichtshaarentferner gibt! Die Krankenschwester hat mir versichert, dass der Bart nur eine vorübergehende Nebenwirkung der Medikamente ist, genauso wie das Mondgesicht und der extrem launische Darm. Es gibt also Hoffnung. Aber wundert euch nicht, falls ich euch um Tipps gegen Verstopfung bitte.

In den Tagen nach der OP, als ich völlig hinüber war, habt ihr bei der Umfrage mit dem Titel »Bei was werde ich mich am lebendigsten fühlen?« mitgemacht. Tanzen und einen Berg besteigen haben die meisten Stimmen bekommen. (Was habe ich mir da nur eingebrockt?) Natürlich werde ich das auch machen. Aber es dauert leider noch ein Weilchen, weil ich noch zu sehr mit Fitwerden beschäftigt bin.

Fitwerden ist zum Teil ganz einfach. Genug Schlaf. Etwas Sport, natürlich nicht übertreiben. Gesunde Ernährung. (Letzteres ist allerdings nicht ganz so leicht, um die Wahrheit zu sagen. Eine der häufigsten Nebenwirkungen von Steroiden ist nämlich Heißhunger auf Kuchen.)

Zum Teil ist Fitwerden allerdings eine echte Herausforderung. Das ist schwer zu erklären. Wie soll ich es ausdrücken? Vielleicht muss das neue Herz noch lernen, wie es mit mir umgehen soll, so wie ich lernen muss, mit ihm umzugehen.

Das klingt natürlich absurd. Und es ist auch nicht wissenschaftlich erwiesen. Andererseits waren Forscher früher felsenfest davon überzeugt, dass sauerstoffarmes Blut blau ist. Ist es aber nicht. Die Adern sehen blau aus (ich sah blau aus), weil Licht auf die Haut darüber trifft und nur die Wellenlänge des Lichts reflektiert wird, die wir als blau wahrnehmen. So ist das. Nur weil etwas heute als wahr gilt, heißt das nicht, dass es morgen noch immer wahr ist.

Ich … ich kann diesem Herzen einfach nicht trauen. Vielleicht liegt es ja daran, dass es mir wie ein neuer, ungewohnter Muskel vorkommt, den ich noch nicht benutzen und testen konnte und den ich deshalb erst dann richtig anstrengen will, wenn ich wirklich sicher sein kann, dass er das auch aushält. Über die Person, von der ich das Herz bekommen habe, weiß ich nichts. Mum und ich reden fast täglich über sie, aber meistens beschränkt sich das auf Äußerungen wie »Wenn dieser Mensch nicht gewesen wäre« oder »Ich wünschte, dieser Mensch könnte das Wunder, das er vollbracht hat, miterleben«. Ich frage mich oft, wie es dem Herzen dieser Person wohl damit geht, jetzt in einem neuen Körper zu sein.

Auch heute Morgen habe ich darüber nachgedacht, als ich spazieren war. Ich spaziere jetzt nämlich jeden Tag durch Edinburgh, und zwar bei jedem Wetter. Im Moment sind es zehn Minuten, fünf hin, fünf zurück. Nächste Woche erhöhe ich auf fünfzehn. (Fünfzehn Minuten in Edinburgh können eine echte Herausforderung sein. Für die Geologiefans unter euch: Die Stadt war früher ein Vulkan.) Und als ich so vor mich hin lief, dachte ich: Vielleicht sollte ich mich mit diesem Herz anfreunden. Und Freundschaften beginnen mit einem Namen.

Ich habe zwei ausgesucht, aber die endgültige Entscheidung überlasse ich euch.

Ihr habt drei Tage Zeit.

 

Apple: Äpfel sind rot, knackig und angeblich sehr gesund. Eigentlich der perfekte Name für ein Herz.

Amber: Bernstein besitzt heilende Kräfte und leuchtet, wie eine gelbe Ampel, die einen daran erinnert, achtzugeben. Und ich muss sehr auf dieses Herz achtgeben, sonst kann es böse für uns beide enden.

 

 

102 Kommentare

 

Ergebnisse:

APPLE: 64%

AMBER: 36%

2. November 2016

Letztes Jahr um diese Zeit

»Gewonnen! Meine Hand hat eindeutig mehr Farbe als deine«, sagt Lennox. Wenn Ailsa ihn besucht, fangen sie immer mit diesem kleinen Wettbewerb an, aber Ailsa würde am liebsten damit aufhören, weil Lennox von Tag zu Tag gelber wird.

»Na gut, diese Runde geht an dich«, sagt Ailsa. »Aber den Gesamtsieg trage ich davon, weil ich dir Jahre voraushabe.« Ihre Fingernägel sind schon seit Langem bläulich verfärbt, und manchmal wird sogar die Haut ihrer Fingerspitzen blau. Ihre Hand liegt neben seiner auf der Bettdecke, zum Vergleich. Sie nimmt ihre Hand wieder von der Decke, Lennox seine auch, ihre Handflächen küssen sich, gehen auseinander.

Er wird immer schmaler und gelber, sein athletischer Körper stetig schwächer, er hat keinen Appetit mehr. Sie versucht, sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihr auffällt. Er rückt auf seinem Bett zur Seite, damit sie sich neben ihn setzen kann, und legt den linken Arm um sie.

»Und, was treibst du so? Du darfst nur Sachen erwähnen, die nichts mit der Klinik zu tun haben.«

Ailsa lacht. »Ich habe mir West Side Story angeschaut«, sagt sie.

»Ich vergaß: Alles, was mit West Side Story zu tun hat, ist ebenfalls tabu.«

»Du bist gemein«, sagt sie und blickt auf seine rechte Hand. Sie hat eine sehr ungesunde Farbe, und auf dem Handrücken ist eine Kanüle befestigt. Sie schaut weg. Langsam versteht sie, wie es für ihre Mutter und ihre Freundinnen und Freunde sein muss, wenn es ihr so schlecht geht, dass sie in die Klinik muss, und sie sie dann besuchen kommen. Sie ertappt sich dabei, Lennox genau das sagen zu wollen, was sie selbst nie hören will: Bald geht es dir wieder besser. Halt durch. Du schaffst das. Am liebsten würde sie ihn umarmen und ihm sagen, dass sie ihn liebt. Nein, am liebsten würde sie Sex mit ihm haben, nur um zu sehen, ob sie sich dann beide besser fühlen. Die üblichen Regeln für Ex-Pärchen gelten hier sowieso nicht.

