Sag mir die Wahrheit, Donata! - Aenne Bodmann - E-Book

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Aenne Bodmann

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Sie waren in der Umgebung ein Begriff, die Frauen von Schloss Wetterstein. Jeder kannte sie, jeder verband ihren Namen sofort mit dem alten Schloss. Niemand wusste genau, wie alt sie waren. Es schien den Leuten, als seien sie schon immer da gewesen, die drei Freiinnen von Wetterstein, Ernestine, Walburga und Brunhilde. Die Schwestern glichen einander sehr. Sie alle hatten das gleiche herbe verschlossene Gesicht, den schmalen Mund und den hochmütigen Blick in den Augen. Alle trugen sie das dunkle Haar straff nach hinten gekämmt. Freilich, jetzt schimmerten darin schon weiße Haare, von Jahr zu Jahr mehr. Das war wohl auch der einzige Tribut, den sie an die Zeit zollen mussten. Ihr Leben verlief gleichmäßig ohne Aufregungen und Erlebnisse seit eh und je. Nachmittags nach dem Tee pflegten sich die drei Damen im Turmzimmer zu treffen, das eine herrliche Aussicht besaß. Ernestine, mit 55 die Älteste von ihnen, legte dann ihre Patience. Walburga, 54, arbeitete an irgendeiner feinen Handarbeit, während Brunhilde, 53, ihren Schwestern von der eingegangenen Post berichtete. »Es ist so weit«, verkündete sie eines Nachmittags, »sie hat das Abitur bestanden und kommt heim!« Dabei schwenkte sie einen hellblauen Brief in der Hand. Ernestine und Walburga wussten sofort, wer gemeint war: Donata von Wetterstein, ihre einzige Nichte, Tochter ihres Bruders, der mitsamt seiner schönen jungen Frau auf tragische Weise früh durch einen Autounfall ums Leben gekommen war. Wohl oder übel hatte man sich um die Erziehung dieser Nichte kümmern müssen, eine Aufgabe, die den drei Frauen eine erhebliche Last war. Sobald es ging, hatte man das Kind in einem exklusiven Internat untergebracht. Schon die Ferien, die Donata auf Schloss Wetterstein verbrachte, schienen den Tanten eine Qual zu sein.

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Fürstenkrone – 225 –

Sag mir die Wahrheit, Donata!

Treibt sie nur ein Spiel mit Hannes?

Aenne Bodmann

Sie waren in der Umgebung ein Begriff, die Frauen von Schloss Wetterstein. Jeder kannte sie, jeder verband ihren Namen sofort mit dem alten Schloss. Niemand wusste genau, wie alt sie waren. Es schien den Leuten, als seien sie schon immer da gewesen, die drei Freiinnen von Wetterstein, Ernestine, Walburga und Brunhilde.

Die Schwestern glichen einander sehr. Sie alle hatten das gleiche herbe verschlossene Gesicht, den schmalen Mund und den hochmütigen Blick in den Augen. Alle trugen sie das dunkle Haar straff nach hinten gekämmt. Freilich, jetzt schimmerten darin schon weiße Haare, von Jahr zu Jahr mehr. Das war wohl auch der einzige Tribut, den sie an die Zeit zollen mussten. Ihr Leben verlief gleichmäßig ohne Aufregungen und Erlebnisse seit eh und je.

Nachmittags nach dem Tee pflegten sich die drei Damen im Turmzimmer zu treffen, das eine herrliche Aussicht besaß. Ernestine, mit 55 die Älteste von ihnen, legte dann ihre Patience. Walburga, 54, arbeitete an irgendeiner feinen Handarbeit, während Brunhilde, 53, ihren Schwestern von der eingegangenen Post berichtete.

»Es ist so weit«, verkündete sie eines Nachmittags, »sie hat das Abitur bestanden und kommt heim!« Dabei schwenkte sie einen hellblauen Brief in der Hand.

Ernestine und Walburga wussten sofort, wer gemeint war: Donata von Wetterstein, ihre einzige Nichte, Tochter ihres Bruders, der mitsamt seiner schönen jungen Frau auf tragische Weise früh durch einen Autounfall ums Leben gekommen war.

Wohl oder übel hatte man sich um die Erziehung dieser Nichte kümmern müssen, eine Aufgabe, die den drei Frauen eine erhebliche Last war. Sobald es ging, hatte man das Kind in einem exklusiven Internat untergebracht. Schon die Ferien, die Donata auf Schloss Wetterstein verbrachte, schienen den Tanten eine Qual zu sein. Sie fühlten sich jedes Mal in ihrer Ruhe und ihrem gewohnten Tagesablauf gestört. Die Ferien waren zum Glück nur immer von kurzer Dauer. Doch nun?

