GAARSON-GATE: Die 5. Kompilation - Wilfried A. Hary (Hrsg.) - E-Book

GAARSON-GATE: Die 5. Kompilation E-Book

Wilfried A. Hary (Hrsg.)

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Beschreibung

GAARSON-GATE: Die 5. Kompilation

Wilfried A. Hary (Hrsg.):

„Die Bände 41 bis 50 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

 

Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. Im Fall von GAARSON-GATE-Kompilationen handelt es sich immer um zehn Romane in einem Buch.

 

Hier die in dieser Kompilation enthaltenen originalen Romane mit Angabe der jeweiligen Autoren:

 

41 »Die Verschwörung« W. A. Travers (11/03 GB)

42 »Aktion Dunkelplanet« W. A. Travers (1/04 GB)

43 »Der Angriff« W. A. Travers (2/04 GB)

44 »Das PSI-Schiff« W. A. Travers (3/04 GB)

45 »Unheimliche Begegnung« W. A. Travers/Susi Wagner (4/04 GB)

46 »Das Mysterium« Susi Wagner (5/04 GB)

47 »Die unbekannte Macht« Susi Wagner/Alfred Wallon (6/04 GB)

48 »Cool Zwei« Alfred Wallon/Alessandra Carvéra (7/04 GB)

49 »Die Spur« Wilfried Hary (8/04 GB)

50 »Dürrast« K. H. Reeg / Thomas Maul (9/04 GB)

 

Klammerangaben: Ersterscheinung nach Monat und Jahr und Kürzel der jeweiligen Coverkünstler!

 

Immer Ihr Wilfried A. Hary (Hrsg.)

 

Gaarson-Gate - die große, in sich abgeschlossene Science-Fiction-Serie!

 

Diese alternative SF-Serie umfasst in der Heftversion insgesamt 77 Bände.

 

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE - das Original!

 

Verfolgen Sie die Abenteuer der Menschheit in über vierhundert Jahren. Erleben Sie die ferne Zukunft hautnah – und bangen Sie mit: Wird die Menschheit das größte Abenteuer ihrer Geschichte heil überstehen?

 

 

Sämtliche Rechte und uneingeschränktes Copyright weltweit: hary-production.de

 

Copyright neu 2019 by HARY-PRODUCTION * Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332 48 11 50 * HaryPro.de * eMail: [email protected]

 

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von HARY-PRODUCTION!

 

Titelbild: Gerhard Börnsen

Covergestaltung: Anistasius

Lektorat: David Geiger

 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Wilfried A. Hary (Hrsg.)

GAARSON-GATE: Die 5. Kompilation

„Die Bände 41 bis 50 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

Nähere Angaben zum Autor und Herausgeber Wilfried A. Hary siehe WIKIPEDIA!BookRix GmbH & Co. KG81371 München

GAARSON-GATE:

Die 5. Kompilation

 

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE – das Original!

 

„Die Bände 41 bis 50 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

 

Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. In Fall von GAARSON-GATE-Kompilationen handelt es sich immer um zehn Romane in einem Buch.

 

Hier die in dieser Kompilation enthaltenen originalen Romane mit Angabe der jeweiligen Autoren:

 

41 »Die Verschwörung« W. A. Travers (11/03 GB)

42 »Aktion Dunkelplanet« W. A. Travers (1/04 GB)

43 »Der Angriff« W. A. Travers (2/04 GB)

44 »Das PSI-Schiff« W. A. Travers (3/04 GB)

45 »Unheimliche Begegnung« W. A. Travers/Susi Wagner (4/04 GB)

46 »Das Mysterium« Susi Wagner (5/04 GB)

47 »Die unbekannte Macht« Susi Wagner/Alfred Wallon (6/04 GB)

48 »Cool Zwei« Alfred Wallon/Alessandra Carvéra (7/04 GB)

49 »Die Spur« Wilfried Hary (8/04 GB)

50 »Dürrast« K. H. Reeg / Thomas Maul (9/04 GB)

 

Klammerangaben: Ersterscheinung nach Monat und Jahr und Kürzel der jeweiligen Coverkünstler!

 

Immer Ihr Wilfried A. Hary (Hrsg.)

 

 

 

 

Impressum:

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

 

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

 

ISSN 1614-3299

 

Diese Fassung:

© 2019 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

 

Coverhintergrund: Anistasius

Titelbild: Gerhard Börnsen

Logo: Gerhard Börnsen

GAARSON-GATE 041

Titel:

Die Verschwörung

W. A. Travers: „Mord im Gaarson-Gate – doch dahinter steckt mehr!“

21. März 2453: Durch einen Terroranschlag verschwinden 7 Menschen mittels eines GAARSON-GATES und geraten in ein fremdes GG-Netz, das schon lange existiert.

22. März 2453: Den Verschollenen gelingt es, kurzzeitig PSI-Kontakt mit Clarks-Planet im irdischen Machtbereich aufzunehmen und mitzuteilen, daß sie sich auf einer Dschungelwelt namens Vetusta befinden. Die Verbindung reißt ab, denn sie werden überwältigt und gefangengenommen vom Stationscomputer des GAARSON-GATES auf Vetusta. Dieser schickt drei von ihnen in das GG-Netz des sogenannten Prupper-Imperiums, um herauszufinden, was in den letzten Jahrhunderten nach einem interstellaren Krieg der Prupper geschah. Denn er wurde in jenem Krieg stark beschädigt, verlor dabei den größten Teil seiner Erinnerungsspeicher und hat keinerlei Kontakt mehr mit dem Imperium. Die drei Verbannten sind: John Millory, Petro Galinksi und Cora Stajnfeld.

Sie irren wochenlang kreuz und quer durch das Neue Imperium der Pseudo-Prupper, die vor Jahrhunderten die nach dem Krieg aufgegebenen Welten übernommen haben, springen von Planet zu Planet - und dann ist ihre Reise jäh zuende: Man ist endgültig auf sie aufmerksam geworden und stuft sie sogar als gefährliche Spione ein.

Auf den "Inseln der Grauen" finden Sie Zuflucht. Hier befindet sich eine Art Reservat für Graue Prupper - die Ureinwohner des Planeten BASIS.

Ihr Gastgeber namens Sossis - in einer Art Märchenschloß, das zum größten Teil aus einem Terrarium für tropische Pflanzen und Tiere besteht - hält sie wie Gefangene, aber das dient nur ihrem Schutz, wie Cora Stajnfeld bei ihrer Flucht feststellen muß. Sie gerät in eine Falle von Kriminellen und soll an die Polizeiroboter ausgeliefert werden. Aber da taucht ein Superroboter auf, der sich REG nennt. Er ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Großen Krieges, der das mächtige Prupperreich vor Jahrhunderten zerschlug.

Der Roboter rettet Cora, bleibt ihr aber weitergehende Erklärungen schuldig.

Sie kehrt zurück zu ihren Gefährten. Doch kaum ist dies geschehen, wird das Märchenschloß von Polizeirobotern überfallen. Sie scheinen genau zu wissen, wie sie vorgehen müssen. Die Gatespringer haben keine Chance. Sie werden festgenommen...

1

Die drei Gatereisenden und der Untergrundkämpfer Korvan Seibold verließen gezwungenermaßen den Gästebereich und wurden einen Gang entlanggetrieben. Überall rieselte das Wasser die Wände herunter. Es roch nach Feuchtigkeit, Schimmel und Sumpf.

Sie gelangten in den Außenpark. Dort stand Sossis mit seinem Hofstaat, zumindest mit einem kleinen Teil davon. Er schien sie erwartet zu haben.

Die Roboter beachteten ihn gar nicht.

Cora Stajnfeld entdeckte in der Rechten des Hausherrn den Paralyser, der ihr von den Schergen Kustaschins abgenommen worden war. Es war nicht klar, woher Sossis ihn hatte. Vielleicht hatte er am Boden der Prunkhalle gelegen, als REG Cora aus den Händen der Kriminellen befreite? Sossis war ja mit dabei gewesen...

Jetzt reichte Sossis die Waffe der rechtmäßigen Besitzerin. Cora nahm ihn in Empfang und öffnete den Mund zu einer Frage, doch der Waffenarm eines Roboters ließ sie weitertaumeln.

»Weiter!« drängte die Maschine zusätzlich. Aber sie nahm Cora nicht die Waffe ab. Seltsam!

Cora Stajnfeld blieb trotzdem nichts anderes übrig, als dem Befehl zu folgen.

Jetzt sind wir so lange geflohen und haben so viele Strapazen auf uns genommen, und nun ist alles umsonst gewesen! dachte Cora Stajnfeld zerknirscht.

Noch etwas kam ihr in den Sinn:

Woher wußten die Roboter so gut Bescheid? Und wieso ging das alles so schnell? Ich bin doch erst mit Sossis und seiner Gefolgschaft zurückgebracht worden.

Es gab nur eine Antwort ihrer Meinung nach: REG!

So eindrucksvoll das Auftreten des Roboters in der Prunkhalle auch gewesen war, so groß waren jetzt wieder Coras Zweifel. Es mußte ja nicht so gewesen sein, daß der Roboter sie absichtlich verraten hatte. Vielleicht wurde er einfach nur entdeckt? Bei den ausgeklügelten Überwachungssystemen der Pseudo-Prupper... Und über REG hatten die dann erfahren, wo die Gatereisenden zu finden waren...

Nun, es kann jedenfalls kein Zufall sein, daß die Verhaftung so unmittelbar auf das Zusammentreffen bei Fal-oran und Kustaschin erfolgt war! dachte sie verbittert und packte den Paralyser fester.

Verstohlen schaute sie umher.

Aber die Roboter kümmerten sich gar nicht darum, ob sie drei nun bewaffnet waren oder nicht! Sossis hatte ihr sogar die Waffe einfach so geben dürfen, ganz offiziell sozusagen...

Gern hätte Cora die Waffe einmal gegen die Roboter angewendet. Einfach, um einmal zu testen, ob sie gegen diese Sorte von Robotern überhaupt eingesetzt werden konnte. Aber das wäre ihr sicherlich schlecht bekommen - bei einer solchen Übermacht.

Seltsam war auch, daß Sossis offenbar nichts zu befürchten hatte, obwohl er den Flüchtlingen Unterschlupf gewährt hatte.

Sie schielte nach Korvan - und stellte dabei fest, daß dieser mindestens genauso ratlos war wie sie.

Auf dem Gleiterparkplatz wurden sie in ein wartendes Fluggerät verfrachtet, das sofort startete.

Der Roboter hatte ein ganz anderes Persönlichkeitsmuster als Rallye-Joe. Fast wehmütig dachte Cora Stajnfeld an die Begegnung mit diesem verrückten Roboter, den sie wohl nie mehr sehen würde. Sie hätte sich vorstellen können, daß die Bekanntschaft mit dem unkonventionellen Joe noch einiges hätte bringen können.