»Ich weiß«, sagt er und lehnt seinen Kopf an ihren. »Was macht dein Blog?«

»Oh.« Stimmt, den Blog gibt’s ja auch noch. »Inzwischen habe ich über zehntausend Aufrufe.«

»Wow, das ist ja toll!« Trotz seiner Erschöpfung klingt er aufrichtig begeistert. »Und das nach wie vielen Monaten? Sechs? Du kannst echt stolz auf dich sein.«

»Sieben«, sagt sie. »Ich habe damit angefangen, als ich auf die Transplantationsliste kam. Aber irgendwie ist es komisch. Die Leute hinterlassen zwar Kommentare, und ich weiß, dass sie den Blog lesen, aber das Ganze ist trotzdem ziemlich einseitig. Ich habe schon darüber nachgedacht, wie ich das Ganze irgendwie anders gestalten könnte …«

»Interaktiver?«, fragt Lennox.

»Ja, genau.« Ailsa schmiegt sich an ihn, atmet seinen Geruch ein. Er trägt noch immer das gleiche Aftershave wie früher und duftet auch danach, aber dazu mischt sich der seltsam süßliche Geruch seiner Krankheit. »Die Sache ist die: Was ich denke, mache oder mir wünsche, spielt im Grunde keine Rolle, denn alles hängt davon ab, ob ich ein Herz bekomme. Oder nicht. Das will ich den Leuten klarmachen.«

»Und willst du den Blog anonym lassen?«

»Klar, das ist besser. Ich will meine Hochs und Tiefs nur dann mit Leuten teilen, wenn sie keine Ahnung haben, wer ich bin.«

Lennox rückt ein bisschen näher, damit er seinen anderen Arm auch noch um sie legen kann. »Ich weiß genau, was du meinst«, sagt er. »Uns bleibt schließlich nichts anderes übrig, als durchzuhalten und weiter zu hoffen. Und das fühlt sich scheiße an. Weil wir null Einfluss darauf haben. Hm. Wie wär’s denn, wenn du Umfragen einbaust?«

Es fühlt sich gut an, so nah bei ihm zu sein, auch wenn sie eigentlich kein Paar mehr sind. »Du meinst, um den Leuten noch mehr Entscheidungen zu überlassen, die ich eigentlich lieber selbst treffen würde? Haha. Das passt ja wie die Faust aufs Auge.«

Lennox muss lachen. Er beugt sich zu ihr und gibt ihr einen Kuss. Er hat ein bisschen Mundgeruch. »Rae, du bist genial«, sagt er, und er grinst noch genauso wie damals, als sie sich zum ersten Mal begegneten; als Sechzehnjährige bei einem Projekt in der Gemeinde. »Ich wette, nächstes Jahr um diese Zeit räumst du mit deinem Blog schon Preise ab.«

Zweiter Teil

Februar 2018Ich bleibe gern: zum Gehn bin ich verdrossen

 

BlueHeart-Blog

3. Februar 2018
Soll die Maske fallen?

Heute muss Apple damit klarkommen, dass ich mich vor lauter Begeisterung gar nicht mehr einkriege.

Mum geht jetzt wieder arbeiten, weil sie ja nicht mehr in ständiger Herz-Alarmbereitschaft sein muss, was wiederum bedeutet, dass ich die Wohnung die meiste Zeit für mich habe. Ich vertreibe mir die Zeit damit, Blog-Beiträge zu schreiben oder mich an Online-Diskussionen über Transplantationen und Wartelisten zu beteiligen. Oder ich denke darüber nach, auf welche Stellen ich mich bewerben könnte, wenn ich den magischen Sechs-Monats-Meilenstein erreicht habe – nach dieser Zeitspanne sollten Apple und ich uns so gut kennen, dass ich sie in der Welt da draußen gut beschützen kann und sie nicht gleich bei jedem Keim oder Virus einen Herzkasper bekommt. (Wobei ich fairerweise sagen muss, dass Apple gar nichts dafür könnte. Ich darf eben nicht vergessen, meine Immunsuppressiva einzunehmen.)

Als ich heute Morgen von meinem Spaziergang zurückkam (achttausend Schritte, unglaublich!) und den Laptop hochfuhr, dachte ich, es wird ein ganz normaler Tag.

Aber wie sich herausstellte, ihr Lieben, habt ihr diesen Blog bei den Britischen Gesundheitsblog-Awards als besten Patienten-Blog nominiert!

Wow.

Ich danke euch. (Heult hier gerade jemand? Nein!)

Das ist wirklich der absolute Hammer! Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass mein Blog der einzige ist, den ihr lest: Es gibt ja mehr Blogs als Sterne am Himmel (wenigstens kommt es mir so vor). Das heißt: Wenn man ausgewählt wird, ist das wirklich eine große Ehre. Ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, wie viel mir das bedeutet!

Allein die Tatsache, dass ich überhaupt lebe, ist wie fünfzehn Arten eines Wunders. Und das schließt auch schon die Zeit vor der Transplantation mit ein. Diejenigen unter euch, die regelmäßig hier vorbeischauen, wissen, dass das Hypoplastische Linksherzsyndrom bis Mitte der Achtziger für jedes davon betroffene Neugeborene das Todesurteil bedeutete; das Baby starb praktisch vor den Augen der Mutter. Als ich vier wurde, hatte ich schon drei Operationen hinter mir, und damals hätte niemand für möglich gehalten, dass ich es schaffen würde, die Achtundzwanzig zu erreichen, mit oder ohne Spenderherz.

