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Merkwürdig - was mag ein Prinz von ihrer Großmutter wollen? Sarah Loschek ist mindestens so nervös wie ihre geliebte Oma Meta, als Adrian Prinz von Lichtenfeld sie beide um ein Treffen bittet. Der junge Mann betreibt mit Leidenschaft Ahnenforschung und hofft, endlich mehr über das geheimnisvolle Gemälde der grünen Dame zu erfahren - ein bisher ungelöstes Familienrätsel. Adrian glaubt sich auf der richtigen Spur, da Meta vor vielen Jahren eine Zeit lang auf dem Schloss lebte.
Als Sarah den Prinzen zum ersten Mal sieht, ist es um sie geschehen - sie kann nicht anders, ihr Herz fliegt ihm zu. Doch je näher sie Adrian kommt, je tiefer sie gemeinsam in die Geschichte ihrer Familien eintauchen, desto gefährlicher wird ihre Suche ...
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Seitenzahl: 108
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Spuren der Vergangenheit
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4660-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Spuren der Vergangenheit
Als Sarah das dunkle Geheimnis einer Fürstenfamilie aufdeckte
Von Clarissa von Lausitz
Merkwürdig – was mag ein Prinz von ihrer Großmutter wollen? Sarah Loschek ist mindestens so nervös wie ihre geliebte Oma Meta, als Adrian Prinz von Lichtenfeld sie beide um ein Treffen bittet. Der junge Mann betreibt mit Leidenschaft Ahnenforschung und hofft, endlich mehr über das geheimnisvolle Gemälde der grünen Dame zu erfahren – ein bisher ungelöstes Familienrätsel. Adrian glaubt sich auf der richtigen Spur, da Meta vor vielen Jahren eine Zeit lang auf dem Schloss lebte.
Als Sarah den Prinzen zum ersten Mal sieht, ist es um sie geschehen – sie kann nicht anders, ihr Herz fliegt ihm zu. Doch je näher sie Adrian kommt, je tiefer sie gemeinsam in die Geschichte ihrer Familien eintauchen, desto gefährlicher wird ihre Suche …
»Jetzt, meine Damen und Herren, kommen wir zu dem Teil der Führung, auf den die meisten von Ihnen gewiss schon gewartet haben.«
Die kräftige Stimme des Gästeführers war bereits im Musikzimmer von Schloss Lichtenfeld zu hören, obwohl sich der Mann und seine heutige Besuchergruppe noch am Anfang des langen Flures im Haupttrakt des Gebäudes befanden. Dennoch zog sich Adrian Prinz von Lichtenfeld in den kleinen Nebenraum an der Westseite des Raumes zurück.
Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis die Touristen ins Musikzimmer strömten, und Adrian hatte keine Lust, sich ihren Blicken zu stellen. Als Angehöriger der Fürstenfamilie von Lichtenfeld wurde er häufig so neugierig gemustert und mitunter sogar fotografiert, als sei er ebenfalls eines der Ausstellungsstücke im Schloss. Was der große, schlaksige junge Prinz nicht ausstehen konnte – abgesehen davon, dass Adrian generell ungern im Mittelpunkt des Interesses stand.
Vorsichtig zog Adrian die Tapetentür hinter sich zu – und richtig: Kurz darauf hörte er das ehrfürchtige Raunen von mindestens zehn Besuchern, die das Musikzimmer betraten, dazu das Knarren des jahrhundertealten Eichenparketts und das Klicken der Fotoapparate.
»Hier sehen Sie die grüne Dame.«
Adrian konnte den Gästeführer mühelos verstehen. Die Tür zum Nebenraum war zwar mit dem gleichen beige-goldfarbenen Seidendamast bespannt wie die Wände des Musikzimmers und deshalb nahezu unsichtbar – doch sie bestand nur aus dünnem Holz und bot keinerlei Schallschutz.
»Edward Krak schuf dieses Bild im Jahr 1878«, fuhr der Gästeführer fort, », und zwar hier auf Schloss Lichtenfeld, wo ihm Fürst Hermann Unterschlupf gewährt hatte.«
Der Mann machte eine effektvolle Pause. Adrian wusste, was jetzt folgen würde.
»Wobei ›Unterschlupf‹ natürlich nicht die korrekte Formulierung ist«, ging es weiter. Einige Besucher lachten leise.