Ihre Gedanken kehrten zum Ernst der Situation zurück. Es war anzunehmen, daß man sie zur Hauptstadt von BASIS bringen würde, die von den Pseudo-Pruppern einfach nur BASIS-Stadt genannt wurde. Es gab keinen Grund, daran zu zweifeln, obwohl vorstellbar war, daß es mit der erneuten Gefangennahme keineswegs getan war. Vielleicht gab es eine Art Gefängnis für sie - und dort ihre Bestrafung?

Cora Stajnfeld blickte aus der transparenten Scheibe an ihrer Seite auf das Meer hinunter.

Sie rasten mit wachsender Geschwindigkeit dem Festland zu.

Dies war der gleiche Weg, den Cora Stajnfeld und ihre Gefährten gekommen waren - nur unter anderen Voraussetzungen. Damals hatte es noch so etwas wie Hoffnung gegeben, die jetzt total zerschlagen war.

Der Kurs stimmte: Raumhafen!

Und unweit davon lag die riesige Stadt. Coras Annahme schien sich zu bestätigen.

Schon waren sie am Raumhafen, doch der Gleiter ging nicht mit der Geschwindigkeit herunter. Ganz im Gegenteil: Bei unverändertem Kurs ging er auf größere Höhe.

Die Stadt war erreicht und - wurde überflogen!

Cora Stajnfeld schluckte schwer.

Also doch ein Gefängnis. Und dann würde man ihnen einen Schauprozeß machen - ihnen, den vermeintlichen Spionen. Am Ende würde man sie wahrscheinlich öffentlich hinrichten.

Vorher jedoch würde man sie ausquetschen, um alles von ihnen zu erfahren. Ihre gesamte Mission war hiermit gescheitert. Sie würden niemals mehr nach Vetusta zurückkehren können. Der Stationscomputer von Vetusta würde zu der Ansicht gelangen, daß es kein Prupper-Imperium mehr gab.

Vielleicht würde er niemals mehr einen Versuch unternehmen, Kontakt mit dem Imperium aufzunehmen?

Und ihre zurückgebliebenen Gefährten Benedetta Fandow und die Mutanten Macson, Colman und Fermens?

Der Computer von Vetusta würde sie weiterhin im Hypnoseschlaf halten, damit ihm vor allem die Mutanten nicht gefährlich werden konnten. Für immer. Das hieß: Bis zu ihrem Tode!

Cora dachte an die Erde, an ihre Arbeit, die nicht nur darin gegipfelt hatte, daß sie Führerin der Astro-Ökologen geworden war, sondern sie hatte in dieser Position aktiv dazu beigetragen, die Erde zu retten, als es den Gaarson-G.A.U. gegeben hatte.

Und Petro und John? Gemeinsam mit den beiden hatte sie soviel erlebt, war sie von einer Welt zur anderen gesprungen, innerhalb des Neuen Imperiums, wie es sich nannte.

Nein, selbst wenn wir nicht hier, auf BASIS, geschnappt worden wären, hätten wir unsere Reise fortsetzen müssen, denn wir wissen zu wenig über das Restimperium der Ur-Prupper, dachte sie. Wie leben die Prupper dort? Was ist aus ihrer Kultur geworden? Genau das ist es doch, was den Stationscomputer von Vetusta in erster Linie interessiert, weit mehr auf jedenfall als alles, was mit dem Neuen Imperium zusammenhängt...

Sie wandte sich an die Robotbewacher, die den Flug begleiteten.

»Wer hat uns verraten? Und warum?«

Die Roboter schwiegen sich aus - wie Cora Stajnfeld es insgeheim schon erwartet hatte.

Sie richtete ihren Blick wieder nach vorn.

Weit hinter der Stadt lagen die Berge. Sie bildeten eine klotzige Sky-line, die automatisch Fragen entstehen ließ wie: Was liegt dahinter? Was wird das weitere Schicksal bringen?

Das Gebirge rückte sehr schnell heran, und die Beklemmung in Cora Stajnfeld wuchs.

Ja, sie bringen uns zu den Herren dieser Welt, den Militaristen und der halbdemokratischen Regierung. Und dann?

Cora Stajnfeld lehnte sich zurück, denn sie konnte nichts anderes mehr tun, als sich in ihr Schicksal zu fügen - zum ersten Mal, seit sie mit Petro und John diese Reise angetreten hatte. Es nutzte nichts, wenn sie sich gegen den Gedanken zu wehren versuchte, versagt zu haben. Es gab kein Entrinnen mehr. Ja, nie wieder! Die Bewacher waren unerbittlich und in der Übermacht. Sie mußte sich in ihr Schicksal fügen - genauso wie ihre Gefährten.

Auf dem Flug zu einem Ziel voller Ungewißheiten dachte Cora Stajnfeld wieder an die Rolle von REG.

Welchen Stellenwert hatte dieser imposante Roboter in diesem grausamen Spiel, in dem es um ihr Leben ging - und vielleicht sogar um mehr? Er hatte sie aus der Halle gewunken, um ihr an einem anderen Ort mehr zu erzählen - dort, wo die Barbaren, wie er sie nannte, nicht mithören konnten. Aber als sie dann hinausgetreten war, ins Freie, da war er verschwunden gewesen, wie vom Erdboden verschlungen.

Wie war das denn eigentlich möglich gewesen? So lange nach ihm hatte sie doch gar nicht die Halle verlassen!

Wenn er davongeflogen war... Sie hätte ihn doch zumindest noch am Horizont fliegen sehen müssen. So schnell, daß dies nicht mehr möglich gewesen wäre... Nein, so schnell konnte er nicht weggeflogen sein, denn das hätte ihn in die Gefahr gebracht, geortet werden zu können. Er war massereicher als ein normaler Fluggleiter, der sich noch gegen die Satellitenüberwachung aus dem Weltraum tarnen konnte. Bei seinem Energieumsatz und dann auch noch bei einem Überschallflug...

Es sei denn, er war in Wahrheit noch ganz in der Nähe gewesen.

Aber wieso war er quasi abgetaucht, daß sie ihn gar nicht mehr hatte sehen können?

Sie gab es auf und schaute auf die Berge, die vor ihr aufragten wie eine unüberwindliche natürliche Mauer.

Es war wie ein äußerst schlechtes Omen...

2

Cora Stajnfeld unterdrückte ihre depressive Stimmung so gut es ging. Sie vermied es auch, nach ihren beiden Weggefährten zu schauen, nach Petro Galinksi und John Millory. Denen erging es mit Sicherheit nicht besser als ihr, und sie wollte ihre eigene Mißstimmung nicht auch noch anheizen, indem sie mit ansah, wie die beiden gleichermaßen litten.

Aus und vorbei! dachte sie immer wieder, und es gelang ihr einfach nicht, diesen Gedanken auszumerzen.

Die sturen Polizeiroboter verhielten sich stumm und taub, wenn man Fragen an sie richtete. Ob dies nun absichtlich geschah, um sie schmoren zu lassen, oder ob es ganz einfach ihrem Programm entsprach, auf Fragen grundsätzlich keine Antworten zu haben...? Cora hatte keine Ahnung, und es interessierte sie auch nicht mehr. Was sollte denn schon da vorn, bei den Bergen, die wie eine Wand vor der Flugbahn des Polizeigleiters aufragten, anderes auf sie warten als das endgültige Ende? Immerhin wurden sie auf BASIS gejagt als die schlimmsten Spione aller Zeiten.

Nein! berichtigte sie sich in Gedanken: Gejagt werden wir nicht mehr, denn jetzt haben sie uns ja!

Unwillkürlich tastete sie nach ihrem Paralyser. Genauso wie sie hatten auch Petro und John ihre Lähmstrahler am Körper.

Sie waren weder nach Waffen durchsucht, noch waren ihnen irgendwelche Gegenstände, einschließlich eben den Waffen, abgenommen worden. Eigentlich recht merkwürdig, und es war nicht das erste Mal, daß sich Cora darüber wunderte.

Sie schaute nach vorn, und ihr Herz schlug ein paar Takte schneller. Das hieß, jetzt raste es regelrecht.

Wenn sie die Waffen eingesetzt hätten, wäre es ihr Tod gewesen, denn es bestand die Möglichkeit, daß ein Roboter beim Auftreffen der besonderen Strahlen detonierte. Es war nicht der einzige Grund, warum sie die Waffen nicht einsetzten: Sie wollten wissen, was sie nun tatsächlich da vorn erwartete.

Wie auch immer: Die Reise ist zu Ende! sagte sich Cora - und sie ahnte in diesem Moment noch nicht einmal, wie falsch sie mit dieser Annahme lag...

3

Das Bergmassiv streckte sich unter ihnen aus, so weit das Auge reichte. Es war am ehesten noch zu vergleichen mit dem Himalaya auf der guten, alten Erde, und dann steuerte der Fluggleiter mit den Gefangenen genau auf das mächtigste Massiv zu und senkte dabei die Flughöhe.

Cora schaute nach Korvan Seibold. Der Prupper wirkte wie eine Katze, und wenn man ihm in die Augen schaute, dann schienen diese von innen heraus zu glühen. Aber sie wußte, daß er kein Mutant war. Er hatte ganz normale menschliche Fähigkeiten. Auch wenn er sich ungewöhnlich gut im Dschungel auskannte. Das hatten sie auf ihrer Flucht vor den Polizeirobotern erfahren.

Es wurde ihr bewußt, daß sie eigentlich so gut wie gar nichts über den Prupper wußten.

Er erwiderte den Blick.

Korvan Seibold war von der Verhaftung genauso überrascht worden wie sie. Er mußte auch genauso wie sie an Verrat gedacht haben. Doch jetzt war eine deutliche Verwandlung mit ihm vorgegangen: Zwar wirkte er unruhiger denn je, aber nicht mehr so enttäuscht.

»Was erwartet uns da vorn?« fragte Cora leise.

Sein Gesicht verzog sich zu einem verzerrten Grinsen.

»Ich kann nur spekulieren.«

»Dann spekuliere doch mal: Ich bin ganz Ohr.«

»Nun, da vorn, das ist ein geheimer Militärstützpunkt. Es ist der Sitz des Flottenkommandos - und somit der militärischen Macht des ganzen Sonnensystems. Das weiß natürlich niemand in der Bevölkerung, aber dem Untergrund ist es schon länger bekannt.«

Daß er sich so unbekümmert mit ihr darüber unterhielt, obwohl die Polizeiroboter mit anwesend waren, fand Cora schon ungewöhnlich, aber daß er jetzt indirekt sogar zugab, selber ein Mitglied des Untergrundes zu sein...?

Er zuckte in der typisch menschlichen Geste die Achseln.

»Nun, Cora, was soll ich sagen: Ich glaubte zunächst tatsächlich an Verrat, aber wieso bringen uns dann die Roboter direkt in die Höhle des Löwen - und das, ohne euch vorher zu entwaffnen?«

Cora wußte darauf nichts zu sagen. Was denn auch? Sie wartete ab und beobachtete den katzenhaften Korvan Seibold aus wachsamen Augen.