Aber ich lebe noch, dank einer außergewöhnlichen Verkettung von Umständen, die mit dem tragischen Tod eines anderen Menschen verknüpft sind. Und es vergeht kein einziger Tag, an dem ich nicht daran denke.

Noch immer staune ich darüber, dass andere Menschen diesen Blog lesen, viele von ihnen regelmäßig, und sogar bei Umfragen mitmachen, die sich um dieses Leben drehen, das mir eigentlich gar nicht gehört. Ich dachte, dass meine Art und Weise, mit allem umzugehen, anderen vielleicht bei ihrer eigenen Bewältigung hilft, und dass andere Leute mit HLHS, die mit dem sogenannten Patientenpfad noch nicht so vertraut sind, von meinen Erfahrungen vielleicht profitieren und nach dem Eingriff nicht so wie ich sechs Tage lang völlig platt sind, oder zumindest besser darauf vorbereitet. Ich hatte gehofft (und ich hoffe es noch immer), dass dieser Blog den Angehörigen und Freunden von HLHS-Patienten helfen könnte, besser zu verstehen, wie das ist. Krank zu sein ist schon schlimm genug. Aber krank zu sein und es der Welt auch noch erklären zu müssen, macht einen erst recht fertig. Also, falls ich behilflich sein konnte, bin ich froh.

Ich danke euch sehr. Wirklich. BlueHeart ist zutiefst gerührt.

Leider kann ich nicht zu der Preisverleihung gehen. Den Grund erzähle ich euch ein anderes Mal. Wenn ich es schaffe. Die Organisatoren sind echt nett, sie haben mir erlaubt, ein Video aufzunehmen für den Fall, dass ich gewinne.

Ich möchte das Video auch aufnehmen. Aber wenn ich das mache, werde ich nicht mehr BlueHeart sein. Dann ist es mit der Anonymität vorbei. Und wenn ich im Video mein wahres Gesicht zeige, dann muss ich es im Blog natürlich auch tun und als die Person auftreten, die ich im wirklichen Leben bin. (Und die im Gegensatz zu BlueHeart übrigens nicht mehr blau angelaufen ist.) Das macht mir allerdings Angst. Und es gibt noch etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Seit Apple in mein Leben getreten ist, weiß ich nämlich nicht mehr genau, wer ich bin.

Ihr ahnt natürlich, was jetzt kommt, oder?

Die Umfrage schließt in zwei Tagen.

Soll ich das Video aufnehmen und der Welt zeigen, wer hinter BlueHeart steckt?

 

Ja – Du bist jetzt in einer neuen Phase deines Lebens, und Veränderung ist gut, sie gehört dazu.

Nein – Es ist besser, wenn du dich noch eine Weile schützt, körperlich und seelisch. Schick eine Nachricht, um dich zu bedanken, aber halte deine wahre Identität noch geheim.

 

Bis zum nächsten Mal,

BlueHeart xxx

 

 

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Ergebnisse:

JA 87%

NEIN 13%

6. Februar 2018

»Soll ich vielleicht ein paar Karten zum Hochhalten machen, von denen du ablesen kannst? Wie heißen die Dinger doch gleich?«

Ailsa lacht. »Idiotentafeln? Nein, ich schaff es auch ohne. Ich weiß ja, was ich sagen will.«

Nachdem sie und Hayley die letzte Stunde damit verbracht haben, einen geeigneten Platz mit gutem Licht und neutralem Hintergrund für die Videoaufnahme zu finden, sitzt Ailsa nun auf dem Wohnzimmersessel neben dem Fenster und Hayley mit dem iPad auf dem Beistelltisch. Auf dem Boden vor Ailsas Füßen liegt ein Mini-Mikrofon, das mit dem Audioanschluss des iPads verbunden ist. Sie hebt es auf und legt es sich auf den Schoß.

»Du filmst nur meinen Kopf und meine Schultern, okay?«

»Ja, bis hier«, sagt Hayley und zieht eine Linie von ihrer linken zur rechten Achselhöhle.

»Gut.« Die Testaufnahme zeigte Ailsa bis zur Hüfte und sah furchtbar aus. Natürlich war ihr klar, dass sie zugenommen hat; sie muss jeden Morgen auf der Waage checken, ob sie über Nacht drei Kilo zugenommen hat, denn das könnte auf eine Abstoßung hindeuten. Aber dass ihre Taille inzwischen aus Speckrollen besteht, hat sie dennoch ein wenig schockiert. Immer noch besser, als die Radieschen von unten zu betrachten, sagt Hayley. Das Aussehen ist nicht so wichtig.

»Von mir aus kann’s losgehen, Schatz.«

»Okay. Drück auf den Knopf.«

Tief einatmen. Lächeln!

Hayley reckt den Daumen hoch und schaut auf das Display. Ailsa wendet lieber den Blick von ihr ab, damit sie nicht schon wieder beide in Tränen ausbrechen, wie vorhin.

»Hallo. Mein Name ist Ailsa Rae, aber Sie kennen mich vor allem als BlueHeart. Ich fühle mich sehr geehrt und bin ganz überwältigt, dass mir dieser Preis verliehen wird. Vielen Dank an alle, die mir ihre Stimme gegeben haben! Ebenso möchte ich mich bei allen bedanken, die meinen Blog gelesen und an meinen Umfragen teilgenommen haben.

Wer auf ein Spenderorgan wartet, fühlt sich vollkommen machtlos. Das möchte ich durch meinen Blog verdeutlichen. Zwei Tage nach meiner Geburt wurde mir zum ersten Mal durch eine Operation das Leben gerettet, eine weitere folgte knapp zwei Jahre später. Meine Kindheit und Jugend verliefen mehr oder weniger normal, doch vieles, was für andere selbstverständlich war, ging bei mir nicht. Trotzdem habe ich mich immer bemüht, alles, was ich machen wollte, zu erreichen. Ich studierte und machte meinen Abschluss, auch wenn ich dafür ein Jahr länger brauchte als die anderen, weil ich mehrmals ins Krankenhaus musste. Doch ich spürte, dass mein Herz zunehmend schwächer wurde. In den folgenden vier Jahren verschlechterte mein Zustand sich so weit, dass ich schließlich auf die Warteliste für eine Transplantation kam. Und dann hatte ich Glück.