»Unser ruhiges Leben wird vorbei sein, fürchte ich«, seufzte Ernestine.

»Ein junges Mädchen heutzutage behüten und führen … Ich glaube, das geht über unsere Kräfte«, meinte Walburga.

»Sie wird sich einfügen müssen«, sagte Brunhilde. »Wir haben immerhin mehr als ein halbes Jahrhundert hier in unserem Schloss verbracht. Donata war immer nur kurze Zeit da …, sie ist jung …, sie wird sich nach uns Älteren richten müssen.«

»Da wäre ich nicht so sicher. Wenn ich daran denke, was alles auf uns zukommt, dann könnte ich verzagt werden«, stöhnte Ernestine. »Hausbälle, Partys, Gartenfeste, schließlich Verlobung und Hochzeit, wobei man noch von Glück sagen muss, wenn sie den Richtigen findet …«

»Sie ist sehr hübsch, leider«, meinte Walburga.

»Das ist eine große Gefahr!«, bestätigte Brunhilde. »Die jungen Leute umschwärmen sie wie die Motten das Licht. Wie soll ein junger Mensch, lebensunerfahren wie sie ist, herausfinden, wer der wertvollste Partner ist?«

»Zum Glück hat sie ja uns. Wir werden ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen.«

»Ob sie aber auf uns hört?«

»Sie ist so selbstständig!«

»Ich würde es selbstbewusst nennen!«

»Und bei allem: Mit 21 wird Donata hier die Schlossherrin. Nicht wir sind dann noch ausschlaggebend, sondern sie. Sie allein bestimmt dann, was auf dem Gut und im Schloss geschieht.«

»Wir haben ja lebenslängliches Wohnrecht im Schloss, vergiss das nicht«, sagte Ernestine würdevoll.

»Sicher, Vaters Testament sah es so vor. Donata wird daran nichts ändern können und wollen. Nur …, es ist ein Unterschied, ob man Herr im Haus ist oder nur geduldet wird.«

»Wir werden uns mit ihr gut stellen müssen«, meinte Walburga mit saurer Miene.

»Die schwierigste Frage, die wir lösen müssen, ist wohl das Problem der richtigen Partnerwahl für sie. Es kommt ja nur ein Adliger infrage.«

»Wir werden uns in der Nachbarschaft umsehen. Eine angemessene Partie wird sich schon ergeben. Donata ist hüsch, jung, aus bester Familie, bringt Schloss und Grundbesitz mit in die Ehe …, was will ein Ehekandidat mehr?«

»Hmm. Fraglich ist nur, was will Donata? Vielleicht hat sie schon feste Vorstellungen über ihren Zukünftigen? Und wenn sich ihre Pläne nicht mit unseren decken, was dann?«

»Dann müssen wir sie ihr ausreden. Wir werden jeden jungen Mann vergrämen, der uns nicht passt.«

Die Schwestern schwiegen. Sie dachten an die Zeit zurück, als sie selbst noch begehrte Partnerinnen für die jungen Männer ihres Gesellschaftskreises gewesen waren. Sie waren bei Weitem nicht so hübsch gewesen wie ihre Nichte Donata, aber doch reizend und nett anzuschauen. Doch keine von ihnen schaffte es, den erstrebten Hafen der Ehe anzusteuern. Sie standen einander im Wege. Sie waren sich äußerlich so ähnlich, waren zudem im Alter so nahe, dass sich jeder mögliche Bewerber nicht einer, sondern gleich drei Auserwählten gegenübersah. Dazu kam ihre große Eifersucht. Keine gönnte der anderen den Vortritt. So wachte jede über die andere. Bemerkte man bei der Schwester Anzeichen einer kommenden Verliebtheit, dann setzte man alle Hebel in Bewegung, um den Freier abzukühlen und zu verscheuchen. Ein Glücksfall wäre es wohl gewesen, wenn sich gleichzeitig drei junge Männer in jeweils eine der Wetterstein-Damen verliebt hätten. Aber dieser günstige Fall war niemals eingetreten.

So war den drei Freifräulein nichts weiter übrig geblieben, als auf standesgemäße Art in Ehren grau zu werden, eine Tätigkeit, die sie vollkommen beherrschten, und die sie sich zudem als Verdienst anrechneten.