Der wich ihrem Blick aus und schaute in Richtung Flugziel, das in weniger als drei Minuten erreicht werden würde, wie Cora schätzte.

»Meine Spekulation also... Ihr galtet als die gefährlichsten Spione des Restimperiums. Diese stellt man normalerweise nach der Festnahme erst einmal kalt, um sie nach allen Regeln der Kunst zu verhören. Man entwaffnet sie auf jedenfall und bringt sie nicht etwa schnurstracks ins Zentrum der militärischen Macht. Immerhin dient die militärische Macht ja nach Einschätzung der Machthaber dem Schutz vor dem Restimperium der Grauen Prupper.«

»Ich verstehe!« behauptete Cora und schaute Petro und John an. Die beiden nickten ihr leicht zu.

Also hatten sie denselben Gedanken: Das Blatt hatte sich für sie gewendet, auf den Fall! Es fragte sich nun allerdings, in welcher Weise. Es war ja wohl kaum anzunehmen, daß sie von den größten Feinden über Nacht zu den besten Freunden mutiert waren, auch wenn es beinahe danach aussah. Allerdings sprach gegen die neue »freundliche« Einschätzung ihrer Personen ganz eindeutig die Anwesenheit der Polizeiroboter, und diese waren ja bei der Festnahme nicht gerade zimperlich mit ihnen umgegangen.

Oder war das nur geschehen, weil diese gar nicht anders konnten?

Sie wurden ja auch nicht für normale Einsätze verwendet. In den Straßen von BASIS-Stadt zum Beispiel konnte man keinen einzigen Polizeiroboter entdecken. Daß es überhaupt welche gab, das hatten die drei Gatereisenden auch erst erfahren, als sie vor ihnen auf der Flucht gewesen waren.

Nein, entschied Cora im stillen, noch ist das Rätsel ihrer Festnahme und der gerade erfolgenden Deportation bei weitem nicht gelöst!

4

Der Polizeigleiter hielt auf eine senkrecht aufragende Felswand zu und ging dabei kaum mit der Geschwindigkeit herunter. Die Felswand befand sich ungefähr auf halber Höhe des Gebirgsmassivs, das nach Schätzung von Cora Stajnfeld eine Höhe von gewiß zehn Kilometern hatte.

Alles in ihr krampfte sich zusammen. Wenn der Polizeigleiter jetzt nicht endlich mit der Geschwindigkeit herunter ging, zerschellten sie an der Felswand!

Das kann ja wohl nicht das Ziel unserer Reise sein! redete sie sich allerdings ein - und behielt recht. Im letzten Moment sozusagen öffnete sich die Felswand, als wäre sie nur ein Vorhang - und zwar nur so breit, daß der Polizeigleiter bequem hindurch paßte.

Mit staunenden Augen schaute Cora sich um. Dann begriff sie: Die Felswand war nur eine Illusion. Eine perfekte Projektion, und sie zweifelte nicht einen Moment daran, daß diese Illusion sogar von hochempfindlichen Ortungssystemen nicht entlarvt werden konnte. Was man auch tun würde: Die Felswand würde absolut real erscheinen!

In Wirklichkeit gab es hier ein riesiges Loch, das tiefer in das Innere des Berges führte. Dieses Loch war nicht natürlich entstanden, wie man an den künstlich bearbeiteten und verstärkten Wänden erkennen konnte.

Das gigantische Gebirgsmassiv war von einem wahren Netzwerk von Höhlensystemen durchlöchert wie der berühmte Schweizer Käse, und niemand würde es außerhalb auch nur ahnen können - geschweige denn sogar anmessen!

Der Gleiter flog mit kaum verminderter Geschwindigkeit weiter. Doch dann bog er von der Mitte des riesigen Einflugsschachtes ab und auf eine der Dockingstationen zu, um dort zur Landung anzusetzen.

An der Dockingstation prangte das Regierungsemblem: Ein Pulk von Raumschiffen im Vordergrund, dahinter, mittig ein achtzackiger Stern. Jede Zacke war das Symbol eines der acht Planeten des Sonnensystems. Das Zentrum glühte: Die Sonne!

Cora dachte: Nicht nur in die Höhle des Löwen bringt man uns, sondern sogar zum Löwen höchstpersönlich!

Und der Löwe erwartete sie sogar schon an der Dockingstation, und er war nicht allein: In seiner Begleitung befanden sich zwei Männer, die Cora nur allzu gut kannte: James Grant und Professor Karel Kachyna.

War es nicht Kachyna gewesen, dessen Neugierde die Militärs überhaupt erst auf die Spur der Gatereisenden gebracht hatte? Deswegen hatte man sie letztlich als Spione gejagt, obwohl sie alle drei maßgeblich an der Rettung des Sonnensystems beteiligt gewesen waren, als ein gefährlicher Trabant aus der Tiefe des Alls dabei gewesen war, das Sonnensystem zu zerstören!

Mit dem »Löwen« meinte Cora den neuen Präsidenten des Sonnensystems, nachdem der »alte« hatte abdanken müssen. Es hatte zu einer nur ultrakurzen Regierungskrise geführt, und aus der war eine Übergangsregierung hervorgegangen mit einem neuen Chef: Swen Seifert.

Da stand er nun, lächelnd, und dieses Lächeln wirkte irgendwie ein wenig... verlegen!

Der Gleiter kam zum Stehen, und die Seitentür öffnete sich. Die Roboter machten keine Anstalten, die vier Gefangenen dazu aufzufordern, den Gleiter nunmehr zu verlassen. Sie machten noch nicht einmal Anstalten, sie beim Aussteigen zu begleiten.

Und wir haben immer noch unsere Waffen bei uns! dachte Cora erschüttert und schaute unwillkürlich in die Runde. Es ist doch unmöglich, daß sich der mächtigste Mann dieses Sonnensystems uns völlig schutzlos regelrecht ausliefert!

5

Swen Seifert sah sie und breitete in einer großartigen Geste beide Arme aus. James Grant stand nur grinsend da, während Karel Kachyna betreten zu Boden schaute.

Der Präsident eilte ihnen entgegen.

»Willkommen auf BASIS!« rief er aus.

Erst schnappte er sich Cora, um sie zu drücken und zu herzen. Dann kamen nacheinander Petro, John und Korvan an die Reihe. Letzterer war ganz und gar nicht erbaut von dieser Geste, ließ es aber über sich ergehen und schaute immer wieder fragend zu James Grant hinüber. Dieser jedoch verlor einfach nicht sein Grinsen aus dem Gesicht.

Nach der Begrüßung, die herzlicher gar nicht hätte ausfallen können, trat der Präsident zurück und schaute sie mit einem schiefen Lächeln an.

»Es tut mir ehrlich leid, daß Sie solche Unannehmlichkeiten hatten!« behauptete er. »Ich kann mir lebhaft vorstellen, daß die Polizeiroboter nicht gerade zimperlich mit Ihnen umgingen, und ich hoffe, keiner von Ihnen ist dabei zu Schaden gekommen?«

Es war eine rein rhetorische Frage, denn keiner der Angesprochenen hatte auch nur die geringste Chance, sie zu beantworten. Der Präsident fuhr nämlich ohne Pause gleich fort:

»Es hat sich einiges ereignet, seit Sie James Grant und Karel Kachyna halfen, die Welt zu retten.«

»In der Tat«, unterbrach ihn Petro eisig. »Wir sind zum Beispiel gnadenlos verfolgt worden!«

»Ja, ja, ich weiß, ich weiß! Und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Aber - sehen Sie... Es war eine Zeit des Umbruchs. Mit dem alten Präsidenten, dem es gerade noch gelang, die Macht der Militärs nicht allzu übermächtig werden zu lassen, obwohl er dadurch seinen eigenen Untergang beschwor... Nun, was soll ich sagen: Es dauerte eben eine Weile, bis mir als seinem Nachfolger klar wurde, was mit Ihnen drei geschah - und mit Ihrem Begleiter, Professor Korvan Seibold.«

»Professor?« entfuhr es Cora, John und Petro wie aus einem Munde. Sie schauten den katzenhaften Prupper unwillkürlich an.

Dieser gab sich verlegen. »Äh, ja, aber ich glaube kaum, daß dies hier von Wichtigkeit ist.«

»Oh, doch, das ist es, Professor!« sagte der Präsident und wandte sich wieder an die Gatereisenden. »Deshalb hat er sich ja auch so gut ausgekannt im Dschungelgebiet auf Ihrer gemeinsamen Flucht. Er ist anerkannter Experte für exoterrestrische Lebensformen. Seine komfortable Dschungelhütte, die Sie ja nur sehr kurz kennenlernen durften, ist eine seiner Beobachtungsstationen. Er ist so tief verwurzelt in der Sozial-Hierarchie von BASIS, daß niemand auch nur im entferntesten gewagt hätte, ihn als Angehörigen des Untergrundes zu verdächtigen.«

»Sie - Sie wissen vom... Untergrund?« fragte Korvan Seibold verdattert und warf einen vorwurfsvollen Blick auf James Grant. Dessen Grinsen jedoch blieb.

»Ja, ich weiß davon, aber machen Sie sich keine Sorgen: Es gibt keine Verfolgung. Offiziell existiert der Untergrund sowieso überhaupt nicht. Dabei wird es auch bleiben. Ich sehe auch wenig Sinn darin, den Untergrund zu bekämpfen. Erstens einmal stellt er keine echte Gefahr für den hochgezüchteten Militarismus von BASIS dar, wie Sie selber am besten wissen, und zweitens gibt es andere Methoden, den Untergrund zu besiegen: Durch Überzeugung nämlich und nicht durch Konfrontation!«

»Überzeugung?« fragte Korvan mißtrauisch.

Der Präsident deutete mit dem Kinn auf die drei Gatereisenden. »James Grant war so freundlich, mich über die drei hier aufzuklären. Sie stammen von einem Planeten namens Vetusta. Der Stationscomputer dort hat sie auf die Reise quer durch das Neue Imperium geschickt. Klar, sie sind natürlich tatsächlich so etwas wie Spione, aber nicht, um irgendwelchen Schaden anzurichten, sondern einfach nur, um dem Computer auf Vetusta am Ende ihrer Reise mitteilen zu können, was seit dem Großen Krieg geschah, seitdem er nämlich jeglichen Kontakt mit dem einstig unvorstellbar großen und mächtigen Prupperreich verloren hat.«

Korvan schaute die drei Gatereisenden von der Seite an. »Ja, das weiß ich bereits, aber was hat das mit mir und was hat es vor allem mit dem Untergrund zu tun?«

»Nun, die drei wurden als Spione ausgerufen und verfolgt. Und jetzt kommt die nächste Stufe: Sie wurden geschnappt und verhört, und dabei fand man halt eben genau das heraus, was ich eben sagte - so die offizielle künftige Version.

Es ist außerdem nämlich auch noch bekannt, daß die drei auf den Welten, die sie besuchten, nicht nur nicht schädlich agierten, sondern im Gegenteil äußerst nützlich waren. Sie haben gleich mehrfach schlimmste Krisen aktiv geholfen zu überwinden.