Zu der Freude darüber mischt sich aber auch Trauer, denn der Mensch, der mir dabei geholfen hat, diesen Blog auf die Beine zu stellen, ist vor knapp einem Jahr gestorben. Er hat auch auf ein Spenderorgan gewartet – leider vergeblich. Es wäre so schön, wenn er jetzt …« Hayley macht sich bereit, die Aufnahme anzuhalten, aber Ailsa fängt sich wieder. Sie holt tief Luft – oh, wie herrlich sich das jetzt anfühlt –, bevor sie weiterredet. »Er ist tot. Ich wünschte, er würde noch leben. Wenn mehr Menschen sich als Organspender registrieren ließen und ihre Angehörigen rechtzeitig darüber informieren würden, wäre er vielleicht noch am Leben.

Danke, dass Sie für mich gestimmt haben. Ich heiße Ailsa Rae und hatte das Glück, ein Spenderherz zu bekommen. Bitte lassen auch Sie sich als Organspender registrieren. Und falls Sie einen geliebten Angehörigen verlieren, respektieren Sie bitte seinen Wunsch, im Todesfall Organe zu spenden. Denn damit können Sie Leben retten.«

10. Februar 2018

Heute geht es um Lennox – und darum, den Tag, der sein Geburtstag gewesen wäre, zu überstehen. Die E-Mail-Einladung seiner Mutter ist deutlich formuliert: Lasst uns zusammen die schönen Erinnerungen feiern. Theoretisch ganz einfach, doch als Ailsa mit Hayley ein Taxi nimmt, um zu Lennox’ Familie zu fahren, ist ihr schwindelig und übel, aber auf eine andere Weise als von den Medikamenten. Ihr geht all das durch den Kopf, was sie normalerweise verdrängt, weil sie wegen ihres neuen Herzens nicht daran denken will: die wiederentdeckte Liebe, das Klammern an die Hoffnung, die überwältigende Trauer, die sie verspürt, seit Lennox gestorben ist.

»Bist du bereit?«, fragt Hayley, als sie aus dem Taxi steigen. Sie sind etwas spät dran. Ailsa hat den leisen Verdacht, dass ihre Mutter das absichtlich eingefädelt hat.

»Ich weiß nicht.«

»Lass dir Zeit, Schatz«, sagt Hayley. Sie wühlt in ihrer Handtasche und fischt eine Packung Marlboro und ihr Zippo-Feuerzeug heraus, das wahrscheinlich älter als Ailsa ist. »Ich rauch solange noch eine.«

Das Haus der Familie Douglas liegt in Portobello, einem Vorort von Edinburgh, ein Stück hinter der Strandpromenade, abseits vom Trubel. Ein großer, friedlich aussehender Bungalow mit Erkerfenstern an der Vorderseite, die zum Meer hinausgehen, obwohl Ruthie meinte, sie hätten ihn vor allem wegen des großen Gartens dahinter gekauft, der früher mal eine Obstplantage war. Das Grundstück wirkt sehr gepflegt, im Vorgarten sprießt nirgends Unkraut, das Zauntor glänzt in makellosem Schwarz. Es muss viel Zeit kosten, all das in Schuss zu halten, aber es füllt den Tag, wenn man trauert.

Ailsa holt tief Luft. Dann nochmals. Redet sich ein, dass zumindest ein Teil der Trauer zusammen mit ihrem alten Herzen aus ihrem Körper herausgeschnitten worden sein muss. Das neue Herz weiß ja nicht, wie es war, Lennox zu lieben und ihn dann zu verlieren. Aber Apple scheint gut aufgepasst und gelernt zu haben; es fühlt sich an, als wolle sie vor Liebe und Trauer zerspringen.

Das letzte Mal war Ailsa am Tag von Lennox’ Beerdigung hier; ein so furchtbarer Tag, dass ihr schon bei der kleinsten Erinnerung daran die Tränen in die Augen steigen. Damals trug sie Schwarz. Aber was soll man auf einer Geburtstags-Schrägstrich-Gedenkfeier tragen? Das schwarze Kleid von damals passt jedenfalls nicht mehr. Wenn sie sich im Spiegel sieht, erkennt sie sich vor lauter Doppelkinn kaum wieder.

Aber sie lebt. Das ist die Hauptsache.

Hayley tritt ihre Zigarette mit dem Absatz ihrer Doc Martens aus. Sie sind aus lilafarbenem Lackleder. Ailsa hatte selbst mal welche in Rot, ihre Lieblingsstiefel, aber als Rot ihre Unglücksfarbe wurde, warf sie sie weg.

Hinter den Fenstern bewegen sich Leute. Es ist drei Uhr nachmittags, aber es dämmert schon; drinnen brennt Licht. Ailsa öffnet das Tor, blickt auf den Weg. Ihre Füße zaudern, ihn zu betreten.

»Wie heißen die Schwestern noch mal?«, fragt Hayley. Sie kann sich jedes Gesicht merken, aber mit den Namen ist das so eine Sache. Als Ailsa noch ein Baby war, lernte Hayley die Namen aller Krankenschwestern auswendig, um sie persönlich anzusprechen und sie so auf ihre Seite zu ziehen.

»Die ältere heißt Lucy und die jüngere Libby. Und Lucys Tochter heißt Louisa. Alle fangen mit L an.«

Hayley legt den Arm um ihre Tochter und drückt sie, und auf einmal spürt Ailsa eine stille Verbundenheit zu ihr. Früher war diese Verbundenheit ständig da.

Jemand winkt ihnen von drinnen zu. Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr. Ailsa sagt leise: »Das kann nicht sein. Dass er nicht hier ist.« Diese Worte bringen noch nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck, wie ihr zumute ist, aber mehr traut sie sich nicht zu sagen. Sonst bräche sie zusammen, obwohl ihre Mutter sie stützt.