»Krak, damals noch ein mittelloser Künstler, genoss auf dem Schloss ein überaus komfortables Leben«, erklärte der Gästeführer. »Denn wenn er auch nicht mehr gänzlich unbekannt war, so hatte er es doch auch noch nicht zu Weltruhm gebracht. Und als Gegenleistung für Kost und Logis, sozusagen, malte Krak für den Fürsten mehrere Bilder.«
Adrian trat ans Fenster und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Sein Blick schweifte über den Park, der sich in üppigem Grün vor ihm erstreckte. Die Stimme aus dem Musikzimmer wurde leise. Adrian seufzte.
Vorträge wie diesen hatte er bereits hundertfach gehört. Schloss Lichtenfeld war in den 1950er-Jahren zum Museum umgewandelt und seither beständig für die stetig wachsenden Besucherscharen ausgebaut worden.
Das Erbe von Adrians Ururgroßvater, des Fürsten Hermann von Lichtenfeld-Murnau, schien unerschöpflich: Als Abenteurer und Weltreisender, Schriftsteller, Forscher und Landschaftsarchitekt hatte Fürst Hermann einen wahren Historienschatz hinterlassen. Kostbare Möbel und Gemälde, Reiseberichte und politische Abhandlungen, Mitbringsel aus aller Welt und Tausende von Büchern – es schien nichts zu geben, was er nicht gesammelt hatte. Ganz zu schweigen von Schloss Lichtenfeld selbst mit seiner überwältigenden, fünfzig Hektar großen Parkanlage nach englischem Vorbild, die der Fürst höchstpersönlich entworfen hatte.
Adrian fuhr sich mit einer Hand durch sein braunes, leicht gewelltes Haar, das ihn zusammen mit seinem schmalen, intelligenten Gesicht und den wachen, hellblauen Augen wie den Prototypen des intellektuellen Adligen wirken ließ. Was Adrian im Grunde auch war: Nachdenklich und zurückhaltend, ernsthaft und konzentriert war er viel mehr ein Büchernarr als ein Abenteurer wie sein berühmter Vorfahr.
»Modell gesessen hat für die grüne Dame vermutlich die Schwester des Fürsten, Charlotte Sophie von Lichtenfeld«, drang jetzt wieder die Stimme des Gästeführers zu Adrian vor. »Sie ist leider sehr jung verstorben. Aber ihr Bildnis dürfte mittlerweile viele Millionen Euro wert sein, theoretisch. Denn praktisch ist es natürlich unverkäuflich – Sie können Ihre Kreditkarten also stecken lassen.«
Die Besucher lachten wieder erwartungsgemäß. Erneut setzte das Knarren des Eichenparketts ein, ein Zeichen dafür, dass sich die Gruppe dem nächsten Raum zuwenden würde. Adrian wartete noch eine Minute, dann öffnete er die Tapetentür.
Langsam trat er zu dem Gemälde, das die Besucher so faszinierte und in dessen Betrachtung Adrian selbst ebenfalls so häufig versank. Das Bild war in zarten Ölfarben gemalt und von einem handgeschnitzten, vergoldeten Holzrahmen umgeben. Es zeigte eine junge, schmale Frau in einem hellgrünen Kleid vor einem ebenfalls grünen, aber dunkler gehaltenen und unbestimmten Hintergrund.
Auf ihrem rechten Arm ruhten langstielige, blassrote Rosen, die das Dekolleté des Kleides verbargen. Blassrot schimmerten auch die Lippen der grünen Dame, blass war auch ihr makelloser Teint. Ihre hellblonden Haare waren zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur drapiert worden, und mit ihren großen, hellblauen Augen schien sie ihrem Gegenüber direkt in die Seele zu blicken.
Adrian hatte schon als kleiner Junge regelmäßig vor diesem Bild gestanden, sich aber niemals daran sattgesehen. Ein wenig erinnerte ihn die grüne Dame an seine jüngere Schwester Isabelle – das aber erklärte nach Adrians Einschätzung nicht die Faszination, die das Gemälde auf ihn ausübte. Gewiss, es war das berühmteste und wertvollste Bild der gesamten Sammlung von Schloss Lichtenfeld, die an berühmten Werken des Klassizismus und der Romantik, des Impressionismus und des Realismus nicht gerade arm war.
Die grüne Dame aber war das einzige Frauen-Porträt Edward Kraks, für dessen übrige Werke bei Auktionen tatsächlich viele Millionen Euro geboten wurden. Für Schloss Lichtenfeld war die grüne Dame das, was die »Mona Lisa« für den Pariser Louvre war – so hatte es Adrians Onkel, Konrad Graf von Lichtenfeld, jedenfalls einmal formuliert.