Ein Journalist mit Namen William Morrow hat dies mit seinen scheinbar immensen Möglichkeiten herausgefunden. Dabei hat er nicht den ganzen Weg verfolgen können, den die drei hier quer durch das Neue Imperium genommen haben, doch das, was er herausfand, genügt voll und ganz, um eines ganz klar festzustellen: Diese drei sind die größten Helden, die das NEUE Imperium jemals gesehen hat! Und wir können das jetzt an die Öffentlichkeit weitergeben, ohne uns selber widersprechen zu müssen, denn - wie gesagt - eine Art Spione sind sie tatsächlich, nicht wahr?«

Er schaute die drei herausfordernd an. Sie erwiderten den Blick, waren aber zur Zeit so irritiert, daß sie nicht wußten, wie sie reagieren sollten.

»Eine Frage bleibt bei allem jedoch zunächst einmal ungeklärt!« meldete sich in diesem Moment James Grant selber zu Wort.

Alle schauten ihn an. Er trat jetzt näher, unentwegt grinsend. Cora dachte daran, wie sie ihn kennengelernt hatten: als abgerissen wirkenden Stadtstreicher. Und jetzt war er ein Mann, den man unmittelbar mit dem neuen Präsidenten zusammen sah? Eine wahrlich unglaubliche Karriere!

Einmal abgesehen davon, daß sie vorübergehend zu der Erkenntnis hatten gelangen müssen, daß James Grant der wichtigste Mann innerhalb der Untergrundbewegung war!

Das sah ja so aus, als hätte die Untergrundbewegung mit dem neuen Präsidenten quasi die politische Macht längst übernommen. Und da sprach derselbe Präsident noch von Bekämpfung des Untergrundes nicht durch Konfrontation, sondern durch Überzeugung?

Und ausgerechnet sie drei sollten das Werkzeug dafür sein, den Untergrund zu überzeugen?

Cora kam nicht umhin, festzustellen, daß mit jeder Erklärung, die sie hier präsentiert bekamen, die Anzahl der Fragen nur noch mehr wuchs, und das brachte sie plötzlich gehörig in Harnisch.

Verdammt noch eins, so geht es uns, seitdem uns der Stationscomputer von Vetusta auf den Weg geschickt hat! dachte sie grimmig.

6

James Grant stellte sich breitbeinig neben den Präsidenten und klopfte sich auf den Bauch. »Ihr wißt ja, schon meine Ahnungen... Alles ist so gekommen, wie es kommen mußte - und es gibt praktisch keine Abstriche. So hat mir mein untrügliches Gefühl zum Beispiel geraten, einen Mann herzubringen, der sich Karl Schmidt nennt. Er wartet bereits sehnsüchtig darauf, euch zu begegnen!«

Der Präsident nickte ihm lächelnd zu, und James Grant machte eine Geste in den Hintergrund. Dort öffnete sich fast gleichzeitig eine Tür, die Cora vorher nicht aufgefallen war. Ein Mann trat hervor. Er wirkte schlaksig. Ein typischer Jugendlicher, schätzungsweise achtzehn Jahre alt, dunkelblond...

Coras Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Ihr Herz schlug wieder mal ein paar Takte schneller. Sie vergaß beinahe ihre Umgebung, denn von diesem Karl Schmidt, wie James ihn nannte, ging etwas aus, das sie zunächst nicht verstand.

Ein Jugendlicher von achtzehn Jahren - und hier? Wieso wollte James Grant sie mit ihm konfrontieren? War vorhin nicht die Rede davon gewesen, als müßte noch etwas geklärt werden? Aber was denn?

Cora lauschte in sich hinein. Nein, wenn sie jetzt telepathisch überwacht werden würde, das würde sie spüren. Sie war darauf trainiert. Schließlich war sie jahrelang auf der Erde die Führerin der verbotenen astro-ökologischen Bewegung gewesen. Alle Astro-Ökologen waren wissenschaftlich hochgebildete Leute gewesen, und alle waren darauf trainiert, nicht von Telepathen entlarvt werden zu können.

Gern hätte sie jetzt nach Petro und John geschaut, aber sie konnte ihren Blick nicht von diesem Karl Schmidt wenden. Und dann, als der »junge Mann« nahe genug war, erkannte sie schlagartig, was ihr so seltsam angemutet hatte:

Sie schaute in seine Augen, und das waren ganz und gar nicht die Augen eines Jugendlichen! Es waren die Augen eines uralten Mannes, der schon viel gesehen und erlebt hatte - mehr vielleicht als ein normaler Mensch überhaupt hätte verkraften können.

»Hola!« sagte er freundlich, und Cora genauso wie ihre beiden Gefährten John und Petro antworteten ganz automatisch auf diesen Gruß: »Hola!«

Erst als dieses Wort über ihre Lippen war, zuckten sie erschrocken zusammen, denn es wurde ihnen schlagartig bewußt, was dies überhaupt bedeutete: HOLA war das dominante Grußwort auf rund eintausend von Menschen der Erde besiedelten Welten in der heimatlichen Galaxis, viele Millionen von Lichtjahre von hier entfernt. Es bedeutete soviel wie: »Hallo!«

Karl Schmidt lächelte entwaffnend. Dann sagte er: »Mi estis Esperantisto antau ci tio lingvo evolis la lingvo por la tuta mondo kaj la tuta homa universo!«

Das bedeutete soviel wie: »Ich war Esperantist, bevor diese Sprache die Sprache für die ganze Welt und das ganze menschliche Universum wurde!«

Cora hätte sich auf die Zunge beißen müssen, um ihre Entgegnung zu verhindern: »Kial...?«

Auf ihr »Wieso...?« mußte Karl Schmidt lachen. Es klang humorlos.

Dann zeigte er in die Runde und beruhigte sie in Esperanto, der Amtssprache von rund tausend von Menschen der Erde besiedelten Planeten der heimatlichen Galaxis: »Sie brauchen keine Bange zu haben. Es gibt keine Abhörung von dem, was hier gesprochen wird. Logisch, denn der Präsident wünscht dies nicht - aus verständlichen Gründen. Und das, was wir hier sprechen, kann von niemandem verstanden werden, außer eben von uns. Es ist dies, was James Grant noch herausfinden mußte, ehe endgültige Entscheidungen gefällt werden: Dadurch, daß ihr Esperanto versteht und sprecht - als eure Hauptsprache, die ihr nicht so ohne weiteres unterdrücken könnt... Ja, das beweist, daß ihr Erdgeborene seid - echte Erdgeborene wohlgemerkt! Zumindest stammt ihr direkt aus dem, was die Erde inzwischen als ihren Machtbereich entwickelt hat.«

»Wer sind Sie?« entfuhr es Petro an Coras Seite - immer noch in Esperanto.

Und auch John Millory schob angriffslustig sein Kinn vor. »Es gibt keinen Prupper, der die Sprache der Erde noch kennt. Sie ging verloren - damals, als die Prupper-Menschen hier quasi aus dem Nichts auftauchten...«

»Ich verrate euch ein Geheimnis, das leider kein solches mehr ist, seit mir William Morrow auf die Schliche kam und er dafür sorgte, daß dem Wunsch von James Grant Folge geleistet wurde und man mich hierher beorderte: Ich stamme genauso wie ihr von der Erde ab, doch bin ich... gewissermaßen schon ein wenig länger hier. Um genauer zu sein: Ich kam mit genau jenen hierher, die wie aus dem Nichts auftauchten.«

»Es - es waren Milliarden von... Menschen!« sagte Cora, und das Wort Menschen kam ziemlich zögerlich.

»Ja, das ist klar. Ich habe nie herausgefunden, wie viele es insgesamt waren, aber es müssen schon mehrere Milliarden gewesen sein. Sie tauchten hier auf, gleich mir, und sie sprachen auf einmal eine ganz andere Sprache, für die normalerweise menschliche Sprechwerkzeuge relativ ungeeignet sind.

Ihr habt sie erst noch lernen müssen, wahrscheinlich durch Hypnoschulung auf Vetusta, nehme ich mal an.

Ich erwachte auf einer der sogenannten Verlorenen Welten, die wir in Besitz nahmen - und sprach sie einfach, als hätte ich ein Leben lang nichts anderes getan. Alle sprachen sie. Keiner benutzte noch seine eigentliche Muttersprache, geschweige denn Esperanto. Nur wenn ich sie direkt darauf ansprach, taten sie es.

Ich habe mich damals gewundert, daß alle Esperanto beherrschten, und ich erfuhr mit der Zeit, daß die Erde Esperanto inzwischen zur Amtssprache bestimmt hatte - zu einer Zeit, als der Mensch bereits hinaus ins All strebte, um neue Sonnensysteme zu erforschen und letztlich auch zu besiedeln. Alles Dinge, die ich selber auf der Erde gar nicht mitbekam - nicht mitbekommen konnte...«

»Aber...« John stockte. Dann wagte er einen neuen Ansatz: »Aber das bedeutet doch, daß Sie mehrere hundert Jahre alt sind!«

»Ja, ich war genau genommen achtzehn Jahre alt, als ich skrupellosen Ärzten in die Hände fiel, die mich als Organspender mißbrauchen wollten. Sie stellten fest, daß meine Organe nachwachsen - und benutzten mich von Stund an als Dauer-Arsenal für Organe. Ich verbrachte meine Zeit in einem Tank mit Nährlösungen, in einem Zustand zwischen Leben und Tod. Ich konnte nicht sterben, aber da ich keine Luft atmen konnte, durfte ich auch nicht leben. (Siehe das Buch „Der Seher von Yys“ von Wilfried Hary und Alfred Bekker – mit der Vorgeschichte zur Serie GAARSON-GATE - nur 14,90 EURO, dort, wo Sie dieses Heft hier auch her haben!) Bis zu dem Zeitpunkt, als ich hier, in diesem Teil des Universums, zu mir kam. Ich war immer noch auf dem Wissensstand von Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts und mußte feststellen, daß sich während meiner Zeit im Tank einiges verändert hatte. Wäre ich nicht zufällig als Kind und früher Jugendlicher mit Esperanto konfrontiert worden... Ich könnte diese Sprache gar nicht, wie die meisten Menschen in meiner Kindheit und Jugendzeit. Weil sich Esperanto zu seiner Wichtigkeit halt eben erst später entwickelt hat.

Und ich hätte eure wahre Herkunft heute nicht herausfinden können.«

Er lächelte wieder sein entwaffnendes Lächeln.

Die drei Gatereisenden schauten sich an. Wenn sie alles erwartet hätten...

Petro wandte sich wieder an Karl Schmidt. Sie sprachen nach wie vor Esperanto. Der Präsident, James Grant und Karel Kachyna verstanden kein Wort von dem, was sie sagten, denn Esperanto war im Laufe der Zeit im Neuen Imperium völlig verlorengegangen.

»Dann sind Sie sozusagen ein Unsterblicher?«

»Sozusagen!« bestätigte Karl Schmidt.