»Ich weiß«, sagt Hayley. »Ich hab Ruthie und Dennis nicht mehr gesehen, seit du aus dem Krankenhaus bist.« Für einen Moment herrscht Stille. Dann greift Ailsa nach der Hand ihrer Mutter und drückt sie fest. Sie denken beide daran, wie fest entschlossen Lennox’ Eltern waren, ihnen weiter beizustehen, obwohl sie um ihren eigenen Sohn trauerten und es sich für alle wie eine stumme, schmerzhafte Bestrafung anfühlte, wenn sie Ailsa im Krankenhaus besuchten.

Sie setzt ihr bestes Lächeln auf und sucht nach einer schönen Erinnerung an Lennox. Die erste, die ihr einfällt: Er legt ihre Hand auf seine nackte Brust und sagt: »Wenn ich könnte, würde ich dir mein Herz geben. Sofort. Und es von mir zu dir fliegen lassen.« Die nächste Erinnerung: Sie sind siebzehn, stehen am Strand von Portobello, als er plötzlich losrennt, direkt ins Meer, mit Turnschuhen und Jeans, bis die Wellen ihm bis an den Hintern reichen, und dann schaut er sich um und ruft ihr zu: »Das ist toll! Komm rein!« Und noch eine Erinnerung taucht auf: Sie sitzen im Garten der Klinik und bringen sich mit dem Spielbrett und den Figuren aus dem Tagesraum gegenseitig Schach bei. Die Springer fehlen; stattdessen nehmen sie zwei Pfefferminzbonbons aus Ailsas Handtasche als weiße und zwei dunkle, welke Blütenblätter als schwarze Springer.

Diese Erinnerungen genügen; mehr erträgt sie jetzt nicht.

»Ailsa! Hayley! Wie schön, dass ihr gekommen seid!« Ruthie umarmt sie beide gleichzeitig. Seit ihrer letzten Begegnung ist sie noch schmaler und grauer geworden. Hinter ihr kommt Dennis angeschlendert, er lächelt, aber er wirkt irgendwie kleiner. Doch seinen Humor hat er nicht verloren; plötzlich kniet er vor Ailsa nieder, breitet die Arme aus und schmettert den alten Gene-Pitney-Song.

»Something’s gotten hold of my heart, tearing my soul and my senses apart!«

»Lass das, Dennis!«, ruft Ruthie, halb genervt, halb belustigt. »Er ist wie ein kleines Kind«, sagt sie zu Ailsa. »Jeder Witz wird ausgeschlachtet, bis es nicht mehr geht.«

»Ach, komm schon. Das ist doch auch witzig.« Dennis steht wieder auf, um Ailsa zu umarmen. Sie lehnt den Kopf an seine Brust. Er klopft ihr sanft auf den Rücken. Einmal sagte er zu ihr, sie sei wie eine Tochter für ihn. Ist er wie ein Vater für sie?

Das kann sie nicht sagen.

Auf jeden Fall ist er ein beständiger Teil ihres Lebens, seit sie Lennox damals kennenlernte. Dennis nimmt ihre Hände, tritt einen Schritt zurück und mustert sie von oben bis unten.

»Siehst gut aus, Kleine«, sagt er. »Hast endlich mal Fleisch auf den Knochen, so wie ich.« Er tätschelt sich den Bauch.

»Dennis! Das reicht jetzt!«, ruft Ruthie. »Entschuldige bitte, Ailsa«, fügt sie verlegen hinzu.

Ailsa schaut Dennis an und zwinkert ihm zu. Er versucht bloß, sie zum Lachen zu bringen, auch wenn er sich ziemlich ungeschickt dabei anstellt. Das verdient Unterstützung, besonders heute.

»Schon in Ordnung, Ruthie«, sagt sie. »Das sind die Steroide. Ich versuche abzunehmen, aber es scheint ein aussichtsloser Kampf zu sein.« Sie wirft Hayley einen Blick zu, die verständnisvoll nickt. Heute ist nicht der richtige Tag, um von aussichtslosen Kämpfen zu reden. »Aber wenigstens der Bartwuchs ist unter Kontrolle«, fügt sie hinzu.

»Sicher gibt es auch viel, wofür du dankbar sein kannst«, sagt Ruthie. »Du bist eine junge Frau, die Glück gehabt hat, und wir freuen uns für dich.«

»Ja, sie hat wirklich Glück gehabt,« sagt Hayley. »Das weiß sie auch.«

Dennis umarmt Hayley ebenfalls zur Begrüßung. »Meine kleine Highlanderin. Trotzt allen Stürmen.«

»Getränke sind in der Küche«, sagt Ruthie, als hätte sie Text aus einem Stück namens Wie wir den Tag überleben auswendig gelernt. Hayley folgt ihr durch den Flur.

Dennis lächelt Ailsa zu, aber seine Augen lächeln nicht mit, sie sind heute zu traurig. »Für meine Bemerkung kriege ich später noch mein Fett weg, keine Sorge«, sagt er. »Komm mit. Du siehst auch so aus, als könntest du einen Drink vertragen.«

Rund vierzig Gäste tummeln sich in der Küche, im Wohnzimmer und im Wintergarten. Libby und Lucy sind da, einige Krankenhausmitarbeiter, ein paar Studienfreunde von Lennox, die inzwischen woanders wohnen, alle gut in ihrem Leben eingerichtet; sie haben bestimmt einen weiten Weg auf sich genommen, um heute hier zu sein. Sogar der Direktor der Schule, an der Lennox Sport unterrichtete, ist gekommen, und auch der Lehrerkollege, den Lennox immer »Rakete« nannte, doch Ailsa kann sich nicht mehr erinnern, warum. Die Gewissheit, dass sie Lennox nie wieder fragen kann, schmerzt wie ein Messerstich.