Adrian schüttelte unwillkürlich den Kopf und riss sich vom Anblick der jungen Frau aus der Vergangenheit los. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr. Oh je! Er hatte offenbar völlig die Zeit vergessen. Eigentlich hatte er seit einer halben Stunde an seinem Schreibtisch sitzen wollen, der sich im Arbeitszimmer von Adrians Einliegerwohnung im Ostflügel des Schlosses befand.
Die gesamte Fürstenfamilie war damals, als das Schloss zum Museum umgewandelt wurde, in diesen Teil der Anlage gezogen. Dort genossen die von Lichtenfelds seither die Annehmlichkeiten modernen Wohnkomforts hinter barocken Fassaden – was Adrian zu schätzen wusste.
Denn so prächtig das Hauptgebäude mit seinen Zimmerfluchten auch war, Adrian hätte sich nicht mit den schlecht beheizbaren Zimmern, den altertümlichen sanitären Einrichtungen und vor allem den fehlenden elektrischen Anschlüssen herumschlagen wollen.
Ein Nachteil seines Wohnsitzes war jedoch, dass seine Eltern, Fürst Otto und Fürstin Viktoria, quasi jederzeit Zugriff auf ihn hatten. Adrian hatte sich bereit erklärt, nach seinem Studium der Betriebswirtschaft in die Verwaltung von Museum und Schloss, zu dem auch ein Café und ein kleiner Souvenir-Shop gehörten, mit einzusteigen.
Allerdings hoffte er darauf, auf diese Weise in Ruhe seinen Studien über seinen Vorfahren nachgehen zu können. Denn Adrian interessierte sich weniger fürs Geldverdienen als vielmehr für die Geschichte des Fürsten Hermann von Lichtenfeld-Murnau. Er war fest entschlossen, noch in diesem Jahr das Manuskript zu seinem ersten Buch über den Abenteurer fertigzustellen. Und diesem Band sollten weitere folgen.
Leider schien der Rest der Fürstenfamilie aber in Adrian den erfolgreichen Geschäftsmann von morgen zu sehen. Historische Forschung und das Schreiben von Geschichtsbüchern waren in diesem Konzept höchstens am Rande vorgesehen, und so versuchte Adrian, seinen Ambitionen möglichst diskret nachzugehen, um seine Familie nicht zu enttäuschen.
Mit langen Schritten durchquerte der Prinz von Lichtenfeld das Musikzimmer. An der Tür drehte er sich noch einmal um. Die grüne Dame schien ihm hinterherzublicken. Adrian nickte ihr unwillkürlich zu und wünschte sich zum vermutlich tausendsten Mal, dass sie ihm endlich ihr Geheimnis verraten würde.
***
Nur ein leises »Tock« war zu hören, als der betagte, quietschgelbe Kleinwagen leicht gegen die hinter ihm stehende Limousine stieß. Dann rollte er wieder einige Zentimeter nach vorn, bis im Innenraum ein Krachen davon zeugte, dass eine ebenfalls betagte Handbremse angezogen wurde. Die Fahrertür flog auf, und aus dem kleinen Auto sprang eine große, sportliche junge Frau. Ihr Gesicht war errötet. Mit einer ungeduldigen Geste riss sie an ihrem Zopfband, bis es sich löste und ein Schwall langer, dichter, honigblonder Haare über ihre Schultern fiel.
»Besser geht es eben nicht«, murmelte Sarah Loschek vor sich hin, während sie die winzige Parklücke betrachtete, in die sie ihr Gefährt regelrecht gequetscht hatte. »Französisch eingeparkt nennt man das wohl.«
Sie beugte sich in ihren Wagen und holte eine gewaltige Tasche und ihren Fotoapparat heraus. Letzteren ließ sie nie im Auto, die digitale Spiegelreflexkamera war ihr wertvollstes Werkzeug in ihrem Beruf als Lokalreporterin. Würde die Kamera gestohlen, wäre Sarah aufgeschmissen, denn eine angemessene Versicherung konnte sie sich nicht leisten.
Sarah warf einen Blick auf ihre Uhr. Ihre klaren, grauen Augen weiteten sich einen Moment lang vor Schreck.
»Jetzt aber schnell«, sagte sie zu sich selbst und eilte mit großen Schritten die Altstadtstraße hinunter.