»Mithin können Sie mehr über das Neue Imperium sagen als sonst irgendwer?«

»Was wollen Sie denn wissen, Petro Galinksi - falls ich die Beschreibungen von James richtig verstanden habe.«

Petro nickte. »Ja, ich bin Petro Galinksi. Und nun meine entscheidende Frage: Wer oder was ist der Gott der Prupper?«

Ein seltsames Irrlichtern entstand in den Augen von Karl Schmidt.

»Es ist eine Frage, die ich nicht so leicht beantworten kann. Darin unterscheide ich mich kaum von den anderen: Sobald ich darüber nachdenken will, irren meine Gedanken ab zu einem anderen Thema, das mich unmittelbarer betrifft.

Wir sind alle irgendwie... darauf programmiert, darüber nicht nachzudenken. Es ist nur ein Begriff, und ich kann Ihnen die Frage eigentlich gar nicht beantworten - eben genauso wenig wie alle anderen.«

»Schade«, sagte Cora und fügte allerdings hinzu: »Dann wissen Sie also nur, daß der sogenannte Pruppergott eine Institution ist - nennen wir es einfach mal so -, die immerhin in der Lage war, Milliarden von Menschen direkt von der Erde über Millionen von Lichtjahre hinweg in diesen Teil des Universums zu entführen, auch noch gleichzeitig auf viele verschiedene Planeten, um diese in Besitz zu nehmen, weil die eigentlichen Prupper diese Welten nach ihrem Krieg aufgegeben hatten?«

»Ja!« antwortete Karl Schmidt ganz einfach auf eine lange Frage.

»Und wenn ich Ihnen jetzt sage...« Cora zögerte. Ihr Blick begegnete den Blicken von John und Petro. Sie hatten keine Einwände. Deshalb hub sie erneut an: »Und wenn ich Ihnen jetzt sage, daß kein Mensch auf der Erde auch nur bemerkt hat, daß gleich Milliarden von Erdenbürgern einfach so im Nichts verschwanden?«

»Das gibt es nicht!« entfuhr es Karl Schmidt.

»Nun, ich sage es Ihnen - und Sie können mir ruhig glauben: Kein Mensch der Erde hat jemals auch nur einen von diesen vielen Milliarden von Menschen vermißt - und meiner Schätzung nach waren es bis zu achtzehn Milliarden Menschen, die hier wie aus dem Nichts auftauchten.«

»Wie bitte?« Karl Schmidt war fassungslos.

John mischte sich ein: »Wir wissen inzwischen, was damals wirklich geschah, Karl Schmidt, und ich kann mir vorstellen, daß es ein Schock sein wird für Sie.«

»Tatsächlich?«

»Ja, Sinjoro Schmidt, mit Sicherheit, denn Sie müssen wissen, daß nach unserer Schätzung sämtliche Menschen der Erde damals hier, in diesem Teil des Universums, auftauchten - quer durch sämtliche Rassen, Nationen und Gesellschaftsschichten, um die Verlorenen Welten des zusammengebrochenen Prupperreiches in Besitz zu nehmen.«

»Und es ist überhaupt niemals aufgefallen!« betonte Petro gnadenlos.

»Das - das würde ja bedeuten...« Karl Schmidt schüttelte fassungslos den Kopf. Er pochte sich gegen die Brust. »Ich - ich bin Karl Schmidt. Ich war achtzehn Jahre alt, als mich diese Schweine..., dieser Professor Eduard Hackenthal und sein Team..., als die mich einfingen wie Schlachtvieh und mich anschließend auszuschlachten begannen. Ich - ich hatte Einfluß auf die verpflanzten Organe, aber nur, wenn ich bei Bewußtsein war. Ich rächte mich an ihm, als er mein Herz sich selbst einpflanzen ließ und ich vorübergehend erwachte...«

(Siehe das Buch „Der Seher von Yys“ von Wilfried Hary und Alfred Bekker – mit der Vorgeschichte zur Serie GAARSON-GATE - nur 14,90 EURO, dort, wo Sie dieses Heft hier auch her haben!)

Er brach ab. Seine Augen waren groß und rund. Er schaute die drei an, als würde er sie erst jetzt wahrnehmen.

»Ich - ich begreife«, stotterte er. »Verdammt, es ist wie mit meinen Organen: Sie wurden entfernt und wuchsen nach. Alle Organe. Mein Herz, meine Lunge, meine Arme und Beine, sogar... Mein ganzer Körper, wenn Sie so wollen. Man hätte eine komplette Kopie von mir herstellen können. Ich habe mich auch immer wieder gefragt, was passieren würde, wenn man sogar mein Gehirn...? Würde dann wirklich ein zweiter Karl Schmidt entstehen, mit denselben Erinnerungen bis zum Zeitpunkt der Operation?«

Er schaute von einem zum anderen. Die drei nickten ihm zu.

Cora sprach es aus. Ihre Stimme klang sanft: »Alle, die hier damals auftauchten und die Verlorenen Welten in Besitz nahmen... sind so etwas wie Kopien der damals auf der Erde lebenden Menschen. So sind auch Sie... eine Art Kopie von dem Karl Schmidt, der vielleicht heute immer noch in seinem Tank vor sich hin dämmert...? Auch wenn Organverpflanzungen schon seit Jahrhunderten verboten sind, jedenfalls offiziell und auf sämtlichen Welten, die jemals von Menschen besiedelt worden waren. Es gibt drastische Strafen gegen alle, die dem zuwider handeln. Trotzdem wird es sicherlich noch eine Dunkelziffer von illegalen Verpflanzungen geben.«

»Möglicherweise gibt es dieses Verbot... meinetwegen?« sagte Karl Schmidt tonlos. »Die haben herausbekommen, daß ich Einfluß auf die Organempfänger nehmen kann, und dachten sich wohl, wenn es einen Karl Schmidt gibt, wird es irgendwann vielleicht einen weiteren geben, der dann die gleichen Probleme macht? Eine Gefahr für die Mächtigen gewissermaßen, und die sicherten sich gegen die Gefahr ab durch Verbot.

Höchstwahrscheinlich kommt niemand mehr in Amt und Würden, ohne daß er genauestens untersucht wird, um herauszufinden, ob er nicht irgendwann ein fremdes Körperteil erhalten hat...«

»So ist es!« bestätigte Cora.

Karl Schmidt schüttelte heftig den Kopf. »Alles Kopien! Unfaßbar! Achtzehn Milliarden Menschenkopien. Alle sprechen eine neue Sprache, gemeinschaftlich. Sie erscheinen gleichzeitig auf vielen verschiedenen Welten, teilweise tausend Lichtjahre und mehr voneinander entfernt... Der Gott der Prupper!«

Er hob den Blick und murmelte fassungslos: »Welch eine Macht hat dieses Wesen!«

»Wenn es sich überhaupt um ein... Wesen handelt«, gab John zu bedenken. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie dies gelingen konnte, und noch weniger vermag ich mir vorzustellen, welches Motiv hinter alledem steckt...« Er deutete auf James Grant. »Wissen Sie denn nicht, daß er als der Gottgeborene gilt? Er ist der einzige Mutant unter den Prupper-Menschen. Er stammt nicht von den damals hier Aufgetauchten ab, sondern wurde vom sogenannten Pruppergott speziell geschaffen, um eines Tages dieses Sonnensystem vor dem Untergang zu bewahren.«

»Er hat so etwas erwähnt, ja, aber ich war viel zu neugierig auf euch drei, um richtig darüber nachdenken zu können, was er wohl damit gemeint hat. So sind wir hier, in dieser Runde, also schon zwei, die unmittelbar als Gottgeborene gelten dürfen...«

Er grinste auf einmal schief, und es war ihm überhaupt nicht mehr anzumerken, welchen Schock er gerade erst erlitten hatte.

»Allerdings unterscheiden wir uns in einem ganz erheblich, James Grant und ich: Ich habe keinerlei PSI-Fähigkeiten mehr - im Gegensatz zu meinem... Original. Ich weiß es aus Erfahrung. Ich habe einmal eine Organverpflanzung zugelassen, freiwillig... Ich wollte herausfinden, ob ich die alten Fähigkeiten noch habe, nämlich Einfluß nehmen auf den Organempfänger... Ich muß sagen: leider nein! Das kann eben nur das Original, nicht die Kopie.« Er schüttelte sich. »Wie das klingt: Kopie!«

»Nun, wie eine Kopie sehen Sie nicht gerade aus - und keiner der anderen Prupper-Menschen, wie wir euch nennen. Ihr lebt wie ganz normale Menschen. Ihr pflanzt euch fort, und so sind inzwischen viele neue Generationen entstanden. Nur wenn ihr sterbt, dann unterscheidet ihr euch gravierend von denen, von denen ihr abstammt...«

Karl Schmidt zuckte unwillkürlich zusammen. Sein Grinsen gefror: »Ihr habt es ebenfalls bemerkt?«

»Ja, zufällig: Wenn ein Menschen-Prupper stirbt und man ihm nahe genug ist, spürt man seine Seele, wie sie entweicht. Sie wundert sich auf einmal - und dann... ist sie nicht mehr wahrnehmbar.«

»Ja!« sagte Karl Schmidt eifrig: »Als würde seine Seele die Wahrheit erkennen, unmittelbar nach dem Tode, um danach...« Er brach ab.

»Ja, was ist danach?«

»Um danach wieder eins zu werden mit ihrem Gott - dem Gott der Prupper!«

Das war es! Die drei Gatereisenden schauten sich betroffen an. Genau diese Erfahrung hatten sie gemacht, und jetzt, da Karl Schmidt es ausgesprochen hatte, wurde es ihnen wieder bewußt: Als sei jeder Menschen-Prupper im Grunde genommen nicht nur einfach eine Menschenkopie aus Fleisch und Blut, sondern vor allem... eine Inkarnation jenes geheimnisvollen Pruppergottes...

Sie schüttelten die Köpfe, wie um einen Alpdruck loszuwerden. Nein, sie konnten nicht länger darüber nachdenken, sonst hatten sie das Gefühl, verrückt zu werden.

7

Sie schauten James Grant an, der sich die ganze Zeit über geduldig im Hintergrund gehalten hatte - genauso wie der Präsident und wie Karel Kachyna, der inzwischen näher gekommen war.

Die drei erkannten, daß das Gespräch zwischen den Gatereisenden und Karl Schmidt beendet war.