Alle haben etwas Buntes an und geben sich große Mühe, fröhlich zu sein, aber es fühlt sich gezwungen an, so wie damals, als sie Weihnachten im Krankenhaus verbringen musste: Jeder lächelte nonstop, aus Angst, dass die Festtagsstimmung sonst in sich zusammenbrechen und sie alle erschlagen würde.

Ailsa überlegt, ob sie einen Wein trinken soll, lässt es dann aber lieber, weil sie sich wirklich zusammenreißen muss, um den Nachmittag zu überstehen. Außerdem macht Wein dick. Sie schnappt sich eine Diätlimo und schaut sich um; vielleicht entdeckt sie ja jemanden in der Menge, mit dem sie gern reden würde. Nach Jahren der Atemnot kann sie noch immer kaum fassen, dass sie jetzt so viel sprechen kann, wie sie will. Sie kann die Worte einfach aus dem Mund sprudeln lassen, solange sie Lust hat, ohne ihre Kräfte einteilen zu müssen.

Aber zuerst will sie in den Garten hinausgehen und sich auf eine der beiden Bänke in der Ecke setzen, neben den eingetopften Apfelbaum. Draußen ist es kalt, aber der Baum strahlt vielleicht trotzdem Wärme aus. Sie legt ihre Hand auf den Stamm und schaut hinauf zu den Zweigen. Apple schlägt sofort ein bisschen schneller. Das ist Lennox’ Baum, seine Asche ist in dem Topf begraben. Der Stamm ist tatsächlich warm.

An den kahlen Zweigen hängen Überreste von dunkelgrünen Karten an Bändern derselben Farbe. Bald werden dort hellgrüne Knospen erscheinen. Lieber daran denken als an jetzt oder damals. Bei der Beerdigung sollte jeder eine Erinnerung von Lennox auf eine Karte schreiben und sie dann an den Baum hängen. Doch wenn sie das getan hätte, wäre sie zusammengebrochen. Also schrieb sie stattdessen etwas anderes auf. Drei Worte: »Bitte komm zurück.«

»Darf ich mich zu dir setzen?« Lucy ist in den Garten gekommen, die schlummernde Louisa im Arm.

»Natürlich.«

»Ich will dich nicht stören, aber es war ein bisschen stickig da drin. Und laut.« Sie stützt Louisas Lockenkopf an ihrer Schulter, während sie vorsichtig auf der Bank Platz nimmt.

Ailsa nimmt die Hand vom Baumstamm und legt sie zurück in den Schoß. Sie kommt sich vor, als wäre sie bei etwas sehr Privatem ertappt worden. Mit Lennox zusammen war es leicht gewesen, dem Tod nah zu sein. Bei anderen Leuten weiß sie nie, ob sie ihnen vielleicht zu nah tritt.

»Du hast ihm alles bedeutet«, sagt Lucy mit leiser, trauriger Stimme. »Wie geht es dir?«

Ailsa schluckt. »Ich fühle mich …«, setzt sie an, doch mehr bringt sie nicht heraus. Fast hätte sie »verloren« gesagt; das ist ihr als Erstes eingefallen. Aber sie kann unmöglich sagen, dass sie sich verloren fühlt, wenn sie lebt und es ihr gut geht und sie zudem neben einer Schwester sitzt, die ihren wunderbaren, klugen jüngeren Bruder verloren hat, von dem jetzt nur noch ein Apfelbaum übrig ist, an dem Karten mit Erinnerungen hängen, die sich langsam in ihre Bestandteile auflösen. Eigentlich sollte sie überhaupt nicht hier sein, weder in diesem Garten noch woanders. Jemand anders hätte Apple bekommen sollen; jemand, der es mehr verdient hätte. Wenn sie als Erste gestorben wäre, hätte das Schicksal es sich vielleicht anders überlegt und Lennox dafür leben lassen. Aber das kann sie Louisa nicht sagen. Stattdessen sagt sie: »Er hat mir auch alles bedeutet.«

Die Februarkälte und die zunehmende Dunkelheit treiben sie schließlich wieder ins Haus, und Ailsa wird von Craig, einem der Intensivpfleger, der Lennox in seinen letzten Tagen begleitet hat, in ein Gespräch verwickelt. Schon bald leistet Suze ihnen Gesellschaft, eine alte Freundin der Douglas-Familie. Craig fragt, wie Lennox war, bevor er krank wurde, und Suze und Ailsa wechseln sich mit Anekdoten ab, die sie alle zum Lachen bringen. Suze’ Erinnerungen gehen sogar noch weiter zurück als Ailsas. Sie erzählt, dass Lennox als Zehnjähriger einmal mit einem Hund nach Hause kam, den er vor einem Geschäft losgebunden hatte; er behauptete, der Besitzer hätte ihm das Tier geschenkt. Sie erzählt von den Schwimmwettkämpfen, die er gewann, und wie er seine Eltern zur Verzweiflung trieb, weil er nie still sitzen konnte, um seine Hausaufgaben zu machen. Ailsas Erzählungen beginnen erst, als sie sich mit sechzehn bei einem Ferienprojekt für benachteiligte Kinder trafen. Lennox leitete eine Spielgruppe, Ailsa machte bei der Hausaufgabenbetreuung mit. Es funkte zwischen ihnen, sie lernten sich kennen, und als das Projekt nach ein paar Wochen endete, gingen sie Händchen haltend zur Bushaltestelle. Aber den Teil erzählt sie Craig und Suze nicht. Den behält sie für sich.