Mit ihren langen, ihrer Körpergröße von 1,75 Metern entsprechenden Beinen legte Sarah den Weg zur Wohnung ihrer Großmutter binnen weniger Minuten zurück. Ihre Haare flogen hinter ihr her, ihre zarten Sommersprossen schienen zu leuchten. Es gab an diesem Sommertag keinen Mann, der der bildhübschen Frau im bunt gemusterten Kleid nicht hinterherschaute.
Doch dafür hatte Sarah keinen Sinn. Sie war mit ihrer Großmutter Meta Loschek zum Mittagessen verabredet, und sie wollte Meta auf keinen Fall warten lassen. Eine Stunde hatte Sarah heute Zeit, danach musste sie noch zwei Termine abarbeiten: die Einweihung eines neuen Cafés in der Altstadt und eine Scheckübergabe in der Kreissparkasse. Beide Artikel mussten – natürlich mit Fotos – aktuell ins Blatt, sodass auch heute an einen frühen Feierabend nicht zu denken war.
Sarah seufzte. Das war nicht der aufregende Journalismus, von dem sie als Schülerin geträumt hatte. Das war die banale Realität, durch die sie sich beißen musste. Wenn sie doch wenigstens etwas mehr verdienen würde.
»Reiß dich zusammen.«
Sarah schüttelte den Kopf. Jetzt wäre sie doch tatsächlich beinahe in Selbstmitleid verfallen. Dabei gab es dafür keinen Grund. Es ging ihr gut, im Grund mochte sie ihren Job, und Meta war gesund – das war die Hauptsache.
Sarah stoppte vor einem kleinen, mit roten Ziegeln verklinkerten Mehrfamilienhaus, zog ihren Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und sprang die Stufen in den zweiten Stock hinauf.
»Kind, hetz dich doch nicht so, lass dir Zeit.«
Meta stand schon in der Wohnungstür und strahlte über ihr ganzes herzförmiges, von Falten durchzogenes Gesicht.
»Ich wollte pünktlich sein«, erwiderte Sarah und umarmte ihre Großmutter.
Dabei musste sie sich weit hinunterbeugen, denn die eher rundliche Meta Loschek war gut zwanzig Zentimeter kleiner als ihre Enkelin.
»Auf ein paar Minuten kommt es doch nicht an«, sagte Meta und ging vor Sarah den Flur entlang.
Wie stets achtete Sarah genau auf den Gang der Zweiundachtzigjährigen: Trat Meta immer noch sicher auf? Hielt sie sich gerade oder schwankte sie womöglich, sodass zu befürchten war, dass sie stürzen könnte?
Alles okay, dachte Sarah erleichtert.
»Ich habe schon gedeckt, setz dich«, sagte Meta und wandte sich dem Herd zu. Sarah ließ sich an dem Tischchen nieder, an dem maximal zwei Leute Platz fanden und das dennoch nur gerade so in die beengte Küche passte.
»Was gibt es denn?«
Sarah breitete eine Papierserviette auf ihren Beinen aus. Die Loscheks mochten keine Reichtümer besitzen, aber auf gutes Benehmen bei Tisch legten sie dennoch Wert.
»Gemüsesuppe, mit ordentlicher Fleischeinlage.«
Meta strahlte und füllte die Suppe mit einer großen Kelle auf.
»Mensch, Oma. Gemüsesuppe, bei der Hitze.« Sarah zog die Augenbrauen hoch.
»Du musst doch bei Kräften bleiben, wo du einen so anstrengenden Beruf hast.« Meta setzte sich ebenfalls und nahm ihren Löffel.
»Greif zu, Kind«, erklärte sie dann ungerührt. »Guten Appetit.«
»Wünsche ich auch.«
Sarah begann ihre Suppe zu löffeln. Sie passte zwar nicht ganz zum herrlichen Juliwetter, aber sie schmeckte dennoch köstlich. So, wie Metas Suppe immer geschmeckt hatte, seit Sarah denken konnte. Ob diese Suppe auch das Erste gewesen war, das Meta ihrer Enkelin damals gekocht hatte, als Sarah als verstörte, tieftraurige Vierjährige zu ihrer Großmutter gebracht worden war?
Es war über zwanzig Jahre her, dass Sarahs Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Sarah erinnerte sich kaum an ihre Mutter und ihren Vater, Metas einzigen Sohn. Und sie erinnerte sich überhaupt nicht an ihre ersten Jahre in der Obhut ihrer Großmutter.