Karel Kachyna sagte in der Pruppersprache:

»Bevor noch irgend etwas gesagt wird, muß ich mich endlich bei euch entschuldigen, daß ihr ausgerechnet meinetwegen solches Ungemach bekommen habt!«

»Andererseits...«, sagte Karl Schmidt in der gleichen Sprache jetzt und grinste wieder sein schiefes Grinsen. »Andererseits wären sie ansonsten längst auf und davon - gesprungen mit dem Gaarson-Gate auf irgendeine andere Welt innerhalb des Neuen Imperiums. Und ich hätte die drei womöglich niemals persönlich kennengelernt.« Er nickte James Grant zu. »Du hattest recht mit deiner Annahme.«

James Grant entspannte sich sichtlich. »Eigentlich war es nicht meine Annahme, sondern die Annahme von William Morrow: Die drei sind eher zufällig auf Vetusta gelandet. Dort scheint es noch mindestens ein aktives Gaarson-Gate zu geben - und auf der Ursprungserde gibt es inzwischen ebenfalls welche. Ein Unfall, also irgendwie unbeabsichtigt... Und der Stationscomputer von Vetusta hat die Gelegenheit genutzt, um die drei auszurüsten, ihnen unsere Sprache beizubringen und sie ins Netz zu schicken, damit sie mehr über das Neue Imperium erfuhren.«

Es hatte keinen Sinn mehr, länger zu leugnen. Das mußten die drei Gatereisenden sich eingestehen.

Cora sagte deshalb: »Wobei auf Vetusta gar nicht bekannt ist, daß es so etwas wie das Neue Imperium der Menschen-Prupper überhaupt gibt.«

James Grant grinste jetzt auch wieder. »Und deshalb stehen wir ja auch hier mit euch herum. Ihr drei..., der Herr Präsident hat es euch schon gesagt, daß ihr die größten Helden seid, die das Neue Imperium je gesehen hat, aber was wißt ihr vom Restimperium der Ur-Prupper? Fast gar nichts, also noch weniger jedenfalls als wir. Und es gibt eine neue Strategie...« Er schaute den Präsidenten herausfordernd an.

Swen Seifert reagierte prompt: »Es war eine meiner ersten Handlungen überhaupt, die Militärs wenigstens teilweise zu entmachten, um der Demokratie wieder mehr Einfluß zu gewähren. Dies hat natürlich enge Grenzen, und deshalb wird der Untergrund auch nach wie vor aktiv bleiben. Meine Strategie ist nun jene, Kontakte zu knüpfen mit dem Restimperium. Irgendwann muß das Mißtrauen zwischen den beiden Imperien soweit abgebaut sein, daß eine solche militaristische Macht einfach sich selbst ad absurdum führt.

Dann hat der Untergrund auch keine Basis mehr...

Aber zunächst einmal, bevor dieser letzte, große Schritt getan werden kann: Wir müssen mit den Grauen Pruppern so etwas wie diplomatische Beziehungen aufnehmen, und dafür ist niemand besser geeignet als ihr drei.«

Bevor die drei überhaupt etwas sagen konnten, hakte James Grant ein: »Nicht sofort natürlich. Ihr könnt es euch noch reiflich überlegen, und außerdem werdet ihr nicht allein losgeschickt. Falls Korvan Seibold zum Beispiel nichts dagegen hat... Er wäre bestens für die Reise geeignet. Und es wird auch noch andere geben, die infrage kommen.

Wichtig ist außerdem, daß es inzwischen längst schon Bemühungen von anderen Systemregierungen innerhalb des Neuen Imperiums gibt, die sich dahingehend bemühen. Zum Beispiel Prupper-Erde und Colony, seit bekannt ist, daß die Verantwortlichen für den Großen Krieg, der das unvorstellbar mächtige und große Prupperreich von einst auf einen vergleichsweise kleinen Rest hat schrumpfen lassen, ausgerechnet auf den beiden Hauptmonden von Colony in der Zeitfalle sitzen. Es ist das Angebot auf sozusagen höchster diplomatischer Ebene an die Grauen Prupper des Restimperiums, in dieser Sache gemeinsame Sache zu machen: Gemeinsam will man warten, bis die Grauen Mutanten aus ihrer Zeitfalle auftauchen, um sie dingfest zu machen.«

»Und was ist mit uns? Was sollen wir denn noch machen - wenn es bereits Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene gibt?« erkundigte sich Petro Galinksi mißtrauisch.

»Ihr sollt genau das tun, was ihr die ganze Zeit über sowieso schon getan habt: Von Planet zu Planet springen und Informationen sammeln - gewissermaßen direkt von der Basis her!«

»Das ist nicht dein Ernst!« entfuhr es Cora, und John fügte hinzu: »Wir bestehen darauf, nach Vetusta zurückgesendet zu werden! Unsere Aufgabe ist hiermit erledigt!«

»Ist das wirklich euer Ernst?« fragte James Grant scheinheilig und schürzte die Lippen. »Ich meine, ihr habt eure Aufgabe ja eigentlich erst zur Hälfte erfüllt. Was, glaubt ihr, erwartet euch auf Vetusta? Der Stationscomputer wird euch wieder gefangennehmen, klar, und dann? Was wird er tun? Er wird unzufrieden mit dem Ergebnis sein.

Also wird er euch erneut losschicken, damit ihr mehr in Erfahrung bringt über das Restimperium. Euch drei allein, und - das könnt ihr mir getrost glauben! - eure Möglichkeiten werden dann nicht die gleichen sein, als würdet ihr auf direktem Wege von hier starten!«

»Und dann würdest du vor allem mit dabei sein, stimmt's?« murrte Petro.

»Nein, das werde ich diesmal nicht.« James Grant klopfte sich auf den Bauch. »Ihr wißt ja, mein Gefühl... Das sagt mir, daß ihr Erfolg haben werdet, aber ohne mich. In der Zwischenzeit werde ich etwas anderes tun, und ich weiß auch schon halbwegs was.«

»Das sagt dir bestimmt deine Ahnung, nicht wahr?« schnarrte Petro.

»Genau dieses, mein Lieber: Meine Ahnung sagt mir, daß es da einen gewissen guten Bekannten von mir namens Ted Herold gibt, der bald meine Hilfe benötigt - in einer nicht nur für ihn sehr wichtigen Angelegenheit. Deshalb habe ich nicht länger Zeit für euch, bedaure. Allerdings ist Karl Schmidt hier schon ganz versessen darauf, mit euch zu reisen.«

»Vielleicht darf ich auch mal was dazu sagen?« fragte Korvan Seibold und schaute die drei Gatereisenden von der Seite an. »James Grant hat recht: Es ist besser für euch, wenn ihr kooperiert. Vergeßt nicht, daß Vetusta ein wichtiger Bahnhof war im alten Prupperreich. Die Dschungelwelt wurde aufgegeben. Wir haben noch die Koordinaten von dieser Welt und wissen, daß es sich um einen Dschungelplaneten handelt, aber mit Sicherheit werden die Ur-Prupper mehr Interesse daran haben als wir. Es könnte doch sein, daß eure Möglichkeiten gegenüber dem Stationscomputer größer sind, wenn ihr zunächst einmal dem Restimperium euren Besuch abstatten werdet...«

»Und was ist mit dir, Korvan?« fragte John Millory lauernd.

»Ich würde mit von der Partie sei - nicht nur euretwegen.«

»Dann wären wir ja schon zu fünft«, sagte Cora tonlos.

»Nein, falsch«, meldete sich Professor Karel Kachyna zu Wort: »Ich werde auch mit dabei sein. Zwar bin ich nicht die Sportskanone überhaupt, aber immerhin war ich mit dabei, als die 'Legion der Verlorenen' zusammengestellt wurde, zu der manche auch die 'Legion der Verdammten' sagten. Das wißt ihr ja.

Sonst hätten wir nicht gemeinsam als Legionäre dieses Sonnensystem vor der Vernichtung bewahren können.«

»Zu sechst!« seufzte Cora ergeben.

»Und dann ist noch eine siebte Person mit dabei«, erklärte James Grant mit einem ganz besonders breiten Grinsen. »Ich meine, es wäre ja sonst kein einziger echter Grauer Prupper mit dabei, und das wäre doch eigentlich ein Unding, nicht wahr?«

»Wer?« schnappte Petro, und es klang erbost.

»Ihr kennt sie bereits. Eigentlich ist sie ja die älteste nichtverheiratete Dienerin im Hofstaat von Sossis dem Großen...«

»Das ist nicht wahr!« riefen John und Petro wie aus einem Munde, denn sie erinnerten sich an die unangenehme Szene, als die erwähnte »Dame« sie einmal böse zusammengeschimpft hatte.

Sie schauten sich gegenseitig an, und Petro sprach es aus: »Dieses Reibeisen? Das ist keine Frau, sondern eine Strafe!«

James Grant lachte. »Wie dem auch sei: Sie ist eigentlich die Tochter von Sossis! Daß sie als Dienerin gilt, das liegt an der Gesellschaftsstruktur im Reservat der Grauen Prupper, in dem Frauen nicht viel gelten, wie ihr wißt. Aber sie ist nicht nur einfach die Tochter von Sossis, sondern sie ist überaus intelligent und wird eines Tages das Erbe von Sossis würdig vertreten. Zwar hat sie keine PSI-Fähigkeiten wie ihr Vater, aber dessen genialen Kopf geerbt - und sein Wissen von ihm abbekommen. Eine hochgradige Wissenschaftlerin. Das könnt ihr mir glauben. Damit ist sie geradezu prädestiniert für die Reise.«

»Nur zu«, sagte Cora gut gelaunt. »Wenn sie es wirklich schafft, John und Petro in Schach zu halten, bin ich mächtig gespannt auf sie. Zwar habe ich sie ja auch kennengelernt, aber zu mir war sie immer ausgesucht höflich - um nicht zu sagen freundschaftlich...«

»Ein Komplott!« stöhnte Petro. »John, das sollten wir uns reiflich überlegen: Ein Komplott der Emanzen übelster Art! Sollen wir uns das wirklich antun?«

John schüttelte zwar den Kopf, argumentierte allerdings überraschenderweise: »Du weißt doch, Petro: Was uns nicht tötet, macht uns nur noch härter, und ist es nicht so, daß wir durch besondere Anforderungen nur noch mehr wachsen?«

Petro blies nur dick die Wangen auf und sagte nichts mehr zu diesem Thema.

Auch James Grant wurde jetzt still. Das war kein Wunder, denn seine Gedanken schweiften ab - zu einem Mann namens Ted Herold, der eigentlich auf einer ganz anderen Welt innerhalb des Neuen Imperiums lebte und arbeitete und trotzdem James Grant ganz besonders gut bekannt war...

8

Der Gleiter senkte sich automatisch auf das Dach des Riesengebäudes hinab. Ted Herold beseitigte durch Tastendruck die elektronische Sperre und öffnete die Kabinentür. Ein frischer Morgenwind blies über das Parkdach. Tief sog Ted Herold die kühle Luft in seine Lungen. Sie belebte ihn und trieb den Rest von Schlaf, der sich bis jetzt noch hartnäckig gehalten hatte, aus den Gliedern. Die Kabinentür glitt automatisch ins Schloß, als er sich von dem Fahrzeug entfernte.

Inmitten des Parkdachs erhob sich die Spitze eines Antigravliftes. Ted steuerte darauf zu.

Der Lift wurde durch ein überhängendes Dach vor einfallendem Regen geschützt.