Und dann fühlt sie sich plötzlich erschöpft. Sie ist dankbar dafür, dass Craig so einfühlsam und freundlich versucht hat, sie und Suze von diesem Verlust, der noch immer unfassbar ist, abzulenken. Trotzdem entschuldigt sie sich und macht sich auf die Suche nach ihrer Mutter. Hayley unterhält sich gerade mit Dennis. Als Ailsa näher kommt, schnappt sie das Wort »Betablocker« auf und muss unwillkürlich lächeln. Hayley ist Apothekerin, und jeder, der das weiß, bombardiert sie unweigerlich mit Fragen zu Medikamenten. Ailsa tauscht einen Blick mit ihr aus und zupft sich am linken Ohrläppchen – das alte Signal für »Mir reicht’s«, das sich schon oft bewährt hat, wenn sie im Krankenhaus Besuch bekam, aber auch sonst. Hayley nickt und unterbricht Dennis bei seinem Monolog: »Eigentlich vertragen sich diese beiden Medikamente gut, also vermute ich, dass deine Verdauungsprobleme eine andere Ursache haben, aber rede besser mit deinem Hausarzt, Dennis, okay?«

Sie beginnen, sich zu verabschieden. Ruthie will sich bald mit Hayley treffen, damit sie »aus dem Haus kommt«. Libby sagt, dass sie sich demnächst noch meldet, weil die Familie eine Spendenaktion in Lennox’ Namen plant, und Ailsa bietet ihre Hilfe an. Das geplante Wiedersehen mit Lennox’ Familie macht es leichter, zu gehen.

Als sie gerade in den Flur wollen, ruft Ruthie: »Oh, eine Sache noch, bevor ihr geht! Erinnert ihr euch noch an die Stoffmuster, die ich euch in der Klinik gezeigt habe? Ich wollte euch nur sagen, dass ich euren Rat beherzigt habe. Ailsa, hattest du nicht gemeint, das blaue wäre zu dunkel und das graue mit dem Silberstreifen würde zu allem passen?«

»Ja, ich glaube schon«, sagt Ailsa, obwohl sie es nicht mehr weiß. Sie erinnert sich nur an lange Nachmittage, an denen sie immer wieder eindöste, und daran, dass Ruthie ihrer Mutter oft Gesellschaft leistete und sie irgendwann völlig verzweifelt über Gardinen redeten – als könnten sie dem Schicksal dadurch Einhalt gebieten. So verdrängten sie ihre Ohnmacht; Lennox war tot, und sie lag im Sterben.

Ruthie führt sie und Hayley einen Korridor entlang und öffnet die letzte Tür auf der linken Seite. Sie kommen in ein Arbeitszimmer; ein Schreibtisch steht dort, dahinter ein Stuhl. Ach, da liegt ja der Teppich, auf dem Ailsa einmal Sex mit Lennox hatte, als sie eigentlich für ihre Abiprüfung lernen sollten. Libby war gerade zu einer Freundin gegangen, und Lennox meinte, sie hätten zehn Minuten, bevor seine Mum nach Hause käme. Konzentrier dich auf die Gardinen, Ailsa.

»Schön«, sagt Hayley. »Die sind wirklich hübsch, oder?«

Ailsa nickt, obwohl sie ihr nicht gefallen. Sie mag lieber die Bambusrollos bei ihnen zu Hause, die an den Kanten schon etwas lädiert sind; die Schnur zum Rauf-und-runter-Ziehen ist inzwischen an so vielen Stellen verknotet, dass sie wie eine Perlenkette aussieht.

Dieses Haus fühlt sich düster und still an. Ailsa will nach draußen an die frische Luft. Hayley nimmt sie am Arm.

»Also dann …«, sagt sie.

»Moment noch«, sagt Ruthie, geht zurück in den Flur und bedeutet ihnen, ihr zu folgen. Hayley schaut Ailsa fragend an. Ailsa zuckt mit den Schultern, und sie gehen Ruthie hinterher.

Ruthie öffnet eine weitere Tür, und sie treten ein. Ruthie sagt: »Ich dachte, ihr möchtet vielleicht gern Lennox’ Zimmer sehen.«

Zum Glück ist es kein Schrein. Als Lennox mit seiner Familie von Tollcross nach Portobello in dieses Haus zog, war er schon neunzehn. Er hat eigentlich nie richtig in dem Zimmer gewohnt, nur in den Semesterferien.

Das Zimmer sieht schlicht und ordentlich aus. Das Bett ist dunkelblau bezogen, die Vorhänge haben dieselbe Farbe, die Wände sind weiß; es gibt einen Kleiderschrank, eine Eichenkommode und einen weißen Schreibtisch mit einem schwarzen Drehstuhl, der ordentlich an den Tisch geschoben ist. Der Schrank stand schon in seinem Zimmer in Tollcross, aber die übrigen Möbel kennt Ailsa nicht. Sie will nicht wissen, was in dem Kleiderschrank ist; vielleicht Lennox’ gebügelte Hemden, oder ein Sammelsurium aus alten Brettspielen und Fotoalben, oder gar nichts.

Über dem Schreibtisch hängt eine Pinnwand mit Ticketschnipseln (von Rugby-, Cricket- und Fußballspielen), Boardingpässen, Eintrittskarten für Museen und buddhistische Tempel, Postkarten und Streckenplänen. Ein Puzzle von Lennox’ Leben nach dem Studium, als er durch die Welt reiste, bevor er schließlich Lehrer wurde und in den Schulferien Pilgerfahrten zu diversen Sportevents unternahm. Auf einem Regal daneben stehen gerahmte Fotografien. Eine Aufnahme zeigt ihn bei seiner Absolventenfeier, eine andere, als er vor zwei Jahren Libby besuchte; die Fotos wirken, als wären sie in derselben Woche entstanden, er sieht auf beiden gleich aus, breitschultrig, lächelnd.

Bei seinem Anblick wird Ailsa qualvoll bewusst, wie sehr sie ihn vermisst. Jede Faser ihres Körpers zieht sich zusammen, als wollte sie sich zu einer Faust ballen.

Auf Lucys Hochzeit blinzelt er sonnengebräunt und mit Bart in die Kamera. Er war dafür extra aus Thailand gekommen. Das vierte Bild ist das kleinste und zugleich das traurigste, ein Schnappschuss: Es zeigt ihn, wie er mit hochgereckten Armen und halb lächelnder, halb schmerzverzogener Miene über die Zielgerade des einzigen Marathons lief, an dem er je teilnahm, 2015 in London. Er schaffte ihn in vier Stunden und zwanzig Minuten, aber er brauchte ungewöhnlich lange, um sich davon zu erholen; das erste Anzeichen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.