Ernestine lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema. Sie mochte noch nicht an die künftigen Probleme mit der Nichte denken. Sie meinte, es lohnte sich nicht, schon jetzt Angst vor den kommenden turbulenten Zeiten zu haben.

»Ist sonst noch Post gekommen, Brunhilde?«, fragte sie.

»Ja, ein amtliches Schreiben vom Kreisbauamt. Man bittet uns um einen Besuch bei der Baubehörde. Es gäbe einige Fragen wegen des baulichen Zustands von Schloss Wetterstein. Man halte Reparaturen für dringend erforderlich, sonst müsste die Nutzung des Schlosses für Wohnzwecke möglicherweise verboten werden. Was sagt ihr dazu.«

»Unerhört! Unser Schloss steht seit mehr als dreihundert Jahren, schönste Renaissance aus echtem Wesersandstein! Was dreihundert Jahre hielt, sollte auch jetzt noch gut genug sein. Aber …, wer von uns geht nun hin?«

»Brunhilde ist Schriftführerin. Sie erledigt alle amtlichen Sachen. Sie hat es bisher immer zu unserer Zufriedenheit gemacht, warum nicht auch hier?«, sagte Walburga.

Brunhilde machte Einwände.

»Donata ist die Erbin. Sie kommt demnächst heim. Sollte man ihr diese Aufgabe nicht überlassen?«

»Ausgeschlossen!«, sagte Ernestine energisch. »Laut Testament übernimmt sie ihr Erbe erst mit 21. Wir sollten es nicht vorzeitig aus der Hand geben.«

»Nun, sie bekäme einen Vorgeschmack davon, was es heißt, einen solchen Besitz in dieser Zeit zu verwalten. Sie wüsste endlich einmal unsere Arbeit zu schätzen. Sie sähe, welche Schwierigkeiten auftreten können …«

»Trotzdem …, ich bin dagegen. Heute ist es das Bauamt, morgen die Bank, nächste Woche das Wettersteinsche Lohnbüro. Und schließlich dürfen wir nicht einmal mehr vorschlagen, ob uns Frau Dirks Gemüsesuppe oder Pfannkuchen serviert.«

Ernestine blickte Zustimmung heischend zu ihren Schwestern, doch die beiden zögerten.

»Eines Tages ist es ja doch so weit. Was sollen wir tun, wenn wirklich Reparaturen erforderlich sind?«, meinte Walburga und spielte damit auf den Kassenstand an, der neue Belastungen nicht mehr ertrug. Den Schwestern war er wohlbekannt, doch erwähnte man finanzielle Dinge nur sehr beiläufig.

»Dann ist immer noch Zeit, Donata einzuschalten«, meinte Brunhilde. »Soll sie sehen, wie und wo sie die nötigen Mittel auftreibt!«

»Das waren schlechte Nachrichten heute«, klagte Walburga. »Unsere Ruhe ist wohl bald dahin, in vielerlei Hinsicht.«

*

Donata Freiin von Wetterstein war auf dem Weg nach Hause. Es blieb ihr keine andere Wahl, denn das Internat schloss seine Pforten. Während die anderen Schülerinnen voll Ungeduld die letzte Schulglocke erwarteten, die die Schulzeit beendete und die Ferien einläutete, zögerte Donata die Abreise so lange wie möglich hinaus. Auf sie wartete draußen vor dem Schultor kein Elternpaar, um sie abzuholen. Ganz allein nahm sie Abschied vom Internat, das ihr in langen Jahren eher ein Zuhause geworden war als Schloss Wetterstein. Nie wieder würde sie hierher zurückkehren, die Schulzeit war vorbei.

Wie immer fuhr sie mit der Eisenbahn, sie kannte die Strecke von vielen Fahrten.

In Tiefenbeck verließ sie die Kleinbahn. Tiefenbeck war für Wetterstein die nächstgelegene Bahnstation. Einen Augenblick lang zögerte sie, ob sie einen Wagen von Wetterstein telefonisch anfordern sollte, der sie mitsamt ihrem Gepäck am Bahnhof abholen konnte. Doch sie ließ es dann. Sie wollte den Waldweg lieber zu Fuß gehen, weil das Wetter einladend war. Das Gepäck gab sie am Bahnschalter ab, Theo Brandes konnte es später mit dem Wagen holen. Theo Brandes war Hausmeister und Faktotum auf Schloss Wetterstein. Er war seiner jungen Herrin treu ergeben. Bestimmt hätte er lieber Donata vom Bahnhof abgeholt, als nur ihre Koffer, weil sich dann die Gelegenheit für ein Schwätzchen ergeben hätte. Solche Gespräche liebte er über alle Maßen. Doch diesmal wollte Donata ihm diesen Gefallen nicht tun.