Ted Herold war froh, daß um diese Zeit noch nicht der sonst übliche Betrieb herrschte. Er stellte sich vor den Schacht, der nach unten führte, und gab deutlich die gewünschte Stockwerkzahl an.

Im gleichen Augenblick ergriff ihn das leistungsstarke Feld und riß ihn mit sich.

Die Anlage bestand aus zwei Teilen und wurde von einem Positronengehirn gesteuert. Auf der einen Seite ging es in der Art eines Paternosters nur nach unten und auf der anderen Seite aufwärts. Jeweils wurde nur eine einzige Person von dem Lift transportiert. Allerdings erfolgte alles so schnell, daß niemand lange zu warten brauchte, wenn der Andrang nicht zu groß war.

Ted Herold wurde in Sekundenschnelle auf dem angegebenen Stockwerk abgesetzt. Ohne sich ein einziges Mal umzusehen, machte er sich auf den Weg.

Der Flur erschien endlos. Er glich einer gewaltigen Röhre.

Er war nicht der einzige seiner Art. Ein rundes Dutzend Flure verbanden das gesamte Stockwerk untereinander. Alle endeten sie vor dem Antigravlift, welcher neben dem Notausgang die einzige Verbindung nach draußen darstellte.

Herold kannte sein Ziel. Die unzähligen Türen, die rechts und links des Flures lagen, waren nur durch Nummern sichtbar gemacht. Ansonsten fügten sie sich so perfekt in die glatte Flurwand ein, daß der Eindruck von einer Röhre noch verstärkt wurde.

Vor der Nummer zweihundertdreizehn machte er Halt. Geduldig blieb er vor der geschlossenen Tür stehen.

Er wußte, daß er jetzt von einem unsichtbaren Kontrollsystem abgetastet wurde. Nur wenn diese Untersuchung im Sinne des Erfinders ausfiel, würde sich die Tür automatisch öffnen und ihm Einlaß gewähren.

Sie tat es, und Ted Herold betrat einen hellerleuchteten Raum. Die gegenüberliegende Wand schien nur aus Fenstern zu bestehen. Kein Vorhang verdeckte die Sicht nach draußen.

Aber dieser Eindruck täuschte. In Wirklichkeit befand sich an dieser Stelle eine harte Betonwand. Die Täuschung wurde durch ein wandgroßes, dreidimensionales Bild hervorgerufen, das aus sich heraus leuchtete und dem Raum diese Lichtfülle verlieh.

Ted Herold trat lächelnd auf den wuchtigen Schreibtisch zu, der schräg zu dem Wandbild aufgestellt war.

Ein Mann saß dahinter und schien eifrig beschäftigt zu sein. Er achtete nicht auf seinen Besucher.

Ted Herold kannte die Gewohnheiten seines Chefs. Letzterer ließ sich grundsätzlich bei seiner Arbeit nicht stören.

Ted wählte sich eine der reichlich vorhandenen Sitzgelegenheiten aus und nahm Platz.

Das Warten dauerte nicht so lange, wie er angenommen hatte. Kaum hatte er die Beine übereinander geschlagen, sah Ernest Gronwell auf.

»Es freut mich, Mister Herold, daß wir uns einmal wieder persönlich sehen können«, sagte er freundlich und streckte seine Hand über den Tisch.

Ted Herold sprang auf und ergriff die ihm dargebotene Rechte.

»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte er ehrlich.

Sein Chef öffnete eine kleine, verzierte Truhe und schob sie Ted hin.

»Bitte, wenn Sie rauchen wollen?«

»Danke«, sagte Ted Herold und bediente sich.

Er steckte sich die Zigarette in den Mundwinkel und sog daran. Die Spitze entzündete sich selbständig. Ted Herold setzte sich und rückte einen der Aschenbecher näher.

Ernest Gronwell sah ihn nachdenklich an.

»Sie werden sich wohl gewundert haben, Mister Herold, wieso ich Sie persönlich zu mir gebeten habe. Normalerweise ist es nicht üblich, daß ein Angestellter im Außendienst von mir selbst einen Auftrag erhält. Dazu habe ich andere.«

Ernest Gronwell machte eine Kunstpause. Sein nachdenklicher Blick blieb.

Ted Herold war gefaßt. Er hatte sich gleich denken können, daß etwas nicht stimmte. Eigentlich war immer mit etwas Positivem oder Negativem zu rechnen, wenn der Chef einen persönlich kommen ließ.

Er sog an seiner Zigarette und hielt dem Blick seines Chefs stand.

Dieser erhob sich plötzlich. Er begann, unruhig hin und her zu laufen.

»Sie sind nun schon vierzehn Jahre bei unserem Unternehmen. Im Großen und Ganzen bin ich mit Ihnen zufrieden, Mister Herold. Ich habe Sie also nicht bestellt, um Ihnen eine Abfuhr zu erteilen. Die Gründe liegen tiefer.«

Er blieb abrupt stehen und blickte sich nach Ted Herold um. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.

»Sie wissen, daß das Brot, das wir verdienen, oft kein leichtes ist. Unsere Aufgabe besteht darin, Leute mit kriminellen Veranlagungen durch eine Umformung wieder auf den rechten Weg zu bringen.

Bei einer solchen Umformung wird dem Gehirn das Erinnerungsvermögen genommen und durch einen Kunstgriff ersetzt. Der Vorgang gleicht einem Sterben und der folgenden Wiedergeburt. Der Behandelte lebt fortan in einer Scheinwelt. Seine künstliche Erinnerung läßt ihn zu einem völlig neuen Individuum werden. Aus diesem Grunde ist es verboten, einen Kriminellen zu der Behandlung zu zwingen.

Früher, auf der Ursprungserde, hatte man die Todesstrafe.

Sie wurde bei uns, im Neuen Imperium, endgültig abgeschafft - mit ganz wenigen planetaren Ausnahmen. Dann führte man die Zwangsumformung ein. Sie trat an die Stelle des Galgens, des Henkerbeiles und des elektrischen Stuhles. Auch hier hat man sich rechtzeitig besonnen und die Umformung auf freiwilliger Basis geschaffen.

Sie, Mister Herold, sind im Außendienst tätig. Ihre Aufgabe ist es, gewissen Kriminellen, die zum Teil noch hinter Gittern sitzen, die Vorteile einer Umformung darzulegen.«

Wieder blieb er stehen und fixierte seinen Untergebenen mit einem nachdenklichen Blick.

Ted Herold räusperte sich fast verlegen.

»Mister Gronwell, wenn ich mir einmal eine Frage erlauben darf: Warum erzählen Sie mir das? Hat es etwas mit meinem neuen Auftrag zu tun?«

»Nun, Mister Herold, ich verstehe, daß Sie meinen Ausführungen verständnislos gegenüberstehen. Immerhin sind Sie bereits vierzehn Jahre bei uns tätig und kennen Ihren Beruf gut genug. Aber es war mir sehr wichtig, Ihnen Ihre Aufgaben noch einmal vor Augen zu führen. Sie werden gleich wissen, warum!«

Entschlossen ging er wieder zu seinem Sessel hinter dem Schreibtisch und setzte sich.

»Passen Sie auf, Mister Herold. Sie wurden für einen bestimmten Auftrag ausgewählt. Natürlich erfolgt eine solche Wahl willkürlich und ist nicht an den einzelnen Typ gebunden. Man geht von gewissen Gesichtspunkten aus, wie Entfernung zum Ort des Auftrages, ob der Außendienstangestellte im Moment verfügbar ist und dergleichen mehr.«

Ted Herold bedachte ihn mit einem merkwürdigen Blick. Er konnte das Gefühl nicht loswerden, daß eine Sensation in der Luft lag. Der Chef wollte ihm etwas sagen, zögerte es aber aus irgendeinem Grunde hinaus.

»Mister Herold, kennen Sie eigentlich Ihr Recht, auf einen Auftrag zu verzichten, wenn der Betroffene in irgendeinem Verhältnis zu Ihnen steht?«

Ted Herold richtete sich steif im Sessel auf. Daher wehte also der Wind. Die Sache versprach langsam, interessant zu werden.

»Bis jetzt habe ich von diesem Recht noch nicht Gebrauch machen müssen«, sagte er gedehnt.

»Ich wüßte auch nicht, daß sich in meinem Bekanntenkreis jemand befände, der eine Umformung nötig hätte.«

Ernest Gronwell nickte heftig. »Sehen Sie, Mister Herold, gerade in diesem Punkt irren Sie!«

Ted runzelte die Stirn, sagte aber nichts mehr.

»Wie ich schon sagte: Bei einem Auftrag spielt die Person des Angestellten überhaupt keine Rolle«, fuhr Gronwell fort. »Erst nachdem alles beschlossen war, erfuhr ich von allem - und das auch nur mehr durch Zufall. Nun, noch ist es nicht zu spät. Noch können Sie nein sagen.«

»Um was handelt es sich, Sir?« fragte Ted Herold fest.

Sein Chef trommelte nervös mit den Fingern. Abermals sprang er auf.

»Ich kann nicht willkürlich den Auftrag an jemand anders geben. Sie kennen die Bestimmungen unseres Unternehmens. Der Kriminelle hat den Antrag gestellt. Nach der Vorlage bei uns wurde ein Agent ausgewählt und der Name desselben sofort zurückgeleitet. Erst dann wird der Agent benachrichtigt. Wenn ich jetzt den Auftrag zurückziehe und einen anderen Namen auf die Liste setze, verstoße ich gegen die gesetzliche Regelung. Es besteht die Gefahr, daß das Ereignis einen psychologischen Einfluß auf den Kriminellen hat. Sie wissen, Mister Herold, wie streng die Gesetze in dieser Hinsicht sind.«

Er beugte sich vor und stützte sich mit beiden Armen auf die Tischfläche. »Ich beschwöre Sie, Mister Herold: Lehnen Sie den Auftrag ab! Tun Sie es freiwillig! - Zwingen kann Sie selbstverständlich niemand.«

Ted Herold schüttelte entschieden den Kopf. Die Sache erschien ihm irgendwie unwirklich. Er konnte sich nicht denken, was den Chef aus seiner sonst so berühmten Ruhe brachte.

»Bevor ich den Auftrag ablehnen kann, muß ich erst einmal wissen, worum es sich handelt!«

»Das habe ich erwartet«, sagte Gronwell leise und ließ sich auf seinen Sessel plumpsen.

»Also gut, Sie haben es selbst gewollt. Der Mann, den Sie besuchen sollen, sitzt noch hinter schwedischen Gardinen. Seit genau zwölf Jahren sitzt er dort!«

Die Augen Herolds weiteten sich. Unbeirrt fuhr Gronwell fort: »Der Mann ist der Mörder Ihrer Frau, Mister Herold!«

Jetzt war es heraus.

Ted Herold sprang auf. Die Zigarette fiel ihm aus dem Mundwinkel. Er achtete nicht darauf. Seine Lippen wollten Worte formen, aber es gelang ihm nicht sofort.