Ailsa hat keine Ahnung, was sie jetzt machen soll oder was von ihr erwartet wird. Sie will Ruthie nicht ansehen; vielleicht weint sie oder spekuliert darauf, dass Ailsa in Tränen ausbricht. Und sie steht wirklich kurz davor, loszuheulen und nie wieder aufzuhören. Sie spürt, wie Hayley ihr die Hand auf den Rücken legt.

Sie schließt die Augen und holt tief Luft.

Merkwürdig. Apple kannte Lennox gar nicht, aber trotzdem weiß sie an diesem Nachmittag genau, wie sie sich vor Trauer um ihn zusammenziehen muss, sodass es sich anfühlt, als würde sie zerreißen.

Und plötzlich, wie aus dem Nichts, steigt Ailsa der Duft von Lennox’ Aftershave in die Nase; es hieß Driftwood, Treibholz. Er bekam es erstmals an seinem achtzehnten Geburtstag von seinen Schwestern geschenkt. Er sagte immer, egal, wo in der Welt er sich gerade befand, es erinnerte ihn jederzeit an zu Hause. Es gäbe ihm ein Gefühl von Verbundenheit. Und als Ailsa den Duft von Salbei, Patschuli und Mandarine einatmet, spürt sie es auch. Verbundenheit.

Sie hatte den Duft gar nicht bemerkt, als sie ins Zimmer kam. Wie kann es überhaupt sein, dass er hier ist? Der Rest des Hauses riecht nach geschmackvollem Raumerfrischer und Ruthies Parfüm; ein melancholischer Duft, Jasmin und Walderde. Eigentlich kann es unmöglich nach Driftwood riechen. Und dennoch hüllt der Duft von Lennox’ Aftershave sie ein.

»Ich glaube, wir müssen jetzt wirklich los«, sagt Hayley. »Das ist alles ein bisschen viel für Ailsa. Aber trotzdem danke.« Sie berührt ihre Tochter am Arm. Ailsa öffnet die Augen, und der Duft verschwindet.

Ruthie sitzt auf dem Bett. »Ich bleibe noch ein Weilchen hier, wenn es für euch okay ist«, sagt sie leise.

»Natürlich«, sagte Hayley.

»Soll ich Dennis hochschicken?«, fragt Ailsa. Sie legt ihre Hand auf Ruthies Schulter, ganz behutsam, denn sie will sie nicht erschrecken, falls sie auch gerade das Aftershave ihres Sohnes in der Nase hat.

Doch Ruthie schüttelt kaum merklich den Kopf, und Hayley und Ailsa gehen leise hinaus, ziehen die Zimmertür hinter sich zu und schleichen aus dem Haus, als hätten sie Angst, ein schlafendes Kind zu wecken. Schweigend gehen sie durch den Vorgarten und dann die Straße entlang, bis hinter die nächste Kurve, wo das Haus nicht mehr zu sehen ist. Erst dort bleibt Hayley stehen, streckt die Arme aus, und Ailsa lässt sich von ihr umarmen, klammert sich geradezu an sie. Sie braucht eine Weile, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hat und bereit ist, loszulassen.

»Verdammt, tut mir leid, Ailsa. Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen«, sagt Hayley. Sie ist selbst kreidebleich.

»Das war wirklich etwas zu viel«, sagt Ailsa. Sie wollte sich heute an Lennox erinnern, der Tag sollte auf keinen Fall so vergehen, als hätte Lennox ihr nichts bedeutet. Aber das heißt trotzdem nicht, dass sie das Schlafzimmer, die Fotos und diesen geisterhaften Duft wollte, den sie sich offenbar eingebildet hat.

»Das kann man wohl sagen«, erwidert Hayley.

»Sie wollte bloß nett sein«, sagt Ailsa.

»Klar. Was könnte netter sein, als zu sagen: Hey, lasst uns mal eben fünf Minuten im Zimmer meines toten Sohnes chillen.« Kurze Stille, während sie sich weiter an den Händen halten. Dann lachen sie beide los, aber es klingt freudlos, wie Gebell.

Und dann hören sie wieder auf zu lachen, und es ist dunkel und kalt.

»Ich könnte jetzt ’nen Drink vertragen«, sagt Hayley. »Wie wär’s? Bevor wir heimfahren? Ich hatte eben nur Tee. Ich brauch dringend was Stärkeres.«

»Gute Idee, Mum.« Es ist erst halb sechs, aber es kommt ihr viel später vor.

Hayley zündet sich eine Zigarette an, nimmt einen tiefen Zug und stößt eine große Rauchwolke aus. Ailsa tritt ein Stückchen beiseite, weil sie noch den Duft von Lennox’ Aftershave in der Nase hat und nicht will, dass er weggeht. Aber da kommt eine frische Meeresbrise und vertreibt auch den letzten Hauch Driftwood. Früher hat Ailsa oft blumige Düfte getragen; ihre Tante Tamsin fand, dass sie wie ein wandelnder Frühlingsstrauß roch, aber nun, da sie die Krankenhausgerüche und das Krankheitsaroma, das von ihr selbst auszugehen schien, nicht mehr zu überdecken braucht, verzichtet sie lieber auf Parfüm.

Hayley raucht zwei Zigaretten, während sie schweigend die Straße hinuntergehen. Sie raucht zwar nicht Kette, aber fast. Als sie die Portobello High Street erreichen, laufen sie wortlos weiter, bis sie auf einen Pub stoßen.

Sie gehen rein, und Hayley steuert geradewegs zur Bar. »Hast du vorhin schon was getrunken?«, fragt sie.

»Nur Limonade.«

»Gut«, sagte Hayley und wendet sich dem Barkeeper zu. »Eine Flasche Pinot Grigio, bitte. Dazu zwei Gläser und zwei Packungen normale Chips, nichts Exotisches.«

Der Barkeeper nickt, als wäre er solche Bestellungen gewohnt. »Nehmen Sie Platz. Ich bring es Ihnen rüber.«

»Danke.«