Donata schritt zügig voran. Ihre Füße federten in dem weichen Moos. Als sie die halbe Strecke zurückgelegt hatte, öffnete sich der Wald zu einer Lichtung. Ein Wiesental führte hinunter zu einem munteren Bach. Eine alte Wassermühle lag in der Talsohle. Ach ja, die Wassermühle! Donata erinnerte sich, viele Sagen darüber gelesen zu haben. Sie freute sich, dass sie zu Fuß gegangen war, denn die Fahrstraße führte nicht hier vorbei.

Sie setzte sich auf einen gefällten Baumstamm, der am Wege lag. Eine Bank war nicht da, und sie wollte noch ein wenig den schönen Anblick genießen und sich von dem ungewohnten Fußmarsch ausruhen.

Es war ein romantischer Anblick: Das weite Wiesental, das von hohen Laubwäldern umringt war, die bunte Wiese, die über und über mit Blumen bewachsen war, die der Bach, der flink über Steine und Geröll dahinplätscherte …, und die alte Mühle. Das Wasserrad stand still. Donata erinnerte sich dunkel, dass es vor Jahren noch in Tätigkeit war. Als kleines Mädchen hatte sie das »Klipp-Klapp« der Schaufeln gefesselt. Aber das lag weit zurück. Doch die Mühle bot auch so einen freundlichen Anblick. Das Haus hatte einen Sockel aus grauen Feldsteinen, darauf schwarzweiße Fachwerkwände und ein rotes Ziegeldach.

Donata mochte sich nicht trennen von diesem stillen Fleckchen. Sie geriet ins Träumen … Auf einmal spürte sie etwas Feuchtes, Kaltes in der Hand. Sie schreckte auf. Ein riesiger Schäferhund beschnupperte sie, dann brach er in einen wahren Freudentaumel aus. Kein Zweifel, er hatte sie erkannt und hatte eine freundliche Erinnerung an sie.

»Beruhige dich, mein Guter«, sagte sie, »sag einmal, woher kennen wir uns? Bist du nicht der Hund vom Müller Niedenführ? Ist dein Herr hier in der Nähe?«

»Ich bin schon zur Stelle! Setz dich, Harras! Was soll die junge Dame von dir denken?«

Donata schaute erstaunt hoch. Der alte Müller war schon sehr betagt gewesen, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, diese Stimme aber klang jung …, und auch ihr Besitzer war jung. Er trat aus dem Wald hervor und lachte Donata fröhlich an. Er gefiel Donata, er war so unbekümmert und ungezwungen. Sein Gesicht hatte energische Züge und war gut geschnitten, doch sein jungenhaftes Lächeln machte ihn jung. Eine Lockentolle hing ihm in die Stirn, er warf sie mit einer ungeduldigen Kopfbewegung zurück.

»Sie sehen mich so entgeistert an«, sagte er. »Hatten Sie einen anderen erwartet?«

»Ich habe niemanden erwartet. Der Hund hat mich entdeckt, da erinnerte ich mich, dass er dem Müller Niedenführ gehörte. Stattdessen kamen Sie …«

Das Gesicht des Mannes wurde ernst.

»Heinrich Niedenführ ist tot. Ich hatte mich im Frühjahr bei ihm eingemietet, ich wollte einen ruhigen Sommer in der Wassermühle verbringen. Von einem Behördengang in die Stadt ist er nicht mehr zurückgekommen, er ist von einem Auto angefahren worden und kurz darauf gestorben. Da war ich also in der Mühle … Erben sind nicht da, Miete hatte ich gezahlt. Ich bin geblieben und habe den Harras übernommen, was sollte ich sonst mit dem armen Kerl tun? Wir haben uns ganz gut aneinander gewöhnt, bloß manchmal vergisst er, dass ich sein Herr bin, und er mich beschützen muss. Wenn ein alter Bekannter auftaucht, kennt seine Begeisterung keine Grenzen. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Donata war es recht. Harras legte sich zu ihren Füßen nieder, und der Fremde sagte endlich seinen Namen.

»Übrigens, ich heiße Hannes Osterloh. Sie können aber einfach Hannes zu mir sagen, ich bin das gewohnt.«

»Ich heiße Donata«, sagte sie und errötete ein wenig.