9

Herolds Haushaltsautomatik übernahm das Packen, und eine Weile später senkte sich der Gleiter auf den riesigen Parkplatz vor dem Gaarson-Gate-Transporterbahnhof. Die Gleitertür hatte sich kaum geschlossen, da schwebte auch schon eine der automatischen Plattformen heran. Wie von Geisterhänden gepackt, stiegen die Gepäckstücke empor und stellten sich auf den Minitransporter.

Der Gleiter hob selbständig ab und beschleunigte. Das winzige Gehirn im Innern des Fluginstruments würde dafür sorgen, daß er sicher durch den Verkehr kam.

Ted Herold strebte einem der weit offenen Portale zu, die in das Innere des Bahnhofs führten.

Bahnhof war ein etwas übertriebener Ausdruck für ein Gebäude, das die Grundfläche eines großen Flugplatzes bedeckte. Wuchtige Mauern umschlossen den zwanzig Stockwerke hohen Giganten.

Der Service der Einrichtung war perfekt. Nachdem Herold eine der weiträumigen Empfangshallen betreten und einem Empfangsrobot neben seiner Kreditkarte die Informationen über das gewünschte Ziel überlassen hatte, wurde er von einem sanften Transportfeld erfaßt, das ihn sicher zu dem Gaarson-Gate-Transporter geleitete, der in direkter Opposition zu Alpha zwei stand.

Unterwegs dachte Ted Herold daran, daß er genau diesen Weg vor zwölf Jahren schon einmal eingeschlagen hatte.

Damals war er nicht allein mit seinem Gepäck gewesen, das hinter ihm her schwebte. Da hatten ihn seine junge, hübsche Frau und sein kleiner Sohn begleitet.

Zwei Jahre war er schon für Ernest Gronwell tätig gewesen. Der Sommerurlaub war ihm gerade recht gekommen.

Alpha zwei - das war die Heimat seiner jungen Frau Ann. Vor rund zweiundzwanzig Jahren hatte er sie hier auf Delta vier kennengelernt.

Noch im selben Jahr war der Entschluß gefaßt: Sie wollten heiraten und wünschten sich ein Kind.

In der modernen Welt ihrer Heimatplaneten, die im Gegensatz zu den meisten Prupper-Welten nicht eingedenk der Ursprungserde Erde genannt wurden, war das keine Kleinigkeit. Nach dem Standesamt mußten sie zu einem Arzt, der die biologische Sperre beseitigte, die sofort nach der Geburt eines Mädchens eingesetzt wurde, um eine Überbevölkerung zu vermeiden. Sie entschlossen sich für die Geburt außerhalb des Mutterkörpers.

Die meisten Menschen ihrer Heimatwelten wählten diesen Weg. Es wurden die beschwerlichen neun Monate vermieden, die jede Frau früher hinter sich bringen mußte, wenn sie ein Kind haben wollte.

Auch hier allerdings gab es noch Menschen, die den natürlichen Weg vorzogen. Aber sie waren dünn gesät. Niemanden kümmerte es, daß der Großteil der Menschen in Brutkästen heranwuchs.

Nach zwei Jahren konnten sie ihr Kind abholen. Es war ein Sohn, und er befand sich bereits auf der geistigen Stufe eines Fünfjährigen.

Man gewährte ihm eine Schulung, die seiner Aufnahmefähigkeit entsprach. Das war so üblich. Es nützte keinem etwas, wenn man ihm Wissen beibrachte, das er nicht verarbeiten konnte und es aus diesem Grunde schnell wieder vergaß.

Sechs Jahre später war Ted Herold in die Dienste des Gronwellschen Unternehmens getreten.

Ted seufzte. Weiter vorn tauchte der Gaarson-Gate-Gitterkäfig auf, der ihn befördern würde.

Es war genau wie damals, vor zwölf Jahren.

Eine ganze Reisegesellschaft hatte Alpha zwei zum Ziel gehabt. Da ein Gaarson-Gate-Käfig dieser Norm nur höchstens fünfzehn Personen faßte, mußte der Rest warten, bis die Automatenstimme zum Eintreten aufforderte.

Ted Herold, seine Frau Ann und sein Sohn Bob waren die letzten. Sie warteten, bis die gesamte Reisegesellschaft abgereist war.

Beim letzten Schub geschah es dann: Genau dreizehn Leute von der Reisegesellschaft waren noch übrig. Ted wollte warten, bis auch diese komplett abgereist waren, um nicht von seiner Familie getrennt zu werden. Aber der Automat war anderer Meinung. Er forderte noch zwei weitere Personen auf, den Gaarson-Gate-Gitterkäfig zu betreten.

Nun, sie waren zu dritt. Außer ihnen war niemand mehr da. Ted wollte seiner Frau den Vortritt geben, wollte aber auch nicht seinen Sohn allein zurücklassen. So ließ er sie beide reisen und beschloß, zu warten. Ein Gaarson-Gate-Transportersprung mit Wartezeit (um im Empfangsgate genügend Zeit zum Verlassen einzuräumen) dauerte gewöhnlich nicht länger als fünf Minuten.

»Bitte eintreten!« plärrte die Automatenstimme. Die breiten Gitter öffneten sich wie die Tür eines altmodischen Fahrstuhls. Dahinter war die Öffnung der Gitterpyramide. Ted Herold schreckte aus seinen Gedanken hoch. Er zögerte. Im Moment schien nicht viel Reiseverkehr in Richtung Alpha zwei zu herrschen.

Falls der Verkehr für Stunden, Tage oder gar noch länger abflaute, konnte der entsprechende Gaarson-Gate-Transporter durch geringfügige Normverschiebung auf ein zweites Ziel umgeschaltet werden, um einen anderen Reisestrom zu entlasten.

Damals waren ganze sechs Leute noch hinzu gekommen und mit Ted eingetreten, nachdem sich wieder die Gitter geöffnet hatten. Er war ruhig gewesen. Wer Angst vor der Gaarson-Gate-Transportertechnik hatte, der konnte sowieso gleich zu Hause bleiben.

Weitere acht Leute betraten damals nacheinander die Gitterkabine. Endlich war die Zahl fünfzehn erreicht.

Aber die Tür schloß sich nicht. Kein in allen Farben fluoreszierendes Feld baute sich um die Menschen in dem Gaarson-Gate-Transporter auf. Alles blieb tot.

Sie warteten geduldig. Erst als fast weitere fünf Minuten vergangen waren und vor der Tür auch noch andere Leute standen, die nach Alpha zwei wollten, wurden sie unruhig. Was war geschehen?

Ein beklemmendes Gefühl kam damals in Ted Herold auf und erinnerte ihn an seine Familie. Hatte der letzte Transport nicht geklappt, und wurde der jetzige deshalb verzögert?

Die Automatenstimme hatte die Reisenden zu beruhigen versucht: »Bitte, meine Herrschaften, gedulden Sie sich noch ein paar Minuten. Der Transport wird gleich erfolgen. Nach der letzten Ankunft auf Alpha zwei hat es einen Zwischenfall gegeben. Über ein Kurier-Gate erreichte uns die Meldung. Es dauert nicht mehr lange.«

Ted Herold war der kalte Schweiß ausgebrochen. Er mußte immer und immer wieder an seine Familie denken. Irgendein seltsames Gefühl sagte ihm, daß der Zwischenfall direkt mit Ann und Bob etwas zu tun hatte.

Endlich baute sich das Energiefeld auf und neutralisierte das Innere der Pyramide. Aber das merkte niemand. Außer dem Aufzucken des FluoreszenzFeldes war nichts zu bemerken. Danach hatte sich scheinbar nichts verändert. Denn das Empfangsgate entsprach derselben Norm, ohne die geringsten Abweichungen. Sonst hätte es keinen Empfang geben können.

Ted Herold spürte sofort, daß etwas Schlimmes geschehen sein mußte. Die Reisenden, die beim vorangegangenen Schub dabei gewesen waren, hatten sich nicht in alle Winde verstreut. Sie standen vor der Gittertür und wurden - bewacht. Nein, daran gab es keinen Zweifel. Die Reihe der Kampfroboter mit gezückten Lähmstrahlern sprach für sich.

Mit klopfendem Herzen verließ Ted Herold seinerzeit den Gaarson-Gate-Transporter. Ann, Bob - wo waren sie?

Er zählte die Reisenden ab: dreizehn. Er konnte das Zählen so oft wiederholen, wie er wollte - die Zahl blieb unwiderruflich.

Er schrie auf, wollte durch die Reihen der Kampfroboter rennen. Irgend jemand hatte ihn aufgehalten, wohl ein Angestellter.

»Sind Sie Mister Herold?« fragte er.

Ted Herold nickte nur.

»Bitte, kommen Sie mit. Zeigen Sie mir Ihr Gepäck.«

Wortlos war er gefolgt. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. Den Begriff Zeit hatte er verloren.

Dann stand er vor einer Bahre. Ein weißes Tuch bedeckte die Konturen eines Menschen - einer Frau.

»Ist das Ihre Frau?« hämmerten die Worte eines Beamten auf ihn ein.

Wie betäubt beugte er sich nach vorn. Das Tuch lüftete sich langsam.

Ein Kopf kam zum Vorschein - der Kopf eines Menschen, den die Randstrahlen eines Blasters getroffen hatten.

Der eigentliche Schuß lag tiefer. Die Hüfte war verkohlt. ausgeglüht. Der Körper war in zwei Hälften getrennt.

Ted Herold schluchzte wie ein Kind. Es war seine Frau; es war Ann!

Da war das liebliche Gesicht, die zierliche Nase. Alles war trotz der versengten Haut noch deutlich zu erkennen.

Mitten im Schmerz tauchte in seinem Gehirn ein neuer Gedanke auf: Bob! Wo war er? War er auch tot?

»Er ist verschwunden«, sagte eine Stimme. Sie hatte wohl freundlich und mitleidig klingen sollen, aber die Bedeutung dieser Worte war von brutaler Härte.

Ted Herold war zusammengebrochen. Seine Nerven hatten versagt. Der Verlust seiner Familie war fast gleichzusetzen mit dem Verlust seiner Selbst.

»Bitte eintreten«, wiederholte die Automatenstimme. Ted Herold schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab und betrat die Gitterpyramide des Gaarson-Gate-Transporters.

Sie waren diesmal kaum ein Dutzend Leute. Da keine weiteren Reisenden in Richtung Alpha zwei in Aussicht waren, schloß das Computersystem die Gittertür und begann das Feld aufzubauen.

Die Welt versank für einen Sekundenbruchteil in einem farbigen Fluoreszieren.

Dann war es vorbei. Damals hatten ihn Grauen und unendliches Leid empfangen. Jetzt schien alles in Ordnung zu sein.

Mit dem Strom der Reisenden ließ sich Ted Herold nach draußen treiben. Sofort packte sie ein Transportfeld.

Ohne daß Ted es wollte, zählte er die Passagiere ab. Auch damals hatte er es getan. Heute schien es sinnlos. Vielleicht tat er es nur aus Langeweile oder um die tristen Gedanken los zu werden?