»Nur Donata? Und sonst nichts?«

»Sonst nichts. Genügt das nicht?«

»Doch, doch!«, sagte er schnell. »Dann habe ich keine andere Wahl und muss dich mit dem Vornamen anreden.«

Donata wurde verlegen und beschäftigte sich mit Harras, um diesem Hannes keine Möglichkeit zu geben, ihre verräterische Röte zu entdecken. Liebevoll kraulte sie dem Tier das Fell.

»Glücklicher Harras!«, sagte Hannes Osterloh. »Ich könnte neidisch werden.«

»Sie sind ziemlich … frech, würde ich meinen«, sagte Donata und warf Hannes einen wütenden Blick zu.

»Wir waren doch schon beim ›du‹, oder irre ich mich?«, fragte Hannes mit sanfter Stimme.

In Donata kämpften zwei Seelen. Einerseits gefiel ihr dieser Hannes, und darum war sie geneigt, das Zusammensein mit ihm noch etwas auszudehnen. Andererseits fand sie ihn ziemlich arrogant und hätte ihn am liebsten mit einem schnellen Aufbruch und einem eisigen Blick bestraft. Da sie nicht wusste, was besser war, blieb sie also.

»Wie kommt solch ein hübsches Mädchen in diese Einsamkeit?«, fragte Hannes. »Wohnst du hier?«

»Ich will nach Wetterstein.«

»Zum Schloss. Dort … arbeiten Verwandte von mir. Ich war auch schon früher in den Ferien mal da …«

»Du bleibst also ein wenig?«

»Vielleicht auch länger, ich weiß es noch nicht. Vielleicht finde ich hier eine Aufgabe, vielleicht entschließe ich mich auch, woanders meine Zelte aufzuschlagen.«

»Bleib, Donata! Bleib hier. Wenigstens diesen Sommer lang, bis ich wieder fort muss …«

»Was hättest du davon, wenn ich auf Schloss Wetterstein arbeite?«

»Die Hoffnung, dich wiederzusehen. Ich könnte von dir träumen … Wenn ich mit Harras spazieren gehe, dann könnte ich ihm sagen: Such Donata. Hinter jedem Strauch und Baum hoffte ich, dich zu finden. Du wärest der Lichtblick in meiner Einsamkeit.«

»Warum gehst du denn überhaupt in solch einen abgelegenen Winkel? Hast du keine Tätigkeit in der Stadt?«

»Doch, doch. Aber dort finde ich keinen ruhigen Augenblick. Ich musste ganz einfach heraus, um wieder zu mir zu finden. Sonst wird die ganze Arbeit sinnlos.«

»Und kaum bist du hier, da wird die Einsamkeit schon lästig … Da braucht nur ein Mädchen vorbeizukommen …«

»Nicht irgendeins. Es muss schon eine Donata sein …«

Donata erhob sich mit einem Ruck.

»Ich muss jetzt gehen. Sonst komme ich zu spät. Wir wollen es dem Zufall überlassen, ob wir uns wiedersehen, ja?«

Harras sprang sofort auf, wedelte mit dem Schwanz und folgte Donata. Er ließ sich weder von Donata noch von Hannes daran hindern.

»Ich muss dich noch ein wenig begleiten, Donata«, sagte Hannes lachend. »Der Hund will es so.«

»Aber nur bis zum Waldrand. Ich möchte nicht gesehen werden in Begleitung eines Herrn.«

»Sind die Bräuche dort so streng?«

»Ziemlich.«

Als sie den nächsten Wald durchwandert hatten und den Waldrand am Bergeshang erreichten, sagte er bewundernd: »Dieses Wetterstein ist ein wunderschönes Schloss! So ausgewogen in den Proportionen! Und so harmonisch in die Landschaft eingefügt!«

»Ja, es ist schön.«

»Ich würde es furchtbar gern einmal besichtigen. Es hieß aber, es sei Privatbesitz und stände fremden Besuchern nicht offen. Was meinst du, Donata, ob du mich einmal hereinschmuggeln kannst?«

»Das muss ich mir einmal gut überlegen. Wenn ich erst vertrauter bin mit den Lebensgewohnheiten der Familie, dann entdecke ich vielleicht eine Möglichkeit … zur Besichtigung!«

»Natürlich! Was sonst?«, lachte er. »Und wie bekomme ich Nachricht? Soll ich im Schloss nachfragen?«